Psychiatrien als temporäre Übergangsorte für besonders vulnerable Subjekte einer inklusiven und exklusiven Gesellschaft.
Wider inklusive Dekategorisierungsbemühungen: Plädoyer für die Notwendigkeit wissenschaftlicher Begrifflichkeiten im Inklusionsdiskurs
Abstract
Zu kritisieren wird in Deutschland das weltweit wohl am besten und größten ausgebaute Versorgungsnetz durch (Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenen-) Psychiatrien sein. Dagegen wäre ein Ausbau ambulanter Versorgungsangebote indiziert, beispielsweise tagesklinische Strukturen, die Übergänge in den Alltag einleiten. Destotrotz appelliert dieser Beitrag für den Erhalt wissenschaftlicher und juristischer Termini (z.B. psychische Krankheit, Verhaltensstörung, Verhaltensauffälligkeit), von Diagnosen und des Förderbedarfs emotionale und soziale Entwicklung, ausgehend von einem Verständnis der Menschenwürde als Wertfundament der Psychiatrie. Damit verbunden geht die These einher, dass auch in einem realen - sich als inklusiv verstehenden- Gesellschaftssystem Psychiatrien als Übergangsorte zwischen Institutionen erhalten bleiben sollten. Eine Psychiatrie, beschreibt man sie auch als Ort der Exklusion, ist nicht per se ein sogenannter „schlechter“ Ort. Systematisch ist einer Inklusion Exklusion nicht vorzuziehen. Beide stellen Macht- und Regierungspraktiken mit einem jeweils spezifischen Zugriff auf das vulnerable Subjekt dar. Bevor die Frage der Psychiatrie als Ort der Exklusion und Inklusion erörtert werden kann, sollten - mit einem Fokus auf die Würde des Menschen - philosophische und ethische Fragestellungen in Hinblick auf die Psychiatrie in ihrer Funktion der Rehabilitation sozialer und gesellschaftlicher Teilhabefähigkeiten grundlegend geklärt werden. Einen solchen Grundlagenbeitrag möchte der vorliegende Artikel darstellen.