Abstract: Im Artikel wird ein ableistisch und rassistisch codiertes Bild aus einer Fußball-Integrationskampagne hinsichtlich der darin eingeschriebenen Intersektion der beiden Ordnungen analysiert. Der methodologische Wert der Analyse zeigt sich im Aufschlüsseln der Überlagerung der Rassifizierung durch Fähigkeit – und zwar als prekäre, weil zeitlich und räumlich begrenzte Neutralisierung der rassistischen Ordnung. Die methodologischen Schlüsse werden auf Schule und insbesondere Inklusive Bildung übertragen.
Stichworte: Ableism, Rassismus, Intersektionalität, Fluidität, Diskursanalyse, Schule, Sport, Inklusion, Integration, inklusive Bildung, Fähigkeit, Lehrer:innenbildung
Inhaltsverzeichnis
Mit dem vorliegenden Aufsatz möchten wir unsere Arbeit an einer systematischen Auseinandersetzung mit Ableismus und Rassismus fortsetzen. Wie wir an einer anderen Stelle aufgezeigt haben, weisen beide Differenzordnungen starke Analogien auf (Akbaba & Buchner, 2019). So ähneln sich wesentliche Strukturmerkmale der Ordnungen, wie zum Beispiel Konstruktionen eines ‚Wir‘ und eines konstitutiven Außen sowie dazu in Relation stehende Privilegiensysteme (ebd.). Im Folgenden möchten wir uns jedoch den Intersektionalitäten von Rassismus und Ableismus zuwenden. Damit möchten wir zum einen die Möglichkeiten aufzeigen, die eine solche theoretische Perspektivierung für Inklusionsforschung eröffnen kann. Zum anderen arbeiten wir einen Aspekt des machtvollen Zusammenspiels der beiden Ordnungen heraus, der, wie noch gezeigt wird, in den hiesigen bildungswissenschaftlichen Debatten wenig oder auch keine Beachtung gefunden hat. Denn bisher wurden in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung überwiegend die negativen Verstärkungen durch die Überlagerungen der beiden Differenzlinien betont – was nur allzu verständlich ist, betrachtet man sich die historischen Entstehungslinien des Konzepts (Crenshaw, 1989), aber auch die empirische Häufigkeit der forcierten Benachteiligung über ein solches Zusammenspiel. Im Unterschied zu diesen Beiträgen der deutschsprachigen Intersektionalitätsforschung möchten wir hingegen die Fluidität, Diffusität und Kontingenz des Zusammenspiels zwischen race und Ableism ausleuchten bzw. die zwischen Ermächtigung, Kompensation und Behinderung mäandernden Ambivalenzen in den Überlagerungen der Differenzordnungen in den Blick nehmen. Dazu skizzieren wir im nächsten Abschnitt zunächst anhand exemplarisch angeführter Studien wesentliche Stränge bzw. Schwerpunkte der deutschsprachigen bildungswissenschaftlichen Intersektionalitätsforschung zu Ableism und Rassismus – diese Befunde ergänzen wir anschließend mit einer relativ jungen theoretischen Perspektive, die im angloamerikanischen Raum als DisCrit firmiert und Disability Studies und Critical Race Theory in ihren komplexen Zusammenhängen aufeinander bezieht. Anschließend folgt eine Erläuterung unserer method(olog)ischen Überlegungen und Vorgehensweise bezüglich des Herzstücks dieses Artikels, einer diskursanalytisch informierten Untersuchung eines Sujets einer Kampagne des Deutschen Fußballbunds (DFB) für Integration im Amateursport. Dabei zeigen wir, wie erwähnt, die Fluiditäten und Ambivalenzen in den Überlagerungen von Rassismus und Ableismus auf. Im nächsten Schritt übertragen wir diese Erkenntnisse auf den Bereich der (Inklusiven) Bildung. In einem Resümee bilanzieren wir wesentliche Ergebnisse unserer Analyse, insbesondere in Hinblick auf Intersektionalitätsforschung in der Bildungswissenschaft.
Mit der Betrachtung des Zusammenspiels von Racism und Ableism wenden wir uns einem Topos zu, der im deutschsprachigen bildungswissenschaftlichen Diskurs zu so etwas wie einem selbstverständlichen Fakt geworden ist. Schließlich hört und liest man an vielen Stellen von der Überkreuzung der beiden Ordnungen. Vertiefende Auseinandersetzungen mit derartigen Überschneidungen, die über eine bloße Erwähnung oder eine Aufzählung als Beispiel für mögliche Verquickungen von Differenzkategorien hinausgehen, finden sich hingegen wesentlich seltener. Nimmt man diese Arbeiten genauer in den Blick, so ist für das Gros dieser Untersuchungen festzustellen, dass diese sich an das soziale Modell von Behinderung anlehnen und nicht explizit einer ableism-kritischen Perspektive bedienen. Diese Linie von Forschung hat einige Aspekte der Intersektionen zwischen den beiden Ungleichheitsdimensionen problematisiert und dadurch auch zu einer gewissen Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung diesbezüglich beigetragen. Dazu gehören die mittlerweile fast schon als empirischer Evergreen der Inklusionsforschung zu bezeichnenden Analysen bildungsstatistischer Daten, welche die Überrepräsentanz von Schüler:innen mit so genanntem Migrationshintergrund an Sonderschulen in deutschsprachigen Ländern aufzeigen (Powell & Wagner, 2014; Luciak, 2009) – wodurch die hartnäckige, beständige Einlagerung der besagten Intersektion in den hiesigen Bildungssystemen nachgewiesen und als Mechanismus einer spezifischen institutionellen Diskriminierung (Gomolla & Radtke, 2009) thematisiert werden konnte. Demzufolge gehen in der Institution Schule in erhöhtem Ausmaß Konstruktionen kultureller Differenz mit der Zuschreibung einer sonderpädagogischen Förderbedürftigkeit und der darüber legitimierten Einweisung in strukturell benachteiligende Bildungsräume einher. Eine in Ergänzung zu diesen quantitativen Nachweisen vertiefende, qualitative Exploration des besagten Phänomens im Rahmen von Schule fand hingegen deutlich seltener statt und hier überwiegend mit einem Fokus auf migrantisierte Familien mit Schüler:innen mit einem so genannten Sonderpädagogischen Förderbedarf (hierzu Amirpur, 2015; 2016; Subasi, 2021). So konnte Amirpur (2016) am Beispiel kulturalisierender Zuschreibungen von Behinderung im Kontext von muslimischen Familien in einer für den deutschsprachigen Raum bisher einzigartigen analytischen Tiefe herausarbeiten, wie das Zusammenspiel der Kategorien Migration und Behinderung zu negativen Verstärkungen führt. Im Unterschied zu anderen Arbeiten konnten hierbei auch die widerspenstigen Praktiken und das Aufbegehren der betroffenen Subjekte gegen die besagten Zumutungen rekonstruiert werden. Benachteiligende Liaisonen zwischen Behinderung und Migration wurden darüber hinaus für den Übergang in den Arbeitsmarkt nachgewiesen, zum Beispiel anhand der Sonderpädagogisierung migrantisierter Jugendlicher aufgrund angeblicher ‚Integrationsunwilligkeit‘ in Transitionen in das Erwerbsleben (Thielen, 2007). Zudem lässt sich eine Auseinandersetzung mit der Überlagerung von „Migration, Flucht und Behinderung“ (Westphal & Wansing, 2019) in außerschulischen Kontexten und hier mit einem starken Fokus auf Hilfesysteme ausmachen (Köbsell, 2019).
Anhand der kursorisch zusammengetragenen Arbeiten wird deutlich, wie sich die besagten Intersektionen über unterschiedliche Institutionen und Lebensbereiche hindurch ziehen und zu einer Behinderung rassifizierter Subjekte beitragen. Die Untersuchungen beleuchten dabei überwiegend anhand von Policies zur Ausgestaltung von Hilfesystemen oder quantitativer Datenanalysen die strukturellen Aspekte des Zusammenspiels – die Details und Spezifika oder auch das Wirksamwerden von Intersektionen in situ, z.B. in Bildungsinstitutionen, erfuhren in der bildungswissenschaftlichen Auseinandersetzung bisher jedoch relativ wenig Beachtung. Insgesamt wurden in den Studien die negativen Verstärkungen der beiden Differenzlinien nachgezeichnet – nicht jedoch mögliche Ambivalenzen und UnOrdnungen der Überlagerungen in den Blick genommen. Betrachtet man die theoretischen Verortungen der Studien, so fällt auf, dass größtenteils nicht auf jüngere Erkenntnisse und Strömungen, wie etwa rassismus- oder ableism-kritische sowie postkoloniale Theorieangebote, zurückgegriffen wurde. Auch die systematische Herausarbeitung des Mehrwerts einer intersektionalen Perspektive für den Forschungsbereich der Inklusiven Bildung ist hierzulande erst in ihren Anfängen begriffen (siehe hierzu Penkwitt, 2020; Amrhein & Heinemann, 2019).
Für den angloamerikanischen Raum können hingegen wesentlich früher einsetzende als auch tiefergehende Erkundungen der Intersektionalitäten von Rassismus und Ableismus konstatiert werden. Aufbauend auf den Erkenntnissen dieser Auseinandersetzungen manifestierte sich in der letzten Dekade unter der Überschrift ‚DisCrit‘ (Dis/ability Critical Race Studies) ein Forschungsstrang, der sich explizit der Erforschung der Interdependenzen von race und Ableism widmet (Annamma & Beth, 2013). Demzufolge handelt es sich bei beiden Ordnungen um sich gegenseitig bedingende Systeme, welche unabhängig voneinander, aber eben auch in Bezugnahme aufeinander wirkmächtige Normalisierungen, Hierarchisierungen und Formen von Inklusion sowie Exklusion hervorbringen (Connor et al., 2016) – deren Erforschung unter den in den Disability Studies (in Education) sowie Critical Race Theory generierten theoretischen Blickwinkeln spezifische Erkenntnisse zu Tage fördern kann. Ableism fungiert hierbei als zentrales Konzept, mit dem ein kontingenter, aber spezifischer Produktionsmodus sozialer Ungleichheit problematisiert und kritisiert wird, durch den über die An- und Aberkennung von Fähigkeiten bestimmte Individuen und Gruppen bevorteilt bzw. benachteiligt und spezifische Praktiken des Ein- und Ausschlusses legitimiert werden. Als analytische Perspektive wird Ableism schließlich im Rahmen von DisCrit hinsichtlich seiner Verzahnungen mit rassistischen Ordnungen herangezogen. So werden etwa Fähigkeit und Weißsein als Konstruktionen verstanden, die mit interagierenden Privilegiensystemen einhergehen, über welche vor allem in der weißen ‚fähigen‘ Mittelschicht positionierte Subjekte bevorteilt werden (Annamma & Beth, 2013). Demgemäß handelt es sich bei dis/ability und race um wirkmächtige Ordnungen, die getrennt voneinander, aber auch aufeinander bezogen genutzt wurden, um Teilhabe zu regulieren und den Ausschluss sowie die Unterdrückung bestimmter Subjekte legitimieren zu können. Wesentliches Anliegen ist es unter anderem, mit Hilfe der hier skizzierten Analyseperspektive die Komplexitäten intersektionaler Zusammenspiele zu erkunden, z.B. deren Ablagerungen in als multidimensional zu verstehenden Identitäten – um dadurch singuläre sowie binarisierende Verständnisse von Identität herauszufordern (ebd.). Als Beispiele für die ertragreiche Anwendung der vorgestellten Analysefolie kann unter anderem auf die Studien von Annamma (2018; 2017) verwiesen werden, die unter einem anspruchsvollen method(olog)ischen Design anhand der ‚consequential geographies‘ von jugendlichen Schüler:innen of Color die sich mit Rassifizierungen überschneidenden Pathologisierungen der pädagogischen Räume von Schulen und Gefängnissen nachzeichnen konnte – sowie die damit verbundenen widerständigen Praktiken und Identitätsentwürfe der Jugendlichen.
Im deutschsprachigen Raum stehen Untersuchungen, die sich einer solch rassismus- sowie ableism-kritischen theoretischen Perspektive bedienen, wie erwähnt, erst an ihrem Anfang (Gottuck et al., 2022). Die wenigen Arbeiten aus dem Bereich der Bildungswissenschaften verweisen tendenziell eher auf den potenziellen Mehrwert einer derartigen Analysematrix – zum Beispiel für Untersuchungen zur „Verknüpfung von ethnischen/sprachlichen Differenzen und der Behauptung verminderter Fähigkeitspotentiale“ (Stošić, Hackbarth & Diehm, 2019) oder für die Erforschung der Intersektionen von Flucht und Fähigkeit (Afeworki Abay, 2022). Für den Bereich des Arbeitsmarkts hat jedoch die Studie von Pieper und Mohammadi (2014) bereits auch empirisch den Mehrwert einer derartig theoretisch justierten, intersektionalen Untersuchung eindrucksvoll aufgezeigt – insbesondere am Fallbeispiel Jamal, einem afghanischen Geflüchteten, der aufgrund eines perfiden Zusammenspiels aus Beschäftigungsverhältnis, Aufenthaltsstatus und Fähigkeitsabschreibungen dazu gezwungen ist, trotz relativ hoher Schulbildung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zu arbeiten.
Im Nachfolgenden möchten wir einen weiteren Beitrag zu dieser im deutschsprachigen Raum jungen Forschungslinie leisten. Dabei geht es uns im Unterschied zu den meisten bisherigen Arbeiten im deutschsprachigen Raum nicht um das Nachzeichnen der negativen Verstärkungen der beiden Differenzlinien bzw. von „kumulativ wirksame[n] Exklusionsmechanismen“ (Afeworki Abay, 2022, 100), sondern um die Erkundung der Ambivalenzen und Fluiditäten in den Überlagerungen. Dazu führen wir eine Bildanalyse zu einem Sujet durch, das Teil einer in den 2010er Jahren lancierten Kampagne des DFB für die Integration von Spieler:innen mit so genanntem Migrationshintergrund war. Unsere Wahl fiel auf dieses zunächst bildungskontextferne Beispiel, weil es eine im buchstäblichen Sinn plakative Art des Zusammenspiels von race und ableism darstellt, das wir im weiteren Verlauf unseres Textes auf den Bildungskontext übertragen.
Die methodische Auseinandersetzung mit dem Material ist an diskursanalytische Verfahren angelehnt. Wie die Kritische Diskursanalyse nach Jäger (2015) orientieren wir uns sprach- und sozialwissenschaftlich an Foucaults Überlegungen zu Diskurs, Macht und Wissen (Foucault, 1989; 2012). Ziel von diskursanalytischen Forschungsvorhaben ist die Erfassung und Dekonstruktion sozialer Wissensvorräte. Wie die Kritische Diskursanalyse erfolgt die vorliegende methodische Herangehensweise ebenfalls mit einem interventiven, politischen und kritischen Anspruch.
Unter Diskurs verstehen wir eine Gruppe von Aussagen, darunter Texte, Begriffe und Konzepte, die in einer Beziehung zueinanderstehen. Ein Diskurs lässt sich als „sprachlich-zeichenförmige Seite gesellschaftlichen, dominanten Wissens“ (Höhne, 2010, 424) betrachten, was seine Verknüpftheit mit Macht zeigt, da „Diskurse bestimmen, wie man über etwas redet und wie nicht über etwas geredet wird bzw. werden darf/kann“ (Pühretmayer & Puller, 2011).
Diesen Axiomen Rechnung tragend führen wir im Rahmen dieses Artikels eine Bildanalyse durch. Exemplarisch kann für eine solche Vorgehensweise im Kontext von Bildung auf Schulbuchanalysen verwiesen werden – wie etwa die methodisch validierte Form der Thematischen Diskursanalyse von Schulbüchern von Höhne, Radke & Kunz (1999). Schließlich stellt dieser Zugang ein Instrumentarium zur Verfügung, das der diskurstheoretischen Perspektive auf den Ebenen von Text und Bild gerecht wird. Die vorliegende Analyse haben wir in Anlehnung an Höhne et al. (1999) zweigeteilt: Wie die Formale Diskursanalyse fragen wir im ersten Schritt, wie das Material formal gegliedert ist. Dazu wird die Aufteilung des Materials in Fragmente betrachtet, indem Markanzen, also Größenverhältnisse und Positionierungen systematisiert werden. Markanteren Elementen wird größere Bedeutung beigemessen, aus Symmetrien und anderen Besonderheiten in der Komposition von Bild und Bild-Text lassen sich Zwecke und Aussagen interpretieren. Dies geht in die Inhaltliche Diskursanalyse über, in der wir den Text und Text-Bild Bezugnahmen hermeneutisch deuten. Die Texte im Material betrachten wir als „einzelne Sprach- bzw. Aussageereignisse“, die sozialwissenschaftlich „als Teile einer umfassenden Diskursstruktur“ (Keller, 2013, 428) zu verstehen sind. Diesbezüglich geht die Thematische Diskursanalyse von Höhne davon aus, dass Diskurse thematisch gebunden sind (Höhne, 2010, 424), beispielsweise im Fall von Höhne et al. (1999) an das Thema Migration. In Betracht gezogene dominante Themen in unserer Analyse sind die Integrationsdebatte und darin reproduzierte dominanzgesellschaftliche Ein- und Ausschlusslogiken, von denen Rassismus und zudem körperbezogene und Fähigkeitsdiskurse ein Teil sind, insofern es sich um ein Foto zum Thema Sport handelt.
Wir folgen der Annahme, dass das Bild und seine Bildsprache aus dem sozialen Wissensvorrat dieser Diskurse (und natürlich auch aus weiteren, wie ökonomischen und ästhetischen etc.) gespeist ist und diese rekonstruierbar sind. Ziel des methodischen Verfahrens ist es, das eingelagerte soziale Wissen mit Blick auf die Verwobenheiten von rassistischen und ableistischen Wissensbeständen theorieinformiert zu rekonstruieren.
Das gewählte Sujet ist jedoch – im Unterschied zu den Bildern in Schulbüchern von Höhne und Kolleg:innen – nicht als staatlich autorisiertes Wissen für Adressat:innen von Bildungsinstitutionen zu erachten, sondern wurde als öffentlichkeitswirksame Werbung für einen Fußballverband entworfen. Es trägt seine intentionale, auf Inszenierung setzende – und auf unterhaltende Weise an ein interessiertes oder noch zu interessierendes Publikum gerichtete – Botschaft offen vor. Genau in dieser offen vorgetragenen Botschaft liegt für uns der Mehrwert der Analyse des Bildes, das sich als Medium für einen plakativen Slogan versteht – aus dem sich vorhandene Intersektionen so rekonstruieren lassen, wie sie sozusagen ‚bluntly‘ gesellschaftlich auch existieren. Wie wir argumentieren, findet Schule nicht isoliert von derartigen gesellschaftlichen Diskursen statt – vielmehr dringen diese in die Räume von Schule, wie etwa dem Unterricht oder dem Pausenhof ein, werden reproduziert oder auch verschoben.
Mit der Analyse des gewählten Sujets bewegen wir uns jedoch nicht auf der Mikroebene des performativen doing, sondern arbeiten wirksame Diskurse auf gesellschaftlicher Makro- Ebene heraus. Wir folgen der Annahme, dass die Repräsentationen auf diesen Ebenen mit Doing-Praktiken auf Mikroebene zusammenhängen, was uns dann zum Übertrag auf den pädagogischen Raum und seine Praktiken bringt. Nun aber zum ersten Teil unserer Analyse.
Das folgende Bild stammt von der Kampagne für Amateurfußball des Deutschen Fußballbundes (DFB) aus dem Jahr 2014. Auf der Internetseite des DFB wird zu dem Bild erläutert, dass es als eines der 30 besten Großflächenplakate gelte. Das Bild mit dem Motiv „Sein Pass spielt keine Rolle. Seine Pässe schon“ sollte über angeworbene Stimmen beim Wettbewerb Best 18/1 gewinnen, das Preisgeld von 50.000 Euro wollte der DFB zusätzlich in „Integrationsprojekte im deutschen Amateurfußball investieren“.[1] Öffentlich bekannt ist das hier abgebildete Bild als Großflächenplakat, das mitunter über Jahre hinweg im öffentlichen Raum hing.
Quelle: https://kampagne.dfb.de/static/kampagne/downloads/wallpaper/Carl.pdf?v=5.1.06
Im Folgenden beschreiben wir das Bild, deuten dann Bild und Text und setzen Bild und Textsprache zueinander ins Verhältnis – wobei wir zunächst die beiden Differenzordnungen und ihre Einlagerungen in das Bild getrennt analysieren, um ihre Überschneidungen im nächsten Schritt aufzuzeigen.
Wir beginnen mit einer formalen Analyse des Bildes und ihrer Elemente. Eine gedachte waagerechte Linie genau durch die Mitte des Bildes würde dieses in einen Vorder- und einen Hintergrund einteilen. Im Vordergrund ist ein ausgestrahltes, erleuchtetes Stück eines Fußballfeldes zu sehen. Genauer ist ein Ausschnitt des Feldes zu sehen, in dem eine Linie hinter einem Kleinfeld-Tor im Bild leicht schräg nach oben in Richtung der gedachten Trennlinie des Bildes verläuft, und eine weitere als Seitenlinie in Richtung des unteren Endes des Bildes. Außerhalb dieser Seitenlinie steht eine Person, mit Ausnahme von Knöchel und Füßen ist sie in voller Körpergröße abgebildet und reicht auf der rechten Seite des Bildes über Vorder- und Hintergrund der beiden Bildhälften. Im Vordergrund links sind einige grüne, kegelförmige Trainingshütchen in drei unterschiedlich hohen Stapeln drapiert – als lägen sie vom letzten Training noch da oder zum Einsatz für das nächste bereit. Daneben liegen ein Fußball und ein paar Trainingsstäbe etwas unsortiert herum, als wären sie nicht allzu streng beiseite geräumt worden.
Die abgebildete Rückseite des Tors gehört zum Vordergrund auf dem unteren Teil des Bildes, ragt aber in die obere Hälfte des Bildes hinein. Es ist bis auf wenige Millimeter fast exakt in der Mitte des Bildes platziert und wird, unterstützt durch die schräg nach oben hin zum Tor führende Spielfeldlinie, zum Fluchtpunkt. Aufgrund der Positionierung des Kleinfeldtors in der unteren Hälfte der Mittellinie entsteht der Eindruck, dass auch dieses zu Trainingszwecken an dieser Stelle platziert wird – was den Gesamteindruck einer trainingsbezogenen Anordnung der Materialien verstärkt.
Die obere Hälfte des Plakats bildet gleich einer Kulisse den Hintergrund: Eine Hochhaussiedlung mit unterschiedlich großen Hochhäusern bildet eine Art Phalanx aus Beton, die von einem Seitenrand zum anderen reicht, wobei nicht rechts und nicht links ihr Ende zu vermuten ist. Über den Plattenbauten liegt ein wolkenbedeckter Himmel in Abenddämmerung. In einem Großteil der unzählig erscheinenden Häuserfenster brennt Licht. Ein Licht strahlt am hellsten: Es ist symmetrisch gegenüber von der abgebildeten Person auf Brustkorbhöhe platziert und strahlt wie ein Stern mit acht auffällig gleichmäßig verteilten und formschön länglichen Zacken. Zu vermuten ist, dass es sich um das Flutlicht des Fußballfeldes handelt, das in die obere Hälfte des Bildes ragt. Unterhalb des ausstrahlenden, sternförmigen Lichts steht in weißen fettgedruckten Großbuchstaben der Text: „Sein Pass spielt keine Rolle. Seine Pässe schon.“ Der Text ist gegenüber der Person auf der Höhe ihres Oberkörpers positioniert. Die als Schwarz und männlich lesbare Person ist mit dem Oberkörper zum Schriftzug hingewandt, mit dem Gesicht schaut sie leicht zur Seite in die Kamera, die sie gerade ablichtet. Die Person trägt eine gelbe Mütze, eine Farbe, die auch die Lichter der Fenster und die gelblichen Übungsstäbe an der Seitenlinie haben. Es liegen rote Musik-Kopfhörer um ihren Nacken, das ebenfalls rote Kabel führt am sportlich-schlank geformten Körper herunter und verschwindet hinter ihrer rechten Seite. Die Person trägt eine graue Sweater-Jacke mit nach hinten gelegter Kapuze. Um ihre linke Schulter hängt eine große schwarze Sporttasche (dem Anschein nach einem Verein zugehörig), und weil sie leicht seitlich zur Kamera steht, verdeckt die Tasche einen Großteil der Oberschenkel und einen Teil der Hüfte der Person. Der linke Arm ist gebeugt – mit der linken Hand hält die Person auf Brusthöhe locker den Riemen der Tasche. Der rechte Arm scheint locker nach unten zu hängen, ein Großteil ist durch die seitliche Stellung vom Oberkörper verdeckt, mit den Fingern der rechten Hand umklammert sie den Bund ihres Ärmels, der den Handrücken bedeckt, die Hand wirkt dadurch wie zu einer lockeren Faust geballt.
Das Bild ist schließlich noch mit weiteren Textelementen versehen: Ein grünes Band durchläuft etwas oberhalb des unteren Bildrandes das Bild komplett von einem Seitenrand zum anderen. Linksbündig ist darauf mit weißer Schriftfarbe zu lesen: „Carl, Spieler bei Rot-Weiß Norderstedt. Eines von 1,3 Millionen DFB-Mitgliedern mit Migrationshintergrund, die täglich beweisen, dass es beim Fußball nicht um die Herkunft geht. Mehr über Carl und den Amateurfußball in Deutschland auf kampagne.dfb.de“. Rechtsbündig ist in Großbuchstaben „UNSERE AMATEURE. ECHTE PROFIS.“ zu lesen. Rechts daneben und damit auf die untere Ecke gleich eines Siegels oder Stempels platziert ist das Emblem des Fußballbundes.
An diese formale Analyse schließen wir mit einer inhaltlich-interpretierenden Analyse an.
Von der Körperhaltung ist schwer zu sagen, ob der Mann gerade das Training beendet oder beginnt. Sein Blick in die Kamera lässt fast ausschließen, dass die Fotoaufnahme ohne sein Wissen geschieht. Die ebenbürtige Aufnahmeposition der Kamera suggeriert dazu noch, dass die fotografierende Person und der Mann sich – auf Augenhöhe – begegnen, ja in einer physischen Nähe zueinanderstehen, der eine soziale Interaktion voran ging oder mindestens noch folgt. Die Person hinter der Kamera und der Mann neben dem Fußballfeld kennen sich oder werden sich gleich kennenlernen. Der Aufgenommene hat in die Aufnahme eingewilligt, oder ist mindestens nicht überrascht von ihr, die ja nicht verdeckt verläuft.
Indes irritiert der Blick des Mannes, aus dem sich wenig über seine Beziehung zur aufnehmenden Person erschließen lässt: Er schaut in die Kameralinse, der Blick standfest, aufmerksam, fast alert oder fragend interessiert. Wollte er gerade Musik über die Kopfhörer hören und hat sich kurz stören lassen? Kommt er gerade, will sich umziehen zum Training und erblickt dabei noch eine bekannte Person, die ihn ablichtet? Verlässt er gerade das Training und sieht sich verabschiedend um?
Wie lesen wir nun die beschriebene bildliche Anordnung auf dem Sujet hinsichtlich der eingeschriebenen Intersektionalitäten? Nun hierzu arbeiten wir nach einer einführenden Gesamtbetrachtung die ableistische als auch die rassistische Codierung von Text und Bild-Text-Sprache heraus, um dann deren Überschneidungen zu analysieren.
Der Slogan im Bild erhält durch die linksbündige, zentrale und in Fettbuchstaben gedruckte Schrift eine Position mit besonders hoher Markanz. Er nimmt eine relativ große Fläche auf dem Bild ein und sticht aus der visuellen Anordnung des Bilds hervor. So ist aufgrund der markanten, extrapolierten Positionierung anzunehmen, dass mit dem Text in dicken weißen Lettern die zentrale Nachricht transportiert werden soll, die da lautet: „Sein Pass spielt keine Rolle. Seine Pässe schon.“ Der abgebildete Ort, auf dem der Slogan platziert ist, legt den Betrachter:innen einen spezifischen Kontext nahe, auf den das Geschriebene Bezug nimmt: die Welt des Fußballs – bzw. genauer: den auf dem Bild ersichtlichen Fußballplatz. Diese sportlich-territoriale Assoziationsrichtung wird beim flüchtigen Lesen des ersten, knappen Satzes durch die darin enthaltene Vokabel „Pass“ scheinbar bestätigt, gleichzeitig aber auch in Frage gestellt. So lässt der erste Satz aufgrund des nahegelegten Bedeutungskorridors zunächst Irritation aufkommen: Warum sollte ein Pass beim Fußball keine Rolle spielen? Schließlich handelt es sich beim Zuspiel doch um ein wesentliches, besonders bedeutsames Element des Spiels. Neben der Verwirrung oder gerade ihretwegen sind wir aber auch ‚hooked‘, wir wollen wissen, wie es denn nun weiter geht. Beim Weiterlesen erfahren wir: „Seine Pässe schon.“ Dadurch wird zunächst die Verwirrung forciert, schließlich handelt es sich ja scheinbar bloß um die Mehrzahl der im ersten Satz enthaltenen Vokabel aus der Welt des Fußballsports. Die Konfusion wird aber nach einem kurzen Nachdenken aufgelöst: So scheint sich die Konstruktion der Pointe der Doppeldeutigkeit des Wortes Pass zu bedienen, die hier ‚ins Spiel gebracht wird‘. Die in beiden Sätzen enthaltenen Possessivpronomen („sein“, „seine“) erweitern nun die Relationierungen zwischen Text und Bildelementen – so geht es wohl nicht nur um ‚den Platz‘ und die darin eingeschriebenen Relevanzen und Regeln, sondern insbesondere um deren Relation zu der Person, die im Zentrum der rechten Hälfte des Sujets steht – aber dazu an späterer Stelle mehr. Widmen wir uns vorerst der Bedeutung des schnittigen Slogans in Bezug auf den Ort des Geschehens, den Fußballplatz.
Die angesprochene Zweideutigkeit bezieht sich erstens auf den Pass als Ausweis nationalstaatlicher Zugehörigkeit, zweitens auf eine spezifische fußballerische Fähigkeit. Erstere Bedeutung spielt angeblich im Kontext des Abgebildeten keine Rolle, letztere schon. Der Aphorismus beinhaltet demgemäß zwei Feststellungen, die sich durch eine Nicht-Relevantsetzung und eine Relevantsetzung gegenüberstehen und dadurch einen Kontrast produzieren. In der textlichen Dramaturgie werden zudem die Nicht-/Relevanzsetzungen indirekt mit einer räumlichen Konstruktion versehen, die ein ‚Innen‘ und ein ‚Außen‘ des Fußballplatzes entstehen lassen. So liegt der Schluss nahe, dass im ‚Außen‘ der Pass schon wichtig ist, womit Bedeutungshorizonte von Zugehörigkeit und Teilhabe entstehen – unterlegt von Prekarität und potenziellem Ausschluss. Übertragen auf die bildnerische Gestaltung des Sujets existiert demgemäß ein düsteres Außen des Platzes, in dem der Pass zum Problem werden kann. Im Gegensatz dazu steht der hell erstrahlende Platz, ein Raum, der mit anderen Möglichkeiten versehen ist. Partizipation wird hier in Aussicht gestellt – wenn die Pässe stimmen. Der erleuchtete, scheinbar vom dunklen Außen hermetisch abgeriegelte Platz wird mit einem Fähigkeitsimperativ versehen. Mit anderen Worten: Die Zugehörigkeit auf dem Fußballplatz gibt es ‚nicht einfach so‘, ist nicht bedingungslos, sondern ist an fähigkeitsbezogene Erwartungshaltungen geknüpft – die zu erfüllen sind. Denn im Umkehrschluss können im Innen des Platzes zwar nicht der Pass, aber die Pässe zum Problem werden. Teilhabe und Anerkennung gehen also mit der Unterwerfung unter ein kompetitives Fähigkeitsregime einher, das auf sportliche Leistung ausgerichtet ist, die im Slogan anhand der Fähigkeit des Passens exemplifiziert wird (prinzipiell wären hier auch andere fußballerische Fähigkeiten in den Slogan einsetzbar, wie das (Tore) Schießen, das Ball Stoppen oder Schüsse parieren – dann wäre allerdings der Aphorismus nicht möglich). Die Verbindung von Fußball und fähigkeitsbezogener Hierarchie und Selektion mag nun zunächst nicht weiter überraschend wirken, es erscheint uns in Hinblick auf die Bundesliga oder auch die Partie in der Kreisliga nur allzu vertraut oder auch logisch. Es geht ja schließlich darum, dass die elf Besten spielen, Matches gewonnen werden, usw. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hierbei aber um eine problematische Passung bzw. Gleichung – deren Erörterung wir uns in einem ersten Schritt über ein kurzes Gedankenexperiment widmen möchten.
Würde es bei der Kampagne nur um die Ermöglichung von Zugehörigkeit qua Fußball gehen, dann hätte dies auch über andere Abbildungen zum Ausdruck gebracht werden können. Zum Beispiel über einen gemeinsamen Kick im Park. Nun ist das Sujet aber in den Sphären des Amateurfußballs und der darin eingebetteten Vereins- und Wettbewerbsstruktur verortet. Allerdings wären auch in diesem qua definitionem kompetitiven Kontext andere Bilder denkbar, welche von der Ermöglichung von Teilhabe im Vereinsfußball zeugen könnten, wie etwa ein Foto vom gemütlichen Beisammensein nach dem Training oder dem gemeinsamen Scherzen in der Kabine. Schließlich gehören hier auch Spieler:innen dazu, die teamintern vielleicht eher für ihre ‚Gurkenpässe‘ bekannt sind und während des Matchs aufgrund geringerer fußballerischer Fähigkeiten vergeblich auf eine Einwechslung hoffen. Statt dem Abbilden dieser Räume des Vereinssports erfolgt im Sujet jedoch eine Fokussierung auf den Platz und der darin eingeschriebenen Fähigkeitserwartungen – inklusive einer Relationierung zu Ausschlusspotenzialen aufgrund nationaler Zugehörigkeit außerhalb des Feldes.
Nun mag eingewendet werden, dass es sich trotzdem bei dem Fußballplatz um einen Möglichkeitsraum handelt, in dem durch das Demonstrieren von Fähigkeit nicht nur Inklusion, sondern auch Anerkennung und eine in der Hierarchie des Teams hochplatzierten Position erreicht werden können. Dieser Möglichkeitsraum ist jedoch von einer ableistischen Rationalität durchzogen. So wird durch die Relevanzsetzung der Praktiken des Passens der Möglichkeitsraum implizit für jene geschlossen, die gar nicht passen können. Subjekte, welche nicht über diese Fähigkeit verfügen, können sich hier nicht bewähren, für sie gilt das verheißungsvolle Versprechen von Teilhabe nicht. Als ableistisch strukturiert erweist sich der Raum letztlich aber auch, weil selbst jene, die aufgrund ihrer körperlichen Fähigkeiten passen können, nicht automatisch dazu gehören. Denn der Hinweis, dass das Passen eine Rolle spielt, deutet auf eine Hierarchisierung von Subjekten in Relation zur relevant gesetzten Fähigkeit hin – und es ist zu befürchten, dass jene, die nicht gut genug passen können, auf dem Platz ebenfalls nichts verloren haben und ergo nicht dazu gehören dürfen. Um Anerkennung muss also gekämpft werden – und es können in der Competition nur Subjekte bestehen, die über die notwendigen Fähigkeiten verfügen. Weil Wettbewerb von stetiger Konkurrenz lebt, sind dieses Bestehen und die damit einhergehende Anerkennung von prekärer Dauer und jederzeit absprechbar. Zudem kann Teilhabe hier wohl auch nur in einem bestimmten Abschnitt des Lebenslaufs erarbeitet werden: einem Alter, in dem die notwendigen sportlichen Fähigkeiten performiert werden können – was aber, wenn Carl zu alt wird oder einen Kreuzbandriss erleidet? So wird der Platz zur kompetitiven Arena von Subjekten, die stets als TAB (Temporarily Abled Bodied) zu denken sind – und das helle Innere wirkt weniger angenehm, kann es doch auch als Effekt eines gleißenden Scheinwerferlichts gelesen werden, das der besseren Sichtbarkeit bei der Inspektion der (momentanen!) fußballerischen Fähigkeiten des Subjekts dient. Ableism verbündet sich dabei mit Rassismus, was auch anhand der bisher nur knappen Betrachtung der Inszenierung des ‚Äußeren‘ und den darüber aufgerufenen Diskursen deutlich wird.
Kehren wir dazu zum ersten Satz des Slogans zurück, sein Pass spiele keine Rolle. Die Rede vom irrelevanten Pass eröffnet die Bedeutung der (eigentlichen) Relevanz eines Passes verstanden als Ausweis nationalstaatlicher Zugehörigkeit. Aufgerufen werden Diskurse der Ausgrenzung, die über nationale Zugehörigkeit verlaufen. Aus einer rassismuskritischen Perspektive werden hier mehrere Aspekte auf problematische Weise augenfällig. Zum einen wird die Ausgrenzungsordnung auf eine nationale verschoben, d.h., von Ausgrenzung betroffen seien diejenigen ohne ‚richtigen‘ Pass. Ausgrenzung entlang von natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit ist jedoch nicht zwangsläufig auf den richtigen oder falschen Pass angewiesen, sondern verläuft über rassistische Deutungsmuster. Schwarze Deutsche mit deutscher Staatsangehörigkeit sind ebenso von Diskriminierung betroffen wie deutsche Jüd:innen oder Schwarze Brit:innen in Deutschland. Dagegen sind weiße Französ:innen mit französischer Staatsangehörigkeit nicht von Rassismus betroffen – genauso wenig wie weiße Deutsche mit einer deutschen und einer beliebigen weiteren Staatsangehörigkeit.
Die Annahme, Ausschluss verlaufe entlang einer vorhandenen oder nicht vorhandenen (deutschen) Staatsangehörigkeit, entnennt Rassismus als Ausschlussmechanismus und setzt das Konzept Ausländerfeindlichkeit an seine Stelle. Diese Logik setzt nicht nur die Gefahren des Ausschlusses von allen Nicht-Deutschen gleich. Sie verweist außerdem von Rassismus Betroffene mit Bezug zum Ausländersein abermals aus dem Zugehörigkeitsraum Deutschland. So auch in dem vorliegenden Bild: Das Zusammenschalten der Aussage, sein Pass spiele keine Rolle, mit der Abbildung einer Schwarzen Person ruft den Möglichkeitsraum auf, es handele sich um eine Person mit ‚falschem‘ Pass. Die selbstverständliche Möglichkeit, dass der Abgebildete Deutscher sein könnte, ist damit zwar nicht aufgehoben, rückt aber im Deutungshorizont nach hinten. Die Text-Bild-Sprache setzt Schwarzsein mit Ausländisch-Sein gleich, bzw. mit einem Pass, der außerhalb des Fußballfeldes eine störanfällige Relevanz besitzt. Es lässt sich nicht argumentieren, dass in der Text-Bild-Sprache ausgeschlossen wird, dass Schwarzsein und Deutschsein eine selbstverständliche Kombination ist. Wohl aber bedient die Komposition eine implizite Normsetzung wie Deutsch-Sein (nicht) aussieht. Zum Deutsch-Sein scheint die abgebildete Person jedenfalls nicht zu gehören, und auch nicht zum Personenkreis mit dem ‚richtigen‘ Pass.
Damit ist ein argumentativer Bruch in der Erzählung des Fotos herausgearbeitet. Geht es dem DFB auf expliziter Ebene um Ermöglichungsräume für Teilhabe, lässt sich auf Ebene der latenten Bedeutungsstruktur doch zeigen, dass aus einer weiß-deutschen Perspektive gesprochen wird und die als zu öffnenden Zugehörigkeitsräume sich als weiße Räume verstehen. Dieser Bruch ist sodann nicht verwunderlich, stellt sich die Kampagne ja in den Dienst von „Integration“. Für den Diskurs um Integration ist die Paradoxie konstitutiv, das Einzugliedernde eben nicht als Bestandteil des Ganzen zu denken. Die Handschrift des Integrationsdiskurses wird auch im Text auf dem Bild links unten erkennbar. Carl, der Name des Abgebildeten, wie wir dort erfahren, wird zu einem von 1,3 Millionen Mitgliedern „mit Migrationshintergrund“, „die täglich beweisen, dass es beim Fußball nicht um die Herkunft geht.“ Die Logik der Beweislast macht die ungleichen Positionierungen deutlich, von der aus einerseits „Carl“ und andererseits die weiß positionierten Sprecher:innen handeln.
Den argumentativen Bruch zwischen inklusiver Absicht und exkludierender Praktik verstärkend lässt sich ein weiterer Bruch auf Ebene der Bilddarstellung deuten. Hatten die Aufnahmeperspektive und der bewusst in die Kamera blickende Protagonist bildlich noch suggeriert, dass sich die Akteur:innen auf Augenhöhe begegnen, ist dies mit dem Text infrage gestellt. Denn der Text auf dem Plakat redet über den Abgebildeten in dritter Person. Die Person selbst kommt nicht zu Wort. Damit schließt die Bild-Text-Sprache an die Repräsentation der Anderen an, die als Subalterne selbst nicht sprechen. Carl vertritt sich nicht selbst, es wird über ihn geredet und seine Darstellung erfolgt aus dominanten Perspektiven.
Die Interpretation des Bildes deckt fähigkeitsbezogene und rassistisch strukturierte Adressierungen auf. Beide Ordnungen stehen in einer spezifischen Beziehung zueinander. Wie sie genau verschränkt sind, betrachten wir im Folgenden aus einer intersektionalen Perspektive auf das vorliegende Sujet bezogen, und dann mit Übertrag auf Schule und Inklusive Bildung.
Die ableistische und rassistische Codierung im Fallbeispiel haben wir zunächst separat analysiert, da sie jeweils alleine betrachtet sich bereits als sehr komplex erweisen: Das Fähigkeitsregime legt sich auf ambivalente Weise über das Subjekt Carl, dessen Pässe gewürdigt und seine spielerischen Fähigkeiten bzw. ihr potentielles Aussetzen zugleich zum Damoklesschwert für seine Anerkennung werden. Die rassistische Codierung ist ebenfalls ambivalent, wird ja Carls Zugehörigkeit zur Welt des Fußballs – im Gegensatz zum rassistischen Außen, dem harten Pflaster der bedrückend wirkenden Plattenbausiedlung – zum Slogan des Bildes; zugleich aber werden die aufgerufenen rassistischen Strukturen als Problem von Carl reproduziert, der als Anderer und im Prozess des Geschehens Unbeteiligter thematisiert wird, und seine Anerkennungswürdigkeit permanent zu beweisen hat.
Mit dieser Betrachtung bekommen wir auf einer methodologischen Ebene die Verschränkung der beiden Herrschaftsordnungen in den Blick, aus der eine andere, neue gesellschaftliche Positionierung entsteht als bei separater Betrachtung der Ordnungen. Die Betrachtung ist verschränkt und nicht additiv, insofern die Ordnungen sich nicht durch Summierung potenzieren, sondern sich wechselseitig durchdringen. Damit ist im konkreten Fall von Carl gemeint, dass seine Positionierung in der rassistischen Ordnung an zugesprochener Wertigkeit gewinnt, allerdings nur im Gegenzug für seine Unterordnung in die ableistische Ordnung. Ableism wird bei gleichzeitiger unterwerfender Ansprache zum Exit-Ticket aus der rassifizierenden Positionierung des Betroffenen. Dies aber eben nur zum Preis der Verdinglichung, Verwertung und der fragilen Aufnahme, die an die Bedingungen der dominanzgesellschaftlichen Verfügung über seine Fähigkeiten geknüpft ist. Die Rationale der Verwertbarkeit bauen schließlich auf kolonial-rassistischen Stereotypen über Schwarze Körper auf (Wright & Burrows, 2006).
Das Exit-Ticket aus der rassifizierenden Ordnung ist also umgekehrt keine echte Eintrittskarte in die Dominanzgesellschaft, die als wohlwollend und gütig mit ihren kapitalistisch und neoliberal durchzogenen Spielregeln eine unberechenbare Arena für Carl bleibt, und er darin ein verwundbares Subjekt. Es erfolgt weder ein Austritt aus dem rassifizierten Raum, noch ein Eintritt in einen geschützten Raum der Anerkennung. Dass Carl nicht auf dem Spielfeld, sondern am Spielfeldrand steht, wird im Bild zum Sinnbild dieses Zwischenraums.
Das intersektionale Zusammenspiel zwischen Rassismus und Ableismus, aus dem Effekte der Überlagerung von Rassifizierung durch Fähigkeit folgen, lässt sich mit gesellschaftlichen Diskursen analogisieren, die für Schule und den Bildungskontext relevant sind.
So ist die Kompensation eines rassifizierten Subjektstatus (oder wie es das Sujet implizit mit dem ‚falschen Pass‘ fasst) durch Fähigkeit ein Strukturmerkmal, der die Anwerbung von sogenannten Gastarbeiter:innen seit den 1950er Jahren mitbestimmt hat und dessen Diskurs bis heute einen Grundpfeiler für migrationsgesellschaftliche Deutungsmuster darstellt. Die Bedingung für die Arbeitserlaubnis und in Folge Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland ging mit der Inspektion der Körper nach Belastbarkeit und Vorerkrankungsfreiheit einher. Körperliche Arbeitstauglichkeit und ein „Die Anderen ge-brauchen“ (Kourabas, 2021) wurden zur Bedingung für den Eintritt in ein sonst für Menschen mit ‚falschen‘ Pässen unzugänglichen Raum. Auch die gegenwärtige Einteilung von Geflüchteten in ‚gute‘ und ‚schlechte‘ folgt der Logik der ökonomischen Verwertbarkeit. Dabei verhilft auch die Verrichtung körperlich schwerer Arbeit nicht aus schlechter Bezahlung oder prekären Beschäftigungsbedingungen heraus, schafft also nicht automatisch den Abbau von Zugangsbarrieren zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe.
Der Commonsense hinter dem Integrationsversprechen, Zugehörigkeit gäbe es gegen Leistungsfähigkeit oder die Bereitschaft dazu, ist letztlich kein ehrlicher Deal. Aus der vorgelegten intersektionalen Analyseperspektive auf die Überlagerung von Rassifizierung durch Fähigkeit sind die Risse in dieser vorgehaltenen Ausgleichsstruktur deutlich geworden.
Was bedeuten die bis hierhin erzielten Erkenntnisse zum Zusammenspiel von Rassismus und Ableismus aber nun für den Kontext Bildung, genauer: für Inklusive Bildung? Um uns der Beantwortung dieser Frage anzunähern, möchten wir zunächst einen Raum von Schule in den Blick nehmen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit den diskursiven Konturen des zuvor analysierten Fußballplatzes aufweist – den Sportunterricht. Schließlich wird auch dieser in bildungspolitischen wie auch bildungswissenschaftlichen Diskursen zu so etwas wie einem ‚Inklusionsmotor‘ stilisiert. Mehr noch: In Debatten um den Sportunterricht findet sich mitunter etwas eingelagert, das als sportives Heilsversprechen bezeichnet werden könnte, als Ort, an dem verschiedene soziale Konflikte und Differenzlinien ermächtigend bearbeitet werden können (Tolgfors, 2020; Ruin, 2022). Schulsport stellt demzufolge angeblich ein prädestiniertes Terrain für ‚interkulturelles Lernen‘ (Knöpfli et al., 2011), „sprachliche und soziokulturelle Integration“ (Gebken et al., 2016, 58) sowie für die Aneignung ‚interkultureller Kompetenz‘ (Steiner, 2020) dar. Bereits die hier aufgerufenen Konzepte verweisen jedoch, aus einer rassismuskritischen Perspektive betrachtet, auf Fallstricke. Bemerkenswert erscheint hier zudem, dass derartige Zuschreibungen von ‚Problemlösungspotenzialen‘ sowie Opportunitäten für Inklusion unseres Wissens nach – vielleicht mit Ausnahme des Kunstunterrichts – für kein weiteres Fach im bildungswissenschaftlichen Diskurs erfolgen. Schließlich finden die oben angeführten Zuschreibungen überwiegend nicht in einem Diskurs über inklusive Fachdidaktik statt, sondern werden eher – scheinbar selbstverständlich – mit ‚der Natur des Fachs‘ bzw. der darin eingeschriebenen Gegenstände und Praktiken argumentiert. Gleichzeitig wird Sportunterricht aufgrund der Fokussierung auf den Erwerb spezifischer körperlicher Fähigkeiten und der Annahme der besonders objektiven Messbarkeit dieses Fähigkeitenerwerbs ein hohes Potenzial für eine faire Beurteilung der Schüler:innen zugeschrieben, wonach lediglich deren Leistungen, nicht aber deren soziale Herkunft, Erstsprache oder Geschlecht eine Rolle spielen würden (Flintoff & Dowling, 2017). Diese Hoffnungen und Projektionen verweisen sehr deutlich auf Analogien in den Konstruktionen zwischen Sportunterricht und jenen des Fußballfeldes: Demgemäß zählen auch im Fach Sport quasi ‚nur die Pässe, nicht aber der Pass‘ – mehr noch, in einem solchen Unterricht winken nicht nur Anerkennung, sondern scheinbar auch inklusive Lernprozesse für alle. Analog zur Analyse des zuvor behandelten Sujets wäre an dieser Stelle allerdings ebenfalls zu fragen, ob diese Anerkennbarkeit tatsächlich für alle Subjekte möglich wird. Wie zumindest eine ableism-kritische Analyse der Curricula einiger deutscher Bundesländer für den Sportunterricht zeigt, muss dies bezweifelt werden. Denn betrachtet man die in den Lehrplänen festgeschriebenen fähigkeitsbezogenen Erwartungshaltungen und Bewertungspraktiken, so scheint auch das mit diesem Fach verbundene Teilhabeversprechen lediglich für die fähigen, fitten, sportlichen Körper zu gelten (Buchner et al. 2020). Analog zum Sujet des obigen Bildes hat also nur der fähige Schwarze Körper Aussicht auf Partizipation und Anerkennung qua Ausweisen sportlicher Fähigkeiten. Dies bedeutet letztlich, dass auch der Sportunterricht ähnliche intersektionale Spannungsfelder beinhaltet wie der Fußballplatz.
Die Verheißung des ableistischen Anerkennungsausgleichs rassifizierter Subjekte bleibt im schulischen Kontext ein Heilsversprechen, das sich empirisch nicht validieren lässt. (Ob es sich für Carl und seine Amateur-Mitspieler einlöst, wissen wir nicht, aber auch hier deutet sich die Übernahme durch kapitalistische Strukturen an, was in die Produktion von menschlichem Ressourcenüberschuss münden könnte).
Für die Lehrer:innenbildung bedeutet die Ausleuchtung des intersektionalen Zusammenspiels von Ableismus und Rassismus, dass ihre Professionalisierung Wissen über das Zusammenspiel benötigt, das gewissermaßen als ‚Wolf im Schafspelz‘ auftritt. Auch wenn Lehrkräfte mit Schule in eine Institution eingebunden sind, in der strukturell Differenzordnungen – und eben auch in intersektionaler Perspektive – (re-)produziert werden. So lassen sich auf der Ebene des Unterrichts doch Spielräume für eine ermächtigende Bearbeitung gestalten (Buchner, 2022a) – was jedoch eine intersektional-differenztheoretische (Selbst-)Reflexion bedingt. Strukturelles Wissen über intersektionale Zusammenspiele sowie die Reflexion über die eigenen Verstrickungen darin sollten demgemäß Teil der Lehrpläne in der Lehrer:innenbildung und der Bildungswissenschaft sein, über das die Intersektionen in weiteren Räumen von Schule in den Blick kommen können, wie es etwa die anglo-amerikanische Forschung zu positiven Fähigkeitsstereotypen gegenüber asiatischen Schüler:innen vorlegt, in denen sich wieder andere Intersektionen zeigen, etwa indem sich spezifische Formen der Rassifizierung mit Fähigkeitszuschreibungen und Gender vermischen. Ableism zeigt sich dabei als professionalisierungsrelevante Folie für Inklusive Bildung für Unterricht allgemein (Buchner, 2022b) und für den Sportunterricht speziell (Giese & Buchner, 2019). Die gemeinsame Betrachtung von Ableism, auch als grundierende Ordnungsmacht, zusammen mit Rassismus, erscheint uns wert empirisch wie theoretisch vertiefend betrachtet zu werden.
‚Die Wahrheit liegt auf dem Platz!‘ So lautet eine populäre Phrase aus der Welt des Fußballs, die zum Ausdruck bringen soll, dass nicht das ‚Drumherum, das Gerede und die Praktiken außerhalb des Spielfeldes, sondern lediglich die Leistung auf demselben zählt. Damit steht die Phrase schließlich für eine Konstruktion einer scheinbar selbstverständlichen Wahrheit, wonach der Fußballplatz einen von sonstigen gesellschaftlichen Diskursen hermetisch abgeschotteten Raum darstellt, in dem ausschließlich körperliche und emotionale Fähigkeiten zählen – und auf derlei Diskurse nimmt das in diesem Beitrag behandelte Sujet letztlich Bezug und lädt diese rassifizierend auf.
Während die deutschsprachige Intersektionalitätsforschung bislang – aus guten Gründen – eher Verstärkungen und Mehrfachdiskriminierung in den Blick genommen hat, haben wir mit unserer Analyse das fluide und perfide Zusammenspiel der Ordnungen mit ihren kompensatorischen Verlockungen und Imperativen beleuchtet: Wie über das untersuchte Bild suggeriert wird, kann die inferiore Positionierung in der einen durch Leistungen in der anderen Ordnung wieder wett gemacht werden, ähnlich wie dies für die Überschneidungen von Männlichkeit und Fähigkeit in ‚inklusiven‘ Settings aufgezeigt wurde (Buchner, 2017). Bei diesem Mechanismus handelt es sich schließlich um eine spezifische Form oder vielleicht auch einen spezifischen Typus von Intersektionalität, der auf die Fluidität und Mobilität von derartigen Überschneidungen verweist. Die rassistische Positionierung kann zwar – räumlich partiell und zeitlich prekär – verlassen werden, mit nur einem Gang von der als trist und dunkel inszenierten Hochhaussiedlung[2] auf das hell erstrahlende Trainingsfeld. Ableistische Codierungen können rassistische Codierungen neutralisieren. Unter der Bedingung der Unterwerfung unter ein Fähigkeitsregime kann der Protagonist auf dem Foto, Carl, sich aus dem Plattenbau retten, aber genau diese Bedingungen machen seine Anerkennung gleichzeitig zu einer prekären, weil die Leistung permanent erbracht und er sich die Anerkennung erspielen muss. So muss Carl immer und immer wieder ‚abliefern‘ um sich so in der ableistisch-rassistischen Ökonomie des Sujets Teilhabe zu ‚verdienen‘. Zu spüren bekommt er die prekäre Zugehörigkeit, wenn ein Kreuzband reißt oder die Pässe nicht mehr stimmen. Bei der ‚Integration‘ von Carl steht also weniger Carl im Mittelpunkt als die Herausbildung eines fitten Subjekts oder auch des super-fähigen migrantisierten Selbst, das sich Spiel für Spiel auf dem Platz bewähren und Zugehörigkeit qua Leistung erarbeiten muss.
Die zeitlich befristeten und räumlich begrenzten Überlagerungen sowie die darüber erzeugten Imperative erweisen sich als theoretisch übertragbar auf den Kontext Schule. Wie aufgezeigt, wird – analog zum Fußballplatz – auch der Sportunterricht in bildungswissenschaftlichen Diskursen als Raum konstruiert, der sich in besonderem Maße für die Erzeugung von Inklusion und Teilhabe eignet. Zu dieser gesellt sich eine zweite Parallele zum Fußballplatz, nämlich als angeblich objektiver Raum, in dem die Performanz der im Curriculum festgeschriebenen Fähigkeitserwartungen besonders fair und objektiv gemessen werden kann. Allerdings muss auch die über das Tun des Sports angeblich besonders leicht erzeugbare Inklusion als flüchtige Sphäre gedacht werden – die anhand der Fähigkeitsanforderungen und diskursiven Strukturen in anderen Räumen von Unterricht sich im Handumdrehen auflösen können. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern Teilhabe erzeugt werden kann, wenn die gewünschten Fähigkeiten nicht ‚geliefert‘ werden können – schließlich unterliegt auch der Sportunterricht den Strukturen eines (sich) meritokratisch (denkenden) Bildungssystems. So scheint es sich auch hier um eine zumindest ambivalente Arena der Anerkennung zu handeln.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Sport mag tatsächlich Teilhabe ermöglichen. Weder anhand des Beispiels des Fotos noch der Übertragung auf den Schulsport lässt sich jedoch das Versprechen von Sport als Heilsbringer theoretisch oder empirisch untermauern. Denn auch andere Räume von Schule sind in das meritokratische Versprechen getränkt, dass nur die Leistung zähle. Empirische Befunde weisen jedoch strukturellen und institutionellen Rassismus nach, die Schüler:innen und auch Lehrer:innen of Color systematisch benachteiligen (Khakpour & Mecheril, 2018; Bär, 2018; Bonefeld & Dickhäuser, 2018; Akbaba, 2017; Mansel & Spaiser, 2010, Gomolla & Radtke, 2009).
Hinsichtlich einer Professionalisierung in Richtung Inklusion kann in Bezug auf die Methode der Bildanalyse letztlich gesagt werden, dass diese als brauchbares Instrument für die Ausbildung von politischer Literalität im Sinne des Lesens von Wirklichkeit (Gensluckner et al., 2021) dienen kann. Bild(ungs)wissenschaftliche Schulforschung erachten wir daher als einen entsprechenden Beitrag, der im Rahmen von Forschung und forschendem Lernen in Lehramtsstudien erfolgen könnte. Bilder enthalten und spiegeln einen Fundus an Referenzen auf aktuelle Diskurse und Vorstellungen des ‚richtigen‘ und ‚guten‘ Zusammenlebens, von dem Inklusive Räume immer mehr Bedeutung einzunehmen scheinen.
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[2] An dieser Stelle sei noch kurz auf die klassistische Positionierung von Carl verwiesen, auf die wir aus Platzgründen in diesem Artikel nicht eingegangen sind. So wird mit der Hochhaussiedlung an Stereotype zu scheinbar selbstverständlichen Wohnorten von migrantisierten Subjekten angeknüpft. Denn prinzipiell wäre auch ein Sujet denkbar gewesen, auf dem der Fußballplatz in einem grünwaldigen Vorort, an einer gepflegten Allee gelegen ist – mit Carl in einem schnieken Anzug.