Sebastian Gehrmann, Susanne Miller & René Schroeder:Schulische Teilhabe von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus Elternsicht

Abstract: Unter der Zielsetzung schulischer Inklusion stellt die Etablierung tragfähiger Bildungs- und Erziehungspartnerschaften einen wichtigen Faktor für gelingende schulische Teilhabe dar. Dabei werfen tertiäre Herkunftseffekte jedoch spezifische Problemstellen auf. Dies wird entlang vorliegender Befunde zu elterlichen Erwartungen und Erfahrungen hinsichtlich der Leistungsentwicklung und der sozialen Integration ihrer Kinder sowie der damit verbundenen Kooperation zwischen Elternhaus und Schule expliziert. Im zweiten Teil werden Ergebnisse einer quantitativ-empirischen Analyse auf Basis von Survey-Daten der Sondererhebung des Soziökonomischen Panels „Familien in Deutschland“ (SOEP-FiD) zur schulischen Performanz, der Beteiligung an schulischen Aktivitäten sowie wahrgenommenen Anpassungsproblemen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) an den institutionellen Rahmen der Grundschule aus Sicht ihrer Eltern referiert und diskutiert. Im Vergleich zu Kindern ohne festgestellten Unterstützungsbedarf zeigt sich erwartungsgemäß eine deutlich negativer beurteilte schulische Performanz. Überraschend ist jedoch, dass sich das Engagement der Eltern von Kindern mit und ohne SPF aber auch die Teilhabe der Kinder an schulischen Aktivitäten nicht signifikant unterscheiden. Dies wird hinsichtlich möglicher Chancen wie Problemstellen für die schulische Teilhabe aus Elternsicht abschließend diskutiert.

Stichworte: Elternperspektive, schulische Teilhabe, sonderpädagogischer Förderbedarf, Grundschule, Survey-Studie

Inhaltsverzeichnis

  1. Problemaufriss
  2. Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als Chance oder Problemstelle schulischer Teilhabe?
  3. Erwartungen an schulische Teilhabe im Kontext der Elternperspektive
  4. Forschungsdesign und methodisches Vorgehen
  5. Ergebnisse
  6. Diskussion und Perspektiven
  7. Literatur

1. Problemaufriss

Versteht man Inklusion und damit auch Bestrebungen inklusiver Schulentwicklung (vgl. Booth & Ainscow, 2017) als Prozess zunehmender schulischer Teilhabe aller Lernenden und einer gleichzeitigen Reduktion von Exklusion in Bildungsinstitutionen (vgl. auch Grosche, 2015), wird die Frage bedeutsam, wie dieser Prozess aus Sicht verschiedener Akteur*innen bewertet und einzulösen versucht wird. In der Forschung zur schulischen Inklusion werden Lehrkräfte und Kinder als zentrale Akteur*innengruppen recht häufig befragt, Eltern sind hingegen eine oft vernachlässigte Gruppe (vgl. Greve & Hauenschild, 2017). Im Sinne eines dialektischen Inklusionsverständnisses (vgl. Biewer, 2017) gilt es dabei besonders vulnerable bzw. marginalisierte Gruppen in den Blick zu nehmen. Im Kontext des deutschen Schulsystems sind dies zum einen Schüler*innen mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) (vgl. etwa Lindmeier & Lindmeier, 2012) aber ebenso armutsgefährdete Schüler*innen bzw. solche aus Familien, die eine soziale Benachteiligung (SB) aufweisen (vgl. z.B. Miller, 2017, 2020; Weiß, 2016). Es scheint geboten, nach Möglichkeiten zur schulischen Teilhabe dieser verstärkt von reduzierten Bildungschancen betroffenen Gruppen zu fragen und dabei besonders die Elterneinschätzung zu berücksichtigen. Es ist zu untersuchen, ob Unterschiede in Aspekten, die die schulische Teilhabe betreffen, bei Kindern mit und ohne SPF sowie mit und ohne SB bestehen und wie ausgeprägt diese ggf. sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Differenzierungskategorien SPF und SB sich nicht gänzlich ausschließen, vielmehr korrespondieren die Merkmale miteinander; so weisen Kinder aus einer Familie mit SB häufiger einen SPF im Lernen auf (vgl. Euen et al., 2015). Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob und ggf. wie sich Kinder mit und ohne SPF in verschiedenen Teilaspekten schulischer Teilhabe, wie schulischer Performance, Beteiligung an schulischen Aktivitäten bzw. sozialer Integration oder auch des elterlichen Engagements, voneinander unterscheiden. Vergleichend wird in den Blick genommen, ob sich Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne SB in der Elternsicht identifizieren lassen. Obwohl Zusammenhänge über Elternbeteiligung und schulische Teilhabe in Abhängigkeit von SPF und SB vielfach postuliert werden, liegen kaum gesicherte Erkenntnisse darüber vor. So gilt es insbesondere zu fragen, inwiefern das Vorhandensein eines SPF - quasi unabhängig von Faktoren der sozialen Benachteiligung – eine eigene Rolle bezogen auf schulische Teilhabemöglichkeiten aus Elternsicht spielt. Die Untersuchung dieser Fragen wird auf Basis quantitativ-empirischer Daten aus dem soziökonomischen Panel (SOEP) aus einer gesonderten Stichprobe (SOEP- FiD) vorgenommen.

2. Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als Chance oder Problemstelle schulischer Teilhabe?

In den vergangenen Jahrzehnten findet die geteilte Verantwortung der Erziehungs- und Bildungsaufgabe zwischen Elternhaus und Schule zunehmend Anerkennung. Der Begriff der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft setzt sich durch (vgl. Wild & Lütje-Klose, 2017) und löst den Begriff der Elternarbeit ab. Hierdurch soll ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Eltern und Lehrkräften markiert werden (vgl. auch Sacher, 2014). Empirisch drückt sich dies in hohen Zustimmungswerten seitens der Eltern für gleichzeitige Zuständigkeiten von Schule und Elternhaus aus (vgl. Otterpohl & Wild, 2019), was im Sinne eines ökosystemischen Entwicklungsverständnisses (vgl. Bronfenbrenner, 1981) einem ausdifferenzierten Mesosystem als Vernetzungsstruktur entspricht und so das Passungsverhältnis verbessern soll.
Für inklusive Settings wird der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft eine besonders hohe Bedeutung zugeschrieben, weil eine gute Kooperation als zentrale Voraussetzung für einen erfolgreichen Umgang in problembehafteten Lern- und Erziehungssituationen angesehen wird (vgl. Gildhoff-Fröhlich et al., 2017). „Insofern eröffnet gerade eine intensivierte und tragfähige Elternarbeit an Schulen die Chance, im Sinne der primären und sekundären Prävention eine möglichst breite und nicht selegierte Elternschaft zu erreichen, um ein Mehr an Chancengerechtigkeit auch und gerade in einem zunehmend inklusiven Schul- und Bildungssystem zu erzielen“ (Wild & Lütje-Klose, 2017, S. 135). Insgesamt wird die Forderung nach einer gleichberechtigten Kooperation mit weitreichenden Hoffnungen für eine bessere Bildungsteilhabe aller Kinder und mehr Chancengerechtigkeit verbunden, sodass hohes elterliches Engagement wie auch die Reduktion von Passungsproblemen im institutionellen Rahmen beim Schuleintritt als Zielperspektiven gelten können.
Mit Blick auf mögliche Teilhaberisiken bestätigen sich immer wieder sogenannte tertiäre Herkunftseffekte und damit ein eigener Anteil der Schule an der Herstellung von Bildungsbenachteiligung (vgl. Ditton, 2016). Im Handeln der Lehrkräfte werden teils unbewusste Überzeugungen wirksam, die Schüler*innen aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status bspw. eine höhere Begabung, ein besseres Arbeitsverhalten haben und ein förderlicheres Elternhaus zuschreiben, was sich empirisch in besseren Beurteilungen niederschlägt (vgl. Helbig & Morar, 2017). Lehrer*innen rekrutieren sich zumeist selbst aus der sogenannten Mittelschicht; hierdurch werden ihre Normalitätskonstrukte geprägt, d.h. die Alltagserfahrungen und Lebenswelten von Personen mit eher niedrigem sozioökonomischen Status sind ihnen tendenziell fremd. Bereits in den 1960er Jahren wurde die eigene Sozialschicht von Lehrer*innen zur Erklärung für die höhere kulturelle Passung zwischen ihnen und den Familien ähnlicher Sozialschichten im Begriff der sog. Mittelschichtorientierung gefasst (vgl. Rolff, 1997).

3. Erwartungen an schulische Teilhabe im Kontext der Elternperspektive

Vor dem beschriebenen Hintergrund erscheint die Proklamation einer gleichberechtigten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ‚auf Augenhöhe‘ illusorisch, kann sie doch die Ungleichheitsstrukturen in unserem Bildungssystem nicht außer Kraft setzen. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie sich sowohl in unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Eltern an die Schule als auch in Stereotypen und Vorurteilen von Lehrkräften gegenüber Eltern aus benachteiligten Herkunftsmilieus widerspiegeln. In Anlehnung an das oben genannte dialektische Inklusionsverständnis (vgl. Biewer, 2017), das spezifisch marginalisierte bzw. vulnerable Gruppen adressiert, soll deshalb zunächst der Forschungsstand danach befragt werden, wie aus Elternsicht Möglichkeiten zur schulischen Teilhabe und Kooperation in einer Vergleichsperspektive von Kindern mit und ohne SPF, ggf. unter Kontrolle der sozialen Herkunft, unter Prämissen inklusiver Schulentwicklung bewertet werden. Dies wird hinsichtlich folgender Teilaspekte systematisiert:

3.1 Erwartungen der Eltern an die Leistungsentwicklung ihrer Kinder

Umfassende Teilhabe an schulischer Bildung im Sinne einer positiven Leistungsentwicklung aller Kinder (vgl. Booth & Ainscow, 2017) wird unter der Inklusionsthematik ambivalent konnotiert. Einerseits wird sich ein stärkerer fachlicher Impuls durch binnendifferenzierte oder adaptive Unterrichtsmethoden sowie die Anregung durch eine leistungsheterogene Lerngruppe erhofft. Andererseits wird eine zu starke Anpassung des allgemeinen Anspruchsniveaus und Unterrichtstempos an die Schüler*innen mit SPF befürchtet (vgl. Kuhl et al., 2020). Inwiefern sich in den Erwartungshaltungen von Eltern jedoch Unterschiede in Abhängigkeit davon zeigen, ob das Kind einen SPF aufweist oder nicht bzw. ob Faktoren sozialer Benachteiligung vorliegen, wurde bisher nur wenig untersucht.
Aus der repräsentativen JAKO-O Studie von 2012 (vgl. Horstkemper & Tillmann, 2012) geht als möglicher Effekt SB hervor, dass Befürchtungen zur negativen Leistungsentwicklung von Kindern ohne SPF in integrativen bzw. inklusiven Settings stärker von Eltern mit niedrigem Bildungsniveau artikuliert werden. In einer aktuellen Untersuchung von Hess et al. (2019) schätzen inklusionserfahrende Eltern die Leistungsentwicklung kritischer ein als Eltern ohne Inklusionserfahrung. 48% der inklusionserfahrenden Eltern sehen bessere Chancen für den Bildungsabschluss leistungsschwächerer Kinder, wohingegen 55% befürchten, dass leistungsstarke Kinder in ihrem fachlichen Lernen ausgebremst würden. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen Liebers et al. (2018), in deren Studie etwas mehr als die Hälfte der befragten Eltern davon ausgeht, dass Kinder mit und ohne SPF gleichermaßen von einem inklusiven Unterricht profitieren können. Signifikante Unterschiede zwischen Eltern von Kindern mit und ohne SPF ließen sich hierbei nicht nachweisen. Einzelne Befunde zeigen aber, dass Eltern von Kindern mit SPF häufiger eine Überforderung ihrer Kinder im integrativen Kontext erleben und sich daher in ihrer Rolle einer begleitenden Lernunterstützung stärker gefordert erleben (vgl. Gasteiger-Klicpera et al., 2013). Sie unterstützen ihr Kind bei schulischen Anforderungen mehr, fühlen sich aber auch häufiger als andere Eltern überfordert (vgl. Paseka, 2017).

3.2 Erwartungen der Eltern bezüglich der sozialen Integration ihrer Kinder

Schulische Teilhabe und Inklusion werden neben der Leistungsdimension vor allem mit einer sozial-integrativen bzw. sozial-emotional förderlichen Wirkung (vgl. Grosche, 2015) konnotiert, sodass sowohl Chancen für den Erwerb sozialer Kompetenzen als auch zur Verringerung von Ausgrenzung der Kinder mit SPF gesehen werden (vgl. Kuhl et al., 2020).
Aus der Befragung von Hess et al. (2019) geht hervor, dass jeweils mehr als drei Viertel der befragten Eltern positive Erwartungen an eine inklusive Beschulung in der sozialen Dimension knüpfen, bspw. hinsichtlich einer Förderung von mehr Toleranz, einem besseren sozialen Miteinander, einer Verbesserung des Selbstwertgefühls und einer insgesamt positiveren Persönlichkeitsentwicklung. Bei inklusionserfahrenden Eltern finden sich durchgängig höhere Zustimmungswerte.
Das gemeinsame Lernen aller Kinder voneinander, aber auch die Unterstützung der Kinder mit SPF durch ihre Mitschüler*innen werden diesbezüglich von einer großen Mehrheit der Eltern als Erwartungen an eine inklusive Beschulung formuliert (vgl. Hollenbach-Biele & Klemm, 2020). Dem steht eine knappe Mehrheit gegenüber, die davon ausgeht, dass auch Kinder ohne SPF von ihren Mitschüler*innen mit Beeinträchtigungen profitieren können. Eltern mit Inklusionserfahrung weisen durchgängig positivere Einschätzungen auf als Eltern ohne Inklusionserfahrung. Eine Aufschlüsselung unter Angabe des SPFs der Kinder fehlt an dieser Stelle aber.
In der bereits erwähnten Studie von Gasteiger-Klicpera et al. (2013) gibt nur eine Minderheit von ca. 20% der Eltern an, dass ihr Kind mit SPF in der integrativen Klasse zumindest teilweise isoliert sei, stattdessen wird in hohem Maße von unterstützendem und prosozialem Verhalten der Mitschüler*innen berichtet. Weiterhin liefern die Studien der Bertelsmann Stiftung von 2015 und 2020 (vgl. Bertelsmann, 2015; Hollenbach-Biele & Klemm, 2020) hierzu Erkenntnisse. In der Studie von 2015 berichten mehr als 70% der inklusionserfahrenden Eltern überwiegend positive Erfahrungen zur schulischen Teilhabe ihres Kindes, ca. 75% bewerten die angebotenen Aktivitäten bzw. 68% die Möglichkeiten zur individuellen Förderung als gut oder sehr gut. Der soziale Zusammenhalt in der Klasse wird von den inklusionserfahrenden Eltern insgesamt zu 80% positiv bewertet (vgl. auch Paseka & Schwab, 2020). In der Studie von Schuck und Rauer (2018) wird darüber hinaus die soziale Integration des eigenen Kindes mit SPF sehr positiv beurteilt, obwohl, entgegen anderen Studienbefunden, das Sozialklima an den Schulen eher neutral bewertet wird.

3.3 Generelle Zufriedenheit der Eltern mit der Schule

Eine Literaturübersicht von Gomolla (2009) zeigt, dass die Zufriedenheit von Eltern mit der Schule bzw. umgekehrt der Schule mit den Eltern abhängig ist von den erreichten Leistungen sowie Entwicklungs- und Lernfortschritten der Kinder. Gerade zu den Themen, die auch für Eltern und Kinder mit Schulschwierigkeiten relevant sein dürften, käme dagegen keine nennenswerte Kooperation zustande; dies sind beispielsweise Themen wie Schulschwänzen, Schulangst und Lernprobleme. Kontakte zu Eltern von Kindern mit Schulschwierigkeiten finden demnach nicht nur seltener und weniger intensiv statt, sondern sparen wichtige inhaltliche Thematik eher aus, sodass Chancen vertan werden, Teilhabemöglichkeiten zu verbessern (vgl. ebd.).
Aus der Studie von Gasteiger-Klicpera et al. (2013) mit Eltern von Kindern mit einer Lernbeeinträchtigung bzw. kognitiven Einschränkungen geht jedoch eine grundsätzliche Zufriedenheit mit den schulischen Förderbemühungen in integrativen Beschulungsformen hervor. Die Eltern integrativ beschulter Kinder zeigen sich sowohl mit der sozialen wie auch der Leistungsentwicklung zufrieden. Müller (2013) kommt auf Basis einer Befragung Berliner Grundschuleltern zu dem Schluss, dass eine höhere Elternzufriedenheit bezüglich schulischer Inklusion mit dem wahrgenommenen Wohlbefinden der Kinder im Schulalltag, dem Maß individueller Förderung sowie einer ausreichenden Leistungsheterogenität in den Klassen korreliert. Dabei scheint eine grundsätzliche Zufriedenheit, auch mit Blick auf die genannten Indikatoren, prinzipiell gegeben zu sein, wie Evaluationsstudien (Liebers et al., 2018; Schuck & Rauer, 2018) zur Umsetzung inklusiver Bildungsreformprojekte zeigen. Aus der Evaluation des sächsischen Schulversuchs zur Etablierung inklusiver Schulstrukturen (vgl. Liebers et al., 2018) geht hervor, dass Eltern mit der Qualität der Schulen sowie dem Maß an individueller Förderung mehrheitlich zufrieden sind. So bewerten Eltern sowohl die Leistungsentwicklung wie auch das schulische Wohlbefinden ihrer inklusiv beschulten Kinder überwiegend positiv und es werden gute Lernbedingungen konstatiert. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt die Begleitstudie zu den Hamburger Schulreformen zur Etablierung inklusiver Schulstrukturen (vgl. Schuck & Rauer, 2018), bei der in einer Teilstudie die Grundschuleltern im Längsschnitt zum Ende der 2. und 4. Klasse befragt wurden. Ausgehend von einer mehrheitlichen Zustimmung zur Zielsetzung schulischer Inklusion, zeigen sich die Eltern überwiegend zufrieden mit der Schule bzw. der spezifischen schulischen Situation ihres Kindes. Im Vergleich zu bisher referierten Studienergebnissen sind bei Schuck und Rauer (2018) zwei Befunde von besonderer Bedeutung. Zum einen zeigt sich im Längsschnitt, dass die Zufriedenheit der Eltern mit der Klassensituation und den individuellen Teilhabemöglichkeiten ihres Kindes im Verlauf der Grundschulzeit zurückgeht. Zum anderen fallen diese Einschätzungen in Abhängigkeit vom vorliegenden SPF des Kindes teils sehr unterschiedlich aus. Eltern von Kindern mit den SPF ‚Körperliche und motorische Entwicklung‘ sowie ‚Lernen‘ bewerten ihre Erfahrungen mit dem inklusiven Schulangebot positiv, wohingegen Eltern von Kindern mit dem SPF ‚Emotionale und soziale Entwicklung‘ von weitgehend negativen Erfahrungen berichten bzw. mit der schulischen Situation ihres Kindes unzufrieden sind.
Differenziertere Befunde zur Zufriedenheit der Eltern mit der schulischen Situation ihrer integrativ beschulten Kinder und damit verbundenen Einflussfaktoren liefert auch die Schweizer Studie von Luder et al. (2020). Ähnlich wie in der Studie von Hollenbach-Biele und Klemm (2020) oder Gasteiger-Klicpera et al. (2013) zeigen sich Eltern insgesamt sehr zufrieden mit der schulischen Situation ihres Kindes. Der Grad der Zufriedenheit hängt vom Grad der Informiertheit über schulische bzw. unterrichtliche Prozesse ab bzw. wird negativ durch eine schlechte Eltern-Lehrkraft-Kommunikation bzw. fehlendes Vertrauen in die Lehrkraft beeinflusst. Luder et al. (2020) identifizieren zusammenfassend drei Faktoren für die Zufriedenheit der Eltern mit den schulischen Teilhabemöglichkeiten ihrer Kinder: emotionale Integration, wahrgenommene Informiertheit sowie Vertrauen in die Lehrkraft. Hieraus wird deutlich, dass u.a. die Elternpartizipation als ein wesentlicher Bedingungsfaktor für die Zufriedenheit mit den schulischen Bildungsangeboten und Teilhabemöglichkeiten des eigenen Kindes erscheint.

3.4 Interesse der Eltern an der schulischen Partizipation und Einschätzung der Kooperation

Ausgehend von einem ökosystemischen Verständnis (vgl. Werning & Lütje-Klose, 2016), gemäß dessen schulische Teilhabe in Zusammenhang steht mit dem Passungsverhältnis von schulischem Erwartungshorizont und familiären Sozialisationsbedingungen, ist es von besonderem Interesse, inwiefern elterliche Partizipation bzw. schulische Kooperation in Zusammenhang mit Faktoren sozialer Benachteiligung steht und somit Effekte von Marginalisierung ggf. verstärkt. Dabei ist eine wenig ausgeprägte Forschungslage zu dieser Frage festzustellen, sodass auch auf generelle Befunde zum Einfluss sozialer Benachteiligung auf die elterliche Partizipation zurückgegriffen wird.
Die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule mit Blick auf Kinder mit SPF muss nicht per se als Problemstelle erscheinen, wie aus der Untersuchung von Gasteiger-Klicpera et al. (2013) hervorgeht. Insgesamt vier Fünftel der Eltern erleben die Kooperation als mindestens zufriedenstellend und können von einem intensiven Informationsaustausch mit der Schule berichten. Eine Einbindung in die Förderplanung bzw. in Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung findet bei 50% der Eltern von Kindern mit SPF verstärkt statt. Auch in der Studie von Liebers (2018) wird die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften hinsichtlich Beratung, Information und Beteiligung bei der individuellen Lernstandsermittlung insbesondere von den Grundschuleltern positiv eingeschätzt und den Lehrkräften hohes Vertrauen entgegengebracht. Diesbezüglich ergeben sich keine Unterschiede zwischen Eltern von Kindern mit und ohne SPF. Ähnlich positiv fällt die Bewertung der Arbeit der Lehrkräfte durch die Eltern in der Studie der Bertelsmann Stiftung (Hollenbach-Biele & Klemm, 2020) aus, indem diese als fachlich kompetent und engagiert erlebt werden. Jedoch stimmt nur etwas mehr als die Hälfte (55%) auch der Aussage zu, dass Eltern durch die Lehrkräfte ihres Kindes hinsichtlich weiterer Fördermaßnahmen Beratung erfahren würden. Die Kooperation zwischen Lehrkraft und Eltern scheint an dieser Stelle nur bei einem Teil der befragten Eltern darauf gerichtet zu sein, die Teilhabemöglichkeiten des Kindes auch über außerschulische Maßnahmen verbessern zu wollen. Das eigene elterliche Engagement wird insbesondere von den inklusionserfahrenden Eltern als gut bzw. sehr gut eingeschätzt, wohingegen die Förderschuleltern gemäß den eigenen Angaben weniger engagiert erscheinen. Mit dem Begriff der ‚Schwererreichbarkeit‘ wird im Forschungsdiskurs das Nicht-Zustandekommen der Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften zusammengefasst (vgl. Sacher 2014). In der Studie von Eiden (2018) wurden kooperationsrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit der sozialen und ethnischen Herkunft der Elternschaft untersucht, wobei zentrale Orientierungen von Lehrkräften im Umgang mit ‚Schwererreichbarkeit‘ rekonstruiert werden sollen. Im Ergebnis zeigt sich in der Elternselbstwahrnehmung kein Zusammenhang zwischen der Beteiligungshäufigkeit und dem schulspezifischen durchschnittlichen Sozialindex der Schul-Elternschaft. Ebenso unabhängig vom Sozialindex geben die Eltern größtenteils an, zufrieden mit der Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften zu sein. Bei den Lehrkräften zeigen sich im Gegensatz dazu signifikante Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung elterlicher Partizipationshäufigkeit und der allgemeinen Kooperationszufriedenheit und dem Sozialindex (vgl. Eiden 2018, S. 333). Die Autorin schlussfolgert daraus eine hohe Relevanz der sozialen und ethnischen Herkunft der Elternschaft für die Zufriedenheit der Lehrkräfte mit der erlebten Kooperation; die wahrgenommene ‚Schwererreichbarkeit‘ scheint also eng mit der sozialen und ethnischen Herkunft der Eltern verknüpft (vgl. ebd.).
Ähnliche Hinweise liefert auch die 4. JAKO-O Bildungsstudie aus dem Jahr 2017: Das Alter, das Geschlecht, der formale Bildungsstatus und der Migrationshintergrund spielen in dieser Studie bei dem Vertrauen der Eltern gegenüber Lehrkräften keine Rolle (vgl. Bormann & Niedlich, 2017). Weiterführend können Killus und Paseka (2016) belegen, dass sich Eltern überwiegend als Partner*innen der Schule wahrnehmen, „Zulieferfunktionen“ übernehmen und mit der Leistung, die die Schule für die schulische Entwicklung des Kindes erbringt, zufrieden sind. Die Autor*innen sind nach eigenem Bekunden selber überrascht, dass die oft als ‚Problemgruppen‘ bezeichneten Eltern sich in den untersuchten Items zur Zufriedenheit und zum Rollenverständnis nicht von den bildungsnahen Eltern ohne Migrationshintergrund unterschieden. Sie interpretieren ihre Ergebnisse als Indiz für einen Mittelschichtbias, der zu einem Defizitblick der Lehrkräfte und zur Adressierung der als ‚bildungsfern‘ eingeschätzten Eltern als ‚schwer erreichbare Eltern‘ gelte (ebd., S. 166). Insgesamt ist Killus & Paseka (2016, S. 157) zuzustimmen, wenn sie sagen, mit der ‚Schwererreichbarkeit‘ würde über die Bedeutung der Merkmale Schicht und Migrationshintergrund die Problemlage personalisiert, statt den Blick auf strukturelle Barrieren zu lenken.
Zusammenfassend zeigen die referierten Befunde zur Elternsicht auf die erlebte schulische Teilhabe eine grundsätzliche Zufriedenheit mit schulischen Bildungs- und Unterstützungsangeboten. Trotz der unzureichenden Forschungslage finden sich eher keine Hinweise auf wesentliche Unterschiede zwischen Eltern von Kindern mit bzw. ohne SPF. Korrespondierend mit den erwarteten Wirkungen an eine inklusive Beschulung werden die soziale Teilhabe bzw. Integration und das schulische Wohlbefinden weitgehend positiv beurteilt, obwohl sich auch differentielle Effekte in Abhängigkeit vom Förderbedarf des Kindes zeigen. Hinsichtlich der Leistungsdimension fallen die Befunde ambivalenter aus, da partiell Überforderung wahrgenommen wird, auch wenn eine grundsätzliche Zufriedenheit mit den Möglichkeiten der individuellen Unterstützung besteht. Die Beziehung zwischen Lehrkraft und Eltern ist weitgehend von einem hohen Maß an Vertrauen geprägt, jedoch beschränkt sich die Beteiligung der Eltern vorrangig auf Information und Beratung, wohingegen eine Einbindung in unterrichtliche Entscheidungsprozesse nicht die Regel ist. Eltern sind demnach - möglicherweise auch aufgrund von impliziten Zuschreibungsprozessen - weniger aktive Kooperationspartner*innen von Schule, sondern eher Zielgruppe schulischer Unterstützungs- und Informationsangebote. Insofern stellt sich die Frage, wie die Eltern von Kindern mit und ohne SPF bzw. SB die berichteten Dimensionen einschätzen und ob es gruppenspezifische Unterschiede gibt.

4. Forschungsdesign und methodisches Vorgehen

Ausgehend von einem ökosystemischen Verständnis (vgl. Bronfenbrenner, 1981) von Benachteiligung und Behinderung (vgl. Werning & Lütje-Klose, 2016), bei dem das Passungsverhältnis zwischen den Teilsystemen Schule und Familie von besonderer Bedeutung für die Realisation schulischer Teilhabechancen ist, stellt die Elternperspektive eine zentrale Informationsquelle dar und bietet eine Basis zur Gestaltung der gemeinsamen Erziehungs- und Bildungsaufgaben von Schule und Elternhaus. Schulische Teilhabe lässt sich dabei über verschiedene Indikatoren bestimmen: Neben einer positiven Lern- und Leistungsentwicklung, also der schulischen Performanz im engeren Sinne, gehören hierzu die soziale Integration in die Klassen- und Schulgemeinschaft sowie das Passungsverhältnis zwischen kindlichen Voraussetzungen und schulischen Verhaltenserwartungen im Übergang zwischen den Systemen Familie und Schule. Im Anschluss an den referierten Forschungsstand scheint sich eine inklusive Beschulung von Kindern mit SPF tendenziell positiv auf die schulische Teilhabe auszuwirken, allerdings bestehen noch Desiderate, wie sich dies konkreter in der schulischen Performanz, sozialen Integration bzw. dem elterlichen Engagement niederschlägt bzw. ob sich diesbezüglich überhaupt Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne SPF feststellen lassen. Es fehlt eine weitergehende Vergleichsperspektive zu Einschätzungen von Eltern von Kindern mit und ohne SPF, bei denen vergleichbare herkunftsbedingte Benachteiligungsfaktoren vorliegen und damit ähnliche tertiäre Herkunftseffekte wirksam sein könnten. Daher sollen die Einschätzungen nicht nur entlang der Differenzkategorie SPF, sondern ebenfalls entlang einer möglichen SB anhand der sozialen Herkunft der Eltern betrachtet werden.
Daraus ergeben sich folgende leitende Forschungsfragen:

Die Daten der durchgeführten Analysen stammen aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP), einer seit 1984 durchgeführten bundesweiten repräsentativen Panelbefragung von Privathaushalten und deren Mitgliedern in Deutschland (Britzke & Schupp, 2019). Neben Informationen der erwachsenen Mitglieder eines Haushalts zu ihren eigenen objektiven Lebensbedingungen und Wertvorstellungen werden auch solche zu den Kindern, die im Haushalt leben, erhoben; für jede Altersgruppe eines Kindes existiert ein spezieller Fragebogen. Für die vorliegenden Analysen wurden Daten der Teilstudie ‚Familien in Deutschland‘ (SOEP-FiD), die in den Jahren 2010 bis 2013 durchgeführt wurde, ausgewertet; dort sind inklusiv beschulte Kinder identifiziert. Das Sample dieser Teilstudie besteht aus über 4500 Haushalten, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: (1) Familien im kritischen Einkommensbereich, (2) Alleinerziehende, (3) Familien mit mehr als drei Kindern, (4) Familien mit mindestens einem Kind, das zwischen Januar 2007 und März 2010 geboren wurde (Schröder et al., 2013). Die Informationen stammen von den Eltern. Da es sich um ein Panel handelt, ist es möglich, dass mehrmals Informationen zu einem Kind erhoben werden. In einem solchen Fall wird, um doppelte Fälle zu vermeiden, die zuletzt erhobene Information verwendet. Insgesamt werden so Daten von 2714 Grundschulkindern aus Deutschland ausgewertet. 17,6% von ihnen weisen einen SPF auf. Je nach Alter der Kinder haben die Eltern einen angepassten Fragebogen bekommen, zudem ist nicht jede Frage in jedem Erhebungsjahr erhoben worden. Somit stehen für einige der vorliegenden Analysen weniger Informationen zur Verfügung, mindestens jedoch 787. Von den Kindern aus der Stichprobe sind 50,3% männlich und 49,7% weiblich, ihr Durchschnittsalter beträgt 9,13 Jahre (SD: 1,00). Bei der Auskunft gebenden Person handelt es sich in 68,4% der Fälle um den Vater des Kindes. Von diesen Befragten weisen 26,1% das Abitur und 8,0% die Fachhochschulreife als höchsten Abschluss auf, 37,0% haben die mittlere Reife und 26,6% einen Hauptschulabschluss, 2,3% weisen keinen Schulabschluss auf. Zudem haben 24,6% einen Hochschulabschluss und 60,7% eine Ausbildung abgeschlossen, 14,7% haben keinen beruflichen Abschluss. 19,9% der Befragten weisen einen Migrationshintergrund auf.
Es wurden verschiedene Variablen operationalisiert, die Aspekte schulischer Teilhabe abbilden. Die Eltern sollten – falls vorhanden – angeben, welche Ziffernnote das Kind auf dem letzten Zeugnis in den Fächern Deutsch und Mathematik erreicht hat. Um die Einschätzung der schulischen Performanz des Kindes zu erheben, sollten Eltern auf einer vierstufigen Likertskala (von „trifft gar nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu“) angeben, wie stark sie Aussagen zur schulischen Motivation, zur Leistungsfähigkeit sowie zum Umgang des Kindes mit anderen schulischen Akteur*innen zustimmen. Den Eltern wurden zudem fünf mögliche Probleme in der Schuleingangsphase (Umgang mit anderen Kindern, Umgang mit Lehrer*innen, Fehlen der vertrauten Umgebung, Einhalten der Schulregeln, Schulische Leistungen) genannt, deren Zutreffen sie auf einer Skala von 1 („sehr problematisch“) bis 7 („sehr unproblematisch“) einschätzen sollten. Die Teilnahme an außerunterrichtlichen schulischen Aktivitäten wurde erhoben, indem gefragt wurde, ob die Kinder an Sport-AGs, an Tanz- oder Theatergruppen, im Chor, Orchester oder sonstigen Musikgruppen oder sonstigen Schul-AGs partizipieren. Es wird unterschieden, ob die Kinder wöchentlich, seltener oder nie teilnehmen. Das elterliche Engagement wird über die regelmäßige Teilnahme an Elternabenden, Besuchen von Elternsprechtagen, Aufsuchen der Lehrer*innen und der Rolle als Elternvertretung erhoben. Die Eltern sollten jeweils angeben, ob die Form des Engagements auf sie zutrifft oder nicht (Geue et al., 2020).
Die Eltern gaben an, ob das Kind einen SPF aufweist. Ob eine SB vorliegt, wurde anhand von drei Indikatoren des elterlichen sozioökonomischen Status ermittelt. Dies sind der Bildungsabschluss und der berufliche Abschluss des*der Auskunftsgeber*in sowie das monatliche Nettoäquivalenzeinkommen des Haushalts. Lagen mindestens zwei der folgenden Merkmale vor, wurde das Kind der Ausprägung ‚vorhandene SB‘ zugeteilt: a) Bildungsabschluss höchstens Hauptschule, b) kein beruflicher Abschluss vorhanden, c) monatliches Nettoäquivalenzeinkommen beträgt höchstens 1000 Euro. Lag nur ein oder kein Merkmal vor, wurde das Kind der Ausprägung ‚keine SB vorhanden‘ zugeteilt.
Die Ergebnisse werden deskriptiv-statistisch anhand relativer Verteilungsmuster zwischen Kindern mit und ohne SPF sowie zwischen Kindern mit und ohne SB dargestellt. Ca. 27% der Eltern von Kindern mit SPF erfüllen dabei die gesetzten Kriterien sozialer Benachteiligung, gegenüber 17% auf Seiten der Eltern mit Kindern ohne SB. Trotz dieser Unterschiede in der prozentualen Verteilung ist eine ausgeprägte Überschneidung der Ergebnisse anhand eines eher geringen Zusammenhangsmaßes Cramers V von weniger als 0,1 bei den Variablen SPF und SB auszuschließen[2]. Ob signifikante Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne SPF bzw. SB vorliegen, wird bei den ordinal skalierten Variablen mittels Wilcoxon-Tests bestimmt. Bei der nominal skalierten Variablen des elterlichen Engagements wird ein Chi²-Test gerechnet. Die siebenstufige Skala bezüglich der Probleme in der Schuleingangsphase wird als metrisch skaliert angenommen und Mittelwerte abgebildet sowie T-Tests für unabhängige Stichproben gerechnet.

5.Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse differenziert nach dem Vorhandensein eines SPF und einer SB dargestellt[3].
Tabelle 1:Verteilung der letzten Zeugnisnoten in Deutsch und Mathematik von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sowie Kindern mit und ohne sozialer Benachteiligung (in Prozent), Wilcoxon-Test: * p<.05: ** p<.01; *** p<.001

 

 

1

2

3

4

5

6

N

Deutsch

 

 

 

 

 

 

 

 

    SPF***

Ohne

14,26%

49,55%

30,93%

4,84%

0,42%

0,00%

1445

Mit

1,66%

23,59%

45,51%

25,58%

3,65%

0,00%

301

    SB***

Ohne

13,89%

47,71%

31,20%

6,47%

0,73%

0,00%

1375

Mit

3,89%

34,13%

43,41%

16,47%

2,10%

0,00%

334

Mathematik

 

 

 

 

 

 

 

 

    SPF***

Ohne

16,82%

47,27%

28,44%

6,30%

1,11%

0,07%

1445

Mit

5,94%

30,03%

35,31%

21,45%

7,26%

0,00%

303

    SB***

Ohne

16,72%

46,66%

27,54%

7,34%

1,74%

0,00%

1376

Mit

7,19%

34,43%

38,62%

15,57%

3,89%

0,30%

334

Nicht überraschend fällt auf, dass Kinder ohne SPF signifikant häufiger gute und sehr gute Noten erhalten als solche mit einem SPF, die inklusiv beschult werden (vgl. Tab. 1). Jeweils 64% aller Kinder ohne SPF haben mindestens eine gute Note in Deutsch beziehungsweise in Mathematik erhalten, von Kindern mit einem SPF waren es nur gut 25% (Deutsch) beziehungsweise 36% (Mathematik). Auf der anderen Seite ist der Anteil an Kindern, die ein ‚mangelhaft‘ auf dem Zeugnis aufweisen, in der Gruppe der Kinder mit SPF ungefähr acht (Deutsch) beziehungsweise sieben Mal so hoch wie bei Kindern ohne SPF. Ähnliche Verteilungen zeigen sich anhand der Differenzkategorie SB. Bei einer vorhandenen SB sind die Leistungen von Kindern in Deutsch und Mathematik signifikant schwächer als bei Kindern ohne vorhandene SB.
Tabelle 2:Bewertung der schulischen Performanz von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sowie Kindern mit und ohne sozialer Benachteiligung durch die Eltern (Angaben in Prozent), Wilcoxon-Test: * p<.05: ** p<.01; *** p<.001

 

 

Trifft voll und ganz zu

Trifft eher zu

Trifft eher nicht zu

Trifft gar nicht zu

 

N

Kind geht gerne in die Schule

    SPF***

Ohne

49,98%

42,22%

6,37%

1,44%

2229

Mit

29,26%

49,26%

19,79%

1,68%

475

    SB

Ohne

45,96%

43,76%

8,73%

1,55%

2130

Mit

48,35%

41,17%

9,13%

1,36%

515

Kind hat keinen guten Umgang mit Klassenkameraden

    SPF

Ohne

22,85%

21,24%

17,54%

38,37%

1921

Mit

16,24%

25,26%

30,67%

27,84%

388

    SB

Ohne

21,28%

22,76%

19,04%

36,93%

1828

Mit

23,27%

18,43%

22,81%

35,48%

434

Kind empfindet Schule als Zeitverschwendung

    SPF***

Ohne

1,89%

5,34%

20,85%

71,92%

1909

Mit

5,22%

9,92%

30,55%

54,31%

383

    SB

Ohne

2,42%

6,05%

22,78%

68,74%

1817

Mit

2,34%

6,31%

20,79%

70,56%

428

Kind nimmt Arbeit in der Schule nie ernst

    SPF***

Ohne

2,88%

6,75%

24,58%

65,79%

1912

Mit

6,48%

16,58%

35,49%

41,45%

386

    SB**

Ohne

2,85%

7,83%

26,56%

62,76%

1826

Mit

6,09%

10,54%

26,00%

57,38%

427

Kind kommt im Unterricht gut mit

    SPF***

Ohne

53,19%

41,10%

4,94%

0,77%

2207

Mit

18,53%

53,23%

25,00%

3,23%

464

    SB***

Ohne

48,72%

43,49%

6,70%

1,09%

2106

Mit

41,42%

41,22%

15,78%

1,58%

507

Kind kommt mit aktuellem/aktueller Lehrer*in nicht gut aus***

    SPF***

Ohne

5,66%

8,70%

16,36%

69,27%

1907

Mit

7,38%

12,21%

26,46%

53,94%

393

    SB***

Ohne

5,11%

7,96%

18,95%

67,98%

1821

Mit

9,70%

14,32%

14,55%

61,43%

433

Kind lernt gerne***

    SPF***

Ohne

33,68%

48,76%

15,44%

2,12%

2221

Mit

13,62%

42,55%

34,68%

9,15%

470

    SB

Ohne

29,60%

48,73%

18,37%

3,31%

2118

Mit

33,20%

43,11%

19,81%

3,88%

515

Die Einschätzung zur schulischen Performanz der Kinder wird in Tabelle 2 dargestellt. Insgesamt zeigen sich aus Elternsicht sowohl bei Kindern ohne als auch bei Kindern mit SPF hohe Zustimmungswerte bezüglich der Einstellung zum Lernen, der Motivation und zum Umgang mit schulischen Akteur*innen. In der Tendenz ist jedoch zu erkennen, dass sich diese Werte bei Eltern mit Kindern ohne SPF, mit einer Ausnahme beim Umgang mit den Klassenkamerad*innen, signifikant positiver darstellen. Besonders auffällig ist die unterschiedliche Verteilung bei der Aussage, dass das Kind in der Schule gut mitkommt. Über die Hälfte der Eltern von Kindern ohne SPF stimmen dieser Aussage voll und ganz zu, bei Eltern mit Kindern mit SPF liegt dieser Wert nur bei 18,53%. Das Vorhandensein eines Förderbedarfs scheint keinen Einfluss darauf zu haben, ob Kinder gut mit ihren Mitschüler*innen auskommen. Hier liegt der Anteil von Kindern ohne SPF, der laut Eltern nicht gut mit anderen Kindern auskommt, sogar leicht höher als der von Kindern mit SPF. Beim Umgang mit der Lehrkraft zeigt sich wiederum die Tendenz, dass Kinder mit SPF laut der Eltern weniger Probleme haben; fast 70% lehnen die Aussage voll und ganz ab, dass ihr Kind Probleme im Umgang mit dieser hat. Zwischen Kindern mit und ohne SB zeigen sich seltener signifikante Unterschiede als zwischen Kindern mit und ohne SPF. Sozial benachteiligte Kinder kommen nach Einschätzung ihrer Eltern häufig nicht so gut im Unterricht mit und haben häufiger Probleme mit der Lehrkraft. Zudem stimmen die Eltern von Kindern mit SB der Aussage eher zu, dass das Kind die Schule nie ernst nimmt. Bei allen anderen Indikatoren der Performanz sind keine signifikanten Unterschiede ersichtlich, auch wenn Kinder mit und ohne SPF sich bei dem entsprechenden Aspekt teilweise deutlich unterscheiden.
Tabelle 3:Einschätzung der Problematik von schulischen Aspekten in der Eingewöhnungsphase der Grundschule von Kindern mit und ohne Förderbedarf sowie Kindern mit und ohne sozialer Benachteiligung durch die Eltern, T-Test: * p<.05: ** p<.01; *** p<.001

 

Ohne SPF

Mit SPF

 

N

Mittelwert

N

Mittelwert

Umgang mit anderen Kindern***

654

6,09

138

5,49

Umgang mit Lehrer*innen***

655

6,06

138

5,26

Fehlen der vertrauten Umgebung***

653

6,13

136

5,72

Einhalten der Schulregeln***

655

5,83

137

4,88

Schulische Leistungen***

656

6,01

138

4,39

 

Ohne SB

Mit SB

 

N

Mittelwert

N

Mittelwert

Umgang mit anderen Kindern

647

5,98

128

5,93

Umgang mit Lehrer*innen

648

5,95

128

5,80

Fehlen der vertrauten Umgebung

645

6,06

127

5,97

Einhalten der Schulregeln

647

5,68

128

5,60

Schulische Leistungen**

649

5,80

128

5,41

Neben der Einschätzung der aktuellen schulischen Performanz wurden die befragten Eltern gebeten, retrospektiv Auskunft über die Schuleingangsphase ihres Kindes zu geben (vgl. Tab. 3). Insgesamt bewerten Eltern von Kindern mit und ohne SPF die Schuleingangsphase des Kindes als überwiegend unproblematisch, was die hohen Mittelwerte von mindestens fünf zeigen. Lediglich das Einhalten der Schulregeln sowie die schulischen Leistungen haben in der Elterneinschätzung mit Kindern mit SPF einen Mittelwert unter fünf. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Kinder ohne SPF die Schuleingangsphase nach Aussage ihrer Eltern unproblematischer erleben als Kinder mit einem SPF. Insgesamt zeigen sich in allen Aspekten signifikante Unterschiede. Vergleicht man allerdings Kinder mit und ohne SB, zeigen sich zwischen diesen beiden Gruppen kaum Unterschiede in der Bewertung der Schuleingangsphase. Lediglich die schulischen Leistungen werden in der Eingangsphase signifikant schwächer eingeschätzt, wenn eine SB vorliegt. Bei allen anderen Aspekten sind keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne SB erkennbar.
Tabelle 4:Teilnahme an schulischen Aktivitäten von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sowie Kindern mit und ohne sozialer Benachteiligung außerhalb des Unterrichts (Angaben in Prozent), Wilcoxon-Test: * p<.05: ** p<.01; *** p<.001

 

 

Jede Woche

Seltener

Nie

N

Freiwillige Sport-AG

    SPF

Ohne

33,64%

7,58%

58,79%

660

Mit

32,93%

9,76%

57,32%

164

    SB

Ohne Mit

32,87%
35,63%

8,49%
6,25%

58,64%
58,13%

648
160

Theater-/Tanzgruppe

    SPF

Ohne

12,26%

7,17%

80,57%

628

Mit

7,55%

6,29%

86,16%

159

    SB

Ohne Mit

11,67%
9,03%

7,78%
4,52%

80,55%
86,45%

617
155

Chor/Orchester/Musikgruppe

    SPF

Ohne

22,62%

6,86%

70,51%

641

Mit

18,40%

4,91%

76,69%

163

    SB*

Ohne Mit

23,14%
15,29%

6,97%
5,10%

69,89%
79,62%

631
157

Sonstige AG

   SPF

Ohne

22,40%

7,41%

70,19%

634

Mit

22,09%

7,98%

69,94%

163

    SB*

Ohne Mit

23,40%
17,20%

8,17%
5,73%

68,43%
77,07%

624
157

In Tabelle 4 ist die Häufigkeit der außerunterrichtlichen schulischen Aktivitäten dargestellt. Sport-AGen werden dabei am häufigsten besucht. Jeweils ein Drittel aller befragten Eltern gibt an, dass ihre Kinder mindestens einmal pro Woche an einer solchen teilnehmen. Circa jedes fünfte Kind besucht hingegen mindestens wöchentlich eine musikalische oder sonstige AG, an Theater- und Tanzgruppen partizipieren 12,26% der Kinder ohne und 7,55% der Kinder mit SPF wöchentlich. In diesen AGs und Gruppen sind inklusiv beschulte Kinder mit einem SPF leicht unterrepräsentiert, jedoch ist der Verteilungsunterschied statistisch nicht signifikant. Bei Sport- und sonstigen AGs sind die Unterschiede in der Verteilung hingegen nur marginal. Entlang der Differenzkategorie SB sind bei zwei Aktivitäten signifikante Unterschiede erkennbar: Kinder mit einer SB nehmen signifikant seltener an musikalischen Aktivitäten wie dem Chor oder auch an einer sonstigen AG teil als ihre Altersgenoss*innen ohne SB.
Tabelle 5:Kontakt mit der Schule von Eltern von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sowie Kindern mit und ohne sozialer Benachteiligung (Angaben in Prozent), Chi²-Test: * p<.05: ** p<.01; *** p<.001

 

 

Nicht Zutreffend

Zutreffend

N

Regelmäßige Teilnahme an Elternabenden

    SPF

Ohne

32,47%

67,53%

1386

Mit

32,83%

67,17%

332

    SB**

Ohne

30,82%

69,18%

1337

Mit

38,62%

61,38%

347

Regelmäßige Besuche von Elternsprechtagen

    SPF

Ohne

39,47%

60,53%

1386

Mit

37,65%

62,35%

332

    SB

Ohne

38,67%

61,33%

1337

Mit

40,35%

59,65%

347

Aufsuchen der Lehrkräfte außerhalb von Elternsprechtagen

    SPF***

Ohne

65,08%

34,92%

1386

Mit

45,48%

54,52%

332

    SB

Ohne

62,00%

38,00%

1337

Mit

57,35%

42,65%

347

Engagement als Elternvertreter*in

    SPF

Ohne

89,75%

10,25%

1386

Mit

90,06%

9,94%

332

    SB*

Ohne

89,01%

10,99%

1337

Mit

93,37%

6,63%

347

Das elterliche Engagement bei schulischen Aktivitäten und Terminen wird in Tabelle 5 dargestellt: Die überwiegende Mehrheit der Eltern nimmt regelmäßig an Elternabenden und Elternsprechtagen teil. An Elternabenden beteiligen sich rund zwei Drittel der Befragten, ohne Unterschied zwischen Eltern von Kindern mit und ohne SPF. Außerhalb von Elternsprechtagen werden die Lehrkräfte deutlich häufiger von Eltern aufgesucht, deren Kinder einen SPF aufweisen. Ungefähr jede*r zehnte Befragte gibt an, sich in der Elternvertretung zu engagieren, auch dieser Anteil unterscheidet sich zwischen beiden Gruppen nur marginal. Signifikante Unterschiede zeigen sich hingegen bei zwei Items zwischen Eltern mit und ohne SB. Eltern, die als sozial benachteiligt angesehen werden können, nehmen signifikant seltener an Elternabenden teil und engagieren sich auch signifikant seltener als Elternvertreter*in als Eltern ohne SB. Die Differenzkategorie SPF erweist sich bei diesen beiden Aspekten als unbedeutend.  
Mit Blick auf die erste Forschungsfrage zur schulischen Performanz zeigen die Verteilungen zusammenfassend erwartungsgemäß, dass Kinder mit SPF als auch mit SB, die eine Grundschule besuchen, schwächere schulische Leistungen aufweisen. In den Augen der Eltern werden auch eine niedrigere Motivation und ungünstigere Einstellung bezüglich unterrichtlicher Aspekte bescheinigt als bei Schüler*innen ohne SPF bzw. SB. Bei einem Vergleich entlang der Differenzkategorie SB zeigen sich bei einigen schulischen Aspekten keine Unterschiede, bei einer Unterscheidung nach SPF ist dies nur bei einem einzigen Aspekt der Fall. Hinsichtlich der Frage 3 zur Übergangsbewältigung verläuft die Schuleingangsphase für Kinder nach Angaben ihrer Eltern problematischer, wenn sie einen SPF aufweisen. Vergleicht man Kinder mit und ohne SB miteinander, zeigen sich lediglich leichte Unterschiede bei der schulischen Leistung. Bezüglich des Engagements außerhalb des Unterrichts unterscheiden sich die beiden Gruppen allerdings kaum. Kinder mit und ohne SPF nehmen zu gleichen Anteilen an außerunterrichtlichen Aktivitäten teil und unterscheiden sich zudem nicht im wahrgenommenen Umgang mit anderen Kindern in der Schule. Für Kinder mit und ohne SB trifft dies größtenteils ebenfalls zu. Allerdings nehmen Kinder ohne SB häufiger an musikalischen und sonstigen Aktivitäten teil. Diesbezüglich ergeben sich mit Blick auf die zweite Forschungsfrage dennoch kaum signifikante Unterschiede. Ebenso unterscheidet sich das elterliche Engagement bezüglich der Teilnahme an schulischen Aktivitäten zwischen den Gruppen mit und ohne SPF nicht (Forschungsfrage 4). Tendenziell haben Eltern von Kindern mit SPF sogar mehr Kontakt mit den Lehrkräften als Eltern von Kindern ohne SPF. Bezüglich der SB zeigen sich leichte Unterschiede im Engagement zu Ungunsten der Eltern von Kindern mit SB.

6.Diskussion und Perspektiven

Abschließend können aus den vorliegenden Befunden Implikationen hinsichtlich besonderer Chancen wie Problemstellen für die schulische Teilhabe von Kindern mit SPF in der inklusiven Grundschule aus Sicht der Eltern abgeleitet werden.
Aus der Analyse der Daten des SOEP-FiD gehen keine erheblichen Unterschiede in den Einschätzungen der Eltern von Kindern mit versus ohne SPF hervor. Eine Ausnahme bilden Angaben zu den Noten der Kinder und der Bewältigung der Schuleingangsphase, auch wenn die Unterschiede nicht so erheblich ausfallen wie vermutet. Bei allen anderen Fragen, wie zur sozialen Integration bei schulischen Aktivitäten, zur Zufriedenheit mit der Schule und zum eigenen Kooperationswillen, ergeben sich geringe Differenzen im Antwortverhalten der Eltern. Limitierend muss bedacht werden, dass es sich bei den berichteten Ergebnissen um Selbsteinschätzungen der Eltern handelt, die im Sinne der sozialen Erwünschtheit beeinflusst sein können. Auf der anderen Seite beruhen die Ergebnisse, anders als bei vielen anderen Studien, nicht ‚nur‘ auf Erwartungen und Wünschen, sondern auf realen Erfahrungen. Im Vergleich zur Differenzkategorie SB zeigen sich teils ähnliche Unterschiede, vor allem bezüglich der schulischen Performanz. Diese Unterschiede sind allerdings noch nicht in der Schuleingangsphase erkennbar, sie scheinen sich erst im Laufe der Grundschulzeit zu bilden. Die mit der Zuschreibung SPF sowie SB einhergehenden Differenzkonstruktionen schlagen sich also nicht in erheblichem Maße in den Elterneinschätzungen nieder. In der Wahrnehmung verschiedener Indikatoren für schulische Teilhabe lassen sich auf Basis der empirischen Befunde vereinfachende Annahmen über Zusammenhänge zwischen zugeschriebener Förderbedürftigkeit, sozialer Benachteiligung und einer Problemsicht der Eltern im Kontext Schule nicht bestätigen. Dies knüpft damit an die zuvor referierten Befunde zur allgemeinen Zufriedenheit der Eltern mit den schulischen Bildungs- und Unterstützungsangeboten an.
Mit Bezug auf die tertiären Herkunftseffekte können diese Ergebnisse Anlass dazu geben, potentiellen Vorurteilen von Lehrkräften gegenüber Eltern von Kindern mit SPF bzw. SB mit empirischer Evidenz zu begegnen. Eltern von Kindern mit SPF unterscheiden sich nicht in erheblichem Ausmaß von Eltern mit Kindern ohne SPF in ihrer Sicht auf die schulische Situation ihres Kindes. Durch die Kenntnisnahme dieses Befundes kann die für Inklusion als besonders notwendige Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule auf einer gleichberechtigteren Grundlage aufbauen, als wenn ein Bild der Schwererreichbarkeit fortgeschrieben wird. Im Sinne eines ökosystemischen Verständnisses von Behinderung und Benachteiligung können sich so die für die Entwicklung der Kinder relevanten Teilsysteme annähern und Barrieren für Teilhabe und Bildung reduziert werden.
Dennoch besteht weiterhin ein erheblicher Forschungsbedarf, die Erfahrungen der Eltern von Kindern mit SPF in inklusiven Settings einer vertieften qualitativen Analyse (vgl. z.B. Maykus & Beck, 2015) zu unterziehen bzw. Entwicklungen in der schulischen Teilhabe wie auch der Elternkooperation längsschnittlich zu untersuchen. Zu fragen wäre beispielsweise, wie mögliche Konflikte bei den Leistungserwartungen, bei der sozialen Teilhabe und in der Elternmitwirkung tatsächlich verhandelt werden und wodurch sich konkrete Qualitätsunterschiede aus Elternsicht auszeichnen. Ob und wie die im Fachdiskurs dazu geforderten umfassenden Partizipations- und Kooperationsmöglichkeiten (vgl. Wild & Lütje-Klose, 2017) in der Zusammenarbeit von Elternhaus und Lehrkräften tatsächlich stattfinden, kann mit den vorliegenden Daten nicht beantwortet werden; möglicherweise leisten die referierten Befunde aber einen Beitrag für vorurteilsfreiere schulische Wahrnehmungen und Teilhabemöglichkeiten.

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[1] Der Begriff der Anpassungsprobleme wird an dieser Stelle aus dem Studienkontext des SOEP-FiD übernommen. Dieser ist jedoch aus Perspektive eines ökosystemischen Entwicklungsverständnisses kritisch zu bewerten, da es nicht um eine einseitige Anpassungsleistung des Kindes an den institutionellen Rahmen Schulen gehen kann, sondern das Passungsverhältnis zwischen kindlichen Voraussetzungen und schulischen Erwartungen zu reflektieren ist.

[2] Dass sich entgegen dem Forschungsstand kein höherer Zusammenhang zwischen SPF und SB ergibt, könnte dadurch bedingt sein, dass nicht nur Kinder mit SPF im Lernen, für die dies empirisch recht gut abgesichert ist (vgl. Euen et al., 2015) Teil des Samples sind, sondern Kinder mit verschiedenen SPF, bei denen dieser Zusammenhang bisher nicht in dieser Weise explizit ist.

[3] Die Forschungsgruppe rechnete zudem für jede einzelne Variable eine Regressionsanalyse (je nach Ausprägung binär-logistisch, ordinal-logistisch oder linear) mit dem SPF und Indikatoren der SB als Prädiktoren. Es ist fast überall erkennbar, dass das Vorhandensein eines SPF einen deutlich stärkeren Zusammenhang mit der jeweils abhängigen Variablen aufweist als die herkunftsspezifischen Indikatoren. Die Ergebnisse sind zu umfangreich, um hier dargestellt zu werden und stellen auch nicht den Fokus des vorliegenden Beitrags dar.