Call for Papers für die Ausgabe 01 / 2024 - Körper und Raum im Kontext von Bildung
Entlang des Verhältnisses von Körpern und Räumen werden in allen gesellschaftlichen Teilbereichen – auch im Kontext von Bildungsorganisationen – Positionierungen vorgenommen, die über Ein- und Ausschluss entscheiden bzw. diesen herstellen.
Seit dem so genannten spatial turn Ende der 1980er Jahre sind relationale Verschränkungen von physischem und sozialem Raum ins Zentrum der humangeographischen Debatte gerückt und werden auch zunehmend im erziehungswissenschaftlichen Diskurs wahrgenommen. So kann eine Raum-Praxis als habitualisierte soziale Praxis verstanden werden, die sowohl durch physisch-materielle Grundgegebenheiten präformiert ist und zugleich durch Handlungen im sozialen Raum den physischen Raum mit hervorbringt. Gerade durch die Wiederentdeckung der Materialität von Raum wurden seit Anfang der 1990er Jahre im Zusammenhang mit dem corporeal turn, somatic turn und body turn (Gugutzer 2006) auch Körper stärker ins Zentrum gerückt, nachdem die Bedeutung des Körpers und körperlich-praktischer Tätigkeiten (Kalthoff et al. 2015, 9) im Rahmen von Bildungstheorien lange Zeit wenig Beachtung gefunden hatte (Müller 1998). Körper können als soziales Phänomen erachtet werden, das in gesellschaftlichen Zusammenhängen „unweigerlich vergeschlechtlicht, sozial klassifiziert, ethnisch und kulturell codiert sowie Normalitäts- und Ästhetikdiskursen unterworfen wird“ (Bruner 2005, 33). So werden Körper z.B. unter den Vorzeichen schulischer Bedingungen und darin enthaltener Differenzsetzungen (überwiegend ableistisch und funktional) entworfen. Diese Behandlungen und Erwartungen schreiben sich in den Körper als primäre Quelle des Wissenserwerbs ein (Merleau-Ponty 1966). Raum richtet dabei ‚stumme Gebote an den Körper‘ und wird gleichzeitig von ihm erschlossen (Schroer 2003). So können z.B. im schulischen Kontext Körper dahingehend betrachtet werden, wie sie eine raum-zeitliche Verkörperung einer sozialen Praxis wiedergeben, oder etwa im didaktischen Zusammenhang des Zeigens „als Verfahren visueller Evidenzerzeugung“ (Hirschauer 2008, 982).
Die Zeitschrift Inklusion-Online plant, in der Ausgabe 1 / 2024 mittels Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen Verhältnisse von Raum und Körper in den Blick zu nehmen und in Bezug auf Ein- und Ausschlussprozesse im Kontext von Bildung zu ergründen. Willkommen sind dabei inter- und transdisziplinäre Beiträge, die sich, z.B. entlang von Diskursen des New Materialism, der Critical Disability Studies, praxistheoretischen, wissenssoziologisch-diskurstheoretischen oder auch leibphänomenologischen Perspektiven bewegen und darin aktuelle theoretische wie empirische Schlaglichter auf Prozesse von Ein- und Ausschluss richten.
Bitte reichen Sie Ihre Beiträge bis spätestens 15.08.2023 ein.
Informationen zur Zeitschrift Inklusion-Online sowie die Manuskriptrichtlinien finden Sie unter
https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/about/submissions#authorGuidelines
Einreichungen bitte nur über die Internet-Plattform
Literatur:
Bruner, Claudia F. (2005): Körper und Behinderung im Diskurs. Empirisch fundierte Anmerkungen zu einem kulturwissenschaftlichen Verständnis der Disability Studies. In: Psychologie und Gesellschaftskritik, 29, H. 1, 33-53.
Gugutzer, Robert (2006) (Hrsg.). Body turn. Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports. Bielefeld: transcript.
Hirschauer, Stefan (2008). Körper macht Wissen: für eine Somatisierung des Wissensbegriffs. In Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.): Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2 (974-984). Frankfurt am Main: Campus.
Kalthoff, Herbert, Rieger-Ladich, Markus, & Thomas Alkemeyer (2015): Bildungspraxis — eine Einleitung. In: Alkemeyer, Thomas, Kalthoff, Herbert, & Markus Rieger-Ladich (Hrsg.) Bildungspraxis: Körper - Räume - Objekte (9-33). Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
Merleau-Ponty, Maurice (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin: Walter de Gruyter & co.
Müller, Hans Rüdiger (1998). Ästhesiologie der Bildung: Bildungstheoretische Rückblicke auf die Anthropologie der Sinne im 18. Jahrhundert. Würzburg: Königshauses & Neumann.
Schroer, Markus (2003): Körper und Raum – Grenzverläufe. In: Leviathan 31, 401-416.