Abstract: Verschiedene Figuren von Gefährlichkeit können im Alltag insbesondere von männlichen Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SpF) an Schulen in sozial deprivierter Lage einen Ankerpunkt für Subjektivierung bilden. Um zu verstehen, warum sich jene Jugendlichen bspw. als kriminelle Subjekte zeichnen oder sich anderer Figuren von Gefährlichkeit bedienen, scheint ein verstärkter Blick auf weitere Ungleichheitsverhältnisse relevant. Der Beitrag bemüht eine intersektionale Perspektive, die zeigt, dass die spezifischen Figurierungen als Verwobenheit verschiedener Ungleichheitsdimensionen gedeutet werden können und diese letztlich mit komplexen, mehrschichtigen Exklusions- und Stigmatisierungserfahrungen in Zusammenhang stehen.
Stichworte: Intersektionalität, Ungleichheit, Gefährlichkeit, Figurierungen
Inhaltsverzeichnis
Nikola dreht sich zu mir und nimmt unser Gespräch wieder auf. Er erzählt mir davon, dass er aufhören muss, Scheiße zu bauen. Er sei nun schließlich selbst darauf gekommen. In den beiden letzten Jahren habe er sehr viel Mist gebaut. Er sei auch froh darüber, dass er nicht mehr so viele Anzeigen habe. Früher waren es fünf, jetzt seien es nur noch zwei. Wegen der einen Sache, als er dem Jugendlichen ein blaues Auge geschlagen hat. „Körperverletzung. Und schwere Morddrohung.“ (Feldnotiz-020305; Anmerkung (1))
Nikola, der vor über drei Jahren einen (erhöhten) sonderpädagogischen Förderbedarf attestiert bekommen hat, ist ein vierzehnjähriger migrantischer Junge aus benachteiligten Verhältnissen und besucht eine Schule in sogenannter schwieriger Lage (Fölker, Hertel & Pfaff, 2015; Bremm, Klein & Racherbäumer, 2016). Während meiner Feldforschung erlebte ich mit Nikola immer wieder Situationen, wie die oben dargestellte, in der er von (meist geringfügigen) Straftaten und Polizeikontrollen gesprochen und sich damit selbst – nicht ohne einen Anflug von Lust und Stolz – in einen delinquenten, kriminellen Kontext eingeordnet hat (Richter, 2022). Um zu verstehen, weshalb sich Jugendliche mit einem zugeschriebenen sonderpädagogischem Förderbedarf (SpF) unter bestimmten Bedingungen spezifischer Gefährlichkeitsnarrative über sich selbst bedienen, bietet sich an, neben der primären Fokussierung auf die Differenzkategorie Behinderung weitere Ungleichheitsverhältnisse sowie deren spezifische Verwobenheit zu untersuchen, – auch dann, wenn Behinderung als Ungleichheitsphänomen in den spezifischen Situationen performierter Gefährlichkeit nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt. Diesbezüglich kann es gewinnbringend sein, eine intersektionale Perspektive einzunehmen und damit im Hinblick auf das Konzept der reflexiven Inklusion, wie Jürgen Budde und Merle Hummrich (2013) es vorschlagen, eine gewisse Offenheit für weitere Ungleichheitskategorien mitzubringen. Im Sinne Silke Meyers (2020) verstehe ich – wieder auf das Feldbeispiel bezogen – Nikolas Erzählung dabei als soziale Positionierung und (Teil-)Konstitution eines narrativen Selbst, das situativ soziale Anerkennung produzieren möchte und darüber hinaus eine widerständige Haltung gegenüber exkludierenden schulischen Ordnungen zum Ausdruck bringen will. Das Konzept der Intersektionalität scheint mir für ein Verständnis dieses narrativen Selbst am geeignetsten zu sein.
Die Intersektionalitätsforschung bietet spätestens seit Kimberlé Crenshaw (1989) eine Perspektive, mit der Wechselwirkungen und Zusammenhänge von Macht- und Herrschaftsverhältnissen analysiert werden können (Degele & Winker, 2011). Zuvor wurden Mehrfachdiskriminierungen bereits in feministischen Bewegungen zum Thema gemacht (hooks 1981). Entlang der Kritik an Crenshaws Metapher einer Straßenkreuzung, an der verschiedene Ungleichheitsverhältnisse aufeinandertreffen und die damit das Bild von isoliert bestehenden sozialen Diskriminierungssystemen suggeriert (Winkler, 2012; Penkwitt, 2021; Skeggs, 1997), wird in neueren Intersektionalitätsansätzen eher von interdependenten Kategorien, wie sie bspw. Katharina Walgenbach (2007) beschreibt, ausgegangen. Diese bestünden niemals allein, sondern treten nur in Wechselwirkung auf; wenngleich diese weiterhin häufig für Analysen getrennt betrachtet werden. Sarah Fenstermaker und Candace West (2001) folgend, werden Ungleichheitskategorien in Interaktionsprozessen gleichzeitig und situativ erzeugt. Durch immer wiederkehrende Reproduktionen verstetigen sich aufgrund von Praxis- bzw. Erfahrungswissen letztlich Differenzen, wodurch soziale Ordnungen den Akteur:innen als natürliche und gegebene Konstrukte erscheinen und damit nicht mehr hinsichtlich ihrer Strukturebene hinterfragt werden.
Der Fokus auf die Herstellung von Differenzen bzw. auf ein „Doing Difference“ (West & Fenstermaker, 1995; Hirschauer, 2001) verbindet die Intersektionalitätsforschung mit praxeologischen Ansätzen und der ethnographischen Ungleichheitsforschung, die Alltagspraktiken und damit gesellschaftliche Exklusionsmechanismen sowie Betroffenheitserfahrungen der Akteur:innen in den Blick nimmt (Wellgraf, 2011). Die Herausforderung für eine ethnographische Perspektive stellt für Stefan Wellgraf (2011) in diesem Zusammenhang vor allem eine Verbindung der „Selbstbeschreibungen und Alltagspraktiken von Akteuren mit einer selbst wiederum differenzierenden Analyse gesellschaftlicher Machstrukturen“ (ebd., 119) dar. Der intersektionale Mehrebenenansatz von Nina Degele und Gabriele Winker (2011) bietet hierfür eine Möglichkeit, indem die miteinander verwobenen Ungleichheitskategorien auf der Strukturebene, in ihren symbolischen Repräsentationen sowie ihren Identitätskonstruktionen theoretisch wie empirisch untersucht werden, wobei der Kapitalismus mit seiner Eigenlogik ökonomischer Profitmaximierung den Bezugspunkt der drei Ebenen bildet. Ausgangspunkt und Gegenstand der Analysen stellen für die Autorinnen, mit Verweis auf Pierre Bourdieus Praxistheorie, die sozialen Praktiken der Akteur:innen dar, die mit den drei Ebenen in wechselseitiger Beziehung stehen. Diesbezüglich verstehe ich soziale Praktiken in sozialen Beziehungen als Praktiken einer „intersektional verschränkten [sozialen] Positionierung“ (Böth, 2018, 23), die Differenzen performiert.
Um im Folgenden ein komplexes Verständnis für Schüler:innen mit SpF an Schulen in deprivierter Lage und im Speziellen für Nikola gewinnen zu können, scheint es mir nötig, auch die Kontextfaktoren der Schule sowie die Schulkultur mit ihren Akteur:innen näher zu beschreiben (Kap. 2). Dies ermöglicht nicht nur eine Beschreibung des Forschungssettings, sondern liefert auch Hinweise auf die Strukturebene.
Im Sinne der reflexiven Inklusion versuche ich, unterschiedliche erziehungs- sowie kulturwissenschaftliche Perspektiven einzubeziehen, um neben Behinderung die drei Ungleichheitskategorien soziale Klasse, Ethnizität und Geschlecht für meine Analysen fruchtbar zu machen. In der Analyse meines Materials zeigte sich, dass (mindestens) diese vier voneinander abhängenden Kategorien eine Formation bildeten, mit der die Selbstpositionierung Nikolas begreifbarer wurde. Wenngleich ich einem Verständnis von interdependenten Kategorien folge, wie Walgenbach (2007) es vorschlägt, werde ich im dritten Kapitel die vier Ungleichheitskategorien zur einfacheren Erklärung zwar einzeln im Sinne von fokussiert, aber stets auch in Beziehung mit anderen Ungleichheitsverhältnissen thematisieren. In den Analysen dieser vier Ungleichheitsverhältnisse, die auch immer empirisch geleitet sind, entferne ich mich zeitweise von der Frage nach den spezifischen Gefährlichkeitsfiguren, um diese dann im letzten Kapitel im Hinblick auf das Thema des Beitrags zu performierter Gefährlichkeit zusammenzuführen. Die Analysen der Ungleichheitskategorien verstehe ich daher als theoretischen Überbau, um Wechselwirkungen sowie Interdependenzen in Bezug auf Schüler:innen an Schulen in schwieriger Lage besser verstehen zu können. Aufbauend auf diesen Analysen, zeigt der Beitrag schließlich, wie Nikolas narrativer Rückgriff auf eine gefährliche, kriminelle Figur als Antwortpraxis auf ein Ungleichheitsverhältnis entlang der Kategorien Behinderung, Klasse, Ethnizität und Geschlecht verstanden werden kann.
Der Beitrag ist so gestaltet, dass sämtliche theoretischen Überlegungen eng am empirischen Material entfaltet werden, wodurch Theorie und Empirie wechselseitig verschränkt sind. Das Feldmaterial, auf das ich mich dabei beziehe, entstammt meiner ethnographischen Feldforschung, die ich im Rahmen meines Dissertationsprojekts zu Praktiken der Integration an einer Mittelschule einer österreichischen Großstadt im Schuljahr 2019/20 durchgeführt habe. Die Ausrichtung meiner Forschung folgt einem kulturanthropologischen Verständnis von Ethnographie, wie es bspw. in der empirischen Kulturwissenschaft bzw. der (Europäischen) Ethnologie üblich ist. Im Hinblick auf diese Traditionen versuche ich, an klassisch kulturanthropologischen Schulethnographien wie bspw. von Paul Willis (2013) oder neueren Arbeiten wie bspw. von Stefan Wellgraf (2012; 2018) methodologisch anzuknüpfen. Diesbezüglich war mein Feldaufenthalt von vorneherein auf eine längere Zeit ausgerichtet. Meine Forschungspraxis ist darüber hinaus von einem ganzheitlichen Ansatz geprägt, indem ich mich nicht nur für Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf interessiere, sondern die gesamte Klasse bzw. Schule mit all ihren Feldteilnehmer:innen in den Blick nehme.
Die NMS Bachmannstraße, an der ich ethnographisch geforscht habe und die im Zentrum der folgenden Analysen steht, ist eine Mittelschule in einer österreichischen Großstadt. Mittelschulen stellen eine Schulform der Sekundarstufe I (5. bis 8. Schulstufe, bzw. 1. Bis 4. Klasse) eines differenzierten österreichischen Schulsystems dar, das durch Mechanismen sozialer Selektion geprägt ist. Der Großteil der Schüler:innen der NMS Bachmannstraße hat eine eigene oder familiäre Migrationsgeschichte und/ oder kommt aus einer sozio-ökonomisch benachteiligten Klassenlage. Für mehr als ein Dutzend Schüler:innen wurde ein SpF diagnostiziert. In Anlehnung an Nina Bremm, Dominique Klein und Kathrin Racherbümer (2016) kann die Schule mit Verweis auf mediale, politische sowie pädagogische Diskurse als Schule in schwieriger Lage beschrieben werden, die durch eine verräumlichte Segregation sozialer Ungleichheit sowie ein hohes Maß sozial benachteiligter Schüler:innen charakterisiert ist und in der sich eben jene Benachteiligungen in besonderer Weise fortsetzen und verstärken (Bremm, Klein & Racherbäumer, 2016; Fölker, Hertel & Pfaff, 2015; Bremm & Racherbäumer, 2020). Die NMS Bachmannstraße ist damit, ähnlich wie Josefine Wagner (2018) es in ihrer ethnographischen Studie beschreibt, nicht ohne die räumliche und damit auch historische sowie politische Verortung in einem Stadtbezirk, der in empfindlichem Maß von Ausgrenzung betroffen ist, zu verstehen. Ein Stadtbezirk, der durch politische Entscheidungen einer segregierenden Migrationspolitik geformt wurde und der von vielen Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, besonders mit türkischer (Familien-)Biographie, bewohnt wird. Wie auch in anderen europäischen Großstädten sind hier gescheiterte Integrationspolitiken sowie eine Zunahme gesellschaftlicher Spannungen (Keller, 1999) – aber auch diverse Aneignungspraxen eines gemeinsam geprägten Wohn- und Lebensraums als Antwort auf gesellschaftliche Marginalisierungsprozesse zu finden. Darüber hinaus wird der Stadtteil in den statistischen Veröffentlichungen der Stadt als unterprivilegierter Distrikt geführt und einige Orte des Stadtteils werden in lokalen Medien als „soziale Brennpunkte“ mit einem erhöhten Drogenkonsum und gesteigerten Gewaltpotential markiert. Besonders die medialen Berichterstattungen spiegeln dabei die gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnisse auf doppelte Weise wider: zum einen als spezifische Formation der Ungleichheitsverhältnisse von Ethnizität und sozialer Klasse im urbanen Raum (Strohmeier, 2006; Weishaupt, 2016) und zum anderen als Stigmatisierungspraxis, mittels derer Migration als für die Gesellschaft bedrohlich gebrandmarkt und migrationsgeprägte Stadtviertel marginalisiert werden (Hill, 2016).
Schulen in sozialräumlich deprivierter Lage, deren nachteilige Kontextfaktoren allzu häufig mit niedrigeren Bildungsabschlüssen der Schüler:innen in Zusammenhang stehen (Bremm, Klein & Racherbäumer, 2016), sind daher mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Nicht nur das geringere ökonomische, kulturelle sowie soziale Kapital der Schüler:innen, sondern auch diverse belastende biographische Brüche wie bspw. zerbrochene Familien, fehlende Väter, Verlust der eigenen Wohnung oder (traumatische) Flucht- und Migrationserfahrungen bilden hier komplexe schulische Zusammenhänge. Zugleich folgen Lehrer:innen, im (schul-)systemimmanenten Widerspruch von gesellschaftlichen Selektionserwartungen und der Herstellung vertrauensvoller pädagogischer Beziehungen, in der eigenen Arbeit häufig meritokratischen sowie kulturalistischen Rechtfertigungsordnungen, um die Verantwortung der eigenen beruflichen Praxis an die Familien weiter zu delegieren (Wellgraf, 2021). Durch die Verantwortungszuschreibungen – die ungünstigen Bedingungen in den Familien oder spezifische Praxen alltäglicher Lebensführung seien für gescheiterte Bildungsbiographien oder dem Ausbleiben höherer Bildungstitel ursächlich – erscheint die eigene Arbeit zwar weniger wirkmächtig. Allerdings führen diese (nicht intendierten) Defizitorientierungen auch zur Entlastung einer als Überforderung wahrgenommen schulischen Gesamtsituation (Drucks & Bremm, 2021; Wellgraf, 2021).
Ähnlich wie diese Zuschreibungs- und Rechtfertigungsordnungen wird auch die Inklusion bzw. die gemeinsame Unterrichtung von Schüler:innen mit und ohne SpF von einigen Lehrer:innen als zusätzlich erschwerend beschrieben und abgelehnt. Neben der vermeintlich besseren Ausstattung von Sonderschulen sowie der fehlenden Professionalisierung der Mittelschullehrer:innen hinsichtlich inklusionspädagogischer Fragestellungen vermischen sich in der Argumentation, warum die Sonderschule für viele Schüler:innen mit SpF angeblich der bessere Beschulungsort sei, die Begründungen dafür mit ableistischen Zuschreibungen. Anhand des Leistungsprinzips werden Schüler:innen mit SpF schließlich im Schulalltag an vielen österreichischen Regelschulen – so auch in der NMS Bachmannstraße – fähigkeitsbezogen räumlich (an-)geordnet und (mindestens) in den Hauptfächern in einem anderen Raum unterrichtet (Buchner & Petrik, 2020; Buchner & Petrik, 2022; Richter, 2022).
Neben der NMS Bachmannstraße gibt es noch weitere Mittelschulen der Stadt, die in ähnlicher Weise von sozialer Benachteiligung betroffen sind. Hier zeigen sich deutlich Mechanismen und Strukturen eines selektiven Bildungssystems, das u.a. den Reproduktionsaufträgen eines kapitalistischen Arbeitsmarktes folgt und das nicht zuletzt durch seine ideologische Wirkung die staatliche, ökonomische Ordnung aufrechterhält (Althusser, 2016). Es sind auch genau jene Mittelschulen, in denen der Anteil von Schüler:innen mit SpF im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schüler:innen am höchsten ist; in Teilen doppelt bis drei Mal so hoch wie in anderen Mittelschulen der Stadt. Die Schulleitung der NMS Bachmannstraße spricht daher zugespitzt von einer stattfindenden „Ghettoisierung“ an diesen Standorten. Ann Cathrice George und Susanne Schwab (2019) konnten diesbezüglich auf Grundlage der Bildungsstandardüberprüfung feststellen, dass die soziale Benachteiligung in Integrationsklassen, also Klassen mit Schüler:innen mit SpF, in der Regel höher ist als in Vergleichsklassen ohne Schüler:innen mit SpF. Darüber hinaus erhalten Kinder und Jugendliche, die von sozioökonomischer Benachteiligung betroffen sind und/ oder eine Migrationsgeschichte haben, deutlich häufiger einen SpF als privilegierter aufwachsende Schüler:innen (Herzog-Punzenberger, 2017). Und auch Justin Powell und Sandra Wagner (2014) verweisen – allerdings für das deutsche Bildungssystem – auf ethnisch-kulturelle Ungleichheiten, die sich durch deutlich höhere Sonderschulbesuche von migrantischen Kindern und Jugendlichen aus bestimmten Einwanderungsländern ausdrücken. Dabei werden, um (Bildungs-)Benachteiligungen auszugleichen, Verantwortlichkeiten für Schüler:innen mit spezifischen Migrationsgeschichten, insbesondere aus dem osteuropäischen bzw. arabischen Raum, mit Hilfe des SpF in den sonderpädagogischen Aufgabenbereich übertragen.
Die miteinander verwobenen Dimensionen sozialer Ungleichheit sind auch im Schulalltag stets präsent und hochgradig wirksam. Wie bereits beschrieben stehen die Ungleichheitskategorien nicht einzeln, sondern stets in interdependenter Beziehung mit anderen Differenzkategorien bzw. sind in sich bereits heterogen strukturiert (Walgenbach, 2007). Insbesondere aus ethnographischer Perspektive stellt sich daher die Frage nach der Sichtbarkeit von Ungleichheitsverhältnissen sowie deren alltäglichen (Re-)Produktionen. In der Analyse der vier Ungleichheitskategorien Behinderung, Klasse, Ethnizität und Geschlecht werden sowohl machtbedingte Ungleichheitsphänomene als auch spezifische Identitätskonstruktionen aus Perspektive der Akeur:innen sichtbar, die auf Erfahrungen sozialer Differenzierung und Exklusion sowie auf diverse Wechselwirkungen verweisen. Aufbauend auf diesen Analysen wird anschließend gezeigt, wie Figurierungen von Gefährlichkeit als Formationen dieser vier Kategorien verstanden werden können.
Behinderung
Im schulischen Alltagsverständnis wird Behinderung in der Regel im Sinne des individuellen Modells von Behinderung als persönliches Defizit verstanden (Waldschmidt, 2005). Durch formalisierte sonderpädagogische Feststellungsverfahren werden Behinderungen dabei – besonders in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte (sowohl in Österreich als auch in Deutschland) – häufig in Form von Lernschwierigkeiten bzw. Lern- und Sprachbeeinträchtigungen als Norm-Abweichung fest- bzw. hergestellt, die dann mittels des sonderpädagogischen Förderbedarfs in den Aufgabenbereich von Sonder- (sowie Inklusiver) Pädagogik überführt werden (Moser, 2000; Luciak, 2009; Powell & Wagner, 2014; Brodesser, 2015; Neumann & Lütje-Klose, 2020). Anhand von Förderplänen, die die Begründungen der SpF-Bescheide enthalten und sich zentral auf – medizinisch inspirierte – sonderpädagogische Kategorien stützen, wird das Ungleichheitsverhältnis entlang von Behinderung (in Form des SpF) objektiviert und als vermeintlich natürliche Tatsache verfestigt.
An der NMS Bachmannstraße war Behinderung eine Ungleichheitskategorie, die in aller Regel nicht wie Geschlecht anhand spezifisch gelesener äußerlicher Körpermerkmale im Schulalltag vermeintlich ersichtlich war, sondern die insbesondere durch pädagogische Differenzpraktiken hergestellt wurde. Andere Lehrpläne sowie Vorstellungen besonderer Hilfsbedürftigkeit führten dabei zu einer spezifischen pädagogischen Praxis, die zu meist negativen (Fähigkeits-)Zuschreibungen von Unterschiedlichkeit im Vergleich zu Schüler:innen ohne SpF führten. Besonders wirkmächtig zeigten sich im Schulalltag fähigkeitsbezogene Raumordnungen (Buchner & Petrik, 2022; Richter, 2022), mit denen Schüler:innen mit SpF anhand ihrer Leistungsfähigkeit im Schulgebäude verteilt wurden. Mindestens in den Hauptfächern wurden die Schüler:innen mit SpF nicht im Klassenzimmer mit ihren Mitschüler:innen, sondern segregiert in einem anderen Raum unterrichtet. Darüber hinaus wurden die Schüler:innen mit SpF der dritten Klasse auch im gemeinsamen Unterricht, wie bspw. in Geschichte, als fester Block im hinteren Teil des Klassenzimmers platziert, sodass die Schüler:innen drei der hinteren Schulbänke einnahmen. Dadurch entstanden in der Klassen-Öffentlichkeit spezifische Körper- bzw. Behinderungsräume (Richter, 2022), die den Schüler:innen mit SpF für alle sichtbar einen besonderen sozialen Platz zuwiesen. Das verstärkte sich bspw. noch, wenn sich Mitschüler:innen während Gruppenarbeiten im (Geschichts-)Unterricht frei ihre Gruppen aussuchen konnten, die Schüler:innen mit SpF hingegen stets eine feste eigene Gruppe bilden sollten und fast ununterbrochen von einer Lehrkraft betreut wurden; was von den Lehrer:innen mit einer Erleichterung der Lernsituation begründet wurde.
Die pädagogischen Differenzpraktiken und spezifischen Anrufungen markierten und konstituierten Schüler:innen mit SpF damit als (hilfs-)bedürftige sowie leistungsschwächere bzw. unvollständige Subjekte (Buchner, 2018; Janssen, 2018), was in Teilen auch von den Schüler:innen mit SpF selbst angenommen wurde. Aus subjektivitätstheoretischer Sicht kann die Annahme der angerufenen Subjektposition schließlich als Akt des Identitätsgewinns verstanden werden, der soziale Anerkennung überhaupt erst ermöglicht (Butler, 2017). So erzählten sich mir mehrere Schüler:innen mit SpF als „schlecht“ in den Fächern oder gar als „zu dumm“. Beispielsweise beschrieb sich Nikola in einem Interview folgendermaßen: „Ich würde sagen, ich würde sagen, ich kann nix, bin zu dumm für die Welt… Und bau immer Scheiße, fertig.“ Und auch für die Mitschüler:innen blieben die pädagogischen Maßnahmen nicht unsichtbar: So wurden bspw. die räumlichen Anordnungen, wie in Interviews deutlich wurde, mit spezifischen Fähigkeitsvorstellungen leistungsschwächerer Subjekte verknüpft.
Neben diesen Formen der Differenzproduktion wurden auch innerhalb der Gruppe der Drittklässler:innen mit SpF Unterschiede sowohl entlang des Curriculums (Buchner & Petrik, 2022) als auch aufgrund spezifischer (Migrations-)Biographien sowie Fähigkeitserwartungen hergestellt und sichtbar markiert. Für Schüler:innen mit einem erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf wurde bspw. vom Klassenvorstand das Leistungsniveau der Schüler:innen in Bezug zu ihrer Behinderung als starr und begrenzt eingeschätzt. Die Behinderung wurde diesbezüglich genutzt, um die eigene pädagogische Praxis im Hinblick auf nicht erfüllte inklusive Ansprüche zu (re-)legitimieren. In der Leistungseinschätzung von Schüler:innen, die nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule unterrichtet wurden (kein erhöhter Förderbedarf), wurde hingegen die Lernschwierigkeit teilweise, wenn auch innerhalb eines bestimmten Rahmens, flexibel ausgelegt. Die Schüler:innen wurden dann bspw. von der Klassenlehrerin mir gegenüber in der Regel als „etwas nachhinkend“ oder als „noch etwas zurück“ beschrieben. Dabei wurden Schüler:innen, die keinen erhöhten SpF hatten, teilweise bestimmte Möglichkeiten selbstständigen Lernens sowie einer erweiterten Teilnahme am regulären Unterricht in der Klasse eingeräumt. Amara (15) bspw. besuchte nur in Mathematik, Deutsch und Englisch den sonderpädagogischen Unterricht, der von der Klasse segregiert in einem anderen Raum stattfand. Die restliche Zeit verbrachte sie mit den Mitschüler:innen ohne SpF im Klassenzimmer. Die Lehrer:innen begründeten diese pädagogische Praxis mit ihrer speziellen Migrationsbiographie sowie den fehlenden Bildungsmöglichkeiten in ihrem Herkunftsland. Aufgewachsen ist Amara in einem ostafrikanischen Land, wo sie allerdings keine Schule besuchte. Erst als Amara und ihre Familie vor wenigen Jahren nach Österreich emigrierten, bekam sie die Möglichkeit auf einen Schulbesuch und wurde aufgrund ihres damaligen Alters in die vierte Klasse Volksschule eingeschult. Nachdem Amara nach ihrem Wechsel auf die NMS Bachmannstraße zweimal wegen Mathematik sitzen geblieben ist, wurde ein SpF beantragt und anschließend mit der Begründung einer „nicht altersgemäßen Intelligenz“ festgestellt.
Und auch Marie (13) konnte ab einem bestimmten, von der Integrationslehrerin festgelegten Zeitpunkt zumindest probeweise am Geographieunterricht der Klasse teilnehmen. Allerdings schienen diese Möglichkeiten nicht beliebig, sondern waren ausschließlich auf die Nebenfächer bezogen. Für den von den Lehrer:innen als wesentlich wichtiger erachteten Unterricht in Mathe, Deutsch und Englisch blieben die räumlichen Grenzen zwischen Schüler:innen mit und ohne SpF weiterhin bestehen.
Klasse
Zusätzlich zu den pädagogischen Differenzpraktiken, die in der Schulöffentlichkeit Unterschiede zwischen Schüler:innen mit und ohne SpF erzeugen und damit erhöhte Exklusionsrisiken produzieren (Köpfer, 2018; Rißler & Budde, 2017), kommt auch der sozialen Klasse und mit ihr klassistischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen in Bezug auf die Sichtbarkeit von Ungleichheit eine besondere Rolle zu. Wenngleich die Zugehörigkeit zur Armuts- oder Arbeiter:innenklasse mit äußerlichen Merkmalen bzw. ästhetischen Differenzen wie bspw. dem Tragen klassenspezifischer Kleidung oder Frisuren (Ege, 2013) bzw. einem milieuspezifischen Habitus (Bourdieu, 1987) einhergehen kann, ist das Sprechen über klassenbedingte Ausschlussmechanismen deutlich erschwert (Wellgraf, 2013). In einem Schulsystem, das auf vielfache Weise systematisch soziale Selektion produziert, ist die Benachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft im Schulalltag weitgehend unsichtbar und für die Betroffenen in der Regel nicht zu erfassen. Dass die familiären Startchancen, die sich durch das ökonomische, kulturelle sowie soziale Kapital der Familien ausdrücken, entgegen dem trügerischen Ideal, es komme nur auf die eigene Leistung an, eben nicht gleich verteilt sind (Stojanov, 2015; Rieger-Ladich, 2021), ist für viele Schüler:innen meist nur unbewusst spürbar.
Kulturalisierende oder ableistische Zuschreibungen sowie die bereits beschriebene Verantwortungsdelegation von Lehrer:innen an die Familien verbergen klassenbedingte Ausschlussmechanismen zusätzlich und lösen diese (teilweise) anhand vermeintlich offensichtlicherer Ungleichheitsverhältnisse wie Ethnizität oder Behinderung zur Rechtfertigung der eigenen Unterrichtspraxis ab. Durch die immer wiederkehrenden moralischen Abwertungspraktiken bilden Schüler:innen an Schulen in schwieriger Lage daher häufig negative Werturteile, die letztlich in ihr Selbstverständnis eingehen und zu einer kollektiven Identität gemeinsamer Stigmaerfahrung führen (Knigge, 2009). Für Schüler:innen mit SpF besteht hier aufgrund der Denormalisierungspraktiken und des individualisierenden sowie segregierenden Umgangs an vielen österreichischen Regelschulen die zusätzliche Gefahr, dass sie in einer Schule, in der ohnehin fast alle als „faul“ stigmatisiert werden und schlechte Leistungen erzielen, noch „schlechter“ zu sein scheinen und dadurch manifeste negative Werturteile der eigenen Person herausbilden (Buchner, 2018; Buchner & Petrik, 2022), wie dies an der obigen Selbstbeschreibung von Nikola zu sehen ist.
Aus ethnographischer Sicht war es mir nur bedingt möglich, Formationen von sozialer Klasse und Behinderung im Schulalltag zu beobachten. Allerdings konnte ich durch die Schulakten der Schüler:innen mit SpF einen Eindruck der Intersektionen der Ungleichheitsverhältnisse und damit auch der klassenbedingten Selektionsmechanismen gewinnen. Bei Marie, deren Schulakte sämtliche Förderpläne seit der Volksschule enthielt, war dies besonders deutlich. Ihre Förderpläne erwähnten immer wieder einen als instabil beschriebenen familiären Hintergrund und enthielten wiederholt klassistische Beschreibungen wie: sie wirke „unordentlich“, „ihre Haare sind zerzaust“, „sie wirkt etwas ungepflegt, hat(te) zu Schulbeginn Läuse und ihre Kleidung riecht sehr stark nach Zigarettenrauch“. Das Bild, das von Marie durch die Förderpläne gezeichnet wird, ist das (auch geschlechtsspezifische) Bild eines verwahrlosten, hilfsbedürftigen Mädchens, das stark vernachlässigt wird. In Armut lebende sowie arbeitslose Menschen sind ohnehin von stereotypen Stigmatisierungen betroffen, indem sie als nicht fähig dargestellt werden, den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden und ein selbstgestaltetes Leben zu führen (Kemper & Weinbach, 2009; Weinbach, 2020). Abwertende Stereotype verweisen diesbezüglich auf die Denkfigur einer sozialen Vertikalisierung (Kemper, 2015), innerhalb derer Menschen aus Armutsverhältnissen oder der Arbeiter:innenklasse als minderwertig marginalisiert werden. Die Förderpläne nutzen damit das Armutsverhältnis, von dem Marie mit ihrer Familie betroffen ist, um in Bezug auf Marie den sonderpädagogischen Verantwortungsbereich und letztlich auch ihren sonderpädagogischen Förderbedarf zu (re-)legitimieren.
Auch wenn klassenbedingte Selektion in der Regel verborgen bleibt (Ortner, 2006), äußern sich die Auswirkungen der schulischen Selektionsmechanismen und (bildungs-)systemischen Prozessmerkmale für Schüler:innen mit SpF häufig zum Ende ihrer Pflichtschulzeit, wenn sie in den letzten Monaten vor dem Schulende Bewerbungen für Lehrstellen schreiben und feststellen, dass ihre Abschlüsse nur selten etwas zählen. Neben dem ohnehin erhöhten Anteil von Schüler:innen mit SpF, die von Armut betroffen sind, ist das Risiko für Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, nach Abschluss der Pflichtschule weder in ein Ausbildungs- noch in ein Beschäftigungsverhältnis des ersten Arbeitsmarktes einzutreten, deutlich erhöht (Fasching, 2016). So droht letztlich häufig eine massiv unterbezahlte Arbeit in einer ‚Werkstatt für Menschen mit Behinderung´ oder eine länger anhaltende Erwerbslosigkeit, wodurch sich Armutsverhältnisse fortführen und reproduzieren (Pfahl & Powell, 2010). Darüber hinaus stellt auch die Suche nach einer Lehrstelle trotz der Möglichkeit der verlängerten Lehre, wodurch sich – finanziert vom österreichischen Arbeitsmarktservice – die Lehrzeit für Schüler:innen mit SpF um ein Jahr ausdehnt, oft einen längeren Prozess dar, der häufig von Erfahrungen der Zurückweisung und des Scheiterns geprägt ist (Fasching & Fülüp, 2017; Thaler, 2018).
Ethnizität
Im Gegensatz zur Unsichtbarkeit klassistischer Ausschlussmechanismen sind Ungleichheitserfahrungen aufgrund zugeschriebener Ethnizität für Kinder und Jugendliche deutlich einfacher wahrnehmbar und zu benennen (Wellgraf, 2011). In diesem Zusammenhang bestand auch ein wesentlich stärkeres Bewusstsein für angerufene Subjektpositionen (Althusser, 2016; Butler, 2017), die von den Schüler:innen in Teilen positiv besetzt wurden. Für Schüler:innen der NMS Bachmannstraße, die durch eine stark ethnisch heterogene Schüler:innengemeinschaft geprägt ist, stellt bspw. die Anrufung als „Ausländer“ zum einen zwar eine Differenzproduktion dar, die ihnen im Sinne des Otherings einen inferioren gesellschaftlichen Platz zuweist. Im Schulalltag kam es von einigen Lehrer:innen bspw. immer wieder zur Benennung spezifischer Migrationsgeschichten, die dann mit kulturalisierenden und essentialisierenden Vorstellungen vermeintlich biologischer Eigenschaften (ab-)gewertet wurden. Zum anderen wurde die Position des „Ausländers“ darüber hinaus aber auch von den Schüler:innen produktiv angeeignet, umgewandelt und mit Möglichkeiten eigener postmigrantischer Erzählungen sowie dem Gefühl einer kollektiven Identität gemeinsamer postmigrantischer Erfahrungen versehen (Yildiz, 2019). Dies wurde in meinem Feld deutlich, wenn Schüler:innen in Interviews sagten, dass sie „alle“ in der Klasse „Ausländer“ seien und selbst Schüler:innen, bei denen lediglich ein Großelternteil nicht in Österreich geboren ist, ebenfalls zu „Ausländern“ gemacht wurden bzw. diese selbst den Wunsch nach einer eigenen Migrationsgeschichte erzählten, mit der sie sich stärker identifizieren könnten. Darüber hinaus erzählten sich auch Jugendliche, deren Eltern zwar bspw. aus der Türkei nach Österreich emigrierten, die aber selbst in Österreich geboren sind und auch die österreichische Staatsbürgerschaft haben, selbstbewusst als Türk:innen – allerdings nicht ohne auf die Ambivalenzen hinsichtlich doppelter ethnischer Identitätsverortungen sowie gesellschaftlicher Integrationserwartungen zu verweisen. Innerhalb dieser Ambivalenzen kann die kollektive Zuordnung zu einer gemeinsamen kulturellen Identität als Antwortpraxis auf kulturalisierende Zuschreibungen in der Gesellschaft und Schule verstanden werden (Wellgraf, 2018).
Diesbezüglich wurden auch rassistisch konnotierte Bilder und Zuschreibungen, die auf gesellschaftliche hegemoniale Diskurse verweisen, angeeignet und spielerisch als Provokation umgewandelt. So erzählte Nikola gemeinsam mit Tarik (15) und Ayaz (14), ebenfalls Schüler mit SpF, sichtlich erheitert, wie Nikola und Tarik während eines Feueralarms in der Schule „Allahu Akbar“ gerufen haben und andere davor warnten, dass eine Bombe explodieren würde. Damit rekurrieren die Jungen auf die medial erzeugten Bilder islamistischer Terroristen, die die muslimische Formel „Gott ist groß“, die im Islam eigentlich eine gewöhnliche Losung ist, während diverser Terroranschläge riefen. Insbesondere in westlichen Ländern gingen die Anschläge dabei mit einer Steigerung antimuslimischen Rassismus einher, sodass der Ausruf „Allahu Akbar“ ausschließlich mit Terror und Mord in Verbindung gesetzt wurde (Schönfeld, 2018; SOS Mitmensch, 2018). In der schulischen Ausnahmesituation des Feueralarms – auch wenn es nur eine Übung gewesen ist – zeigten Nikola und Tarik mit dem Ausrufen der Formel ein Bewusstsein für spezifische Gefährlichkeitsnarrative, die medial und gesellschaftlich über muslimische männliche Migranten in den letzten Jahren verbreitet wurden. Die Attraktivität der Provokation bei muslimischen Jugendlichen hat Aladin El-Mafaalani (2018) am Beispiel salafistischer Jugendbewegungen nachgezeichnet. Und obwohl weder Nikola, der christlich-orthodox erzogen wurde, noch Tarik radikale Ideologien teilen, zeigten sie damit zugleich einen spielerischen Umgang, der letztlich provozieren soll.
Geschlecht
Geschlechterdifferenzen sind die am stärksten sichtbaren Ungleichheitsverhältnisse im Schulalltag, die als ein Doing Gender (West & Zimmermann, 1987) sowohl von Seiten der Lehrer:innen als Anrufung (Butler, 2017) als auch als Selbstidentifikation auf Seiten der Schüler:innen immer wieder neu hergestellt werden. Dies wurde darüber hinaus auch räumlich sichtbar. So wurden Sitzordnungen in vielen Fällen durch das Geschlecht bestimmt. Beispielsweise wurde in der Abschlussklasse die Fensterreihe ausschließlich von Jungen, die Wandreihe ausschließlich von Mädchen besetzt. Antje Langer (2008) spricht hier von Geschlechter-Räumen, die Geschlechterzugehörigkeiten performativ (re-)produzieren und normalisieren. Diese räumlichen Zuordnungen sind allerdings nicht nur fremdbestimmt, sondern ebenfalls Teil einer (identitären) Selbstverortung. Vor allem in der vierten Klasse (heißt achte Jahrgangsstufe) war die strikte Trennung zwischen Jungen und Mädchen besonders deutlich: sowohl im Unterricht als auch in den Pausen blieben Jungen und Mädchen meist nur unter sich. Und auch in der Gruppe der Drittklässler:innen mit SpF kam es in der Regel zu einer klaren Geschlechtertrennung. Nikola, Tarik und Ayaz bildeten dabei eine feste Gruppe, die so gut wie immer ausschließlich zu dritt unterwegs war und nur selten mit Mädchen oder anderen Jungen ohne SpF ins Gespräch kam. Einzig Marie war ab und an Teil der Gruppe. Dabei kam es bezüglich der drei Jungen zu einer doppelten Gruppenbildung, die als Differenzierung in Bezug zum (männlichen) Geschlecht sowie zu ihrem Förderbedarf wirksam wurde. Durch die pädagogische Praxis räumlicher Segregation verinnerlichten die Jungen die kollektive Erfahrung sozialen Ausschlusses und Andersheit und schafften sich daher einen Raum, der ihnen gegenseitig Schutz vor weiterer sozialer (Teil-)Exklusion (Schroer, 2001) gab.
In beiden Klassen, die ich ethnographisch begleitet habe, befanden sich darüber hinaus auch reine Jungen-Gruppen von vier bis fünf Personen, die sich insbesondere durch ihre oppositionelle Haltung zur schulischen Ordnung sowie in Abgrenzung zum weiblichen Geschlecht verhielten. In der vierten Klasse war Hakan (15), ein Schüler mit SpF, Teil dieser Gruppe der „Witzigen“, wie ein Mitglied die Gruppe selbst bezeichnete. Ähnlich zur ethnographischen Studie von Paul Willis (2013) über männliche Jugendliche der britischen Arbeiter:innenklasse fielen die Jungen vor allem durch lautstarke Späße, widerständige Interventionen sowie Beleidigungen auf. In Interviews erzählte mir bspw. Leonardo (15), der eben zu jener Jungengruppe gehörte, dass sich der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen im Verhalten und dem eigenen „Lebensstil“ zeigen würde. Seiner Meinung nach würden zwar nicht alle, aber die meisten Mädchen sich nur für das Lernen interessieren und keine Späße verstehen. Die Jungen würden hingegen Witze machen, wären insgesamt „aufgedrehter“ und würden sich für andere Sachen interessieren. Damit verweist Leonardo auf gendertypische Verhaltensweisen, wie sie von der Gesellschaft nahegelegt werden. Die „aufgedrehte“ Art, die Leonardo beschreibt, konnte auch ich in Pausen, auf dem Hof oder auf dem Weg zum Sportplatz beobachten. Während die meisten Mädchen sich ruhig und entspannt unterhielten, kam es unter einigen der Jungen immer wieder zu körperlichem Dominanzverhalten, indem miteinander gerauft, andere Jungen in den Schwitzkasten genommen oder Schattenboxübungen dicht vor dem Gesicht des anderen durchgeführt wurden. Nicht immer war dabei klar, ob die Grenze des noch Spaßigen schon überschritten wurde, und manchmal traf ein Schlag doch härter, als im ersten Moment beabsichtigt wurde, was in der Regel vom Gegenüber mit einem noch festeren Schlag beantwortet wurde. Die Performanz von körperlicher Stärke sowie Gefährlichkeit, Wellgraf (2011, 121) spricht diesbezüglich von „aggressiver Männlichkeit“, dient den Jungen, sich ihrer männlichen Hegemonie und Überlegenheit zu vergewissern. Die Mädchen, die körperlich zwar nicht von den Jungen angegangen wurden, waren hingegen häufig Ziel abwertender verbaler Späße. In Interviews beschrieben mir die meisten Mädchen den Großteil der Jungen als gemein, schadenfroh, laut und beleidigend. Als Antwort auf die verbalen Angriffe entwickelten einige Mädchen daher effektive Strategien, um sich den Beleidigungen zumindest situativ zu entziehen. Eylül (14) beispielsweise ließ nur selten beleidigende Angriffe auf Mitschülerinnen unkommentiert und konterte meist mit ironisierenden Sprüchen. Besonders der solidarische Akt füreinander einzuspringen, führte daher zu einem wesentlich stärkeren Gemeinschaftsgefühl unter den Mädchen als auf Seiten der Jungen.
Indem dieses Kapitel den Blick auf Differenz- und Ungleichheitsverhältnisse gerichtet hat, konnten diverse Wirkungsweisen sozialer Ungleichheit sowie deren Bedeutungen für den Alltag der Schüler:innen herausgearbeitet werden. Auch wenn die Analyse der vier Differenzkategorien einzeln, heißt fokussiert, vorgenommen wurde, zeigten sich diverse Überschneidungen von Ungleichheit. Darüber hinaus geben insbesondere die Ausführungen zu Ethnizität und Geschlecht schon erste Hinweise auf die Frage nach der Aneignung von Gefährlichkeitsfiguren und -erzählungen. Im Folgenden wird nun dargestellt, inwiefern diese (Selbst-)Figurierungen von Gefährlichkeit als Verweis auf Formationen von Behinderung, Klasse, Ethnizität und Geschlecht verstanden werden können.
Neben den differenzierenden (sonder-)pädagogischen Ordnungssystemen, denen Schüler:innen mit SpF an österreichischen Schulen unterworfen sind, zeigen sich im urbanen Raum besonders deutlich spezifische Formationen von Ungleichheitskategorien, die für eben jene Schüler:innengruppe wirksam sind. Behinderung steht dabei eben nie allein, sondern immer in Abhängigkeit mit anderen Ungleichheitsverhältnissen und kann damit nur über die Verwobenheit mit anderen Kategorien hinsichtlich gesellschaftlicher Normen sowie deren Abweichung verstanden werden (Schildmann, 2019). Allerdings zeigt sich auch in spezifischen Situationen, dass die Behinderung in den Hintergrund treten kann und andere Ungleichheitsverhältnisse für Schüler:innen mit SpF wirkmächtiger sind.
In einem Schulsystem, das soziale Ungleichheiten auf empfindliche Weise reproduziert, erfahren Schüler:innen mit SpF nicht nur gesellschaftliche bzw. strukturelle Exklusion und Benachteiligung, sondern sie sind gleichzeitig gezwungen, mit den ausgrenzenden Strukturen umzugehen und sich dazu zu verhalten. In der Auseinandersetzung mit eben jenen machtförmigen Ordnungssystemen zeigen die Schüler:innen sowohl Anpassungsstrategien als auch Formen von Selbstermächtigung und Widerständigkeit (Buchner, 2018; Richter, 2022). Hierbei greifen insbesondere männliche Schüler auf gesellschaftliche bzw. mediale stigmatisierende Diskurse über die migrantische Armutsklasse zurück, reproduzieren diese und entwickeln daraus gegenbürgerliche Ideale (post-)migrantischer Lebenswelten. Diesbezüglich sind insbesondere jugend- sowie populärkulturelle Codes und Muster, die eine Ablehnung der hegemonialen Ordnung zum Ausdruck bringen, für viele Schüler anschlussfähig. Beispielsweise zeigte sich dies durch das Tragen von Jogginghosen und Kampfsport-Kleidung oder dem Anschluss an die Rap-Kultur, die insbesondere durch das Genre des Straßen- bzw. Gangsterrap als „ambivalente Subjektkultur“ (Seeliger & Dietrich, 2013, 113) eine enorme Ausstrahlung auf Schüler der NMS Bachmannstraße hat. Der bürgerlichen Gesellschaft werden dabei unter anderem Bilder einer aggressiven Männlichkeit gegenübergestellt, die die Gefährlichkeit der eigenen Person demonstrieren soll.
Dies kann beispielsweise mit Hakan (15) verdeutlicht werden: Bei Hakan handelt es sich um einen 15-jährigen männlichen Jugendlichen (mit SpF), dessen Eltern aus der Türkei nach Österreich emigriert sind. Er geht mehrmals die Woche zum Kickboxtraining, kam auch schon mit vergipstem Arm in die Schule, weil er sich beim Training einen Finger gebrochen hatte, trägt Turnschuhe, Jeans und T-Shirts der Kampfsportmarke „Boxeur Des Rues“ (z. Dt.: Straßenboxer/ Straßenkämpfer), auf denen neben dem sehr groß geschriebenen Markennamen noch die Silhouette eines Boxers abgebildet ist, der bei dem Schlag einer linken Geraden abgebildet wird. Hakan machte auf mich einen stets ruhigen und freundlichen Eindruck. Allerdings verstand er es auch, durch seine Körpersprache eine anhand bestimmten Männlichkeitsvorstellungen konstruierte Coolness zum Ausdruck zu bringen (Wellgraf, 2018). Seine Klassenkameraden Leonardo (15), Stefan (15) und Muhammed (14) beschrieben Hakan in einem Interview aufgrund seines Habitus daher als „waschechten Türken“, was die drei Jungen an seinem Gang, seinem Äußeren mit sehr leichtem Oberlippenbart, einer um den Hals hängenden Kette mit Türkeifahne sowie seiner angeblich protzigen Art festmachten. Die Figur des „waschechten Türken“, die von den Jungen in Bezug auf Hakan aufgerufen wird, verschwimmt so mit der Figur des Prolls, wie Moritz Ege (2013) sie beschrieben hat. Dass die Vorstellung eines türkischen männlichen Jugendlichen mit „Prolligem“ in Verbindung gesetzt wird, ist kein Zufall, sondern sowohl gesellschaftlich sowie medial erzeugt als auch Teil einer Selbst-Figurierung kultureller Muster und Codes (Ege & Wietschorke, 2014). Die Figur des „Prolls“ ist dabei nicht nur durch eine bestimmte aggressive Männlichkeit, sondern auch durch eine Milieuspezifik der Arbeiter:innenklasse geprägt und wird hier durch die türkische Migrationsgeschichte von Hakan zur Figur des „typischen Türken“ ergänzt. Innerhalb der Selbst-Figurierung wird bspw. die Kette mit der Türkei-Fahne sichtbar von Hakan getragen. Auch die Verbindung zum Kampfsport stellt Hakan mit seiner Kleidung deutlich her. Seine ethnische Zugehörigkeit wird dadurch mit einer überlegenen Körperlichkeit in Zusammenhang gebracht, die Gefährlichkeit zum Ausdruck bringt. In einem Interview mit Hakan fragte ich ihn, ob es Orte in der Stadt gibt, die man als Jugendlicher eher meiden sollte. Hakan berichtet mir dann von einem Fußballplatz, der ca. ein Kilometer von der NMS Bachmannstraße entfernt ist und wo „alle Schlägertypen und alle Türken“ seien. So an die „fünfzig, sechzig Leute“. Häufiger sei auch er dort zum „sitzen, reden“.
Gefährlichkeit wird von Hakan damit eher implizit durch Kleidung und Habitus, und weniger durch eine direkte Bedrohlichkeit, performativ hergestellt. Durch seine Aussage, er wäre auf dem Bolzplatz zum Sitzen und Reden, wie er sagt, bleibt er zwar bewusst vage, markiert aber zugleich, dass er von der Gruppe der fünfzig bis sechzig Jugendlichen mindestens sozial akzeptiert ist. Auch durch die Verbindung von „Schlägertypen“ und „Türken“ eignet sich Hakan das Negativ-Bild migrantischer (männlicher) Jugendgruppen bspw. medialer Repräsentation an, in dem es Gefährlichkeit und ethnische Zugehörigkeit zusammenführt. Die Gefährlichkeitsdarstellung Hakans entwickelt sich daher entlang der Formation von Ethnizität, Geschlecht und sozialer Klasse. Besonders die türkische Migrationsgeschichte scheint für Hakan in diesem Kontext abrufbar und bietet ihm die Möglichkeit einer spezifischen Gruppenidentität und -zugehörigkeit.
Ein anderes Bild von Gefährlichkeit, das sich sowohl im Inhalt als auch Ausdruck unterscheidet, zeichnet hingegen Nikola. Wo sich Hakans Gefährlichkeitsperformanz überwiegend äußerlich ausdrückt, entwickelt sich die Selbstdarstellung als krimineller Jugendlicher bei Nikola auf einer narrativen Ebene, die also erst verbal hergestellt werden muss.
Als Schüler mit erhöhtem Förderbedarf der dritten Klasse, der nicht wie Hakan (4. Klasse) nur in den Hauptfächern, sondern noch in weiteren Nebenfächern in dem anderen Raum segregiert unterrichtet wird, machte Nikola in besonderer Weise die Erfahrung sozialer Ausgrenzung und von Andersheit. Überdies finden sich in Bezug auf die spezifische Migrationsgeschichte Nikolas (südosteuropäischer Raum) weder in der Jugend- noch Populärkultur die gleichen Ankerpunkte für eine ähnliche selbstbewusste ethnische Identitätszuordnung, wie Hakan sie als (widerständige) Aneignungspraxis türkischer Jugendlicher vollzieht. Dies könnte u.a. mit einer medialen Berichterstattung die Zuwanderung aus eben jenen südosteuropäischen Ländern mit antiziganistischen Stereotypen stigmatisiert (End, 2014) sowie (populär-)kultureller Reproduktion von Antiziganismus in Zusammenhang stehen. Darüber hinaus ist das Erscheinungsbild von Nikola vergleichsweise unauffällig. Nikola trägt weder spezielle Kleidung, die implizit auf jugendkulturelle Codes verweist, noch ist sein Auftreten besonders körperbetont männlich.
Die Gefährlichkeitsfigur, die von Nikola aufgerufen wird, entsteht vielmehr durch die narrative Inszenierung als kriminelles Subjekt sowie durch eine eher situative Performanz vermeintlicher Gefährlichkeit. So beschrieb sich Nikola in Alltagsgesprächen immer wieder hinsichtlich eines länger anhaltenden delinquenten Lebensabschnitts, den er nun aber hinter sich gelassen habe oder vorhat, hinter sich zu lassen. Die Anzahl seiner Anzeigen, die er aufzählt, soll seine kriminelle Vergangenheit sinnbildlich verdeutlichen. Die im Feldbeispiel zu Beginn dieses Textes von Nikola benannten Anzeigen hinsichtlich „Körperverletzung und schwerer Morddrohung“ konstruieren darüber hinaus eine konkrete Gefährlichkeitserzählung und damit auch eine spezifische Dimension erzählter krimineller Praxis, die in diesem Fall über einfache Ladendiebstahlsdelikte hinausgeht. „Schwere Morddrohung“ fungiert dabei als Zuspitzung inszenierter Strafbarkeit, die seine Gefährlichkeit noch einmal in aller Deutlichkeit explizit markieren soll. Auch in anderen Situationen, die ich mit Nikola erlebt habe, rekonstruierte sich Nikola als kriminelles Subjekt, das sich im Widerstand mit dem Staat und der Polizei befindet:
Während wir, das sind Marie, Amara und ich, auf der Wiese des Schulhofes stehen und uns unterhalten, fährt hinter uns ein Polizeifahrzeug auf das Schulgelände. Zwei Polizisten steigen mit strenger Miene aus dem Auto. Mit herausgestreckter Brust bewegen sich die beiden Männer selbstbewusst und zielstrebig Richtung Haupteingang. Den Schüler:innen, die auf dem Hof sind, ist die Ankunft der beiden Polizisten nicht entgangen. Aufmerksam sind die Blicke auf die beiden gerichtet, bis diese schließlich um die Ecke im Schulgebäude verschwunden sind.
Während Marie – motiviert von der Präsenz der Polizei – Amara und mir von einem Vorfall erzählt, bei dem sie einen Mann bei der Polizei angezeigt hat, der sich an sie, wie sie sagt, rangebaggert hat, kommen Nikola und Tarik vorbeispaziert und bleiben bei uns stehen. Nikola unterbricht Marie, die soeben zum Weitererzählen angesetzt hat, und schildert ihr detailliert, in Richtung des Polizeiautos schauend, wie sie das Auto fahruntauglich machen könnten. Das könnte man machen, stimmt Marie dem Vorschlag Nikola bei. Nikola fragt daraufhin nach, wie die Polizisten denn ausgesehen haben. Ob so einer mit kurzen Haaren dabei gewesen wäre. Die beiden Mädchen wissen es nicht. Ich frage bei Nikola nach, was dann wäre. Der würde ihn kennen, gibt Nikola grinsend zu verstehen. „Der ist ein Hurensohn.“ Ohnehin: „Alle Polizisten in [Stadtteil A und B] sind Hurensöhne“, führt Nikola aus. Nikola und Tarik schlendern daraufhin langsam weiter. Amara fragt Marie und mich, warum Nikola findet, dass die Hurensöhne seien. Ohne eine Antwort abzuwarten, dreht sie sich direkt zu Nikola um und fragt ihn, was denn wäre, wenn die Polizisten das hören würden, wenn er sie so nennt. Das sei ihm egal, antwortet Nikola sicher (Feldnotiz-020623).
Wenngleich einige Schüler:innen der NMS Bachmannstraße schon Kontakt zur Polizei hatten und die Polizei nicht zum ersten Mal auf das Schulgelände gefahren ist, stellt die Präsenz der beiden Polizisten auf dem Schulhof für die Schüler:innen ein besonderes Ereignis dar. Für Marie gibt die Anwesenheit der Polizei Anlass über eigene polizeiliche Erfahrungen, hier allerdings als angerufene Schutzinstanz zu erzählen. Nikola, der dann zu der Situation hinzukommt, fühlt sich sichtlich provoziert. Ohne Marie ausreden zu lassen, erzählt er von seiner Idee, das Polizeifahrzeug fahruntauglich zu machen. Diese Idee ist dabei weniger Ausdruck eines konkreten Plans, sondern vielmehr der Versuch, deutlich zu machen, dass ihm einerseits die Präsenz der Polizei nicht entgangen ist, womit er das Gespräch wieder auf das konkrete Ereignis und die Polizei lenkt und er damit andererseits eine deutliche Ablehnung eines als bedrohlich sowie feindlich wahrgenommen Gegenübers markiert. Das Feindbild Polizei, das durch die Beleidigung „Hurensohn“ verstärkt wird, kann hierbei einerseits als Verweis auf eine Jugend- bzw. Straßenkultur verstanden werden (Schäfer-Vogel, 2007; Hafeneger, 2015), in der die Polizei für unverhältnismäßige meist nicht geahndete Polizeigewalt (Singelnstein, 2014) sowie ein bürgerliches Ordnungssystem (Schmidt, 2023) steht, das soziale Ungleichheitsverhältnisse aufrechterhält. Andererseits verweist dieses Feindbild auf eigene Diskriminierungserfahrungen (Hunold, 2011; Zdun, 2015). Besonders für migrantische Jugendliche aus Armutsverhältnissen ist das Risiko, aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer sozialen Stellung in polizeiliche Kontrollen oder Maßnahmen zu geraten oder von der Polizei als unglaubwürdig behandelt zu werden, deutlich erhöht (Thurn, 2021; Busch, 2013; zu Racial Profiling auch: Bosch, 2020). So erzählte mir Nikola in einem Interview, dass er sogar in gefährlichen Situationen, bspw. als er mal mit einem Messer bedroht wurde, die Polizei nicht ruft, da er es am Ende selbst sei, der dann „immer Stress“ (mit der Polizei) bekommen würde.
Durch die Frage nach der Identität des Polizisten und der Aussage, dass der Polizist, wenn es der mit kurzen Haaren sei, ihn kennen würde, markiert Nikola darüber hinaus seine Erfahrung sowie Bekanntheit als (vermeintlich) krimineller Jugendlicher. Die Kriminalitätsdarstellung und damit auch die situative Selbstzuordnung zu einer gesellschaftlich geächteten Personengruppe verstehe ich hierbei als Antwortpraxis auf vielfältige Exklusionserfahrungen, die Nikola sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule als migrantischer, sozio-ökonomisch benachteiligter Junge mit zugeschriebener Behinderung gemacht hat. Als Schüler mit erhöhtem Förderbedarf erlebt Nikola im Schulalltag immer wieder, was es heißt anders zu sein und nicht dazu zu gehören. Das Bild individueller Unfähigkeit ist dabei schon längst in das Selbstbild übergegangen. Bekanntheit bei der Polizei zu erlangen, bedeutet für Nikola Jemand zu sein, also ein beachtetes sowie bedeutsames Subjekt darzustellen. Die Inszenierung bzw. Identitätskonstruktion geht daher mit Anerkennungsfragen sowie dem Versuch einher, sozialen Status- bzw. Distinktionsgewinn zu produzieren (Dollinger, 2011). Die spezifische Situation sowie die Gespräche mit mir als männlicher Ethnograph, der sich durch das Tragen von Trainingsjacke und Sportschuhen optisch eher von den sonstigen Erwachsenen des Feldes unterschieden hat, bieten Nikola die Möglichkeit einer anderen Selbstpositionierung (Richter, 2022), die die Zuschreibungen als Subjekt mit Behinderung situativ ausklammert. Darüber hinaus verweist die Aneignung der Figur eines kriminellen Jugendlichen auf ein Bewusstsein für gesellschaftliche Zuschreibungen, die der Repräsentationsebene zu zuordnen sind. Auch wenn Jugendkriminalität etwas Gewöhnliches ist und meist im Bagatellbereich liegt (Dollinger, 2010), werden in medialen sowie gesellschaftlichen Diskursen Normverletzungen insbesondere in Bezug auf marginalisierte Personengruppen, wie migrantische, armutsbetroffene sowie männliche Jugendgruppen, als schwerwiegend problematisiert, wodurch sich die Differenz zwischen einem „Wir“ und „Die“ weiter verstärkt (Oberwittler, 2012). Die Selbststilisierung als krimineller Jugendlicher, die als eine sinnbezogene Auseinandersetzung mit der symbolisch aufgeladenen Umwelt gedeutet werden kann, knüpft an diesen Diskursen an, indem diese angeeignet und schließlich ganz gezielt gegen die hegemoniale Ordnung gerichtet werden. Dadurch wird die Differenz von Normalität und Andersheit nun auf einer anderen Ebene reproduziert. Nikolas Kriminalitätserzählung kann mit Jack Katz (1988) daher eher als Ziel einer sinnstiftenden Erfahrung verstanden werden, in deren Vordergrund symbolische Motive sowie die sinnliche Befriedigung steht. Katz (1988) versteht das abweichende Verhalten bspw. von kriminellen Jugendlichen als Reaktion auf Demütigungen und Angriffe auf das eigene Selbstwertgefühl, indem diese sich eine eigene Kultur schaffen, die der bürgerlichen Kultur diametral gegenübersteht. Die Inszenierung als kriminelles bzw. gefährliches Subjekt ist für Nikola damit Teil einer Selbstermächtigung, die die eigene Ohnmacht situativ zurückweist. Indem er sich gezielt gegen die herrschenden Normen (Cohen & Short, 1968) und damit gegen eine hegemoniale (Schul-)Kultur auflehnt, erlangt er letztlich – zumindest gefühlt – situativ die Kontrolle über sein eigenes Leben zurück. Das Gefährlichkeitsnarrativ, das in der Figur des Kriminellen steckt, richtet sich dabei auch direkt gegen die Anrufungen als hilfebedürftiges sowie unfähiges – behindertes – Subjekt. Damit verändert sich der Adressat von Verletzbarkeit. Nicht mehr Nikola steht nun im Fokus von Vulnerabilität, sondern potentiell das hegemoniale gesellschaftliche Ordnungssystem. In dieser Erzählung verschmelzen daher die spezifischen Erfahrungen als Schüler mit SpF in einem Schulsystem, das zwar inklusiv sein möchte und doch aussondert, mit gesellschaftlichen Negativ-Vorstellungen einer migrantischen männlichen Arbeiter- bzw. Armutsklasse.
Die hier beschriebenen Figurierungen von Gefährlichkeit verweisen auf spezifische interdependente Formationen von Behinderung, sozialer Klasse, Ethnizität und Geschlecht. Wo in der Performanz einer Gefährlichkeitsfigur der SpF bei Hakan wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist dieser, meiner Deutung nach, bei Nikola in der situativen intersektionalen Verschränkung zentral. Wenngleich die Kriminalitätserzählung Nikolas keine direkten Bezüge zu Behinderung enthält bzw. die Behinderung von Nikola ausgeklammert wird, ist die kriminelle Selbstdarstellung, die Aufmerksamkeit und Anerkennung produzieren soll, nicht ohne die spezifischen strukturellen Exklusionserfahrungen als Schüler mit SpF zu denken. Die Narration als gefährlich bzw. kriminell scheint für Nikola schließlich auf der Identitätsebene anschlussfähig zu sein. Denn sowohl Hakan als auch in besonderer Weise Nikola zeigen in ihrer performativen Herstellung von Gefährlichkeit ein Bewusstsein für eben jene gesellschaftlichen Zuschreibungen junger migrantischer Männer aus sozio-ökonomisch benachteiligten Verhältnissen, die dann zum Ziel der Selbstbehauptung angeeignet und – wie noch deutlicher bei Nikola zu sehen ist – gegen die herrschenden Normen des bürgerlichen Milieus gewendet werden.
Erst in der gemeinsamen Analyse diverser Ungleichheitskategorien sind Praktiken der Selbstdarstellung durch den Rückgriff auf spezifische gefährliche Figuren im Schulalltag überhaupt verständlich. Damit wird deutlich, dass eine isolierte oder auch fokussierte Betrachtung einzelner Ungleichheitsdimensionen der Komplexität spezifischer Lebensrealitäten nicht gerecht werden kann. Denn auch Hakans Selbstdarstellung wäre grundsätzlich nicht mehr zu fassen, würden ausschließlich Behinderung oder Formationen mit Behinderung im Fokus wissenschaftlichen Interesses einer Inklusiven Pädagogik stehen.
Darüber hinaus zeigt sich, dass die von mir beschriebenen Jugendlichen selbst an der Herstellung spezifischer Formationen beteiligt sind (dazu auch: Wellgraf, 2011). Die aufgegriffenen Figuren deute ich dabei als Antwort auf vielschichtige Exklusions- sowie Stigmatisierungsmechanismen und damit als Möglichkeit einer anderen Positionierung, die immer auch selbstermächtigend wirken kann. Aus einer pädagogischen Perspektive scheint es daher mehr als geboten, Formen nicht-bürgerlicher Figurierungen bzw. Inszenierungen von Gefährlichkeit nicht mit einer hegemonialen Moral zu bewerten, sondern die Lebensrealitäten behinderter sowie marginalisierter Jugendlicher anzuerkennen und diese als Ausgangspunkt einer (kritischen) erziehungswissenschaftlichen Analyse zu nehmen.
Diesbezüglich bietet die Perspektive der Intersektionalität eine Möglichkeit, schulische Exklusionsmechanismen sowie vielfältige Formationen von Ungleichheit in den Blick zu nehmen und dadurch deutlich zu machen, auf welchen Ebenen Schüler:innen, die nicht der gesellschaftlichen hegemonialen Norm entsprechen, strukturell benachteiligt und ausgeschlossen werden. Damit gerät letztlich die Schule als Institution in Kritik. Vielleicht wäre es daher zu überlegen, ob die Formel „abolish schools“, wie sie bspw. kihana miraya ross für den US-amerikanischen Diskurs fordert, – gemeint als grundsätzliche Neuentwicklung von Bildungsräumen – nicht auch hierzulande (wieder) stärker diskutiert werden sollte.
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(1) Alle Felddaten sind anonymisiert bzw. pseudonymisiert. Feldnotizen sind als solche bezeichnet, Aussagen aus Interviews oder informellen (Alltags-) Gesprächen mit Anführungszeichen als direkte Rede sowie kursiv markiert; ebenso direkte Zitate bspw. aus den Schulakten.