Christian Lindmeier:Intersektionalität als Thema der Sonder- und Inklusionspädagogik

Abstract: Der Beitrag zeichnet das ‚Einwandern‘ des ‚Travelling Concepts‘ Intersektionalität in die deutsche Sonder- und Inklusionspädagogik nach, das vor ca. 10 Jahren einsetzt. Ausgehend von den drei Anwendungszusammenhängen des Intersektionalitätskonzepts (intersektionaler Analyserahmen, theoretisches und methodologisches Paradigma, politische Interventionen) lässt sich bilanzieren, dass diskursive Debatten über die Reichweite und den Inhalt von Intersektionalität als theoretisches Modell oder Paradigma eine dominante Stellung einnehmen. Neben interaktionstheoretischen, macht- und dominanzkritischen Ansätzen findet man vor allem strukturtheoretisch fundierte, gesellschaftskritische Ansätze, die auch Implikationen für pädagogische und politische Interventionen formulieren. Als empirischer Analyserahmen ist Intersektionalität in der Sonder- und Inklusionspädagogik hingegen noch unterrepräsentiert und unterkomplex, was auch den allgemeinen methodologischen und forschungsmethodischen Problemen der kritischen sozialen Ungleichheitsforschung und der erziehungswissenschaftlichen Intersektionalitätsforschung geschuldet ist.

Stichworte: Intersektionalität, Travelling Concept, Ableismus, Othering, Ableismus, Pädagogik der Nicht/Behinderung

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Intersektionalität als Thema der deutschsprachigen Sonder- und Inklusionspädagogik
  3. Theoretische Ansätze der Intersektionalitätsanalyse in der Sonder- und Inklusionspädagogik
  4. Fazit
  5. Literatur

1. Einleitung

Mein Beitrag zu diesem Schwerpunktheft thematisiert Intersektionalität im Mainstream der Sonder- und Inklusionspädagogik. Ich knüpfe damit an meine bisherigen Überlegungen an (Lindmeier, 2013, 2019), den Nutzen des Konzepts der Intersektionalität für die Sonder- und Inklusionspädagogik zu extrapolieren. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass inklusive Pädagogik unterschiedliche soziale Differenzen – darunter auch Behinderung – in ihrer Wechselwirkung fokussiert (Tervooren & Pfaff, 2018) und dass umgekehrt die Sonderpädagogik keinen „inclusive turn“ (Boger, 2018, 69) vollziehen kann, wenn sie Behinderung nicht als intersektionalen Analysegegenstand/intersektionale Kategorie begreift. Auch im Konzept der Intersektionalität werden soziale Differenzen als soziale Konstruktionen aufgefasst; ein Verständnis von sozialen Differenzen als stabile und unveränderliche, individuelle oder natürliche ‚Eigenschaften‘ ist hingegen zurückzuweisen (Budde, Blasse & Rißler, 2020, 29).
Der Begriff der Intersektionalität (intersectionality) stammt von der Rechtswissenschaftlerin Crenshaw (1989, 1991), deren Arbeiten in der Tradition des Black Feminism und der Critical Race Theory US-amerikanischer Provenienz stehen (Chebout, 2011). Mit der Metapher der (Straßen-) Kreuzung (intersection) machte sie auf der Basis juristischer Fallanalysen darauf aufmerksam, dass das US-amerikanische Antidiskriminierungsrecht eine ungerechtfertigte Behandlung Schwarzer Frauen zulässt, die aus einer monokausalen (Hautfarbe oder Geschlecht) oder additiven Betrachtung (Hautfarbe und Geschlecht) sozialer Differenzen resultiert und zugunsten einer intersektionalen Betrachtung (Berücksichtigung von Hautfarbe und Geschlecht in ihrem Zusammenwirken) zu revidieren ist. Der Begriff Intersektionalität besagt also, dass Schwarze Frauen eine Diskriminierung erfahren können, die mehr ist als die Summe sexistischer und rassistischer Diskriminierung (Crenshaw, 1989, 148ff.).[1] Die Metapher der (Straßen-)Kreuzung, die die Überkreuzung von Diskriminierungsachsen veranschaulichen soll, wurde kritisiert, weil dadurch die Vorstellung von in sich geschlossenen Kategorien, einer statischen Überschneidung oder von voneinander unabhängigen Linien oder Achsen der Differenz suggeriert wird (z.B. Walgenbach, 2007). Obwohl es eigentlich um Interdependenzen geht, behält letztlich auch Walgenbach den etablierten Begriff der Intersektionalität bei (z. B. Walgenbach, 2014). 

Meyer (2017) konstatiert in ihrer aktuellen Einführung, dass mit dem Begriff ‚Intersektionalität‘ zum einen der Forschungsgegenstand der Wechselwirkung verschiedener Dimensionen sozialer Ungleichheit und zum anderen die Herangehensweise an den Forschungsgegenstand (Intersektionalitätsforschung) bezeichnet wird. Außerdem spricht sie davon, dass es sich um ein eigenständiges (Forschungs-)Konzept, aber um keine einheitliche Theorie handelt (s. auch Collins & Bilge, 2016; Bronner & Paulus, 2017). [2] Die Intersektionalitätsforschung untersuche,


„wie unterschiedliche Herrschaftsstrukturen nach Geschlecht, ‚Rasse‘, Klasse, Sexualität und vielem mehr in einer Gesellschaft zusammenwirken, wie sie das Leben von Individuen und Gruppen unterschiedlich prägen, wie sie unterschiedlich sichtbar sind und wie emanzipatorische Theorien und Praktiken daran wirken, intersektionale Erfahrungen und Machtformationen unsichtbar zu halten“ (Meyer 2017, 10).

Ferner lässt sich feststellen, dass diese Forschungsperspektive soziale Strukturen, Institutionen, Diskurse, soziale Praxen sowie individuelle und kollektive Identitäten in den Blick nimmt (Walgenbach, 2014) und als kritische soziale Ungleichheitsforschung fungiert, die eine „Nähe zu politischem Handeln bzw. zur (Selbst-)Reflexion des Handelns in diversen Praxisfeldern aufweist“ (Ganz & Hausotter, 2019, 392). Intersektionalität als kritische Forschungsperspektive leistet also einen Beitrag zur Macht- und Herrschaftskritik „und durch die enge Verknüpfung der Wissensproduktionen von sozialen Bewegungen und der akademischen Wissenschaften auch zu emanzipatorischem Handeln“ (ebd., 401).
Cho, Crenshaw & McCall (2013) nennen dementsprechend drei Anwendungszusammenhänge des Intersektionalitätskonzepts: Die Anwendung eines intersektionalen Analyserahmens (1), Diskurse über die Reichweite und den Inhalt von Intersektionalität als theoretisches und methodologisches Paradigma (2) und schließlich politische Interventionen, die einen intersektionalen Fokus verwenden (3). Vor diesem Hintergrund ist auch von einem „Travelling Concept“ (Knapp, 2005; Davis, 2008) die Rede, dessen Einordnung in den wissenschaftlichen Diskurs ein schwieriges Unterfangen darstellt (Hinni & Zurbriggen, 2018). 2013 erschien im DuBois Review für sozialwissenschaftliche Studien zu Rassismus der Universität Cambridge ein Sonderheft, das sechs Themen des ‚Reisens‘ des Konzepts benennt (Carbardo et al., 2013):

Als Kombination aus fortlaufender (wissenschaftlicher) Analyse und sozialer Bewegung unter Beteiligung Schwarzer Frauen und Männer ist das Konzept der Intersektionalität nach der Jahrtausendwende in die angelsächsischen Disability Studies in Education (z.B. Connor, 2008; Annamma, Connor & Ferri, 2013) und – fast zeitgleich – auch in die Special and Inclusive Education (z.B. McCall & Skritic, 2009; Artiles, Waitroller & Neill, 2011; Artiles, 2013) eingewandert. Damit werden die Wechselbeziehungen von sozialen Kategorien bzw. Ungleichheiten in Erziehung, Bildung und Sozialisation fokussiert, „die spezifische Formen von Diskriminierungs- und Machtkonstellationen hervorbringen und somit die pädagogische Praxis sowie erziehungswissenschaftliche Forschung strukturieren und beeinflussen“ (Walgenbach & Pfahl, 2017, 141). Dass dieses Einwandern auch in den USA relativ spät eingesetzt hat, liegt laut McCall & Skritic (2009) daran, dass ursprünglich weder Crenshaw (1989, 1991) noch Collins (1990) Behinderung als eine intersektionale Kategoriein ihre Überlegungen einbezogen hatten.
Im Folgenden soll es nun darum gehen, das ‚Einwandern‘ des Konzepts in den deutschsprachigen Diskurs der Sonder- und Inklusionspädagogik näher zu beleuchten. Gleichwohl kann es bei diesem Unterfangen nicht um den Anspruch auf Vollständigkeit gehen. Vielmehr stehen die theoretischen Diskurse im Mittelpunkt, denn die Darstellung der qualitativ- und quantitativ-empirischen Forschungsstudien aus der Sonder- und Inklusionspädagogik, die explizit eine intersektionale Orientierung verfolgen, würde – obwohl derzeit noch sehr überschaubar (Halfmann, 2014; Amirpur, 2016; de Terra, 2018; Schildmann, Schramme & Libuda-Köster, 2018; Schramme, 2019) – den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Für beide Fachgebiete gilt, dass die Umsetzung intersektionaler Analysen in der Forschungspraxis häufig mit Schwierigkeiten verbunden ist (Bereswill, Degenring & Stange, 2015, 11).

2. Intersektionalität als Thema der deutschsprachigen Sonder- und Inklusionspädagogik

In der deutschen Erziehungswissenschaft begann die Rezeption mit einem programmatischen Beitrag von Lutz (2001). Er wurde in dem Sammelband ‚Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft‘ (Lutz & Wenning, 2001) veröffentlicht, der eine neue Ära der erziehungswissenschaftlichen Ungleichheitsforschung einläutete.[4] Etwas später wurde Intersektionalität in den deutschen Disability Studies thematisiert (z.B. Raab, 2007; Jacob, Köbsell & Wollrad, 2010). Um die Aufnahme des Themas in die Sonder- und Inklusionspädagogik machten sich vor allem Schildmann (2011, 2012) und Thielen (2011) verdient. Als erste deutschsprachige sonder- und inklusionspädagogische Fachzeitschrift veröffentlichte die Sonderpädagogische Förderung heute im Jahr 2013 zunächst ‚ein aktuelles Thema: Intersektionalität‘ (Lindmeier, 2013). Im selben Jahr beteiligten sich zwei Sonder- und Inklusionspädagog*innen mit einem ähnlichen (Kurz-)Format an einem Diskussionsforum zur ‚Bestimmung und Abgrenzung von Intersektionalität‘ der Zeitschrift ‚Erwägen – Wissen – Ethik‘ (van Essen, 2013; Moser, 2013).
Im ‚aktuellen Thema: Intersektionalität‘ der Sonderpädagogischen Förderung heute (Lindmeier, 2013) wurde vor allem auf die Potenziale der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Intersektionalitätsforschung für die Entwicklung eines nicht diskriminierenden Umgangs mit der ‚unterschiedlichen Verschiedenheit‘ von Individuen und Gruppen unter Anerkennung der immer auch gegebenen Gemeinsamkeiten verwiesen. Ferner wurde herausgestellt, dass die Analyse der Überkreuzung von Differenzmerkmalen die Anerkennung des in der Vielfalt verborgenen Potenzials mit der Bearbeitung politisch-gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Ungleichheiten verbindet (ebd., 119). Mit Blick auf die sozial- und erziehungswissenschaftlichen Ansätze der Intersektionalität (z.B. Lutz & Wenning, 2001; Winker & Degele, 2009) wurde zudem kritisch ausgeführt, dass es in Bezug auf die Differenzkategorie Behinderung durchaus umstritten sei,

„ob sie nur den körperorientierten (z.B. Geschlecht, Gesundheit) oder auch den (sozial-)räumlichen (z.B. Klasse, Kultur) und ökonomischen Differenzlinien zuzuordnen ist. In den mit Intersektionalität und Behinderung befassten Disziplinen (Sonderpädagogik, Disability Studies) bestehen dementsprechend unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Differenzkategorien und -linien sich mit Behinderung ‚dynamisch überkreuzen‘ (vgl. z.B. Raab, 2007; Jakob/Köbsell/Wollrad, 2010; Thielen, 2011)“ (Lindmeier, 2013, 120).

Penkwitt (2021) interpretiert den letzten Satz aus diesem Zitat so: Die Differenzlinie Be-/Hinderung fungiert im Bereich der Heil-, Sonder- und Inklusionspädagogik „also offensichtlich nach wie vor als Masterkategorie, die nicht nur eine ausgeprägte Binnendifferenzierung (im schulischen Kontext z.B. in die sogenannten Förderschwerpunkte) aufweist, sondern (im Sinne McCalls) als intrakategorial noch von weiteren (Struktur-)Kategorien durchkreuzt wird. Damit verbleibt man nach wie vor im Rahmen eines ‚engen‘ Inklusionsbegriffs: Die anderen Ungleichheitsdimensionen spielen nämlich nur eine Rolle, solange ihnen innerhalb der (Master-)Kategorie Behinderung Relevanz zukommt. Sollte ein Kind nicht (auch) behindert sein, seien Heil-, Sonder- und Inklusionspädagog:innen nicht zuständig. Es handelt sich also nicht wirklich um eine Pädagogik für alle – und die (Dis)Ability-Ambulanz verlässt (im Zweifelsfall) die Unfallstelle unverrichteter Dinge, um das Bild noch einmal aufzugreifen“ (ebd., o. S.).
Die Interpretation Penkwitts ist nachvollziehbar; allerdings ging es in dem ‚aktuellen Thema: Intersektionalität‘ aus dem Jahr 2013 um die „selbstverständliche Einbeziehung von Behinderung in intersektionale Ansätze“ (Baldin, 2014, 61), und nicht um die Aufrufung einer ‚Masterkategorie‘. Außerdem sollten die Konzepte der Intersektionalität und der Inklusion nicht vorschnell amalgamiert werden (Walgenbach, 2015, 2016a; Budde, Blasse & Rißler, 2020). Walgenbach (2010, 265) stellte zudem in Bezug auf die Frauen- und Geschlechterforschung klar, dass

„intersektionale Perspektiven … Geschlecht nicht als Masterkategorie setzen, sondern gleichwertig mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheiten analysieren, aber dennoch mit einem normativen commitment (Davis) bezüglich feministischer Theorietraditionen bzw. Theoriebildung einhergehen“.

Folglich ging es auch nicht darum, dass das Konzept der Intersektionalität die Sonder- und Inklusionspädagogik und Disability Studies (die Penkwitt von ihrer Kritik ausnimmt) ersetzt, sondern bereichert.[5]
Im Jahr darauf wurde in Deutschland erstmals ein Sammelband zu ‚Migration und Behinderung‘ (Wansing & Westphal, 2014a) veröffentlicht, in dem intersektionale Perspektiven in zahlreichen Beiträgen prominent vertreten sind. Er bildete den Auftakt zu weiteren Untersuchungen an den Schnittstellen von Migration und Behinderung (z.B. Halfmann, 2014; Amirpur, 2016; Wagner, 2017; Wansing & Westphal, 2018). In der Einleitung des Bandes ‚Behinderung und Migration‘ stellten die Herausgeberinnen (Wansing & Westphal, 2014b) kritisch fest, dass Fragestellungen bisheriger Intersektionalitätsanalysen vorrangig den Dreiklang von Ethnizität, Geschlecht und Klasse bearbeiten und dass Behinderung bzw. Disability als (verkörperte) Differenz bislang noch wenig Berücksichtigung findet. Baldin (2014) entwarf in diesem Band ein Forschungsprogramm für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund, das die intersektionale Mehrebenenanalyse von Winker und Degele (2009) aufgreift, Behinderung aber nicht der Strukturkategorie Körper subsumiert, sondern als ‚eigenständige‘ Strukturkategorie auffasst. Powell und Wagner (2014) boten in dem Sammelband einen aktuellen Überblick über den Stand der deutschen Forschungen zur Überrepräsentierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in deutschen Sonder- bzw. Förderschulen, interpretieren diese aber leider nicht aus intersektionaler Perspektive.[6]
2015 erschien in der ‚Sonderpädagogischen Förderung heute‘ ein Themenheft ‚Intersektionalität: Impulse für eine inklusionsbezogene Pädagogik‘, das in seiner disziplinären Ausrichtung bewusst breit gefächert war, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Terminus Intersektionalität bereits zum damaligen Zeitpunkt in der deutschsprachigen sozial-, erziehungs- und rechtswissenschaftlichen Ungleichheitsforschung zu finden war. Neben drei Beiträgen aus der Sozial- und Erziehungswissenschaft (Walgenbach, 2015; Dederich, 2015; Budde & Hummrich, 2015) enthielt das Themenheft deshalb auch einen Beitrag aus der Rechtswissenschaft (Zinsmeister, 2015). Hinsichtlich der Frage, welche pädagogischen Impulse vom Konzept der Intersektionalität ausgehen, äußerten sich die vier Autor*innen aus der Sozial- und Erziehungswissenschaft auffällig divergent:
Walgenbach (2015) bilanzierte, dass der Einbezug von Intersektionalität bei vielen Autor*innen aus der Sonderpädagogik bzw. Inklusiven Bildung noch eher Appellcharakter habe. Intersektionalität werde zwar häufig als Forschungsperspektive identifiziert, bis 2015 seien aber nur wenige empirische Studien bzw. theoretische Beiträge vorgelegt worden, „welche die Potenziale dieser Forschungsperspektive für die Sonderpädagogik und Inklusive Bildung bereits exemplarisch umsetzen…“ (ebd., 131). Diese wenigen Beiträge demonstrierten allerdings die Bedeutung von Intersektionalität, um die Analysekategorie Behinderung in Verbindung mit anderen Differenzkategorien setzen zu können. Durch den Fokus auf Diskriminierung, Macht und Normalisierung biete Intersektionalität einen Analyserahmen, der zahlreiche Anschlussmöglichkeiten an Traditionslinien der Sonder- und Integrationspädagogik sowie an das neu entstehende Forschungsfeld der Disability Studies in Education eröffne. Trotz offensichtlicher Potenziale stehe eine Positionierung des Paradigmas bezogen auf die aktuelle Inklusionsdebatte aber noch aus. Es sei allerdings zu erwarten,

„dass eine pädagogische Inklusionsrhetorik, die soziale Ungleichheiten durch die Forderung nach einer pauschalen Anerkennung der Unterschiedlichkeiten von Kindern und Jugendlichen unsichtbar macht, auf erhebliche Kritik der Intersektionalitätsforschung treffen wird“ (ebd.).

Im Gegensatz zu pädagogischen Konzepten wie Diversity oder Heterogenität gebe es im Paradigma Intersektionalität keine Anknüpfungspunkte an eine Pädagogik der Anerkennung. Aus einer intersektionalen Perspektive bestehe auch kein Grund, „Kategorien sozialer Ungleichheit zu zelebrieren“ (ebd., 132). Dies impliziere allerdings nicht, „dass Intersektionalität lediglich eine Analyseperspektive ohne praktische Relevanz darstellt“ (ebd.). Für die Sonder- und Inklusionspädagogik bedeute dies, „dass Intersektionalität einen produktiven Beitrag leistet, wenn es um die Analyse der Wechselbeziehungen sozialer Ungleichheiten geht“ (ebd.). Zur Lösung ‚sonderpädagogischer Problemstellungen‘ jenseits sozialer Ungleichheit könne das Paradigma jedoch nicht beitragen. Damit blieben wichtige Fragen der Sonderpädagogik bzw. Inklusiven Bildung de-thematisiert „wie z.B. die Förderung der Entwicklung eines jeden Kindes, die Wertschätzung seiner Ressourcen bzw. Potenziale sowie die Akzeptanz von Vielfalt im Klassenzimmer, die einen Gemeinsamen Unterricht begründet“ (ebd.). Paradoxerweise könne allerdings gerade die Anerkennung der Begrenztheit von Intersektionalität „wiederum die Stärke des Paradigmas sein, da es auf diese Weise vor einer beliebigen Vereinnahmung bzw. Re-Artikulation geschützt bleibt“ (ebd.).
Dederich (2015) wies demgegenüber auf das beträchtliche Potenzial der Intersektionalitätsforschung sowohl für eher spezialisierte behindertenpädagogische als auch für inklusiv ausgerichtete Arbeits- und Forschungsfelder hin und macht dies an drei Punkten fest. Erstens an der Möglichkeit, im Schnittfeld von interkultureller Pädagogik, Geschlechterforschung und Behindertenpädagogik in Hinblick auf das Auftreten spezifischer Ungleichheitslagen an Förderschulen Untersuchungen durchzuführen „oder Wechselwirkungsprozesse zwischen Migration und Klasse/Schicht einerseits und Schulversagen andererseits zu analysieren“ (ebd., 149). Zweitens verspricht er sich von dem Konzept Untersuchungen zu der Frage, „wie im Ausgang von pädagogischen Praktiken die Kategorien das pädagogische Feld strukturieren“ (ebd.). Von hier aus ließe sich drittens zeigen, „wie sozialstrukturelle Unterscheidungen und Differenzierungen durch konkretes pädagogisches Handeln, etwa die Weise, wie Schülerinnen und Schüler in der alltäglichen Interaktion adressiert werden, reproduziert oder auch verändert werden“ (ebd.).
Insgesamt erhofft sich Dederich von den Anschlüssen an die Intersektionalitätsanalyse

„ungerechtfertigte Ungleichheitsverhältnisse analytisch zu durchdringen und im Raum des Politischen nicht nur individuelle, sondern gruppenspezifische Probleme, etwa die ungerechtfertigte Verteilung von Ressourcen oder Partizipationschancen zu identifizieren und so zu einem Mehr an Gerechtigkeit beizutragen“ (ebd.).

Auch pädagogisch sei eine solche ‚analytische Klarheit‘ unverzichtbar, weil sie Voraussetzung für die Entwicklung ‚individuell passgenauer Unterstützungsangebote‘ und die Bereitstellung entsprechender Ressourcen ist, wobei immer die Gefahr bestehe, „sozial hergestellte bzw. bedingte Lebenswirklichkeiten durch die Verwendung von Differenzkategorien zu verfestigen“ (ebd., 149f.). Dederich vertritt die Auffassung, dass die Intersektionalitätsforschung dieser Spannung oder Ambivalenz eher gerecht zu werden verspricht als die antikategoriale Inklusionspädagogik. Während die Inklusionspädagogik auf den Verzicht von Kategorien setze, arbeite die Intersektionalitätsforschung „an einer aus den Wechselwirkungsprozesse und Dynamiken hervorgehenden Steigerung der Komplexität, ohne kategoriale Differenzen ganz zu verabschieden“ (ebd., 159). Die Kunst des ‚intersektionalen Blicks‘ bestehe darin, „zwischen den Polen der Synthese und Analyse frei flottieren zu können“ (ebd.). Die Intersektionalitätsforschung stärke damit nicht nur das Bewusstsein für die Komplexität, Vielgestaltigkeit und Kontingenz von Differenz, sondern habe auch das Potenzial, „im Rahmen einer machtkritischen Fundierung Diskriminierungsverhältnisse aufzudecken und einen Beitrag zu deren Abbau zu leisten“ (ebd.).
Während Walgenbach (2015) und Dederich (2015) auf die Potenziale und die Begrenztheiten des Paradigmas bzw. der Analyseperspektive der Intersektionalität verweisen, sehen Budde und Hummrich (2015, 173) den Anspruch einer „reflexiven Inklusion“ nur durch die Zusammenführung der Konzepte Intersektionalität und Inklusion erfüllbar (s. auch Budde, 2018). Um pädagogisches Handeln unter den Leitbegriff ‚Inklusion‘ zu stellen, sei ein Wandel in den professionellen Orientierungen der Lehrpersonen vonnöten. In Anlehnung an die Konzepte der reflexiven Koedukation und der reflexiven Interkulturalität, in denen – sensu Goffmann – ein Spannungsfeld aus Dramatisierung und Entdramatisierung sozialer Differenzierung angelegt sei, gehe es darum, der „Reflexivität des eigenen Handelns zwischen Reifizierung und Auflösung von Stereotypen“ (Budde & Hummrich, 2015, 172) besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen. In disziplinärer Hinsicht bedeute reflexive Inklusion – ebenso wie reflexive Koedukation oder reflexive Interkulturalität – eine Erweiterung bisheriger ‚Teilbereichspädagogiken‘ und biete Perspektiven über die bisherigen differenzspezifischen Ansätze hinaus. Denn reflexive Inklusion sei „nicht fachspezifisch zu verorten, sondern als interdisziplinäre Aufgabe unterschiedlicher erziehungswissenschaftlicher, schulpädagogischer, sonderpädagogischer und fachdidaktischer Domänen zu verstehen“ (ebd.). Außerdem plädieren Budde und Hummrich dafür, einen ‚engen‘ Inklusionsbegriff, der nur Behinderung bzw. sonderpädagogischen Förderbedarf fokussiert, durch ein intersektionales Verständnis eines ‚weiten‘ Inklusionsbegriffs zu vermeiden. Reflexive Inklusion sei deshalb von dem Anspruch auf Interdisziplinarität und Intersektionalität (theoretisch) zu rahmen.
Bezogen auf das professionelle pädagogische Handeln impliziere reflexive Inklusion eine (professionelle) „Haltung der Reflexivität hinsichtlich der Relationierung Universalismus, Individualität und Differenz“ (ebd., 173). Um ein solches Inklusionsverständnis als Teil einer sich professionalisierenden Pädagogik zu etablieren, sollen „überall dort keine Unterschiede gemacht werden und Ungleichheitskategorien dekonstruiert werden, wo dies möglich ist, damit der universalistische Geltungsanspruch von Schule und Bildung umgesetzt wird“ (ebd.). Gehe es zweitens um die Thematisierung sozialer Ungleichheit, „wird man um den Bezug auf Differenzen und Kategorien nicht herumkommen“ (ebd.). Drittens sei mit Blick auf ‚individuelle pädagogische Praktiken‘ oder ‚Fragen der Anerkennung‘, „eine individualisierende Perspektive gewinnbringend“ (ebd.). Ferner sei ein „spezifisches Wissen um Effekte pädagogischer Diagnostik und die Bedeutungen von sozialen Ungleichheitskategorien wie Behinderung, Gender, Race, Class usw. notwendig“ (ebd.), wobei zu klären sei, ob Inklusion als Querschnittsaufgabe oder als spezifische Qualifikation mit entsprechenden Modulen in das erziehungs- und bildungswissenschaftliche Studium implementiert werden soll.

3. Theoretische Ansätze der Intersektionalitätsanalyse in der Sonder- und Inklusionspädagogik

Nach 2015 findet man in der Sonder- und Inklusionspädagogik erste theoretische Ansätze der Intersektionalitätsanalyse. Neben intereraktionstheoretischen und macht- und dominanzkritischen Ansätzen handelt es sich dabei vor allem um strukturtheoretisch fundierte, gesellschaftskritische Ansätze, die auch Implikationen für pädagogische und politische Interventionen formulieren.
In diesem Zusammenhang sind die Veröffentlichungen von Schildmann, Schramme und Libuda-Köster (2018) und Lindmeier (2019) anzuführen; in den Jahren 2016 bis 2018 war zuvor in der‚Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete (VHN)‘ ein Themenstrang ‚Intersektionalität in der Sonderpädagogik‘ veröffentlicht worden, in dem u. a. Walgenbach (2016a) ihre Position bekräftigte. Schildmann und Schramme (2017) legten in diesem Themenstrang eine erste theoretische Verortung der Strukturkategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung vor.
Das 2018 von Schildmann, Schramme und Libuda-Köster (2018) veröffentlichte Buch ‚Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung‘ beschäftigt sich mit den Fragen, welche Relevanz Behinderung für die Intersektionalitätsforschung hat und wie umgekehrt Erkenntnisse der allgemeinen Intersektionalitätsforschung die speziellen Forschungsperspektiven auf Behinderung erweitern und bereichern können. Es werden eine zeitgeschichtliche, eine theoretische sowie eine empirische Perspektive des Diskurses über die Wechselwirkungen zwischen den Kategorien Geschlecht und Behinderung systematisch entwickelt, wobei ich im Folgenden nur die theoretische nachzeichne.[7]
Schildmann und Schramme (2018) legen zunächst ihr Verständnis von Behinderung als historisches Phänomen und soziale Konstruktion offen. Behinderung als soziale Strukturkategorie zu bezeichnen, resultiere aus der Erkenntnis, dass unter diesem Begriff eine ‚extrem differenzierte‘ Personengruppe zusammengefasst werde, „die durch unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit, häufig basierend auf gesundheitlichen Einschränkungen, und ggf. durch sozial unterschiedliche Verhaltensweisen, als von der gesellschaftlichen Normalität abweichend bewertet wird“ (ebd., 48). Bei den von ihnen vorgestellten Theorieansätzen geht es in der Folge „zum einen um die Binnenstrukturen von Behinderung … und darin auffindbare Hierarchien zwischen so genannten Behinderungsarten …, zwischen einzelnen Schädigungs- bzw. Behinderungsursachen … und zwischen so genannten früh- und spätbehinderten Menschen“ (ebd., 47); zum anderen um interkategoriale „Wechselwirkungen zwischen der Kategorie Behinderung und anderen sozialen Strukturkategorien, insbesondere den Kategorien Geschlecht und Alter“ (ebd. 48), denn Behinderung sei nie geschlechtsneutral und altersunabhängig zu denken. Antikategoriale Ansätze bzw. dekonstruktivistische Perspektiven der Intersektionalitätsforschung spielen bei Schildmann und Schramme (2018) eine untergeordnete Rolle; sie verweisen aber auf Protagonistinnen aus den deutschen Disability Studies (z. B. Bruner, 2005; Raab, 2007).
Für die Beantwortung der beiden Ausgangsfragen des Buches wird neben dem Systematisierungsansatz von McCall v.a. das zwischen Struktur-, Repräsentations- und Identitätsebene unterscheidende Analysemodell von Winker und Degele (2009) herangezogen, das sich laut Schildmann und Schramme für die Systematisierung der Forschungsansätze über das Verhältnis zwischen Geschlecht und Behinderung als sinnvoll erweist. Allerdings sehen sie den von Winker und Degele für Behinderung vorgeschlagenen Systematisierungsansatz als nicht haltbar an. Winker und Degele (2009) ergänzen die ‚klassische‘ Trias (class – gender – race) der Intersektionalitätsforschung durch eine vierte „Strukturkategorie Körper“ (ebd., 37ff.), unter der sie die Kategorien Behinderung und Alter zusammenfassen. Diesen analytischen Schachzug halten Schildmann und Schramme unter drei Aspekten für kritikwürdig: (1) Körper/Bodyismus bezeichnet eine sog. Querschnittsproblematik, die auch bei Klasse, Geschlecht und ‚Rasse‘ und deren Intersektion auf spezifische Weise relevant wird (Villa, 2010; Knapp, 2013). (2) Die analytische Reduktion von Behinderung und Alter auf Körperzusammenhänge ist fragwürdig (Dederich, 2015); (3) die Zusammenfassung von Behinderung und Alter unter einer einzigen (Super-)Kategorie ist nicht haltbar, weil es sich um eigenständige Strukturkategorien handelt.
Schildmann und Schramme bejahen also die Frage, ob Behinderung als eigenständige soziale Strukturkategorie für die (allgemeine) Intersektionalitätsforschung eine Bedeutung hat. Außerdem verweisen sie auf eine mehr als 40-jährige Tradition der sozialwissenschaftlich orientierten, kritischen Behindertenpädagogik, in der stets davon ausgegangen wurde, dass Behinderung eine soziale Kategorie ist und damit mit anderen sozialen Kategorien in Verbindung steht. Die Fachgebiete, die sich ihr zuordnen lassen – allen voran die Frauen- und Geschlechterforschung (z. B. Schildmann, 1983; Schildmann & Bretländer, 2000) – haben die Aufgabe, die wissenschaftliche Verankerung der Kategorie Behinderung in der allgemeinen Intersektionalitätsforschung voranzutreiben. Entscheidend für ihr Plädoyer, Behinderung als relevante Kategorie der allgemeinen Intersektionalitätsforschung zu betrachten und systematisch in diese einzubeziehen, sei umgekehrt die Erkenntnis, „dass Behinderung nie unabhängig von anderen sozialen Strukturkategorien existiert, sondern immer in bestimmten Wechselbeziehungen mit diesen steht“ (Schildmann & Schramme, 2018, 87). Deshalb stelle sich Behinderung nicht als ‚add on‘ gegenüber anderen relevanten Strukturkategorien heraus, „sondern als deren integraler Bestandteil“ (ebd., 87).
Ein exemplarisches Anwendungsfeld sind die Verbindungen zwischen inklusiver Pädagogik und Intersektionalitätsforschung. Die Kategorie Behinderung ist in der inklusiven Pädagogik zwar nur als eine neben möglichen anderen zu beachten; allerdings komme ihr eine besondere Aufmerksamkeit zu,

„weil – in Deutschland – für die Erziehung und Förderung behinderter, im Unterschied zu allen anderen Kindern und Jugendlichen, parallel zu den Regeleinrichtungen des Bildungswesens ein historisch gewachsenes, ausgebautes und spezialisiertes System von Sondereinrichtungen zur Verfügung steht, welches bis vor wenigen Jahrzehnten – abgesehen von Ausnahmen – als einziger Weg galt, um als Kind mit behinderungsbezogenem Förderbedarf zu Bildung zu gelangen“ (ebd., 2018, 79).

Inklusive Pädagogik bedürfe angesichts ihrer diversen politischen und pädagogischen Herausforderungen unterschiedlicher theoretischer Grundlagen. Als einen dieser Theorieansätze sehen Schildmann und Schramme die aus der Frauen- und Geschlechterforschung hervorgegangene Intersektionalitätsforschung an, mit deren Hilfe die unterschiedlichen sozialen Ungleichheitslagen der Schüler*innen in ‚inklusiven‘ Bildungseinrichtungen systematisch reflektiert und analysiert werden könnten.

Ich selbst legte 2019 einen Vorschlag zur Weiterentwicklung der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplin Sonderpädagogik vor, der davon ausgeht, dass es nur dann zu einer Transformation dieses Fachgebiets kommen wird, wenn sich die Sonderpädagogik zu einer differenztheoretisch reflektierten, diversitätsbewussten Pädagogik weiterentwickelt (Lindmeier, 2019). Ferner gehe ich davon aus, dass diese erziehungswissenschaftliche Teildisziplin nur durch eine solche Transformation in die Lage versetzt wird, die inklusive Wende in der Sozial- und Erziehungswissenschaft mitzuvollziehen. ‚Differenztheoretisch reflektiert‘ bedeutet u.a., dass die Sonderpädagogik ihre Verstrickungen in die Reproduktion sozialer Differenz(en) kritisch reflektieren muss (s. auch Dederich, 2013). ‚Diversitätsbewusstsein‘ ist gefordert, weil es neben der (analytischen) Dekonstruktion auch um einen konstruktiven Blick auf Verschiedenheit (Diversität) gehen muss, der die pädagogische Handlungsfähigkeit gewährleistet. Beides gleichzeitig realisieren zu wollen, bedeutet zweifellos einen Spagat.
Damit die differenztheoretische Reflexion gelingen kann, muss die binäre Differenzkonstruktion Nichtbehinderung/Behinderung als gesellschaftlich adressierte, soziale Differenzierung von (Leistungs-)Fähigkeit (Ability) und (Leistungs-)Unfähigkeit (Disability) dekonstruiert werden (s. auch Buchner, 2018; Weisser, 2018). In Anlehnung an die kritischen Disability Studies (Campbell, 2009; Goodley, 2014) spreche ich deshalb von einer Pädagogik der Nicht/Behinderung. Einen theoretischen Rahmen für eine solche Dekonstruktion bietet die im Kontext postkolonialer und kulturwissenschaftlicher Theorien entstandene Forschungs- und Analyseperspektive des Othering (Alterisierung, ‚Veranderung‘). Der Begriff des Othering bezeichnet die Konstruktion der oder des Anderen als Prozess des machtvollen ‚Different-Machens‘. Das entscheidende Begriffsmoment liegt somit darin,


„dass in einer wirkmächtigen Verschränkung und im Zusammenspiel von hegemonialen alltäglichen, fachlichen, wissenschaftlichen und politischen Diskursen und Bildern, mit Mitteln der Zuschreibung, Essentialisierung und Repräsentation eine bestimmte Gruppe erst als solche, dann als Andere diskursiv hervorgebracht und identitär festgeschrieben wird“ (Riegel, 2016, 52).

Mit Spivak (2008) lässt sich ferner konstatieren, dass die Perspektiven und Stimmen von marginalisierten Anderen im hegemonialen Macht- und Wissensdiskurs kein Gehör finden oder sprachlos gemacht werden. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Kategorisierungsprozesse des Othering diejenigen, die als ‚die Anderen‘ gelten, im dominanten Machtdiskurs in ambivalenter Weise zugleich ein- und ausgeschlossen werden. Alterisierung kann daher als Wechselspiel von Objektivierung (durch Zuschreibung, Festschreibung und Ausgrenzung) und Subjektivierung (als Prozess der Hervorbringung und Anrufung) als Andere verstanden werden. Die soziale Wirkmächtigkeit hegemonialer Diskurse zeigt sich somit unter anderem darin, dass diejenigen, die als Andere markiert werden, sich auch selbst in diesen Diskurs einfügen und auf Konstruktionen und Zuschreibungen zurückgreifen, die sie zu Anderen machen.


Ehrenberg und Lindmeier (2020) weisen darauf hin, dass Butler (2001, 8) Subjektivierung in Anlehnung an Foucaults Frage, wie Menschen zu Subjekten werden, als Prozess definiert, der zugleich ‚Unterworfenwerden durch Macht‘ und ‚Subjektwerdung‘ bedeute. Damit komme diesem Prozess nicht ausschließlich eine unterwerfende, sondern zugleich auch eine ermächtigende, zum Handeln befähigende Komponente zu.[8] Relevant sei bei Otheringprozessen deshalb

„nicht ausschließlich die einseitig machtvolle Fremdpositionierung, das Different-Machen der/des Anderen, sondern ebenso deren/dessen Selbstpositionierung als Reaktion auf diesen Akt (Riegel 2016, 58), d.h. durch Akzeptanz und Reproduktion der zugewiesenen Subjektposition oder aber durch deren Umdeutung und Subversion“ (Ehrenberg & Lindmeier, 2020, 142).

Diese performativen Akte des Widerstandes und der Repositionierung machten deutlich, dass Normen und Machtverhältnisse nicht bloß reproduziert werden, sondern immer auch das Potenzial einer bildungswirksamen Resignifizierung resp. Umdeutung bieten. „In subversiven Akten können subjektivierende und differenzerzeugende Adressierungen i.S. einer „Entunterwerfung“ (Balzer/Ludewig, 2012, 111) zur eigenen Handlungsfähigkeit umgedeutet werden und Machtstrukturen umgekehrt werden (Butler 1997, 47)“ (Ehrenberg & Lindmeier, 2020, 142). Die Voraussetzung für widerständiges bzw. subversives Handeln bestehe in der Reflexivität des Subjekts, welche sozial zugestanden oder abgesprochen werden kann (Butler, 2009, 58).
Laut Riegel (2016) zeigt es sich, dass bei Otheringprozessen potenziell ein komplexeres System von bipolaren Codierungen und Zuordnungen wirksam wird. Dabei werden verschiedene Macht- und Herrschaftsverhältnisse bedeutsam, deren Zusammenwirken in der Analyse zu berücksichtigen ist. Othering als Analysekonzept impliziere deshalb „potenziell eine intersektionale Perspektive, die verschiedene Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse und damit verbundene Kategorisierungen, Grenzziehungen und Normierungen integrierend einbezieht“ (ebd., 57). Der von Riegel entwickelte intersektionale Analyserahmen zur Untersuchung von Othering-Prozessen in Bildungskontexten soll dem Anspruch gerecht werden, „die Mehrdimensionalität von verschiedenen gesellschaftlich relevanten Ungleichheits- und Dominanzverhältnissen sichtbar zu machen sowie deren Relevanz für und Wirksamkeit auf verschiedenen sozialen Referenzebenen in den Blick zu nehmen“ (ebd., 138).
Erstens seien dabei zum einen (Hetero-)Sexismen, Klassismen, Rassismen und Ableismen in internationalen, globalisierten kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen zu berücksichtigen; zum anderen die Verknüpfung von verschiedenen sozialen Ebenen, auf denen diese Interdependenzen von verschiedenen Macht- und Ungleichheitsverhältnissen relevant und wirksam werden: „die Ebenen a) der gesellschaftlichen Bedingungen, b) der sozialen Diskurse und institutionalisierten Praktiken, und c) des Subjekts bzw. des subjektiv begründeten Handelns und subjektiven Orientierungen.“ (ebd., 138). Anders als bei Winker und Degele (2009) handele es sich aber nicht um eine Mehrebenenanalyse, da sich diese sehr viel unmittelbarer auf die verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen beziehe als Riegels heuristisches Modell. Riegel spricht auch nicht von Struktur- sondern von Differenzkategorien, die es macht- und dominanzkritisch zu analysieren gelte.
Intersektionalität sei für die Forschungspraxis zweitens als Analyseperspektive im Sinne eines ‚strategischen Blicks’ bedeutsam. Mit diesem könnten ‚empirisch offen‘ und vor dem Hintergrund des dargestellten intersektionalen Analyserahmens

„die implizite und explizite, sichtbare und weniger sichtbare Relevanz von Differenzkonstruktionen, Grenzziehungen und Kategorisierungen in ihrem Zusammenwirken und deren ein- und ausgrenzende, dominierende und unterwerfende sowie Ungleichheit strukturierende Folgen rekonstruiert werden“ (Riegel, 2016, 140).

Von poststrukturalistischen Theorien und hegemoniekritischen Perspektiven in queer-feministischen Ansätzen, Critical-Whiteness-Ansätzen, Disability Studies oder postkolonialen Perspektiven angeregt, enthalte eine solche Analyseperspektive auch kritisches und dekonstruktivistisches Potenzial.[9]
Eine dritte methodologische Implikation besteht darin, dass

„Intersektionalität ein für Macht- und Herrschaftsverhältnisse sowie damit verbundene Differenzkonstruktionen sensibilisierendes und dekonstruktivistisches Konzept dar(stellt), das auch für die (selbst-) kritische Reflexion der Wissensproduktion genutzt werden kann“ (ebd., 145). 

Riegels intersektionaler Analyserahmen nimmt also auf gesellschaftstheoretische, poststrukturalistische und subjektwissenschaftliche Theorieperspektiven Bezug, wobei diese ergänzend miteinander verbunden werden.


„Mit einer solchen Ausrichtung und analytischen Rahmung sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um bei der empirischen Untersuchung von Othering im Bildungskontext die verschiedenen Ebenen des Bedingungs-Bedeutungs-Begründungs-Zusammenhangs sowie die Interdependenz und das Zusammenspiel verschiedener Macht- und Herrschaftsverhältnisse in ihrem Zusammenspiel einzubeziehen“ (ebd., 75).

In verschiedenen sozialpädagogischen Forschungsstudien zur Kooperation von schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit kann sie zeigen, dass dieser theoretische Analyserahmen auch dem doppelten Erkenntnisinteresse gerecht wird, „die Rekonstruktion von Otheringprozessen sowie von Möglichkeiten der Veränderung theoretisch zu fundieren und zugänglich zu machen und dabei gleichzeitig die Mechanismen und Folgen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen aufzudecken“ (ebd.). Untersuchungen auf einem vergleichbaren theoretischen, methodologischen und forschungsmethodischen Reflexionsniveau gibt es in der Sonder- und Inklusionspädagogik bislang nicht.
Prospektiv bleibt festzuhalten: Eine differenztheoretisch reflektierte, diversitätsbewusste Pädagogik der Nicht/Behinderung bezieht sich keineswegs nur auf eine Differenzlinie bzw. (Master-)Kategorie. Deshalb ist Penkwitt, Köhler und Schlüter (2020, 7) zustimmen:

„Nicht nur für die Diagnose des sonderpädagogischen Förderschwerpunkts ‚emotionale und soziale Entwicklung‘ oder auch ‚Lernen‘ ist eine Interdependenz der Kategorie ‚(Dis-)Ability‘ mit den (Struktur-)Kategorien ‚sozioökonomischer Hintergrund/Milieu‘, ‚Zuwanderungsgeschichte/Migration‘ und auch ‚Geschlecht/Sexualität‘ zumindest oftmals charakteristisch.“[10]

Schließlich geht es im Zusammenhang mit den Konzepten der Intersektionalität und der Inklusion

„jeweils um eine Auseinandersetzung mit Aus- und Einschlüssen, um eine Reflexion von Prozessen der Normierung und der Veranderung (im Sinne von Gayatri Spivaks Konzept des Otherings), um die Problematisierung von etikettierenden, essentialisierenden und oftmals stigmatisierenden Kategorisierungen sowie um die Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Ungleichheit und eine Kritik an Machtverhältnissen“ (ebd.)

4. Fazit

Ausgehend von den drei Anwendungszusammenhängen (Cho, Crenshaw & McCall, 2013) des Intersektionalitätskonzepts (intersektionaler Analyserahmen, theoretisches und methodologisches Paradigma, politische Interventionen) lässt sich bilanzierend in Bezug auf die sonder- und inklusionspädagogische Rezeption konstatieren:

„und sich die Gegenstandskonstitution aus dem bildungspolitischen Phänomen gemeinsamer Beschulung von Schüler*innen mit und ohne Förderbedarf ableitet oder nicht primär an Inklusion, sondern vielmehr an Fragen von Macht und Ungleichheit interessiert ist und erziehungswissenschaftliche Grundbegriffe eher randständig thematisiert werden“ (Budde, Blasse & Rißler, 2020, 37),

seien in der Intersektionalitätsforschung „für die Herausforderung, unterschiedliche Differenzkategorien zusammenzudenken und diese dann auf erziehungswissenschaftliche Gegenstände zu reflektieren, bislang kaum zufriedenstellende Antworten gefunden worden“ (ebd.). Selten finde man in der Erziehungswissenschaft empirische Studien, die über eine Beschreibung von Intersektionen hinausgehen und Fragestellungen nach Bildung, Erziehung, Sorge, Sozialisation, Professionalität u. ä. einbeziehen. Vor diesem Hintergrund zeichne sich ab, dass sich Intersektionalität weniger als eine eigenständige Theorie oder ein ‚Paradigma‘ (Walgenbach, 2016), sondern eher als eine Forschungs- bzw. Analyseheuristik zu Differenz (s. auch Riegel, 2016) darstellt, die die Inklusionsforschung als Möglichkeit zur Sensibilisierung gegenüber Reifizierungseffekten integrieren könne (Budde, Blasse & Rißler, 2020, 38).

 

5. Literatur

Amirpur, D. (2016). Migrationsbedingt behindert? Familien im Hilfesystem. Eine intersektionale Perspektive. Bielefeld: transcript.
Annamma, S. A.; Connor, D. J. & B. Ferri (2013). Dis/ability critical race studies (DisCrit): theorizing at the intersections of race and dis/ability. Race Ethnicity and Education, Vol. 16., No. 1, pp. 1-31.
Artiles, A.; Waitoller, J.F. & R. Neal (2011). Grappling with the Intersection of Language and Ability Differences: Equity Issues for Chicano0Latino Students in Special Education. In Richard Valencia (Ed.), Chicano School Failure and Success: Past, Present, and Future (3rd ed.), pp. 213–234. London: Routledge & Falmer.
Artiles, A. J. (2013). Untangling the Racialization of Disabilities. An Intersectionality Critique Across Disability Models. Du Bois Review Vol. 10, No. 2, pp. 329–347.
Baldin, D. (2014). Behinderung – eine neue Kategorie für die Intersektionalitätsforschung? In G. Wansing & M. Westphal (Hrsg.), Behinderung und Migration. Inklusion, Diversität, Intersektionalität (S. 49-72). Wiesbaden: Springer VS.
Baumann, D., Dworschak, W., Kroschewski, M., Ratz, C., Selmayr, A. & Wagner, M. (2021). Schülerschaft mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung II (SFGE II). Bielefeld: Athena / wbv.
Bereswil, M.; Degenring, F. & Stange, S. (2015). Intersektionalität als Forschungspraxis. In M., Bereswil, F. Degenring & S. Stange (Hrsg.), Intersektionalität und Forschungspraxis. Wechselseitige Herausforderungen (S. 8-19). Münster: Westfälisches Dampfboot.
Biewer, G.; Proyer, M. & Kremsner, G. (2019). Inklusive Schule der Vielfalt. Stuttgart: Kohlhammer.
Boger, M.A. (2018). Das Politische und die Politik der Inklusionsforschung. In M. Walm, T. Häcker, F. Radisch & A. Krüger (Hrsg.), Empirisch-pädagogische Forschung in inklusiven Zeiten. Konzeptualisierung, Professionalisierung, Systementwicklung (S. 64-75), Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Bronner, K. & Paulus, S. (2017). Intersektionalität: Geschichte, Theorie und Praxis. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich,
Bruner, C. F. (2005). Körperspuren. Zur Dekonstruktion von Körper und Behinderung in biographischen Erzählungen von Frauen. Bielefeld: transcript.
Buchner, T. (2018). Schule, Subjektivierung und Behinderung. Eine biographieanalytische Studie zu den Regelschulerfahrungen behinderter Schüler*innen in Österreich. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Budde, J. & Hummrich, M. (2015). Intersektionalität und reflexive Inklusion. Sonderpädagogische Förderung heute, 60. Jg., H. 2, S. 165-175.
Budde, J. (2018). Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Inklusion und Intersektionalität. In T. Sturm & M. Wagner-Willi (Hrsg.), Handbuch schulische Inklusion (S. 45-59). Opladen & Toronto: Barbara Budrich.
Budde, J., Blasse, N. & Rißler, G. (2020). Zur Relation von Intersektionalitäts- und Inklusionsforschung in der Erziehungswissenschaft. GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 12. Jg., H. 3, S. 27-41. 
Butler, J. (2001). Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Butler, J. (2009). Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Bührmann, A. (2009): Intersectionality – ein Forschungsfeld auf dem Weg zum Paradigma? Tendenzen, Herausforderungen und Perspektiven der Forschung über Intersektionalität. GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Jg. 1, H. 2, 28-44.
Campbell, F. K. (2009). Contours of Ableism: The Production of Disability and Abledness. London: Palgrave Macmillan.
Carbado, D., Crensha, K., Mays, V. & Tomlinson, B. (2013). INTERSECTIONALITY. Mapping the Movements of a Theory. Du Bois Review: Social Sience Research on Race, 10 (2), 303-312.
Chebout, L. (2011). Wo ist Intersectionality in bundesdeutschen Intersektionalitätsdiskursen? In J. Reuter & P.-I. Reuter (Hrsg.), Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Interventionen (S. 303-329). Bielefeld: transcript.
Cho, S., Crenshaw, K. & L. McCall. L. (2013). Toward a Field of Intersectionality Studies: Theory, Applications, and Praxis. Signs Vol. 38, No. 4, pp. 785-810.
(CJI, 2019) Center for Intersectional Justice (2019). Intersektionalität in Deutschland. Chancen, Lücken und Herausforderungen. September 2019: CJI.
Collins, P. H. (1990). Black feminist thought: Knowledge, consciousness, and the politics of empowerment. New York: Routledge.
Collins, P. H. & S. Bilge (2016). Intersectionality. Cambridge: Polity Press.
Connor, D.J. (2008). Urban narratives: Portraits-in-progress: Life at the intersections of learning disability, race, and social class. New York: Peter Lang.
Carastathis, A. (2016). Intersectionality. Origins, Contestations, Horizons. Lincoln, London: University of Nebraska Press 2016
Crenshaw, K. (1989). Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine. University of Chicago Legal Forum, Vol. 1, pp. 139-167.
Crenshaw, K. (1991). Mapping the Margins: Intersectionality, Identity, and Violence Against Women of Color. Stanford Law Review, Vol. 43, No. 6, pp. 1241–1300.
Davis, K. (2008). Intersectionality as a Buzzword. A Sociology of Science Perspective on What Makes a Feminist Theory Successful. Feminist Theory, Vol. 9, No. 1, pp. 67-85.
Dederich, M. (2013). Heilpädagogik als Kulturwissenschaft. In O. Musenberg (Hrsg.), Kultur, Geschichte, Behinderung. Die kulturwissenschaftliche Historisierung von Behinderung (S. 43—66). Oberhausen: Athena.
Dederich, M. (2015). Intersektionalität und Behinderung. Sonderpädagogische Förderung heute, 60. Jg., H. 2, S. 137-151.
Degele, N. & Winker, G. (2008). Praxeologisch differenzieren. Ein Beitrag zur intersektionalen Gesellschaftsanalyse. In C. Klinger & G.-A. Knapp (Hrsg.), ÜberKreuzungen. Fremdheit, Ungleichheit, Differenz (S. 199-214). Münster: Westfälisches Dampfboot.
Ehrenberg, K. & Lindmeier, B. (2020). Differenzpraktiken und Otheringprozesse in inklusiven Unterrichtssettings mit Schulassistenz. In H. Leontiy, H. & M. Schulz (Hrsg.), Ethnographie und Diversität. Wissensproduktion an den Grenzen und die Grenzen der Wissensproduktion (S. 139-158). Wiesbaden: Springer VS.
Emmerich, M. & Hormel, U. (2013). Heterogenität – Diversity – Intersektionalität: Zur Logik sozialer Unterscheidungen in pädagogischen Semantiken der Differenz. Wiesbaden: Springer.
Emmerich, M. & Hormel, U. (2016). Pädagogik: Differenz und Intersektionalität. In Hedderich et al. (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik (S. 570–573). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Essen, F. van (2013). ‚Lernbehinderung‘ im Kontext von Intersektionalität. Erwägen – Wissen – Ethik, 24. Jg., H. 3. S. 376-378.
Ganz, K.; Hausotter, J. (2019). Sammelbesprechung Intersektionalität – Profilierung einer Forschungsperspektive zur Analyse von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit. Soziologische Revue, 42. Jg. H. 3, S. 389-404.
Gillespie-Lynch, K. & Botha, M. (2021). Come As You Are: Examining Autistic Identity Development and the Neurodiversity Movement through an Intersectional Lens. https://www.researchgate.net/publication/354623629 (10.01.2022) (preprint)
Goodley, D. (2014). Dis/Ability Studies. Theorising disableism and ableism. London/New York: Routledge.
Gummrich, J. (2010). Migrationshintergrund und Beeinträchtigung. Vielschichtige Herausforderungen an einer diskriminierungsrelevanten Schnittstelle. In J. Jacob, S. Köbsell & E. Wollrad (Hrsg.) (2010): Gendering Disability. Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht (S. 131-152). Bielefeld: transcript.
Gummrich, J. (2017). Verflechtungen von Rassismus und Ableism. Anmerkungen zu einem vernachlässigten Diskurs. In I. Attia, S. Köbsell & N. Prasad (Hrsg.), Dominanz-Kultur reloaded. Neue Texte zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und ihren Wechselwirkungen (S. 143-154). Bielefeld: transcript.
Halfmann, J. (2014). Migration und Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer.
Hinni, C. & Zurbriggen, C. (2018). Intersektionalität in der Sonderpädagogik. Perspektiven für die Analyse der Wechselbeziehungen von Behinderung und anderen Ungleichheitsdimensionen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 87 Jg., H. 2, S. 167-172.
Hirschauer, S. (2014). Un/Doing Differences. Die Kontingenz sozialere Zugehörigkeiten. Zeitschrift für Soziologie, 43. Jg. H. 3, S. 170–191.
Hormel, U. (2017): Pädagogische Beobachtungsweisen. Heterogenität, Diversity, Intersektionalität. In U. Stenger, D. Edelmann, D. Nolte & M. Schulz (Hrsg.), Diversität in der Pädagogik der frühen Kindheit. Im Spannungsfeld zwischen Konstruktion und Normativität (S. 19-35). Weinheim: Beltz.
Jacob, J., Köbsell, S. & Wollrad, E. (Hrsg.) (2010). Gendering Disability. Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht. Bielefeld: transcript.
Köbsell S. (2016). Doing Dis_ability: Wie Menschen mit Beeinträchtigungen zu „Behinderten“ werden. In: Fereidooni K., Zeoli A. (eds) Managing Diversity. Springer VS, Wiesbaden.
Knapp, G.-A. (2005). „Intersectionality“ – ein neues Paradigma feministischer Theorie? Zur transatlantischen Reise von „Race, Class, Gender“. Feministische Studien, 23, 1, 68-81.
Knapp, G.-A. (2013). Über Kreuzungen: Zu Produktivität und Grenzen von ‚Intersektionalität‘ als Sensitizing Concept. In M.  Bereswill & K. Liebsch (Hrsg.): Geschlecht (re-)konstruieren. Zur Methodologischen und methodischen Produktivität der Frauen- und Geschlechterforschung (S. 242-262). Münster: Westfälisches Dampfboot.
Krüger, Potratz, M. (2011). Intersektionalität. In H. Faulstich-Wieland (Hrsg.), Umgang mit Heterogenität und Differenz (S. 183-200). Hohengehren: Schneider.
Lindmeier, C. (2013). Das aktuelle Thema: Intersektionalität. Sonderpädagogische Förderung heute, 58. Jg., H. 2, S. 119-120.
Lindmeier, C. (2019). Differenz, Inklusion, Nicht/Behinderung. Grundlinien einer diversitätsbewussten Pädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.
Lutz, H. (2001). Differenz als Rechenaufgabe: über die Relevanz der Kategorien Race, Class and Gender. In: Lutz, H. & Wenning, N. (Hrsg.): Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft (S. 215-230). Opladen: Springer.
Lutz, H. & N. Wenning (2001). Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft. Wiesbaden. VS Springer.
McCall, L. (2005). The Complexity of Intersectionality. Signs, Vol. 30, No. 3, pp. 1771-1800.
McCall, Z. & T. M. Skrtic (2009). Intersectional Needs Politics: A Policy Frame for the Wicked Problem of Disproportionality. Multiple Voices, Vol. 11. No. 2, pp. 3–23.
Meyer, K. (2017). Theorien der Intersektionalität zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag.
Moser, V. (2013). Behinderung – Eine „andere“ Kategorie sozialer Teilung? Erwägen – Wissen ­Ethik, 24. Jg, H. 3. S. 376-378.
Penkwitt, M. (2021). Intersektionalität. In K. Ziemen (Hrsg.), Inklusion @ Lexikon. http://www.inklusion.lexikon.de (05.01.2022)
Penkwitt, M., Köhler, S.-M., & Schlüter, A. (2020). Vorwort: Inklusion und Intersektionalität in institutionellen Bildungskontexten. GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 12. Jg. H. 3, S. 7-10.
Powell, J. J. W. & Wagner, S. J. (2014). An der Schnittstelle Ethnie und Behinderung benachteiligt. Jugendliche mit Migrationshintegrund an deutschen Sonderschulen weiterhin überrepräsentiert. In G. Wansing & M. Westphal (Hrsg.). Behinderung und Migration. Inklusion, Diversität, Intersektionalität (S. 177-199). Wiesbaden: Springer VS.
Prengel, A. (2017). Zur Relationalität und Veränderlichkeit von Differenzen – Intersektionale Forschungsperspektiven auf inklusive Pädagogik. In J. Budde, A. Dlugosch & T. Sturm (Hrsg.), (Re-)Konstruktive Inklusionsforschung. Differenzlinien – Handlungsfelder – Empirische Zugänge (S. 145–161). Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich.
Raab, H. (2007). Intersektionalität in den Disability Studies. Zur Interdependenz von Behinderung, Heteronormativität und Geschlecht. In A. Waldschmidt & W. Schneider (Hrsg.), Disability Studies, Kultursoziologie und Soziologie der Behinderung. Erkundungen in einem neuen Forschungsfeld (S. 127-148). Bielefeld: Transcript.
Riegel, C. (2016). Bildung - Intersektionalität - Othering. Pädagogisches Handeln in widersprüchlichen Verhältnissen. Bielefeld: transcript.
Schildmann, U. (1983). Lebensbedingungen behinderter Frauen. Aspekte ihrer gesellschaftlichen Unterdrückung. Gießen: Fokus.
Schildmann, U. (2011). Strukturkategorien Geschlecht, Alter, Behinderung. In R. Hinz & R. Walthes (Hrsg.), Verschiedenheit als Diskurs (s. 1009-118). Tübingen: Narr Francke Attempto.
Schildmann, U. (2012). Verhältnisse zwischen Inklusiver Pädagogik und Intersektionalitätsforschung: sieben Thesen. In S. Seitz, S.; N.-K. Finnern, N. Korff, N. & K. Scheidt (Hrsg.), Inklusiv gleich gerecht? Inklusion und Bildungsgerechtigkeit (S. 93-99). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Schildmann, U. (2016). Intersektionalität. In Dederich, Beck, Antor & Bleidick (Hrsg.), Handlexikon der Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis (S. 407-409). 3. erw. und überarb. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
Schildmann, U. & Bretländer, B. (Hrsg.) (2000). Frauenforschung in der Behindertenpädagogik. Systematik – Vergleich – Geschichte – Bibliographie. Münster: LIT.
Schildmann, U. & Schramme, S. (2018). Zur theoretischen Verortung der Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung In U. Schildmann, S. Schramme & A. Libuda-Köster (Hrsg.): Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde (S. 43-100). Bochum/Freiburg: projektverlag.
Schildmann, U.; Schramme, S. & Libuda-Köster, A. (Hrsg.) (2018). Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Bochum, Freiburg: projektverlag.
Schildmann, U. & Schramme, S. (2020). Inklusive Pädagogik und Intersektionalitätsforschung. Vergleich zweier Konzeptionen aus Sicht der feministischen Frauenforschung über Geschlecht und Behinderung. GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 12. Jg. H. 3, S. 11-26.
Schramme, S. (2019). Biographische Erfahrungen mit Integration (Inklusion) in Kindergarten und Schule aus der Rückschau behinderter Frauen und Männer. Eine empirische Untersuchung. Bochum, Freiburg: Projektverlag.
Spivak, G. C. (2008). Can subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien: Turia & Kant.
Strand, L. R. (2017). Charting relations between intersectionality theory and the neurodiversity paradigm. Disability Studies Quarterly, Vol. 37, No. 2, without pp.
Terra, W. de (2018). Das Dilemma des Janusgesichts. Empirische Erkundung der Verhältnisse zwischen Behinderung und Geschlecht in Kindheit und Jugend. Bad Heilbrunn 2018.
Tervooren, A. & Pfaff, N. (2018). Inklusion und Differenz. In T. Sturm & M. Wagner-Willi (Hrsg.), Handbuch schulische Inklusion (S. 31-44). Opladen & Toronto: Barbara Budrich.
Thielen, M. (2011). „Bist du behindert Mann?“ – Überlegungen zu Geschlecht und Geschlechterinszenierungen in sonder- und integrationspädagogischen Kontexten aus einer intersektionalen Perspektive. Zeitschrift für Inklusion, 5. Jg., H. 1 https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/106 (23.12.2021)
Villa, P. (2010). Verkörpern ist immer mehr: Intersektionalität, Subjektivierung und der Körper. In H. Lutz, M. T. Herrera Vivar & L. Sapok (Hrsg.), Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes (S. 203-222). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Wagner, S. J. (2017). Intersektionalität: Schulische Behinderung und Migrationshintergrund. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 86 Jg., H.  4, S. 298-308.
Walgenbach, K. (2007). Gender als interdependente Kategorie. In K. Walgenbach, K., G. Dietze, L Hornscheidt & K. Palm, K. (Hrsg), Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität (S. 23-64). Opladen: Barbara Budrich.
Walgenbach, K. (2010). Postscriptum: Intersektionalität – Offenheit, interne Kontroversen und Komplexität als Ressourcen eines gemeinsamen Orientierungsrahmens. In H. Lutz, M. T. Herrera Vivar & L. Supik (Hrsg.), Fokus Intersektionalität – Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes (S. 245-259). Wiesbaden: VS Verlag.
Walgenbach, K. (2014). Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich
Walgenbach, K. (2015). Intersektionalität – Impulse für die Sonderpädagogik und inklusive Pädagogik. Sonderpädagogische Förderung heute, 60. Jg., H. 2, S. 121-136.
Walgenbach, K. (2016a). Intersektionalität als Paradigma zur Analyse von Ungleichheits-, Macht- und Normierungsverhältnissen. Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 85. Jg., H. 3, S. 211-224.
Walgenbach, K. (2016b). Intersektionalitätsforschung. In Hedderich et al. (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik (S. 650–655). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Walgenbach, K. & Pfahl, L. (2017). Intersektionalität. In Bohl, T.; Budde, J. & Rieger-Ladich (Hrsg.), Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht (S. 141-158). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Wansing, G. & Westphal, M. (Hrsg.) (2014a). Migration, Flucht und Behinderung: Herausforderungen für Politik, Bidlung und psychosoziale Dienste. Wiesbaden: Springer VS.
Wansing, G. & Westphal, M. (Hrsg.) (2014b). Einleitung. In G. Wansing & M. Westphal (Hrsg.). Behinderung und Migration. Inklusion, Diversität, Intersektionalität (S. 9-14). Wiesbaden: Springer VS.
Wansing, G. & Westphal, M. (Hrsg.) (2018). Behinderung und Migration. Inklusion, Diversität, Intersektionalität. Wiesbaden: Springer VS.
Weisser, J. (2018). Inklusion, Fähigkeiten und Disability Studies. In T. Sturm & M. Wagner-Willi (Hrsg.), Handbuch schulische Inklusion (S. 31–44). Opladen: Budrich.
Winker, G. & Degele, N. (2009). Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: transcript.
Wrana, D. (2014). Praktiken des Differenzierens. Zu einem Instrumentarium der poststrukturalistischen Analyse von Praktiken der Differenzsetzung. In A. Tervooren, N. Engel, M. Göhlich, I. Miethe & S. Reh (Hrsg.), Ethnographie und Differenz in pädagogischen Feldern. Internationale Entwicklungen erziehungswissenschaftlicher Forschung (S. 79-96). Bielefeld: transcript.
Zinsmeister, J. (2015). Intersektionalität und Diskriminierung. Sonderpädagogische Förderung heute, 60. Jg., H. 2, S. 152-163.

 

[1] Weniger bekannt ist Crenshaws Metapher des Kellers (basement), die verdeutlicht, dass Herrschaft vertikal organsiert ist. „Solange die grundlegende Architektur von Herrschaft nicht in Frage gestellt wird, gelingt sozialer Aufstieg und das Erlangen von Rechten nur auf Kosten derjenigen, die ganz unten sind“ (Ganz & Hausotter, 2019, 401). Ein an Crenshaw orientiertes Verständnis von Identitätspolitik als Koalition, wie es Carastathis (2016) vorlegte,verdeutlicht, „dass intersektionale soziale Bewegungen gerade nicht als eine Fortführung separatistischer Ansätze gedacht werden müssen, sondern als eine machtkritische Form der Zusammenarbeit, die immer auch nach den Differenzen innerhalb von Gruppen fragt“ (Ganz & Hausotter, 2019, 401).

[2] Als eigenständige, aber nicht einheitliche Theorie versteht die Soziologin McCall (2005) Intersektionalität. Ausgehend von der These der komplexen Ungleichheit (complex inequality) benannte sie in ihrem viel beachteten Aufsatz drei systematische Zugangsweisen zum Konzept der Intersektionalität (antikategorialer, interkategorialer und intrakategorialer Ansatz), die sich ihrer Wahrnehmung nach seit Ende der 1980er Jahre herausgebildet hatten. McCall verortet sich selbst innerhalb interkategorialer, makrosoziologischer und institutionstheoretischer Zugangsweisen, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie ihren Forschungsschwerpunkt auf quantitative Studien zu sozialer Ungleichheit legt (Bührmann, 2009; Walgenbach, 2014). Mikrosoziologische, intrakategoriale und antikategoriale Zugangsweisen, setzen demgegenüber häufig auf qualitative Forschung, wobei intrakategoriale Ansätze Fragen der Identität und Subjektivität analysieren, während die (antikategorialen) dekonstruktivistischen und poststrukturalistischen Ansätze kategoriale Zugänge grundsätzlich problematisieren und als Effekte von Macht-Wissens-Komplexen ausweisen. Gegen die dekonstruktivistische Kritik antikategorialer Zugangsweisen wendet McCall ein, dass quantitative Studien Kategorien in provisorischer bzw. strategischer Weise nutzen (Kategorien als Analyseinstrumente).  

[3] Auf das vierte und fünfte Thema des ‚Reisens‘ wurde im deutschsprachigen Raum in der Frauen- und Geschlechterforschung (Chebout, 2011) und in der Sonder- und Inklusionspädagogik bislang kaum Bezug genommen. Eine Ausnahme stellen die in den Disability Studies zu verortenden Publikationen von Gummrich (2010, 2017) dar.

[4] Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts fand Intersektionalität Eingang in zwei (allgemein-)erziehungswissenschaftliche Lehrbücher (Emmerich & Hormel 2013; Walgenbach 2014). Ein 2011 erschienener Sammelband zu ‚Umgang mit Heterogenität und Differenz‘ widmete Intersektionalität zwar ebenfalls ein eigenes Kapitel (Krüger-Potratz, 2011), in dem sogar sonder- und inklusionspädagogische Fragen gestreift wurden; die beiden an dem Band beteiligten Sonder- und Inklusionspädagogen (Preuss-Lausitz, Kronig) gingen jedoch nicht auf das Konzept ein. 

[5] Mit Moser (2013) ließe sich hinzufügen, dass Behinderung im Sinne praxeologischer Fundierungen der Intersektionalitätstheorie (Degele & Winker, 2008) nicht (mehr) als ‚Artikulation bestimmter Inhalte‘, sondern als ‚Form‘ bzw. als „Repräsentationsfigur für Differenzen“ (2013, 437) zu betrachten ist, wodurch sie „in den zu untersuchenden Machtfeldern … als Trennlinie zwischen Ereignissen, Handlungen, Deutungen Akteuren und Systemen“ (ebd.) sichtbar wird. Diese macht- und dominanzkritische Position des „Doing Dis_Ability“ bzw. der performativen Hervorbringung von Behinderung vertreten auch die kulturwissenschaftlichen informierten Disability Studies (z. B. Köbsell, 2016).

[6] Inzwischen ist das Thema als Querschnittsaufgabe auch bei den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung fest etabliert (https://bvkm.de/unsere-themen/migration-und-behinderung/).

[7] Es hat mit dem Verständnis von Behinderung als Strukturkategorie zu tun, dass Schildmann und Mitarbeiter*innen bislang vor allem makrosoziologische, quantitativ-empirische Intersektionalitätsanalysen durchführten (zusammenfassend s. Schildmann & Libuda-Köster, 2018). Ich halte den Begriff ‚Strukturkategorien‘ für nicht unproblematisch, da er Reste einer Naturalisierung oder Reifizierung enthält. Anders als Degele & Winker (2008) berufen sich Schildmann & Schramme auch nicht zusätzlich auf ‚praxeologische Fundierungen‘ (Moser, 2013). Aus praxistheoretischer Sicht sind soziale Differenzen das, was in sozialen Praxen dazu gemacht wird (z.B. Hirschauer, 2014). „Die Produktion von Differenz wird damit reflexiv und Machtverhältnisse erscheinen nicht nur restriktiv als Differenzen qua Normen unterwerfend, sondern produktiv als Differenz allererst hervorbringend“ (Wrana, 2014, 79). Der Intersektionalitätsansatz intendiert aus dieser Perspektive nicht, die Unterschiedlichkeit der Adressat*innen institutionalisierter Bildung in den Blick zu rücken. Es geht vielmehr darum, die Modi der differentiellen Adressierung von Individuen etwa als Schüler*in mit Migrationshintergrund oder sonderpädagogischem Förderbedarf empirisch aufzuzeigen. Mit anderen Worten: Durch den Intersektionalitätsansatz gelangt man von der Adressat*innenforschung zur Adressierungsforschung (Hormel, 2017).

[8] Fritzsche (2014) kann diese ambivalente Adressierung auch für Differenzproduktionen im schulischen Anerkennungsgeschehen empirisch nachweisen. Inklusion könne dadurch auch in sog. ‚inklusiven Settings‘ in Exklusion umschlagen.

[9] Riegel entwickelt vor diesem Hintergrund (allgemeine) heuristische Fragen an den Forschungsgegenstand und an das empirische Material:

  • „Wie werden soziale Differenzkonstruktionen und Dominanzordnungen (situativ, habituell, diskursiv) hergestellt und reproduziert?
  • Welche sozialen Differenzkonstruktionen sowie Macht- und Herrschaftsverhältnisse werden (wie) relevant? Wie wirken diese zusammen?
  • Was wird dabei sichtbar (gemacht), was in den Hintergrund gerückt?
  • Aus welcher sozialen Positionierung heraus werden Differenzkonstruktionen vorgenommen und in welchem Kontext erfolgt dies?
  • Welche Funktionen und welche Folgen hat dies für die beteiligten Subjekte und für die hegemoniale soziale Ordnung?
  • In welcher Weise (und in welchen Kontexten) zeigen sich dabei gegenüber hegemonialen Strukturen, Diskursen und Repräsentationen affirmative, hinterfragende, widerständige oder verschiebende Praktiken?“ (2016, 41).

[10] Wie Baumann et al. (2021) in einer aktuellen empirischen Studie aus Bayern belegen können, gilt dies allerdings auch für den sonderpädagogischen Förderschwerpunkt ‚geistige Entwicklung‘.

[11] In ihrer Sammelrezension zu aktuellen englisch- und deutschsprachigen Monographien und Kompilationen zu Intersektionalität konstatieren Ganz & Hausotter, dass sich in der lange Zeit vehement diskutierten Frage, welche und wie viele Analysekategorien für eine intersektionale Untersuchung nötig sind, die Ansicht durchgesetzt habe, „dass die Antwort abhängig vom Forschungsgegenstand unterschiedlich aussehen muss“ (2019, 402). Außerdem werde eine vormals eher polarisierte Diskussion zwischen Identitäts- und
Gesellschaftsanalyse abgelöst durch eine Sichtweise auf Identität als Vermittlung von Individuum, Gesellschaft und kollektiven Praxen.