Behinderung als demokratische Konstruktion. Zum objektiven Sinn und ‚cultutral impact‘ der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Autor/innen

  • Hendrik Trescher

Schlagwörter:

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Behinderung, Partizipation, Teilhabe, Demokratie, internationale Beziehungen, Vereinte Nationen, Cultural Impact, Respekt, latente Sinnstrukturen, objektiver Sinn

Abstract

Der vorliegende Beitrag führt eine kritische Auseinandersetzung mit der 2008 in Kraft getretenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dabei wird der Blick von der oberflächlichen Rezeption des manifesten Inhalts auf die latenten Bedeutungsstrukturen des ‚Textes‘ verlagert und unter anderem den Fragen nachgegangen, welche objektive Konstruktion von Behinderung der Konvention zugrunde liegt und inwiefern diese in Relation mit einem ‚demokratischen Grundverständnis‘ steht. Entgegen des verbreiteten Meinungsbildes kommt der Autor zu dem Schluss, dass innerhalb der UN-Konvention ein demokratiespezifisches Bild von Behinderung vorherrscht, das mittels der weltweiten Sendungskraft der UN global verbreitet und im Zuge der Ratifizierung durchgesetzt wird. Das implizite Bestreben zur transnationalen Etablierung eines westlich-demokratisch geprägten Behinderungsbegriffs geht einher mit einer mehr oder minder indirekten Aufforderung zur Demokratisierung nicht-demokratischer Länder, sodass die Ratifizierung der Konvention durch nicht-demokratische Länder auch einen ‚cultural impact‘ mit sich bringt. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen lässt sich demnach auch als kulturimperialistisch anmutender Akt bezeichnen.

Autor/innen-Biografie

  • Hendrik Trescher
    Dr. phil., Dipl.-Päd., Dipl.-Soz., ist Vertretungsprofessor am Institut für Sonderpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Pädagogik bei kognitiven Beeinträchtigungen (‚geistige Behinderung‘; ‚Demenz‘), Methoden qualitativer Sozialforschung, sowie sozialwissenschaftliche Grundlagen der (Sonder-) Pädagogik, hierbei beschäftigt er sich insbesondere mit institutionssoziologischer Grundlagenforschung und Fragen der Subjektgenese im Kontext von ‚Behinderung‘. Zurzeit arbeitet er an seinem Habilitationsprojekt: ‚Freizeit als Fenster zur Inklusion. Konstruktionen von Teilhabe und Ausschluss für erwachsene, institutionalisiert lebende Menschen mit geistiger Behinderung‘.

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Veröffentlicht

21.01.2014

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Zitationsvorschlag

Trescher, H. (2014). Behinderung als demokratische Konstruktion. Zum objektiven Sinn und ‚cultutral impact‘ der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Zeitschrift für Inklusion, 4. https://inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/195