Nina Bohlmann, Stefan Meier & Sebastian Ruin:Wirklich so unterschiedlich? Ein Vergleich der Zugänge zu Inklusion in der Sport- und Mathematikdidaktik

Abstract: Der Beitrag nimmt einen Vergleich der Zugänge zu Inklusion zweier Fächer vor, die auf den ersten Blick relativ unterschiedlich beschrieben werden können. Während Mathematik häufig als überwiegend kognitives Fach angesehen wird, sticht Sport dem gegenüber vor allem durch einen Körper- und Handlungsbezug hervor. Zudem wird dem Sportunterricht eine besondere Emotionalität zugeschrieben, während mit Mathematikunterricht eher logisches Denken und spezifische Rationalitätsformen assoziiert werden. Vor dem Hintergrund des gemeinsam verfolgten schulischen Bildungsauftrags, mit einem besonderen Fokus auf dem Bestreben einer Weiterentwicklung inklusiven Unterrichts, werden die aktuellen Diskurse beider Fächer im Hinblick auf Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten untersucht. Hierzu werden die fachlichen Kontexte beider Fächer zunächst einzeln beleuchtet und mit Blick auf um fachkulturelles Selbstverständnis, verfolgte fachliche Bildungs- und Erziehungsziele sowie fachdidaktisch-konzeptionelle Rahmungen verglichen. Auf dieser Grundlage wird herausgestellt, worin je die Besonderheiten inklusiven Sport- und Mathematikunterrichts gesehen werden sowie welche konzeptionellen Ansätze von inklusivem Unterricht (einschließlich didaktischer Implikationen) sich im jeweiligen fachdidaktischen Diskurs nachzeichnen lassen. Ausgehend von einem Vergleich der Zugänge zu Inklusion beider Fächer werden abschließend Implikationen und neue Perspektiven skizziert.

Stichworte: inklusiver Mathematikunterricht, inklusiver Sportunterricht, Mathematikdidaktik, Sportdidaktik, Inklusion, inklusive Fachdidaktik

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Fachlicher Kontext: Fachkultur und Bildungsziele
  3. Zugang zu Inklusion
  4. Implikationen und (neue) Perspektiven
  5. Literatur

1. Einleitung

Bäte man eine größere Anzahl an Personen, zwei möglichst unterschiedliche Schulfächer zu benennen, wäre es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Kombination Sport und Mathematik bei den am häufigsten angeführten Kombinationen dabei wäre. Schließlich können diese beiden Fächer in mehrerlei Hinsicht als beinahe gegensätzlich beschrieben werden – um es bewusst zu pointieren: Während Mathematik als überwiegend geistiges Fach gilt, sticht Sport vor allem durch einen Körper- und Handlungsbezug aus dem Kanon der schulischen Fächer hervor. Eng damit verknüpft wird mit Sportunterricht vielfach eine besondere Emotionalität assoziiert, wohingegen im Mathematikunterricht ausdrücklich eine Akzentuierung logischen Denkens und damit spezifischer Rationalitätsformen gesehen wird. Zudem kommt dem Fach Sport als sogenanntes „Nebenfach“ im Hinblick auf schulische Bildung eine vermeintlich geringere Bedeutung zu als dem „Hauptfach“ Mathematik.
Wenngleich sich bei näherer Betrachtung manche dieser exemplarisch knapp skizzierten Gegensätze als weniger gravierend entpuppen mögen, als sie auf den ersten Blick erscheinen, so wohnt der (scheinbaren) Unterschiedlichkeit der beiden Fächer aus unserer Sicht auch ein impliziter Aufforderungscharakter inne. Gerade weil die Fächer so verschieden anmuten, kann es als vielversprechend und notwendig aufgefasst werden, dass Fachvertreter:innen und -didaktiker:innen bzgl. des gemeinsam verfolgten schulischen Bildungsauftrags und hierbei vor allem hinsichtlich wichtiger Querschnittsaufgaben miteinander in einen Dialog treten. Wenn es geteilte Ziele und Aufgaben gibt, so ist schließlich auszuloten, wie man diese gemeinsam angehen kann und wo dabei jeweils ein spezifischer Beitrag des Fachs liegen könnte. Als eine zentrale Querschnittsaufgabe, mit der sich schulische Bildungssettings gegenwärtig konfrontiert sehen, kann zweifellos angeführt werden, dass zu klären ist, wie schulische Inklusion gewährleistet und im Fachunterricht realisiert werden kann. Diese soll – entsprechend der Ausrichtung dieses Themenhefts – auch im vorliegenden Beitrag ins Zentrum der Diskussion gerückt werden. Somit prägt die grundsätzliche Hinwendung zu einem Dialog zwischen den Fächern (Sport und Mathematik) mit einem Fokus auf der Inklusionsthematik als gemeinsame Aufgabe die nachfolgenden Ausführungen, wobei neben den Unterschieden auch die Gemeinsamkeiten beider Fächer in den Blick genommen werden.[1] Dabei wenden wir uns zum einen an Fach- und Fachdidaktikvertreter:innen aus Sport und Mathematik, hoffen zum anderen aber auch darüber hinaus interessierte Leser:innen anzuregen, die eigene Fachdidaktik und eigene Vorannahmen zu prüfen und zu reflektieren.
Bevor wir uns dabei der Frage widmen, wie inklusiver Sport- und Mathematikunterricht aussehen können und wie sich die aktuellen Diskurse dazu gestalten, wird zunächst der fachliche Kontext beider Schulfächer beleuchtet – gewissermaßen als Ausgangslage zur Diskussion von Konzepten inklusiven Sport- und Mathematikunterrichts (Kap. 2). So erscheint es uns zunächst angeraten, zu skizzieren, aus welchem Verständnis von Sport- bzw. Mathematikunterricht heraus wir argumentieren und was wir dabei jeweils unter inklusivem Sport- bzw. Mathematikunterricht verstehen. Vor allen Dingen betrifft dies Fragen des jeweils fachkulturellen Selbstverständnisses, nach verfolgten fachlichen Bildungs- und Erziehungszielen sowie einer entsprechend darauf basierenden fachdidaktisch-konzeptionellen Rahmung in Sport (Kap. 2.1) und Mathematik (Kap. 2.2) bzw. daran jeweils anschließenden Vorstellungen von inklusivem Fachunterricht. Um Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen, werden die fachlichen Kontexte beider Fächer im Anschluss daran einem ersten Vergleich unterzogen (Kap. 2.3). Auf dieser Grundlage wird im Folgenden herausgestellt, worin die Besonderheit inklusiven Sport- bzw. Mathematikunterrichts jeweils gesehen wird und inwiefern dieser nicht inklusivem Unterricht ähnelt bzw. sich hiervon möglicherweise auch unterscheidet. Dabei stehen im Fokus der Betrachtung die Entwicklung konzeptioneller Ansätze sowie (didaktische) Implikationen von inklusivem Unterricht im jeweiligen fachdidaktischen Diskurs. Hierbei wird analog zum vorigen Kapitel zunächst auf inklusiven Sportunterricht (Kap. 3.1) und dann auf inklusiven Mathematikunterricht (Kap. 3.2) eingegangen, bevor anschließend ein Vergleich gezogen wird (Kap. 3.3). Abschließend werden Implikationen und neue Perspektiven, die sich aus dem Fachvergleich ergeben, skizziert (Kap.4).

2. Fachlicher Kontext: Fachkultur und Bildungsziele

2.1 Fachdidaktisch-fachkulturelles Selbstverständnis im Fach Sport
In der Sportpädagogik gilt eine Orientierung an einem klassischen Bildungs- und Erziehungsverständnis weitgehend als konsensfähig (u. a. Grupe & Krüger, 2007; Prohl, 2010; Stibbe, 2016). Dabei wird von einer grundsätzlichen Erziehungsbedürftigkeit aller jungen Menschen ausgegangen, die in Erziehungs- und Bildungsprozessen zunehmend in Mündigkeit zu überführen sind.[2] Erziehende Maßnahmen zielen in diesem Verständnis darauf, Kinder bzw. Heranwachsende an „uneinsichtigem Handeln“ zu hindern und einen selbstständigen Zugang zu bzw. Umgang mit sich und der Welt anzubahnen (Benner, 2015, S. 222). Erziehung wird entsprechend als verantwortungsvolle, fremd gesetzte Einwirkung auf die Entwicklung Heranwachsender verstanden, an deren Ende Bildung steht (Benner, 2015), wobei sich Bildung der Verfügbarkeit entzieht (Meinberg, 1984, S. 54ff).
Eine Besonderheit des Fachs Sport liegt nun in dem dort vorherrschenden unmittelbaren Körper- und Handlungsbezug. Wird Bildung in allgemeinpädagogischen Diskussionszusammenhängen oftmals im Sinne geistiger Vervollkommnung aufgefasst (Kurz, 2003), rücken diesbezüglich in sportpädagogischen Zusammenhängen explizit körperlich-leibliche Aspekte des Menschseins ins pädagogische Bewusstsein. Prominent werden dabei sechs pädagogische Handlungsorientierungen diskutiert, mit denen jeweils unterschiedliche Erziehungs- und Bildungsziele einhergehen (Ruin & Stibbe, 2020, S. 10ff): Eine Körper- und Bewegungserziehung, die über Welt- und Selbsterfahrung auf ein Bewusstsein für das eigene körperliche Zur-Welt-Sein abzielt (u. a. Meinberg, 2011, S. 110); eine Leistungserziehung, mit der Leisten und Leistung als konstitutive Momente des Sports in den pädagogischen Fokus rücken (u. a. Krüger, 2019, S. 361ff); eine Ästhetische Erziehung, die in expliziter Akzentuierung der Sinne bzw. Sinnlichkeit auf „den gesamten Bereich menschlicher Erkenntnis und Erfahrungsmöglichkeiten“ (Beckers, 1985, S. 383) zielt; eine Sozialerziehung, bei der Sport vor allem als ein Feld gesehen wird, in dem soziales Handeln leibhaftig erfahrbar wird (u. a. Pühse, 2001); eine Gesundheitserziehung, in der die individuelle Gesundheit und deren Zusammenhang mit Sport- und Bewegungsaktivitäten ins pädagogische Blickfeld rückt (Balz, 2013), sowie eine Spielerziehung, die sich jenem Feld zwecklosen aber freudvollen Tuns widmet, in dem Menschen experimentieren und lernen können, spannungsreiche Situationen zu bestehen (u. a. Grupe, 1984).
In dieser konzeptionellen Vielfalt kann der erziehende Sportunterricht – wenngleich in mitunter divergierenden Auslegungen – etwa seit der Jahrtausendwende als das am breitesten vertretene fachdidaktische Konzept im deutschsprachigen Raum benannt werden (Stibbe, 2013, S. 35ff). Ein erziehender Sportunterricht hat ausgehend von der Curriculumrevision in Nordrhein-Westfalen um die Jahrtausendwende Einzug in nahezu alle bundesdeutschen Lehrpläne sowie auch in jene weiterer europäischer Länder gehalten (Stibbe, 2020). Als zentrales Charakteristikum fungiert dabei der sogenannte Doppelauftrag des Schulsports, in dem einerseits Ansätze herangezogen werden, die von der Leiblichkeit des Menschen und dessen Bewegung ausgehen und diesen Teil menschlicher Existenz als „Medium“ von Erziehungs- und Bildungsprozessen stark machen, und andererseits zugleich vom Sport als einem bedeutsamen Ausschnitt gesellschaftlicher Lebenswirklichkeit ausgegangen wird, auf den das Fach vorzubereiten habe. Zur didaktischen Konkretisierung dieses doppelten Auftrags wird insbesondere das Prinzip der Mehrperspektivität bzgl. des Handelns im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport stark gemacht und es werden verschiedene pädagogische Perspektiven herangezogen, die jeweils bestimmte Erfahrungs- und Bildungspotenziale des Sports pointieren (Stibbe, 2013, S. 37).
Neben diesen fachdidaktischen Aspekten lässt sich dem Unterrichtsfach Sport auch in fachkultureller Hinsicht ein besonderes fachliches Selbstverständnis zuschreiben. So wird beispielsweise aus einer biographischen Perspektive argumentiert, dass Sportlehramtsstudierende mit der Aufnahme des Studiums „alles andere als ein ‚unbeschriebenes Blatt’“ (Volkmann, 2008, S. 14) seien. So bringen diese verhältnismäßig ausgeprägte eigene – zumeist handlungspraktische – Erfahrungshorizonte in die Lehrer:innenbildung mit ein (Ernst, 2014; Meier, 2015; Volkmann, 2008). Geprägt sind die Konturen mitgebrachter Erfahrungen vielfach von einer vereinssportlichen Vergangenheit und damit einer sportspezifischen Sozialisation im außerschulischen (Wettkampf-)Sport (Meier, 2015, S. 137). Zudem zeigt sich eine intensive Verwobenheit mit der Sache Sport: „Die vorhandene emotionale Bindung an den Sport und die positiven Gedanken, die mit Sport assoziiert werden – wie Freizeit, Abwechslung, Erlebnis, Spannung, Fitness und Erfolg –, spielen sich in die Erwartungen an das Studium ein“ (Bräutigam, 2003, S. 12). Entsprechend ist in der Sportlehrer:innenbildung in hohem Maße mit wohl konturierten Erfahrungen zu rechnen, die sich bis in die Erwartungen an das Studium selbst ‚einschreiben‘ und auch darüber hinaus reichen. So ist das beispielsweise der Fall, wenn die biographisch geprägten Erfahrungen Einfluss auf die Ausgestaltung des Unterrichts nehmen und sich Sportlehrkräfte als Sportler:in inszenieren (Ernst, 2018; Klinge, 2019; Volkmann, 2008, 2018). Dies geht bisweilen so weit, dass die Demonstration eigener sportlicher Praxis als „Wunderwaffe“ (Ernst, 2014, S. 72) für Sportunterricht und damit pädagogische Praxis bzw. für ein fachliches Selbstverständnis aufgefasst wird.
Vor diesem Hintergrund wird seit Jahrzehnten auch im Hinblick auf die Bemühungen um Inklusion dafür geworben, sich mit der ‚Mache‘ von Sport auseinanderzusetzen (Ehni, 1977, S. 109), denn „[b]ereits ‚gelernt’ und verinnerlicht zu haben, wie (vermeintlich) richtiger Sport zu sein hat, kann aus einer professionalisierungstheoretischen Perspektive eher als Problem denn als Ressource verhandelt werden“ (Volkmann, 2018, S. 111).
2.2 Fachdidaktisch-fachkulturelles Selbstverständnis im Fach Mathematik

Wie jedes andere Schulfach auch sind mathematische Bildung und ihre Realisierung in der Grundschule als Resultat gesellschaftlicher Entwicklungen sowie politisch-ökonomischer Rahmenbedingungen anzusehen. Ebenso wie sich die Gesellschaft konstant verändert, sind somit auch Fachkultur, Selbstverständnis, Bildungsziele und Rahmenbedingungen stets als im Wandel zu begreifen. In Abhängigkeit von diesen Entwicklungen und Rahmenbedingungen haben sich im Laufe der Zeit verschiedene normative Vorstellungen von ‚gutem‘ Mathematikunterricht und von zentralen Aspekten des Mathematiklernens herausgebildet, von denen einige auch heute (noch oder wieder) relevant sind. Die Bildungsziele des Mathematikunterrichts lassen sich dabei bereits aus den zentralen gesellschaftlichen Funktionen der Mathematik ableiten. Stark zusammengefasst soll im Anschluss an Winter (1995) Mathematikunterricht sogenannte Grunderfahrungen ermöglichen. Dies meint die Erschließung der Umwelt mit mathematischen Mitteln, das Erkennen und Begreifen typischer innermathematischer Charakteristika sowie die Entwicklung von Problemlösefähigkeiten, die auch über die Beschäftigung mit Mathematik hinausgehen (Bohlmann & Dexel, 2022).
Etwas konkreter, aber immer noch recht allgemein gehalten, lassen sich aktuelle Bildungsziele den deutschlandweit verbindlichen Bildungsstandards entnehmen, die die Grundlage der Lehrpläne vieler Bundesländer darstellen. Obwohl sich die Bildungsstandards für die Primarstufe, den mittleren Schulabschluss und das Abitur in ihrer konkreten Ausgestaltung unterscheiden, wohnt ihnen dennoch eine gemeinsame Konzeption inne, die zunächst in der Unterteilung in prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzen deutlich wird. In diesen beiden Bereichen zeigen sich weitere Parallelitäten, die sich als derzeit anerkannte Bildungsziele des Mathematikunterrichts bezeichnen lassen. Zu den prozessbezogenen Kompetenzen (auch allgemein mathematische Kompetenzen genannt) gehören Problemlösen, Kommunizieren, Argumentieren, Modellieren, Darstellen von Mathematik sowie der Umgang mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik.[3] Diese Kompetenzen sollen in der Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten erworben werden, welche jedoch nicht in die klassischen mathematischen Teilgebiete unterteilt sind, sondern in sogenannte Leitideen, die Inhalte verschiedener mathematischer Sachgebiete vereinigen und die verschiedenen Klassenstufen spiralförmig durchziehen. Zu diesen mathematischen Leitideen gehören

Durch die Bildungsstandards wird auch die Kompetenzorientierung deutlich, die den mathematikdidaktischen Diskurs seit nunmehr zwanzig Jahren prägt.
Dabei genießen Mathematik und mathematische Bildung ein hohes Ansehen: Weltweit wird mathematischer Bildung als Pflichtfach in allgemeinbildenden Schulen eine wesentliche Bedeutung beigemessen – unabhängig vom gesellschaftlichen und politischen System (Heymann, 2013). Hintergrund ist unter anderem, dass die Mathematik über grundlegende Denkweisen sowie erkenntnisleitende Prinzipien verfügt, die es ermöglichen, Gedanken zu präzisieren oder Strukturen abstrahierend zu ermitteln und darzustellen (u. a. Bruder et al., 2015). „Mit ihren besonderen Verfahren der Wissensbildung ist die Mathematik in unserer Gesellschaft zu einer Schlüsseltechnologie geworden“ (ebd., S. 1). Laut Loos und Ziegler (2015) geht die Beziehung zwischen Mathematik und Gesellschaft
[…] weit über die Anwendungen der Mathematik als Hilfsmittel im Alltag oder als Werkzeug zur Beschreibung, Prognose und Optimierung in Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft hinaus. Mathematische Bildung ist essentiell für die Ausbildung mündiger Bürger, fähiger Fachkräfte und eine Grundlage von Studierfähigkeit über alle Fächer hinweg. (S. 3)
Diese zentrale Bedeutung, die der Mathematik beigemessen, sowie die Unentbehrlichkeit, die dem Mathematikunterricht für die Allgemeinbildung zugesprochen werden (u. a. Winter, 1995; Heymann, 2013), lassen sich als weitgehender Konsens in der Mathematikdidaktik beschreiben. So vielfältig sich die Bezüge zwischen Mathematik und Gesellschaft darstellen, so facettenreich wird auch der Beitrag des Mathematikunterrichts für die Allgemeinbildung eingeschätzt. Besonders häufig wird hierbei die Schulung abstrakten, logischen und kritischen Denkvermögens genannt. Zudem tritt seit geraumer Zeit die Anwendung von Mathematik zur Bearbeitung von Problemen in lebensweltlichen Situationen (wieder) in den Vordergrund (Büchter & Henn, 2015; u. v. a.).
Dabei werden im aktuellen Diskurs besonders das Entdecken und Erforschen von Mathematik als geeignete Formen des Erwerbs von Wissen und Kompetenzen eingeschätzt. Das Lernen von Mathematik soll als individueller, aktiver und konstruktiver Prozess gestaltet werden (u. a. Winter, 2016; Käpnick & Benölken, 2020). Weiterhin fällt auf, dass vor allem seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten großen Schulleistungsstudien wie TIMSS oder PISA die starke Fokussierung auf bestimmte fachliche Inhalte zunehmend an Bedeutung verliert. Stattdessen wird angestrebt, dass sich mathematische Lehr- und Lernprozesse an übergreifenden inhalts- und prozessbezogenen Leitideen sowie deren Vernetzungen orientieren (bspw. Krauthausen, 2018).
Trotz (oder gerade wegen) des Stellenwerts der Mathematik und des Mathematikunterrichts zeigt die Forschung jedoch immer wieder diskriminierende Strukturen bezüglich bestimmter Schüler:innen(-gruppen) auf, die diesem Fach innewohnen. Aufgrund der zentralen Bedeutsamkeit bei gleichzeitigem Auslesemechanismus werden die Mathematik und damit auch der Mathematikunterricht häufig als sogenannte ‚Gatekeeper‘ bezeichnet, also als Selektionsinstrument, welches bestimmte Ungleichheiten (re-)produziert, etwa bezogen auf Ethnie, Geschlecht oder den sozialen Hintergrund (bspw. Stinson, 2004). Dies ist höchst problematisch, da Mathematikunterricht als schulisches Hauptfach für Entscheidungen im Bildungsgang eine zentrale Rolle spielt. Obwohl in den letzten zwanzig Jahren vermehrt Forschung zu sozial gerechterem Unterricht durchgeführt wurde, attestieren die großen Schulleistungsstudien immer wieder aufs Neue die enge Verknüpfung, die weiterhin zwischen Leistung im Mathematikunterricht und personenbezogenen Merkmalen von Schüler:innen besteht, was sich in unterrichtlichen Inszenierungen von Mathematik manifestiert.
2.3 Vergleich des fachlichen Kontextes beider Fächer
Vergleicht man das fachdidaktisch-fachkulturelle Selbstverständnis beider Fächer, werden schnell Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten deutlich. Bezogen auf die übergeordneten Ziele beider Fächer lassen sich als Schnittpunkte sowohl die Ausrichtung an einem neuhumanistischen Bildungsideal und einer Erziehung zu Mündigkeit als auch eine gewisse funktionalistische Zielorientierung im Hinblick auf gesellschaftliche Erfordernisseerkennen. In dieser Schnittmenge werden jedoch zugleich Unterschiede in der Schwerpunktsetzung beider Fächer deutlich. Während im Fach Mathematik Bildungsideale zwar eine zentrale Bedeutung spielen, scheint eine funktionalistische Legimitation – im Sinne von Mathematik als alltags- und arbeitstaugliches Werkzeug sowie als Geisteshaltung – den aktuellen Diskurs zu dominieren. Die gesellschaftlichen Funktionen des Mathematikunterrichts und der Mathematik werden kaum hinterfragt, weder im mathematikdidaktischen noch im gesellschaftlichen Diskurs. So wirkt es, als ob das Fach aus dieser scheinbar selbstverständlichen funktionalistischen Notwendigkeit seine primäre Legitimation zieht. Das mathematische Tätigsein bzw. das Mathematiktreiben als Selbstzweck ohne dahinterliegende Anwendung oder damit verbundenen konkreten Nutzen spielt eine untergeordnete Rolle. Entsprechend hat der Mathematikunterricht eine gewisse Selbstverständlichkeit gewonnen. Zwar werden bestimmte konkrete Inhalte besonders von Schüler:innen immer wieder hinterfragt („Wozu muss ich das lernen/können?“), grundsätzlich wird die Bedeutsamkeit des Mathematikunterrichts, im Speziellen aufgrund seiner umfangreichen Anwendungsbereiche im außerschulischen Bereich, aber kaum in Frage gestellt.
Dem Fach Sport hingegen wohnt zwar auch eine funktionalistische Orientierung inne (beispielsweise im Sinne einer Sozial- oder Gesundheitserziehung), jedoch hat auch das sportliche Tätigsein als Selbstzweck eine zentrale Bedeutung (im Sinne von Selbsterfahrung, spezifischen leiblichen Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten oder im Rahmen von spielerischem Tätigsein). Auch wenn dem Sportunterricht häufig eine wesentliche innerschulische und gesellschaftliche Bedeutung beigemessen wird, steht dieser im schulischen Fächerkanon dennoch stärker unter Legitimationsdruck als der Mathematikunterricht. So fällt etwa im Hinblick auf nationale und internationale Schulleistungsstudien sowie die Etablierung nationaler Bildungsstandards, in denen der Sport im deutschen Sprachraum nicht berücksichtigt wird, auf, dass das Fach Mathematik im Gegensatz zum Fach Sport wesentlich stärker im Rampenlicht bildungspolitischer Diskussionen steht. Auch wurde beispielsweise im Zuge der pandemiebedingten Ausnahmesituation (Corona) das Fach Sport – im Gegensatz zu Mathematik – vielfach früh von der Stundentafel gestrichen.
Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen beiden Unterrichtsfächern besteht im Bereich der körperlich-leiblichen Aspekte. Wird im Fach Mathematik (sowie in vielen anderen Fächern) Bildung vielfach im Sinne geistiger Vervollkommnung verstanden, spielt im Fach Sport der unmittelbare Körper- und Handlungsbezug eine zentrale Rolle. Wenngleich auch im mathematikdidaktischen Diskurs körperlichen und handlungsorientierten Zugängen eine wesentliche Bedeutung für Lernprozesse beigemessen wird, dienen diese im Sinne vieler lerntheoretischer Ansätze eher dem Erwerb mentaler Modelle und haben demnach eher eine zweckgebundene Funktion. Handlungsorientierung scheint somit als wichtiges Prinzip bei der Unterrichtsgestaltung in beiden Fachdiskursen verhandelt zu werden – wenn auch mit Unterschieden im Detail. In der Sportpädagogik werden jedoch diverse Handlungsorientierungen diskutiert, woraus sich eine konzeptionelle Vielfalt für den Sportunterricht ergibt. Im mathematikdidaktischen Diskurs wird Handlungsorientierung ebenfalls als grundsätzliches pädagogisches Gestaltungsprinzip benannt, erfährt jedoch kaum Diskussion (stattdessen wird es eher als selbstverständlich angenommen und wenig hinterfragt).
Eine weitere wichtige Vergleichsdimension stellt das Thema Leistung und die Dominanz des Leistungsprinzips dar, welche in beiden Fächern fest verankert sind. Der zentrale Unterschied besteht jedoch darin, dass Leistungserziehung im Sportunterricht eine explizite Rolle spielt und Leisten und Leistung konstitutive Momente des Sports darstellen. Für das Fach Mathematik ist das Leistungsprinzip ebenfalls charakteristisch, allerdings eher auf impliziter Ebene. Scheint im offiziellen Diskurs das meritokratische Prinzip zu gelten, werden inoffiziell vielfach mathematische Begabung und Intelligenz als leistungsförderliche Faktoren genannt.
Nicht zuletzt bestehen Unterschiede im fachlichen Selbstverständnis sowie in den Vorerfahrungen von Lehramtsstudierenden. Während Sportlehramtsstudierende vielfach über ausgeprägte, zumeist positive außerschulische Erfahrungen verfügen und somit sportspezifisch sozialisiert sind, weisen Mathematiklehramtsstudierende in der Regel überwiegend schulische Erfahrungen mit der Mathematik auf. Diese unterschiedlich geprägten Erfahrungen können deprofessionalisierend wirken und Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung nehmen. Während sich Sportlehrkräfte zuweilen als Sportler:innen inszenieren (s. Abschnitt 2.1), ist es fraglich, ob sich Mathematiklehrkräfte gleichermaßen als Mathematiker:innen inszenieren, und welche Auswirkungen dies auf das Selbstverständnis von Lehrkräften sowie die Wahrnehmungen von Schüler:innen hat.

3. Zugang zu Inklusion

3.1 Überlegungen und Ansätze bezüglich inklusiven Sportunterrichts
Spätestens mit der Ratifizierung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN, 2006) hat sich auch die Fachdidaktik Sport auf den Weg begeben, sich mit den Erwartungen sowie Anforderungen inklusiver Bildung auseinanderzusetzen und entsprechende Vorschläge hierfür zu unterbreiten. Für das Fach Sport zeigt sich dabei u. a. die Besonderheit, dass ihm oftmals – wenn auch weitgehend ohne systematisch-wissenschaftliche Begründung – ein besonderes Inklusionspotential zugeschrieben wird (Fediuk, 2008; Giese & Weigelt, 2015). Schließlich hält das Fach aufgrund seiner Gegenständlichkeit diverse Möglichkeiten bereit, Vielfalt im wahrsten Sinne des Wortes leibhaftig zu erfahren – entweder als gewinnbringend oder eben auch als herausfordernd. Die oben umrissenen pädagogischen Potenziale, die in Verbindung mit Sportunterricht gesehen werden, unterscheiden ihn erkennbar von anderen Unterrichtsfächern und scheinen besonders hinsichtlich inklusiver Settings gewinnbringende Möglichkeiten zu eröffnen:
Sich an einem sportlichen Gegenstand abzuarbeiten, eine herausfordernde Bewegung nach einem – möglicherweise auch zähen – Übungsprozess zu bewältigen, sich mit Mitschüler/innen und der Lehrkraft über Sinn und Unsinn von Spiel- und Verhaltensregeln zu verständigen, mit unterschiedlichen Emotionen umzugehen lernen, ganz in einer Bewegung oder einem Spiel aufzugehen und das Gefühl von Weltausgrenzung zu erleben usw. könnte man als solche anführen. (Klein et al., 2016, S. 42)
Anzumerken ist hierbei allerdings, dass sich im sportpädagogischen Diskurs oftmals unterschiedliche Auffassungen von Inklusion gegenüberstehen, je nachdem, von welchem Standpunkt aus der Diskurs um inklusiven Sportunterricht betrachtet wird. So wird insbesondere im angloamerikanischen Raum häufig von einem Inklusionsverständnis ausgegangen, das durch eine Begrenzung auf die Differenzlinie Behinderung charakterisiert ist. Deutlich ablesen lässt sich dies beispielsweise an den Jahrzehnte zurückreichenden Bemühungen und Aktivitäten um Adapted Physical Acitivity und Adapted Physical Education, die zudem einen äußerst reichhaltigen, vielfach empirisch untermauerten Wissens- und Erfahrungsfundus beinhalten und die sich insbesondere auf Haltungen schulischer Akteur:innen, Professionalisierung von Lehrkräften und konkrete unterrichtliche Gestaltung beziehen (für einen Überblick Block, Giese & Ruin, 2017; Ruin & Meier, 2018). Ähnlich fokussieren auch die Arbeiten aus der deutschsprachigen Integrationsbewegung der 1990er und 2000er-Jahre zum Sportunterricht auf die Differenzlinie Behinderung (u. a. Doll-Tepper, 1996; Scheid & Fediuk, 2002).
Eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Inklusion im Sportunterricht entfaltete sich auf nationaler Ebene jedoch im Grunde erst in den 2010er-Jahren – ausgelöst durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (Block, Giese & Ruin, 2017, S. 237f). Dabei lässt sich in den sportpädagogischen Arbeiten dieser Dekade vielfach ein Bezug zu einem Inklusionsbegriff erkennen, der mehrere Vielfaltsdimensionen – wie z. B. Geschlecht, Migration oder sozialen Hintergrund – und deren intersektionale Verflechtungen in den Blick nimmt. Dies geschieht nicht zuletzt in dem Ansinnen, die tatsächlich vorhandene Komplexität nicht durch die Verengung auf eine Differenzkategorie wie z. B. Behinderung zu simplifizieren (Budde & Hummrich, 2013). Auch wir beziehen uns in diesem Beitrag auf solch ein Inklusionsverständnis, nicht zuletzt, da dieses an den über die Schule hinaus reichenden Anspruch von Inklusion anschließt, „Diskriminierungen jeder Art und auf allen Ebenen abzubauen, um eine möglichst chancengerechte Entwicklung aller Menschen zu ermöglichen“ (Reich, 2012, S. 39).
Entsprechend stellt sich mit Blick auf Sportunterricht die Frage, wie dieser einer zunehmend vielfältigen Schüler:innenschaft in dem skizzierten Sinne gerecht werden und dabei das umfassende und abstrakte Ziel einer gleichberechtigten Partizipation[4] aller Schüler:innen einlösen kann. Bezüglich dieses Anspruchs finden sich im sportpädagogischen Inklusionsdiskurs Arbeiten zu generellen Aspekten inklusiven Sportunterrichts (u. a. Giese & Weigelt, 2015; Klein et al., 2016; Tiemann, 2016), zu grundlegenden fachspezifischen Aspekten wie Leistung (Meier & Ruin, 2018; Meier, Haut & Ruin, 2016) und Körperlichkeit (Giese & Ruin, 2018; Ruin, 2017) oder auch zu einer bildungstheoretischen Fundierung (u. a. Giese, 2016). Die oben umrissenen fachdidaktischen Handlungsorientierungen und die eng daran angebundenen pädagogischen Perspektiven im Konzept eines erziehenden Sportunterrichts zeigen in dieser Hinsicht pädagogische Potenziale des Sports auf, die prinzipiell als durchaus anschlussfähig an die Anforderungen und Erwartungen inklusiver Settings erscheinen. Allerdings entfalten sich diese Potenziale nicht unmittelbar in der sportlichen Aktivität. Handlungssituationen im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport sind vielmehr grundsätzlich ambivalent (Ruin & Stibbe, 2020, S. 10). So können im Sportunterricht auch Situationen entstehen, die z. B. mit negativen Erfahrungen und Emotionen, mit eskalierenden Konflikten oder gar mit physischen und psychischen Verletzungen einhergehen. Insbesondere in inklusiven Settings ist es durchaus möglich, dass sich diese Ambivalenzen aufgrund der Unterschiedlichkeit der Lernenden dynamisieren. Damit ist eine elementare pädagogische Aufgabe inklusiven Sportunterrichts, die Rahmenbedingungen von bewegungs-, spiel- und sportbezogenen Aktivitäten so zu gestalten, dass sich möglichst für alle Beteiligten Bildungspotenziale entfalten können, beschrieben.
Vor diesem Hintergrund und mit Bezug auf die Frage, ob „es einen ‚neuen‘ inklusiven Sportunterricht geben muss“ (Tiemann, 2019, S. 150), wird vielfach bekräftigt, dass das Konzept eines erziehenden Sportunterrichts eine geeignete Orientierungsfolie darstelle, um die im Inklusionsdiskurs geforderte gleichberechtigte Partizipation aller an Bildung (UN, 2006) zu ermöglichen. Entsprechend wird dann an dieses fachdidaktisch verbreitete Konzept angeknüpft. Vorherrschende Ambivalenzen in den einzelnen Orientierungen sowie die sich jeweils bietenden Spannungen zwischen individuellen Belangen und gesellschaftlichen Anliegen werden in einem erziehenden Sportunterricht explizit in Ausrichtung auf die Bildungsidee thematisiert. Um die besonderen Dynamiken inklusiver Settings konstruktiv aufgreifen zu können, bedarf es dabei einer ausdrücklich pädagogischen Profilierung des Sportunterrichts. In zentraler Weise geht es darum, die Unterschiedlichkeit der Schüler:innen wertzuschätzen sowie subjektive Belange und Sichtweisen der Lernenden auf die unterrichtlichen Gegenstände aufzugreifen.
Mit Blick auf die fachkulturellen Besonderheiten und die Professionalisierung von Lehrkräften erscheint es im Kontext inklusiver Settings außerordentlich bedeutsam, sich mit den eigenen (meist impliziten) Vorstellungen von Körper oder Leistung im Sport bzw. damit verwobenen Fähigkeitsimperativen auseinanderzusetzen. So könnten diese einer (selbst-)kritischen Reflexion zugänglich gemacht werden, in der z. B. zu fragen wäre, ob in den eigenen oder auch den gängigen Interpretationen von Körper, Bewegung und Bildung nicht manche Schüler:innen buchstäblich vergessen werden (Giese & Ruin, 2018; Meier & Giese, 2021). Ein Vergessen zeigt sich in ähnlicher Weise auch im Gefolge sportbiographischer Prägungen, wenn die für Sportunterricht schillernde Chiffre Leistung entlang der ‚Vorlagen‘ des (Leistungs-)Sports konstituiert wird (Prohl, 2010). Dies äußert sich etwa darin, dass kaum Raum für Neues oder Unbekanntes bleibt und damit Handlungsimperative betont werden, die nur im Sport angemessen erscheinen, in der außersportlichen Welt aber gewissermaßen als „Un-Dinge“ (Güldenpfennig, 2012, S. 71) gelten und in der Schule mit Blick auf pädagogische Verantwortung keinesfalls permanente und prominente Gültigkeit besitzen sollten: z. B. das Recht des Stärkeren oder der Sieg des Einen als die Niederlage aller Anderen.
3.2 Überlegungen und Ansätze bezüglich inklusiven Mathematikunterrichts
Zunächst lässt sich festhalten, dass das Thema (Umgang mit) Vielfalt im mathematikdidaktischen Diskurs bereits eine längere Beschäftigung zu verzeichnen hat, wohingegen das Thema Inklusion erst deutlich später aufgenommen wurde. So stand vor allem zu Beginn des Jahrtausends die Frage im Zentrum, wie der Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Lernenden innerhalb eines Klassenverbands im Mathematikunterricht Rechnung getragen werden könne. Dies zeigen Werke wie „Mit Unterschieden rechnen“ (Nührenbörger & Pust, 2006) oder „Heterogenität im Mathematikunterricht der Grundschule“ (Spiegel & Walter, 2005). Auch die mathematikdidaktischen Konzepte Natürliche Differenzierung und Lernumgebungen, die Anfang der 2000er Jahre entwickelt wurden, machen dies deutlich. Beflügelt wurde die Diskussion dabei unterer anderem durch die Verbreitung jahrgangsübergreifender Lernformen, welche Unterschiedlichkeit nicht nur akzeptieren, sondern konstruktiv aufzugreifen versuchen. In den entsprechenden fachdidaktischen Ansätzen geht es nicht nur darum, unterschiedlichen Bedürfnissen von Schüler:innen gerecht zu werden, sondern auch um eine Wertschätzung der Vielfalt sowie eine Auffassung dieser als positive Ressource für das Lernen des gesamten Klassenverbands (Bohlmann & Dexel, 2022).
Vor einigen Jahren hat der sogenannte inclusive turn dann auch die Mathematikdidaktik erreicht, wodurch sich dem inklusiven mathematischen Lernen wesentlich intensiver gewidmet wurde. Dies lässt sich unter anderem an der stetig wachsenden Zahl an Veröffentlichungen zu dieser Thematik erkennen. Der Begriff Heterogenität findet sich dabei immer seltener zugunsten einer stärkeren Verwendung von Begriffen wie Vielfalt und Diversität.
Grundsätzlich besteht im Diskurs um inklusiven Mathematikunterricht auf der Ebene des fachlichen Anspruchs die Haltung, dass jedes Kind über das Recht, auch aber das Potenzial verfügt, mathematisch tätig zu sein und Mathematik zu lernen. Dabei haben sich über die letzten Jahre hinweg bestimmte Teilaspekte als besondere Schwerpunkte herauskristallisiert. Hierzu gehören sehr prominent vertreten unterrichtspraktisch-didaktische Arbeiten, die sich primär mit geeigneten Aufgaben(-formaten), Methoden und Materialien auseinandersetzen. Besonders häufig wird hier der Einsatz offener Aufgabenformate im Sinne natürlicher Differenzierung propagiert und zuweilen unter verschiedenen Blickwinkeln erprobt. Weiterhin lassen sich verschiedene, zum Teil kontroverse konzeptionelle Ansätze zu inklusiver Mathematikdidaktik erkennen. Weitere thematische Schwerpunkte bilden diagnostisches Handeln, professionstheoretische Studien sowie rekonstruktiv-interpretative Arbeiten. Dabei dominieren derzeit vor allem normativ geprägte Ansätze, wobei durch die fortschreitende Entwicklung inklusiven Unterrichts empirische Studien (meist im Rahmen von Dissertationsvorhaben) immer häufiger vertreten sind.
Wie bereits angedeutet, lassen sich im mathematikdidaktischen Diskurs verschiedene, zum Teil kontroverse konzeptionelle Ansätze zu inklusivem Unterricht erkennen (Bohlmann & Dexel, 2022). Grund für die Verschiedenheit der Ansätze sind vor allem unterschiedliche Inklusionsverständnisse. Eine Facette betrifft die Frage, wie eng oder weit das jeweilige Inklusionsverständnis gefasst wird, was wiederum zu unterschiedlichen pädagogischen Konsequenzen führt (Löser & Werning, 2015).[5] So ist für einige Autor:innen (primär für solche mit sonderpädagogischem Hintergrund) ein inklusiver Mathematikunterricht dadurch gekennzeichnet, dass Lernende mit und ohne spezifische Förderbedarfe gemeinsam unterrichtet werden. Ein Beispiel hierfür sind die Arbeiten von Werner (2017, 2019), die aus sonderpädagogischer Perspektive argumentierend die auszugleichenden Schwächen und Förderbedarfe der Schüler:innen in den Mittelpunkt stellt. Auch im Projekt ‚Mathe inklusiv mit PIKAS‘ (PIKAS, o. J.) erfahren die Förderbedarfe besondere Berücksichtigung. Bei Sikora und Voß (2018) liegt hingegen besonderes Augenmerk auf möglichen Problemen in der mathematischen Kompetenzentwicklung und einer ausgleichenden Förderung. Dem Rügener Inklusionsmodell folgend steht hier der Response-to-Intervention-Ansatz (RTI) im Fokus, welcher zum einen „auf die Vermeidung von sonderpädagogischem Förderbedarf sowie auf die inklusive Beschulung von Kindern mit Lern- und Entwicklungsstörungen“ (Sikora & Voß, 2018, S. 94) zielt und zum anderen „der Feststellung von Lern- und Entwicklungsbeeinträchtigungen“ (Sikora & Voß, 2018, S. 94) dient. Damit steht bei diesem Ansatz vornehmlich die Identifikation von Schüler:innen mit Schwierigkeiten in der mathematischen Kompetenzentwicklung (durch den regelmäßigen Einsatz standardisierter Testverfahren) sowie deren Förderung (in Kleingruppen oder Einzelarbeit) im Vordergrund.
Andere Autor:innen (primär Vertreter:innen der Fachdidaktik) begreifen inklusiven Mathematikunterricht hingegen als umfassendes Konzept, welches die individuellen Bedürfnisse und Potenziale der Kinder im Kontext der gesamten Persönlichkeitsentwicklung in den Blick nimmt und Wert auf die Förderung fachlicher Lernprozesse aller Kinder legt (bspw. Käpnick, 2016; Häsel-Weide & Nührenbörger, 2017; Dexel, 2020). Zentral ist bei diesen Konzepten neben dem Einbezug struktureller und organisatorischer Rahmenbedingungen auch die gleichzeitige Betonung individuell-konstruktiver sowie sozialer Lernprozesse. Dem gemeinsamen Lernen wird besondere Beachtung geschenkt und für die Ausbildung mathematischer (sowie überfachlicher) Kompetenzen eine zentrale Rolle beigemessen.
Betrachtet man die verschiedenen Auffassungen von Inklusion im mathematikdidaktischen Diskurs, wird deutlich, dass diese im Vergleich zur Erziehungswissenschaft eine stärkere normative und konstruktive Ausrichtung haben. Während präskriptive bzw. unterrichtspraktische Arbeiten mittlerweile in einer Vielzahl vorhanden sind, stellen analytisch-rekonstruktive, kritisch ausgerichtete Forschungsarbeiten weiterhin ein Desiderat dar. Die praxisorientierten Arbeiten richten ihren Blick verstärkt auf die Frage, wie inklusiver Mathematikunterricht aussehen soll(und entwickeln auf dieser Basis ‚geeignete‘ Aufgaben, Materialien oder Methoden). Wenige Arbeiten untersuchen hingegen, wie inklusiver Mathematikunterricht tatsächlich in der Praxis aussieht; problematisierende Beiträge oder kritische Diskussionen finden sich im deutschsprachigen Raum noch eher wenig.
3.3 Vergleich der Zugänge zu Inklusion
Hinsichtlich der Zugänge zu Inklusion bzw. dem Umgang mit Inklusion im fachdidaktischen Diskurs beider Unterrichtsfächer fallen zunächst große Ähnlichkeiten ins Auge, wobei auf den zweiten Blick merkliche Unterschiede im Detail sichtbar werden.
Als durchaus ähnlich zeigt sich, dass in beiden Unterrichtsfächern bereits vor dem inclusive turn eine Beschäftigung mit Vielfalt bzw. zumeist noch unter dem Begriff Heterogenität in der jeweiligen Fachdidaktik stattgefunden hat. So hat sich hierbei in beiden Fachdidaktiken die Auseinandersetzung mit einigen Heterogenitätsdimensionen wie z. B. Behinderung, Gender oder Interkulturalität etabliert. Damit wird in beiden Fächern postuliert, Unterschiedlichkeit als bedeutsam für unterrichtliche Prozesse wahrzunehmen, oftmals in dem Ansinnen, den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Schüler:innen gerecht zu werden. Als ähnlich erweist sich zudem die sowohl in Sport- wie auch Mathematikdidaktik erst seit rund einer Dekade breit aufkommende Sichtweise, dass es in einem inklusiven Unterricht nicht nur darum geht, jene Unterschiedlichkeit als bedeutsamen Aspekt für unterrichtliche Prozesse wahrzunehmen, sondern diese vielmehr konstruktiv aufzugreifen und die Wertschätzung von Vielfalt als positive Ressource für bzw. von Bildung anzusehen. Hierbei ist jedoch anzuführen, dass in wenigen Bereichen wie etwa der interkulturellen Pädagogik (für Sport u. a. Erdmann, 1999; für Mathematik Prediger & Schüler-Meyer, 2018) oder auch der Integrationspädagogik (u. a. Scheid & Fediuk, 2002) schon früher begonnen wurde, entsprechende Potenziale herauszuarbeiten. Allerdings blieben diese Bemühungen lange in der Peripherie des fachdidaktischen Diskurses und hatten bis vor etwa einer Dekade wenig Einfluss auf den fachdidaktischen Mainstream.
Zugleich lassen sich in beiden Fächern innerfachliche Differenzierungen bezüglich der Auslegung von Inklusion ausmachen. So begrenzen einige Autor:innen in beiden Fächern inklusiven Unterricht entlang der Differenzlinie Behinderung und zielen dabei primär darauf ab, dass Lernende mit und ohne spezifische Förderbedarfe gemeinsam unterrichtet werden. Hierzu liegt in beiden Fächern ein bisweilen reichhaltiger Fundus an Studien vor, der um die Identifikation von fachlich ‚Schwächeren‘ und deren gezielte Förderung kreist. Im Zentrum steht dann zumeist eine Orientierung an fachlichen Gegenständen und weniger am lernenden Subjekt bzw. an einer Vermittlung von sach- und individuumsbezogenen Belangen. Demgegenüber nehmen andere Autor:innen bei inklusivem Unterricht explizit mehrere Vielfaltsdimensionen – wie z. B. Geschlecht, Migration oder sozialer Hintergrund – und deren intersektionale Verflechtungen in den Blick. Hierbei wird insbesondere betont, dass es um individuelle Bedürfnisse und Potenziale Einzelner (vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Ansprüche und Erfordernisse) geht, womit neben der Orientierung an fachlich zu erbringenden Leistungen auch Prozesse der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten eine zentrale Rolle spielen. So wird nicht primär das, was (noch) nicht gekonnt wird, in den Mittelpunkt gerückt, sondern vielmehr ein jeweils individueller Entwicklungsprozess ausgehend von dem, was (bereits) gekonnt wird.
Dabei scheint grundsätzlich der mit inklusivem Unterricht verbundene Anspruch in beiden Fachdidaktiken unterschiedlich konnotiert zu sein. Wird mit Blick auf inklusiven Mathematikunterricht oftmals postuliert, dass jede:r Schüler:in potenziell in der Lage ist, Mathematik zu lernen bzw. mathematisch tätig zu sein und es vor diesem Hintergrund darum geht, allen mathematisches Lernen zu ermöglichen, wird für das Fach Sport häufig dessen besonderes Inklusionspotential hochgehalten, was allen Schüler:innen leibhaftige Erfahrungen mit Vielfalt ermöglicht. Deutlich wird zudem, dass die in den jeweiligen Fachdidaktiken genutzte fluide theoretische Rahmung des Inklusionsbegriffs eine Gegenüberstellung zum Teil erschwert. Damit scheinen die inklusionspädagogischen Potenziale beider Fächer unterschiedlich gelagert zu sein bzw. betont zu werden – zumindest werden sie für Mathematik erst ansatzweise beleuchtet/erarbeitet. Wie bereits oben erwähnt, dürfte auch hier das fachkulturelle ‚Selbstverständnis‘ beider Fächer eine Bedeutung haben (s. 2.3).
Dies erweist sich auch mit Blick auf die Professionalisierung von Lehrkräften als bedeutsam, wenn beispielsweise (angehende) Sport- gegenüber Mathematiklehrkräften in solchen Prozessen eher vorformatierte Vorstellungen von fachlich relevanten Aspekten einbringen, z. B. von Körper oder Leistung im Sport. So kommen nicht selten Fähigkeitsimperative zum Tragen, die exkludierendes Potential haben und dem besonderen Inklusionspotential, das dem Fach Sport zugeschrieben wird, eher entgegenstehen. Auf den zweiten Blick lassen sich solche problematischen Fähigkeitsimperative auch in der Mathematikdidaktik finden, wenn allen Schüler:innen zugeschrieben wird, mathematisch tätig sein zu können, aber dies offenbar zugleich oft von fest definierten mathematischen Fähigkeiten her gedacht wird.

 4. Implikationen und (neue) Perspektiven

Die vorgenommene Gegenüberstellung der fachlichen Kontexte sowie der jeweiligen Zugänge zu Inklusion in der Sport- und der Mathematikdidaktik führt gleichermaßen Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede in den Fächern vor Augen. So ist in beiden Fachdidaktiken seit einiger Zeit ein Bemühen erkennbar, die Inklusionsthematik konstruktiv aufzugreifen, wobei dies aus verschiedenen inklusionspädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Perspektiven, aus unterschiedlichen fachlichen Kontexten und fachkulturellen Prägungen heraus sowie in teilweise divergierenden Verständnissen inklusiver Ansprüche geschieht. Zeigt sich bereits in den dargestellten Fachdidaktiken diesbezüglich kein einheitliches Bild, werden insbesondere im Vergleich der Fächer merkliche Unterschiede erkennbar. Diese Unterschiede schärfen unseres Erachtens den Blick für mögliche ‚Baustellen‘, offene Fragen und neue Perspektiven für die Fachdidaktiken beider hier betrachteter Fächer bzgl. der Gestaltung inklusiven Unterrichts – und möglicherweise auch darüber hinaus. In diesem Sinne werden in diesem Kapitel markante Aspekte herausgestellt.
Ein erster Aspekt zeigt sich hinsichtlich des eng an neuhumanistischen Bildungsvorstellungen ausgerichteten und sowohl in der Sport- als auch in der Mathematikdidaktik hochgehaltenen Ideals der Mündigkeit. So wird in mathematikdidaktischen Überlegungen wiederkehrend hervorgehoben, dass in der Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten und Fragestellungen besondere Formen grundlegender Denkweisen und erkenntnisleitender Prinzipien verinnerlicht werden können, die in gesellschaftlicher Hinsicht auch über mathematische Kontexte hinaus als „Schlüsseltechnologie“ (Bruder et al., 2015, S. 1) angesehen werden. Damit geht es im Mathematikunterricht nicht lediglich darum, ein nützliches Hilfsmittel für den Alltag zu erwerben, sondern mathematische Bildung zielt auf „mündige Bürger“ (Loos & Ziegler, 2015, S. 3), die gesellschaftliche Zusammenhänge verstehen, (kulturell etablierte) mathematisch-logische Problemlösestrategien durchdringen und anwenden sowie ggf. auch hinterfragen können. In der Sportdidaktik ist in dieser Hinsicht weitgehend konsensfähig, von einer grundsätzlichen Erziehungsbedürftigkeit junger Menschen auszugehen, wobei in sport- und bewegungsbezogenen Erziehungs- und Bildungsprozessen vornehmlich darauf gezielt wird, die Erziehungsbedürftigkeit abzubauen und Mündigkeit anzubahnen (u. a. Stibbe, 2016). Es geht dann primär darum, im Kontext von Bewegung und Sport einen selbstständigen und selbstbestimmten Umgang mit sich und der Welt anzubahnen, z. B. im Hinblick auf den eigenen Körper und (gesellschaftliche) Körpervorstellungen, auf die leibhafte Erfahrung von Welt, auf Leistung und Leistungsvorstellungen, auf Gesundheit oder auch auf das soziale Miteinander.
Bei genauerer Betrachtung werden hierbei zwei elementar verschiedene Auslegungen von Mündigkeit differenzierbar, die mit Blick auf Inklusion relevant erscheinen. In der ersten gelten Bürger:innen vor allem dann als mündig, wenn sie gut auf das Handeln in der Gesellschaft vorbereitet – sprich handlungsfähig – sind. Das würde in der Mathematik z. B. bedeuten, mathematische Denk- und Erkenntnisweisen zu durchdringen und anwenden zu können, im Sport wäre es beispielsweise das Handlungsfeld Bewegung, Spiel und Sport zu kennen und (motorisch) in der Lage zu sein, hieran zu partizipieren. In der Diskussion um inklusive Ansprüche wird in der Sportdidaktik ein solch pragmatisches und weit verbreitetes Verständnis von Mündigkeit mittlerweile jedoch durchaus kritisch hinterfragt und die Notwendigkeit hervorgehoben, das Subjekt in seinen jeweils spezifischen Welt- und Selbstverhältnissen und in seinem gesellschaftlichen Geworden-Sein zum Ausgangspunkt pädagogischer Überlegungen zu machen (u. a. Giese, 2019; Ruin, 2022). Kinder und Jugendliche werden dann – durchaus in Anerkennung ihrer Erziehungsbedürftigkeit – von vorneherein als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft angesehen und nicht zunächst darauf vorbereitet, dies irgendwann zu sein. Mündigkeit wird somit stärker in einem emanzipatorischen Sinne als etwas verstanden, dem das Potenzial zur Veränderung innewohnt. Mit Blick auf inklusive Ansprüche und damit verbundene gesellschaftliche Transformationsprozesse hin zu einer inklusiven Gesellschaft erscheint uns diese zweite Auslegung von Mündigkeit angemessen(er), sind hierbei gesellschaftliche Veränderungen ja bereits impliziert und können potenziell von allen, also auch durch vermeintlich Unmündige hervorgerufen werden. In solch einer Lesart wird es zudem möglich, Mündigkeit nicht primär als einen finalen Zustand aufzufassen, der irgendwann zu erreichen ist und der von manchen möglicherweise nie erreicht werden kann (Giese, 2016), sondern als eine normative Idee, die pädagogische Orientierung vorgibt und bei der zugleich davon ausgegangen werden muss, dass sie immer nur partiell zu erreichen ist. Diesen Zusammenhängen zukünftig vertieft nachzugehen, könnte für die Sport- und Mathematikdidaktik, aber auch darüber hinaus gewinnbringend sein.
Ein weiterer Aspekt, der sowohl im Sport-, als auch im Mathematikunterricht eine zentrale Rolle spielt, ist der der Leistung. Im Vergleich der Fachkulturen wurde bereits herausgestellt, dass Leistung zwar in beiden Fächern fest verankert ist, Leistungserziehung jedoch nur im Sportunterricht eine explizite Rolle spielt. Im sportdidaktischen Diskurs wird davon ausgegangen, dass eine pädagogisch sensible Leistungserziehung im Sportunterricht unverzichtbar ist, wobei das Verständnis von Leisten bzw. Leistung innerhalb des Diskurses differiert (Krüger, 2019; Meier, 2022). Wird in der Mathematikdidaktik das Thema Leistung aufgegriffen (etwa in Handbüchern zum Mathematikunterricht), stehen primär Leistungsmessung und Leistungsbewertung im Fokus (bspw. Bruder et al., 2015; Käpnick & Benölken, 2020; Krauthausen, 2018), zuweilen auch Fragen einer angemessenen Leistungskultur im Mathematikunterricht (Laferi & Laferi, 2007). Eine explizite Leistungserziehung spielt in der Mathematikdidaktik eine untergeordnete Rolle. Während im Sportunterricht Leistung und Wettkampf konstitutive Momente darstellen, wirkt das Leistungsprinzip im Mathematikunterricht eher auf einer impliziten Ebene.[6]
Neben dieser grundsätzlichen Unterschiedlichkeit zeigen sich jedoch auch Gemeinsamkeiten zwischen beiden fachdidaktischen Diskursen. So lässt sich bezüglich beider Fächer in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren eine Entwicklung erkennen, die die Bedeutung von Prozessen und (Lösungs-)Wegen für das Lehren und Lernen hervorhebt und sich von einer ausschließlichen Orientierung an Ergebnissen, Produkten und Inhalten abwendet. Zudem wird in den beiden Fachdidaktiken zunehmend diskutiert, was unter Leistung überhaupt zu verstehen ist und wie Leistung(sfähigkeit) konstruiert wird (Gellert, 2015; Meier & Ruin, 2018). Es muss hierbei jedoch betont werden, dass diese Diskussion in beiden Diskursen zwar anerkannt ist, aber dennoch eher randständig geführt wird.
Auch wenn Fragen um Leistung, Leistungsmessung und Leistungskonstruktion fester Bestandteil schulpädagogischer und fachdidaktischer Diskussion sind, kommt ihnen im Rahmen inklusiven Unterrichts besondere Brisanz zu. Zwischen dem historisch gewachsenen Leistungs- und Selektionsprinzip der Regelschule und dem Anliegen inklusiver Bildung, allen Lernenden Partizipation und erfolgreiches Lernen zu ermöglichen sowie Stigmatisierungen zu vermeiden, entsteht zwangsläufig ein Spannungsfeld (Wagener, 2021). Zur Bewältigung dieses Spannungsfeldes scheint eine andere pädagogische Auslegung von Leisten, Leistung und Leistungsbewertung notwendig. Die zunehmende Orientierung an Prozessen und individuellen Entwicklungen (und damit eine Abkehr von der reinen Ergebnisorientierung), lässt sich hinsichtlich der Inklusionsbemühungen als förderlich bezeichnen. Gleichermaßen bedarf es jedoch auch eines Wissens um den sozialen Konstruktionscharakter fachlicher Leistungskriterien sowie der Anerkennung unterschiedlicher Zugangs- und Aneignungsweisen eines Gegenstands (Wagener, 2021). Somit können einerseits die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen Berücksichtigung und Anerkennung finden; andererseits kann das Reflektieren unterschiedlicher Perspektiven dazu beitragen, die eigene individuelle Sichtweise zu begreifen und gleichermaßen andere kennenzulernen (Meier, 2022).
Mit Bezug auf die im Vorfeld angesprochenen Aspekte gerät auch die Lehrer:innenbildung vermehrt in den Blick, kann sie doch einen entscheidenden Beitrag leisten bzw. bedeutsame Impulse liefern auf dem Weg zu inklusivem Fachunterricht und damit indirekt auch zur sukzessiven Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft. In diesem Kontext liegt die Bedeutsamkeit der Lehrer:innenbildung u. a. auch darin begründet, dass die meisten zukünftigen Lehrkräfte (noch) nicht auf eine Sozialisation in inklusiven Kontexten zurückblicken können – sich daher häufig als nicht ausreichend vorbereitet fühlen (Lorenz, Stubbe, Krieg & Renftel, 2020). Auch bringen sowohl Sport- als auch Mathematiklehramtsstudierende Erfahrungen mit Sport bzw. Mathematik mit in das Studium ein, welche Einfluss auf den anzubahnenden Professionalisierungsprozess der Lehrer:innenbildung nehmen können. Wenngleich sich die jeweiligen Erfahrungen in beiden Fächern unterscheiden (siehe Kap. 2.3), stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern diese eher als Chance oder als Herausforderung für den Professionalisierungsprozess angesehen werden können bzw. wie in der Lehrer:innenbildung damit umgegangen werden kann.
So lassen sich vielfach Spannungen und Verwerfungen zwischen eigenen Erfahrungen und Ansprüchen an sowie Bestrebungen von inklusiver Bildung erkennen, wenn jene Erfahrungen gewissermaßen als „‚heimliche‘ Wirkung“ (Klinge, 2019, S. 242) um sich greifen. Beispielsweise in dem einige Sportlehrkräfte den Anspruch von Sportunterricht in instrumenteller Art und Weise auf eine Vorbereitung zur Teilnahme am außerschulischen Wettkampfsport reduzieren (Meier & Ruin, 2015, 2019), da sie diesen Sport selbst so erfahren und in ihrer Freizeit schätzen gelernt haben (Bräutigam, 2003). Oder aber wenn sich in sportpraktischen Veranstaltungen der Lehrer:innenbildung der ‚leichtathletische Linkskreis‘ – bei dem sich Personen ‚wohl geordnet‘ linksherum im Kreis bewegen, wie es in leichtathletischen Laufdisziplinen üblich ist, und was wohl die meisten Sportlehramtsstudierenden kennen – als selbstverständliche Lösung der Aufgabe sich locker im Raum zu bewegen gilt (Klinge, 2019). Ähnliches lässt sich auch mit Blick auf Mathematik zeigen, wenn sich jene Studierenden an den eigenen zumeist schulischen Erfahrungen mit Mathematik festhalten, was mitunter in einer unterrichtlichen Wendung Angst vor Mathematik forcieren kann und damit bestimmte Ungleichheiten reifiziert (Stinson, 2004). Somit scheint in beiden Fächern die Gefahr groß, dass sich mitgebrachte Erfahrungen in Erwartungen an Lehrer:innenbildung und möglicherweise auch in ein fachkulturelles Selbstverständnis einschreiben, das sich wiederum als exklusiv zeigt. Erfahrungen können dann eine ‚deprofessionalisierende‘ Wirkung begünstigen, wenn z. B. schulische Erfahrungen von Mathematik unhinterfragt weitergetragen werden oder Sport mit Wettkampfsport gleichgesetzt wird.
In kritisch-konstruktiver Wendung käme der Lehrer:innenbildung damit der Auftrag zu, diese Erfahrungshorizonte aufzugreifen und deren implizit damit einhergehenden Konsequenzen zu thematisieren. Das würde bedeuten, sich mit der ‚Mache‘ von Sport (Ehni, 1977, S. 109) wie auch der Mathematik auseinanderzusetzen, insbesondere mit Blick auf die eigenen mitgebrachten Erfahrungen und Vorstellungen von z. B. Leistung, Sport oder Mathematik. Anzuregen wäre beispielsweise eine Auseinandersetzung damit, ob in den eigenen oder auch den gängigen Interpretationen von Leistung nicht manche Schüler:innen buchstäblich ‚vergessen‘ werden (für Sport Meier & Giese 2021; Meier & Ruin, 2022). Solch eine Herangehensweise könnte auch hinsichtlich bildungspolitischer Vorgaben und fachdidaktischer Konzepte vielversprechend sein, wenn sich Lehramtsstudierende mit scheinbar nicht zu hinterfragenden Selbstverständlichkeiten befassen, z. B. elementare Aspekte wie Auslegungen von Leistung im Fach aus der Perspektive der Disability Studies zu betrachten (Giese & Meier, 2022).
Die angesprochenen Aspekte lassen erkennen, dass die mit Inklusion verbundenen Ansprüche und Erwartungen auch konzeptionelle Überlegungen in beiden Fachdidaktiken irritieren. Wenngleich Unterschiedlichkeit in beiden Fachdidaktiken seit längerer Zeit als bedeutsam für unterrichtliche Prozesse verhandelt wird – zumeist mit Blick auf einzelne Heterogenitätsdimensionen (siehe Kap. 3.3) – forciert der inclusive turn in beiden Fachdidaktiken die Bedeutsamkeit verschiedener miteinander verwobener Diversitätsdimensionen; die Hervorhebung einzelner Dimensionen greift somit zu kurz (Koller, 2014). In einigen Arbeiten wird dabei auch auf das Konzept der Intersektionalität zurückgegriffen, um Implikationen für konzeptionelle Überlegungen abzuleiten, was sich weiterhin als fruchtbar erweisen könnte. Im Ansinnen, möglichst allen Schüler:innen gerecht zu werden, wird in beiden Fachdidaktiken zunehmend betont, dass es bedeutsam sei, sich jener Differenzverhältnisse bzw. -setzungen bewusst zu werden und sich damit auseinanderzusetzen, da sie letztlich zu ungerechtfertigten Benachteiligungen führen können (Geier & Mecheril, 2017). In solchen Zusammenhängen wird beispielsweise darauf verwiesen, dass neben einem adäquaten Umgang mit Differenzen auch eine Sensibilität für Diversität angebahnt werden sollte (Meier, 2022; Ruin, 2022). Um den Anspruch einer Diversitätssensibilität fachdidaktisch zu rahmen, kann dabei in beiden Fachdidaktiken auf die Diskurse um Heterogenität zurückgegriffen und eine Weiterentwicklung vorangetrieben werden. Dabei könnten insbesondere solche Zugänge Impulse liefern, die sich in kritisch-konstruktiver Weise mit den Bedingungen und der Herstellung von Differenz befassen wie z. B. Diskurse um Doing Difference oder Disability Studies, was ansatzweise auch bereits erkennbar ist (Bartsch & Rulofs, 2022). Solche Ansätze könnten sich über diesen hier gewählten Vergleich von Sport- und Mathematikdidaktik möglicherweise auch in anderen Fachdidaktiken als brauchbar erweisen, die sich mit Inklusion befassen. Wenngleich beide hier ins Verhältnis zueinander gesetzten Fachdidaktiken auf den ersten Blick sehr verschieden anmuten und in Details gewiss auch Unterschiede vorliegen, erweist sich unseres Erachtens besonders der vollzogene Vergleich als fruchtbar, nicht zuletzt da sich beide Fachdidaktiken an inklusionspädagogischen Vorstellungen abarbeiten.
Darüber hinaus zeigt die Gegenüberstellung, dass beide Fachdidaktiken (und vermutlich auch weitere) von einer Konkretisierung des Inklusionsanspruchs profitieren könnten, um die hieran anschließenden Erziehungs- und Bildungsziele konsistenter ausbuchstabieren zu können. Als eine Konsequenz hieraus lässt sich beobachten, dass in den jeweiligen Ansätzen und Überlegungen oftmals kaum eine Unterscheidung zwischen systemimmanenter individueller Förderung und systemverändernder Inklusion sichtbar wird – hier könnte deutlicher Anschluss an den (allgemeinen) Inklusionsdiskurs gesucht werden (u.a. Simon, 2018).
Mit Blick auf konzeptionelle Überlegungen fordert zunächst der Dialog zwischen Vertreter:innen beider Fachdidaktiken ein, sich über Standpunkte, Vorannahmen und (scheinbare) Selbstverständlichkeiten zu verständigen, um einen Austausch überhaupt erst zu ermöglichen. Diese notwendige Vergewisserung kann als wertvoller Reflexionsanlass verstanden werden, das Verständnis der ‚eigenen‘ Fachdidaktik oder den Blick darauf zu schärfen. Hierzu tragen vor allen Dingen auch die ,ungewohnten‘ (Rück-)Fragen, Anmerkungen und Kommentare der Vertreter:innen der jeweils anderen Fachdidaktik bei. Über solch einen Dialog lässt sich unseres Erachtens eine breitere und tiefere Perspektive auf das eigene Fach erreichen. Die herausgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede können daher als Reflexionsanlässe für die eigene Fachdidaktik aufgefasst werden. Dies erscheint insbesondere an solchen Stellen gewinnbringend, an denen scheinbare fachdidaktische Konstanten tiefgreifend irritiert werden, z. B. durch die Hinwendung zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN, 2006). Da sich neben Sport- und Mathematikdidaktik auch weitere Fachdidaktiken mit Inklusion befassen, kann das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Differenzen in diesem Dialog auch als Einladung für weitere Fachdidaktiken verstanden werden.

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[1] Damit orientieren wir uns für die Gegenüberstellung an tradierten ins Schulsystem eingeschriebenen Fachgrenzen. Dies soll einerseits eine begründete Orientierung hierfür sowie daraus gefolgerte Perspektiven nachvollziehbar machen, gleichsam wird damit jedoch ein Rahmen gesetzt, der durch die bestehenden Systemgrenzen gewissermaßen limitiert ist – Inklusion folgt hingegen einem systemverändernden Anspruch.

[2] Dass ein solches auf Mündigkeit abzielendes Bildungsverständnis auch mit zu problematisierenden Vorstellungen von Autonomie und implizit damit verknüpft von Abhängigkeit einhergehen kann, wird nicht zuletzt aus der Perspektive der Disability-Studies durchaus kritisch diskutiert (u. a. Giese, 2016).

[3] Die Benennung der Kompetenzen variiert leicht zwischen den Bildungsstandards für die Primarstufe, den mittleren Schulabschluss und das Abitur.

[4] Im gegenwärtigen sportpädagogischen Diskurs nutzen zahlreiche Publikationen in solchen Zusammenhängen den Begriff „Teilhabe“, wobei sich dieser oftmals auf Unterschiedliches bezieht, z.B. auf physische Aktivität im Sportunterricht, eine Vorbereitung auf die Sport-, Spiel- und Bewegungskultur, an sport- und bewegungsbezogenen Bildungsgelegenheiten (Leineweber, Becker, Meier & Ruin, 2018). Letzteres nehmen wir für diesen Beitrag an.

[5] Zur kritischen Einordung der Unterscheidung zwischen vermeintlicher Enge und Weite des Inklusionsverständnis vgl. Benölken und Veber (2020).

[6] Eine Ausnahme im Kontext der Mathematikdidaktik stellt der Diskurs um mathematisch besonders begabte Schüler:innen dar, wo Leistungserziehung eine bedeutsame Rolle innerhalb und außerhalb des Unterrichts spielt. Dennoch findet diese im Gegensatz zum Sportunterricht, in dem Leisten und Leistung ein explizites Thema für alle sind, eher auf einer impliziteren Ebene statt, im Sinne einer bestmöglichen Förderung und der Entfaltung von besonderem Potenzial.