Jennifer Bloise & Michael Schön:Inklusive politische Bildung: Herausforderungen, Implikationen und Gestaltungsmöglichkeiten

Abstract: Ziel dieses Beitrags ist die Klärung der Frage, wie politische Bildung in einem inklusiv ausgerichteten Unterricht realisiert werden kann – und vor allem wie politische Bildung und Inklusion gemeinsam gedacht werden können und auch müssen. Es soll herausgearbeitet werden, welche genuin politikdidaktische Perspektiven es auf inklusiven Unterricht gibt. Hierzu sollen zunächst begriffliche und theoretische Grundlagen zum Thema Inklusion geschaffen werden. Damit des Weiteren Aussagen über Inklusion im Sozialkundeunterricht getroffen werden können, werden Spezifika der Didaktik der politischen Bildung betrachtet und das Verhältnis zwischen den Zielen der politischen Bildung und der Inklusion beleuchtet. Das Zusammendenken von Politikdidaktik und Inklusion erfolgt aus konstruktivistisch-gesellschaftskritischer Perspektive. Um schließlich zu klären, wie erfolgreicher inklusiver Unterricht der politischen Bildung aussehen kann, werden exemplarische methodische Gestaltungsmöglichkeiten, welche barrierefrei zur politischen Teilhabe befähigen sollen, präsentiert und diskutiert. Der Beitrag fokussiert sich hinsichtlich der Realisierung eines inklusiven sowie mündig-kritischen Lernarrangements auf die sprachliche Dimension des Unterrichts. Dabei werden jede Schülerin und jeder Schüler aus konstruktivistischer Sicht als lernendes Individuum betrachtet. Da vor allem die Sprache, als Kommunikations- und Lernmedium, in der Schule eine wichtige Rolle übernimmt – für Kinder und Jugendliche mit kognitiven Beeinträchtigungen und sprachlichen Defiziten jedoch außerordentlich limitierend wirken kann –, wird das Potenzial des Konzepts der Leichten Sprache erläutert.

Stichworte: Inklusiver Unterricht, Politische Bildung, Partizipation, Methodische Empfehlung

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Definitionen, Aufgaben und Ziele inklusiver Bildung
  3. Die Didaktik der politischen Bildung
  4. Inklusion als Herausforderung für die politische Bildung? – Wie man politische Bildung und Inklusion zusammen denkt und wo das genuin Politikdidaktische im inklusiven Gedanken zu finden ist
  5. Methodische Gestaltungsmöglichkeiten – Wie inklusive politische Bildung methodisch realisiert werden kann
  6. Ausblick
  7. Literatur

1. Einleitung

Der Weg hin zur Inklusion versucht der langen Kultur des Primats der Homogenität im deutschen Bildungssystem entgegen zu wirken. Heterogene Lerngruppen prägen immer mehr das heutige und erst recht das zukünftige Bildungssystem, doch Heterogenität wird sowohl in den Schulen als auch unter angehenden wie praktizierenden Lehrkräften – und nicht zuletzt auch in den Köpfen der Eltern – immer noch als Herausforderung angesehen (Langner 2015; Meschede et. al. 2018; Schmidt 2014). Dabei ist Diversität – auch losgelöst vom Thema schulischer Inklusion – in unserer heutigen Gesellschaft längst allgegenwärtig (Pauser & Wondrak 2011).
Mit dem Recht auf Inklusion sollte auch die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen einhergehen. Das Konzept inklusiver Bildung möchte das gesellschaftliche Konstrukt der Diskriminierung überwinden und Gleichberechtigung in Bezug auf schulische Bildung für alle schaffen. Schule als Institution bietet dahingehend die Möglichkeit die politisch gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Behinderung anzubahnen. Der Politik- bzw. Sozialkundeunterricht wiederum eignet sich insbesondere, um zur gleichberechtigten politischen Partizipation zu befähigen. In einer inklusiven Schulgemeinschaft muss letztlich auch der Sozialkundeunterricht alle SchülerInnen – unabhängig von ihren Unterschiedlichkeiten – zum mündig-reflektiertem politischen Handeln befähigen, denn die Mitbestimmung eines jeden Menschen sowie die Nutzung der eigenen Stimme unter Vertretung der eigenen Interessen und Einstellungen belebt das gesellschaftliche Miteinander. Bildung soll zur politischen Teilhabe führen, doch dafür muss zuallererst die Teilhabe an Bildung als politische Forderung allen SchülerInnen gewährt und ermöglicht werden (Thon & Mai 2017).
Ziel des Beitrags ist die Klärung der Fragen, inwiefern politische Bildung und Inklusion in einem besonderen Zusammenhang stehen und wie politische Bildung in einem inklusiv ausgerichteten Unterricht methodisch realisiert werden kann. Es soll herausgearbeitet werden, welche genuin politikdidaktische Perspektiven es auf inklusiven Unterricht gibt. Hierzu sollen zunächst kurz begriffliche und theoretische Grundlagen zum Thema Inklusion und Behinderung geschaffen werden. Damit des Weiteren Aussagen über Inklusion im Sozialkundeunterricht getroffen werden können, müssen zudem die Spezifika der Didaktik der politischen Bildung Berücksichtigung finden, weshalb auch das grundlegende Ziel dieser Fachdidaktik sowie ihre angewandten Grundprinzipien und Methoden zwingend in die Betrachtungen mit einbezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang wird das Verhältnis zwischen den Zielen der politischen Bildung und des inklusivem Grundgedankens thematisiert. Um schließlich zu klären, wie erfolgreicher inklusiver Unterricht der politischen Bildung für eine heterogene Schülerschaft aussehen kann, werden optionale methodische Gestaltungsmöglichkeiten thematisiert, welche barrierefrei zur Mündigkeit und politischen Teilhabe befähigen sollen. Da vor allem die Sprache, als Kommunikations- und Lernmedium, in der Schule eine wichtige Rolle übernimmt – für Kinder und Jugendliche mit kognitiven Beeinträchtigungen und sprachlichen Defiziten jedoch außerordentlich limitierend wirken kann (Laws, Byrne & Buckley 2000) –, wird insbesondere das Potenzial des Konzepts der Leichten Sprache (Bredel & Maaß 2016) für inklusiven Unterricht beschrieben und erläutert.

2. Definitionen, Aufgaben und Ziele inklusiver Bildung

In der Heil- bzw. Sonderpädagogik wird seit langem darüber diskutiert, wie der Begriff der Behinderung definiert werden soll, wodurch ein Repertoire unterschiedlicher Definitionsansätze existiert. Versteht man Behinderung als keinen naturgegebenen Zustand und keine defizitäre Eigenschaft, sondern als eine durch die Gesellschaft hervorgebrachte Kategorie und eine „Form von gesellschaftlicher Ausschließung“ (Rudolf 2017, S. 23), ist Behinderung eine gesellschaftliche Konstruktion, welche auf einzelne Menschen mit Einschränkungen – die aber eher durch ihr Umfeld „behindert“ werden – projiziert wird (Trescher 2015).
Ein Zugang zu regulären Bildungssettings und eine damit einhergehende Überwindung eines segregierenden Förderschulsystems sind von großer Relevanz für die Minderung von Bildungsbenachteiligung von behinderten Kindern und Jugendlichen (Rohrmann & Weinbach 2017). Das Ziel der Bildung für alle haben die Vereinten Nationen mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), dem internationalen Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, aufgegriffen, welche alle Vertragsmitglieder zur Förderung der Teilhabe von Behinderten an allgemeiner Bildung verpflichtet. Dabei handelt es sich dennoch nicht um Sonderregelungen oder gesonderte Behindertenrechte, sondern um eine Betonung der bereits allgemeingültigen Menschenrechte mit Blick auf die Bedürfnisse von Individuen mit Behinderung. Die Forderung nach gleichberechtigter und vollständiger Teilhabe am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben ist somit fest mit dem Gedanken der Menschenrechte verwoben (Rudolf 2017).
Der Terminus Inklusion hat sich zu einem Schlüsselbegriff, sowohl in der Bildung als auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, entwickelt, der mit allen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen verknüpft ist, da eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Individuen angestrebt wird (Oymanns 2015). Inklusion erfordert in erster Linie eine grundlegende Akzeptanz der menschlichen Diversität sowie einer heterogenen Gesellschaft. Um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewinnen, ist Inklusion daher insbesondere für diejenigen Gesellschaftsmitglieder besonders relevant, welche aufgrund gesellschaftlicher Konstruktionen ausgegrenzt werden (Sauer 2014).
Definitorisch ist der Begriff Inklusion stark kontextabhängig, kann beispielsweise auf gesellschaftliche und soziale Ungleichheit bezogen werden (Luhmann 1997) oder auch auf die bildungspolitischen Rechte behinderter Menschen und die Einbeziehung dieser in das System der allgemeinen Schulen zum Zwecke gesellschaftlicher Teilhabe (Balz, Balz & Kuhlmann 2012). In der Sonder- bzw. Heilpädagogik wird unter Inklusion die Schaffung von Lebenswelten und die Gestaltung der Strukturen – z.B. Bildungseinrichtungen – verstanden, sodass diese dazu dienen, der Heterogenität der Individuen gerecht zu werden (Oehme, 2016). Trescher (2015, S. 167) interpretiert Inklusion als „Prozess, an dessen Ende die gleichberechtigte und gleicherfüllte Teilhabe aller Subjekte an [...] Gemeinschaft und Gesellschaft steht“. Wirksam wird dieser, „indem Menschen mit (geistiger) Behinderung in ihrer Selbstbefähigung und Selbstermächtigung gefördert werden“ (ebd., S. 333). Ferner steht für Harant (2017, S. 112) bei Inklusion „die Vermittlung von individuellen Bedürfnissen aller auf der einen Seite und die Verwirklichung von Gemeinschaft aller auf der anderen“. Freilich muss Inklusion selbst immer im Spannungsverhältnis mit Exklusion betrachtet werden, die es in der Gesellschaft zu minimieren gilt. Bedeutend dabei ist es, die Sensibilisierung für exklusive Prozesse voranzutreiben, sodass strukturelle und individuelle Exklusionen wahrgenommen und aufgedeckt werden können, bevor Inklusion erfolgreich sein kann (Vennemeyer 2019). Diese kurze Sammlung an Definitionsansätzen, zeigt, dass Inklusion als Konstrukt durchaus abstrakt bleibt. Dennoch lassen sich aus dem diffusen Begriff praxisbezogene Ziele ableiten, wobei darauf geachtet werden muss, dass Inklusion an sich nicht pädagogisiert wird; es darf also nicht aus dem Blick verloren werden, dass Inklusion eine gesellschaftspolitische Aufgabe darstellt, die nicht auf die Institution Schule heruntergebrochen werden darf (ebd.).
Bei schulischer Inklusion geht es – kurz gefasst – um das gemeinsame Unterrichten von SchülerInnen mit und ohne Behinderung unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und Einschränkungen (Fürstenau 2012), wobei Klassifizierungen, Segregation und Selektion abgelehnt werden und die Verschiedenheit der SchülerInnen als Chance gesehen wird (Biewer 2009). Somit steht Inklusion in enger Verbindung mit Prinzipien und Werten, wie Barrierefreiheit, Wertschätzung, Mitgefühl, Respekt, Anerkennung, Akzeptanz, Gemeinschaft, Gleichheit und Gleichberechtigung in Bezug auf Zugang zu Bildungsangeboten. Inklusive Bildung fordert einen wertschätzenden und positiven Umgang mit Unterschiedlichkeiten und nutzt die Vorteile dieser Unterschiedlichkeiten zur Steigerung der Erkenntnis-, Lern- und Handlungsprozesse der SchülerInnen. Rohrmann (2014) wie auch Prengel (2006) pointieren, dass das einzig wahre Ziel von Inklusion die untrennbare Gemeinsamkeit und Gleichheit aller SchülerInnen unter gleichzeitiger Anerkennung ihrer individuellen Unterschiede sein muss. Dazu muss jedes Kind als gleichwertig angesehen werden und somit muss sich nicht das Kind – mit oder ohne Förderbedarf – an die jeweilige Schulform anpassen, sondern das System Schule hat die Aufgabe, sich an die Bedingungen der Heterogenität anzupassen. Um die Anerkennung der individuellen Unterschiede zu gewährleisten, ist es wichtig, jedes Kind passgenau und individuell zu fördern. Die gleichwertige Behandlung sowie das Erlernen von Basisqualifikationen – wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus – dient dem Zwecke, jedem Kind gesellschaftliche und politische Teilhabe zu ermöglichen, soziale Beziehungen zu entwickeln und gesellschaftliche Normen und Werte zu verinnerlichen.

3. Die Didaktik der politischen Bildung

Der Inklusionsgedanke lässt sich in keinem anderen Unterrichtsfach – sowohl praktisch als inhaltlich – besser umsetzen als im Kontext der politischen Bildung. Da die gesellschaftlich-konstruierte Inklusion einen salienten Themenbereich in Gesellschaft und Politik darstellt, lässt sich leicht eine Brücke zur politischen Perspektive schlagen (Jahr 2019). Bereits das „menschenrechtsbasierte Verständnis von Inklusion“ (Jahr & Hölzel 2019, S. 3), geht mit einer politischen Forderung einher, die es zu thematisieren gilt. Die Politikdidaktik bewegt sich ohnehin im Rahmen „inklusionsnahe[r] Meta-Konzepte wie Mündigkeit, Teilhabe und Demokratie“ (ebd., S. 4) und zielt durch politische Sozialisationsprozesse auf ein geregeltes gesellschaftliches Zusammenleben (Hedtke 2014).
Der politische Unterricht bewegt sich grundlegend im Rahmen der Pluralität von Interessen und Meinungen in einer Schulklasse sowie auch in der Gesellschaft und fordert zur jeweiligen Bildung eines selbständigen Urteils unter Einfluss von Kontroversität und Interessenslagen auf, wie der ‚Beutelsbacher Konsens‘ es betont. Die wichtigsten Anhaltspunkte für den politischen Unterricht wurden in Deutschland bereits 1976 auf einer Tagung, in deren Rahmen verschiedene Experten der politischen Bildung zusammenkamen, in Beutelsbach diskutiert (Wehling 1977). Drei zentrale Regeln für den Politikunterricht lassen sich dabei festhalten: das Überwältigungsverbot, das Kontroversgebot und das Interessengebot (Sander et al. 2016; Sander 2005). Das Überwältigungsverbot verbietet, SchülerInnen „im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln“ und ihnen so ein eigenständiges Urteil vorwegzunehmen (Wehling 1977, S. 179f.). Das Kontroversgebot verpflichtet Lehrkräfte dazu, jenes, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers abzubilden. Demnach müssen verschiedene Standpunkte, Meinungen, Alternativen und Optionen betont werden, sodass Kontexte von verschiedenen Seiten kritisch beleuchtet werden. Daneben soll die Lehrperson eine Korrekturfunktion haben, denn sie soll auch Standpunkte und Alternativen explizit herausarbeiten, die den SchülerInnen von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind (ebd.). Zuletzt fordert das Interessengebot, dass die SchülerInnen dazu angeregt werden müssen, eine politische Situation zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne ihrer eigenen Interessenlage zu beeinflussen (ebd.). So wird es die Aufgabe der Lehrkraft, SchülerInnen in die Lage zu versetzen, persönliche Interessen vertreten zu können und eine aktive Auseinandersetzung mit politischen Themen zu fördern. Dabei steht stets die Heterogenität der Lernenden im Vordergrund, wodurch ein reger Austausch von Vorstellungen, Meinungen und Interessen angekurbelt wird.

3.1 Ziele der Politikdidaktik

Die autonome und verantwortungsvolle Partizipation in Gesellschaft und Politik, die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten und die kritische Reflexion der gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen sind Gründe für das Betreiben von politischer Bildung. Neben der Eingliederung in die Gesellschaft und der stetigen Verbesserung dieser, ist es die Funktion der politischen Bildung, Kinder und Jugendliche darin zu fördern, eigenständig zu handeln und zu urteilen. SchülerInnen sollen demnach zu mündigen BürgerInnen werden (Autorengruppe Fachdidaktik 2016; Sander et al. 2016; Reinhardt 2016). Generell lässt sich Mündigkeit als „Kompetenz selbstbestimmt zu handeln sowie sich und anderen darüber Rechenschaft ablegen zu können, also den jeweiligen Standpunkt zu reflektieren“ (Grammes 1998, S. 92) beschreiben. Darüber hinaus formuliert Sander (2005, S. 17) Mündigkeit als „eigenständige Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Wirklichkeitsbereich Politik, ohne [...] politischen Meinungen, Urteile und Überzeugungen, zu denen die Lernenden im Einzelnen kommen können, vorwegnehmen zu wollen“, wodurch sie Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz vereinigt.
Mit dem Ziel der Mündigkeit ist der politische Unterricht eine wichtige Instanz der politischen Sozialisation aller SchülerInnen. Politische Sozialisation bedeutet, dass das Individuum seine politische Identität und Persönlichkeit entwickelt und zu einem gesellschaftlich handlungsfähigen Menschen wird. Damit lassen sich die Ziele von politischer Bildung und von Inklusion, welche „Selbstbefähigung und Selbstermächtigung“ (Trescher 2015, S. 333) anstrebt, gut vereinbaren. Sowohl der Inklusionsgedanke als auch die politische Bildung zielen somit auf Prozesse der Prägungen ab, die ein am Gemeinwohl orientiertes gesellschaftliches Leben, in dem Teilhabe gefördert und Ausgrenzung minimiert werden soll, anvisieren. Inklusive politische Bildung hinterfragt demnach gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse mehr als es andere spezifische Fachdidaktiken tun (Jahr & Hölzel 2019).
Die politische Sozialisation kann so als eine Art Politisierung, bei der die Wahrnehmung und Verarbeitung der politisch relevanten Realität im Zentrum steht, gesehen werden. Politische Wirkungszusammenhänge sollen durchschaut werden können und gesellschaftlich und demokratisch relevante Einstellungen und Werte angeeignet werden. Die politische Sozialisation soll dahin führen, dass sich ein Gleichgewicht zwischen einem individuellen Selbst – mit individuellen Eigenschaften, Fähigkeiten etc. – und einem demokratisch-kollektiven Selbst – mit gemeinsamen Normen, Werten etc. – einstellt (Hellmuth & Klepp 2010). Es geht schlichtweg in der politischen Bildung eher um die Aneignung gewisser Fähigkeiten als um den Erwerb von Wissen. Mit der politischen Sozialisation durch die politische Bildung sollen SchülerInnen verschiedene Kompetenzen entwickeln, die sie als mündige Gesellschaftsmitglieder handeln lassen. Dazu gehören vor allem die politische Urteilskompetenz, die Handlungskompetenz und Methodenkompetenz (GPJE 2004), somit aber auch Sozialkompetenz und Sachkompetenz. Demnach sollen SchülerInnen politische und gesellschaftliche Sachinhalte insbesondere kritisch bewerten sowie selbstständig Stellungen und Interessen formulieren können. Des Weiteren sollen sie Standpunkte vertreten können und eigenständig dazu fähig sein, sich über aktuelle politische Diskurse zu informieren und darüber diskutieren zu können. Diese Kompetenzbereiche stehen in einem wechselseitigen Verhältnis und können bzw. sollten gleichzeitig zum Wirken kommen (ebd.).

3.2 Prinzipien und Methoden der Politikdidaktik

Für politischen Unterricht existiert eine Vielzahl spezifischer didaktischer Konzepte und Methoden (Sander et al. 2016). Beispielhaft seien hier die fachdidaktischen Prinzipien des konfliktorientierten Unterrichts (Giesecke 2000), der Problemorientierung (Sutor 1971), der exemplarischen Fallorientierung (Breit & Eichner 2006, Fischer 1993) sowie der produktiven Handlungsorientierung (Breit 1998, 2005) genannt. (Auf eine detailliertere Betrachtung dieser Prinzipien wird im Rahmen dieses Beitrags verzichtet.) Dabei bildet das Prinzip des Konstruktivismus für einen kritisch-hinterfragenden Politikunterricht eine passende erkenntnistheoretische Grundlage, basierend auf der Erkenntnis, dass alles, was wir als subjektive Wirklichkeit erleben, keine objektive Gegebenheit ist, sondern eine von uns Betrachtern hervorgebrachte, konstruierte Welt, sodass die Wahrnehmung der Realität stets von subjektiven Bedingungen abhängt; dieser Gedanke lässt sich ebenso mit den Vorstellungen einer inklusiven Gesellschaft oder Schülerschaft vereinbaren. Für die politische Bildung bedeutet dies, dass jede Lehrperson auch die Erkenntnis besitzen sollte, dass sich jedes Kind bzw. jeder Jugendlicher in einem unterschiedlichen Lebensumstand befindet, unterschiedliche Erfahrungen besitzt und so verschiedene politische Situationen und Themen unterschiedlich bewertet. Vor allem sollte einem im politischen Kontext auch stets bewusst sein, dass Politik selbst ebenso ein menschliches Konstrukt ist (Sander 2008, S. 162f.).
Übergreifend lässt sich sagen, dass generell bei der Unterrichtskonzeption auf frontale Phasen verzichtet werden sollte, denn die reine Methode des Frontalunterrichts ist für jegliche Kompetenzentwicklung, wie Urteils- oder Handlungskompetenz, nur begrenzt einsetzbar. Stattdessen sollte Lernenden, vor allem in heterogenen Gruppen, eine Vielfalt an Lernzugängen geboten werden (Arnold 2012; Arnold & Schön 2019). So ist es notwendig eine abgestimmte Mischung aus verschiedenen schülerzentrierten Methoden in einer eher offenen Unterrichtsform anzuwenden, um die Schwachstellen des lehrerzentrierten Frontalunterrichts umgehen zu können. Dabei ist es wichtig, dass die SchülerInnen ihr Lernen so selbstständig wie möglich organisieren, um mehr als nur Sachkompetenz zu erlangen (ebd.). Methoden des offenen Unterrichts bieten zudem Möglichkeiten zur Differenzierung zwischen Leistungsständen der Lernenden und streben somit eine individuellere Förderung an (Reich 2014).
Ist eine rein offene Unterrichtsform aus verschiedenen Gründen in einer Klasse nicht umsetzbar, bietet sich auch kooperatives oder besser noch kollaboratives Lernen an, sowie ein stetiger Wechsel zwischen lehrerzentrierten und schülerzentrierten Unterrichtsformen. Dabei haben die Lernenden die Möglichkeit, selbstständig alleine oder in Gruppen zu arbeiten und zu lernen – jedoch immer unter Planung, Steuerung und Begleitung der Lehrperson. Die Hauptdevise sowohl des offenen als auch des kooperativen/kollaborativen Unterrichts ist, dass die SchülerInnen gemeinsam miteinander und voneinander lernen können (Oymanns 2015).
Insgesamt müssen die Prinzipien und Methoden der Politikdidaktik vor dem Anspruch des inklusiven Gedankens nicht komplett neu gedacht werden; es geht lediglich darum, auszudifferenzieren, welche Formen des Lernens sich am besten für einen inklusiven politischen Unterricht eignen (Jahr & Hölzel 2019). Insbesondere sollten Binnendifferenzierung und eine – konstruktivistisch gedachte – Orientierung an der alltäglichen Lebenswelt der Lernenden zentral bei diesen Überlegungen sein (Besand & Jugel 2015). 

4. Inklusion als Herausforderung für die politische Bildung? – Wie man politische Bildung und Inklusion zusammen denkt und wo das genuin Politikdidaktische im inklusiven Gedanken zu finden ist

Um die Spezifika für eine inklusive politische Bildung deutlich zu machen, muss man beide Aspekte aufeinander beziehen. Deutlich wurde bisher, dass sich sowohl die politische Bildung allgemein als auch die Grundgedanken eines inklusiven Unterrichts im gesellschaftlichen Kontext abspielen und miteinander verwoben sind. Es geht bei beiden Aspekten letztlich um die Realisierung von (politisch-)gesellschaftlicher Partizipation für alle in der Sphäre des Gemeinwesens (Besand & Jugel 2015). So beschreibt auch Vennemeyer (2019, S. 42) Teilhabe als „verbindendes Element von politischer Bildung und Inklusion“.
Verschiedene spezifische Fachstränge der politischen Bildung, wie beispielsweise der Ansatz der Migrationspädagogik (Mecheril 2013) oder der Ansatz der Inclusive Citizenship Education (Kenner & Lange 2018), lehnen insgesamt Konstruktionen durch gesellschaftliche Etikettierungen aller Art ab. Die ‚Normalität‘, den ‚Anderen‘ durch Zuschreibung zu kreieren und damit Ausgrenzungen zu schaffen, wird kritisiert. Ähnliches beschreibt auch das Konzept der Dekonstruktion, eines der drei Standbeine im Modell der trilemmatischen Inklusion von Boger (2015). Dabei umfasst Dekonstruktion „Forderungen und Wünsche, die darauf zielen, die Konstruktionen, die die Welt in binäre Codes teilen, zu erodieren, also die Wahrnehmung in […] Kategorien […] zu unterlassen“ (ebd., S.53), um damit der Etikettierung entgegenzuwirken. In diesem Sinne muss auch Inklusion weitergreifend auf alle Menschen und somit auf alle SchülerInnen gleich angewendet werden; die Debatte darf sich nicht vereinzelt auf sowieso bereits konstruierte marginalisierte Gruppen beziehen (Besand & Jugel 2015). So formulieren Besand und Jugel (2015, S. 55) Folgendes unter Problematisierung einer genauen Zielgruppenbeschreibung als Konstruktion einer benachteiligten Gruppe:
„Im Kontext einer inklusiven politische Bildung geht es dementsprechend nicht darum, Spezialdidaktiken für spezifische Zielgruppen wie »Behinderte«, »Migranten«, »Politikferne«, »sozioökonomisch Benachteiligte« usw. zu entwickeln, es geht vielmehr darum, sich gezielt mit den Zugangsschwierigkeiten zu beschäftigen, die Menschen davon abhalten, sich mit politischer Bildung zu beschäftigen, und Angebote zu entwickeln, die diese Hindernisse abbauen. Die Angebote, die so entstehen, werden nie nur eine der skizzierten Gruppen ansprechen, sondern alle Menschen, die die jeweiligen Zugangsschwierigkeiten teilen.“
Unter Einbezug dieses Gedankens werden alle kompetenzfördernden unterrichtlichen Maßnahmen, die die Mündigkeit der Lernenden beabsichtigen, gleichwohl zu inklusiven Schritten im Rahmen der politischen Bildung (ebd.). Im Gegensatz zu anderen Unterrichtsfächern, in denen Inklusion schließlich dieselben Ziele verfolgt, grenzt sich die politische Bildung dahingehend ab, dass Inklusion nicht nur durch methodische Gestaltungsformen der Lehrperson umgesetzt wird, sondern dass der inklusive (Gesellschafts‑)Gedanke und die damit einhergehenden Vorstellungen und Werte als Gegenstand thematisiert werden (sollen). Darin steckt die genuin politikdidaktische Perspektive im Diskurs inklusiven Unterrichts. Es geht also nicht nur darum, Inklusion umzusetzen, sondern sie auch zum (politischen) Thema zu machen und die gesellschaftliche ‚Normalität‘ dahingehend reflektiert zu hinterfragen. Als gesellschaftliches Konstrukt muss Inklusion selbst – wie auch alle anderen ‚Normalitäten‘ – innerhalb der gesellschaftlichen etablierten Strukturen als solches aufgedeckt werden (Oeftering 2015a). Zielgruppenformulierung muss problematisiert werden, damit Inklusion nicht als ‚Sonderrecht‘ für durch Zuschreibung konstruierte Gruppen gesehen wird. Freilich muss im Rahmen der Inklusion für diejenigen Individuen, die einst vom Bildungsprozess ausgeschlossen waren, sensibilisiert werden, dennoch sollte Blick nicht davon abgelenkt werden, dass es sich um sozial konstruierte Gruppen handelt (Zurstrassen 2015a).
Inklusion erhebt also den Anspruch, Gruppendenken, Etikettierungen und Kategorien – bei gleichzeitiger Verdeutlichung dieser Begrifflichkeiten – zu hinterfragen. Bei der Thematisierung werden die Kategorien zwar konstruiert; gleichwohl können durch eine reflexive Haltung sowie eine hinterfragende Offenheit die zur Exklusion führenden kategorialen Vorstellungen wieder dekonstruiert werden. SchülerInnen werden im lebensweltlichen und schulischen Kontext zweifellos mit ‚Normalitäten‘, ‚Anders-Sein‘ und damit mit Diskriminierungen konfrontiert, was im Rahmen eines guten inklusiven Politikunterrichts beleuchtet und reflektiert werden sollte, um anschließend die aufgedeckten Machtstrukturen abbauen zu können (Vennemeyer 2019).
Im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention und der darauf gefolgten Nationalen Aktionsplänen wird zudem die generell politische Dimension von Inklusion hervorgehoben und mit menschenrechtlichen Aspekten verknüpft (BMAS 2016; Gerdes et. al. 2015). Eine erfolgreiche politische sowie auch inklusive Bildung sieht folglich eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung, den Erwerb lebenspraktischer, sozialer, kognitiver, sprachlich-kommunikativer und personaler Kompetenzen und schließlich die Entwicklung der Fähigkeit, ein selbstständiges Leben mit gesellschaftlicher und politischer Partizipation unter eigener Urteilsfähigkeit zu führen, vor (KMK 2011). Nicht umsonst spricht auch Jahr (2019, S. 17) von Inklusion als „mehrperspektivischen Antidiskriminierungsansatz für die politische Bildung“.

5. Methodische Gestaltungsmöglichkeiten – Wie inklusive politische Bildung methodisch realisiert werden kann

Der inklusive Sozialkundeunterricht soll die Vorstellung eines Höchstwertes an sozialer, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe mit einem gleichzeitigen Minimum an Barrieren und Diskriminierung realisieren (Reich 2014, S. 37ff.). Konkret soll der inklusive politische Unterricht folgende Punkte erfüllen:

Damit ein Politikunterricht diese Punkte erfüllen kann, können verschiedene Unterrichtsformen und Unterrichtsmethoden in Betracht gezogen werden. Wie bereits oben dargelegt, stellt der rein lehrerzentrierte Frontalunterricht als Unterrichtsform keine Möglichkeit dar, SchülerInnen adäquat in ihrer Kompetenzentwicklung zu fördern (Arnold 2012). Stattdessen eröffnet ein eher schülerzentrierter, lebendiger und offener Unterricht die Möglichkeit zur individuellen Kompetenzförderung und kann Lernstände und Lerntempi berücksichtigen und daran anknüpfen. Gerade dort, wo SchülerInnen viel selbstständig erarbeiten und lernen, können sich ihre Kompetenzen am besten entwickeln. Dabei ändert sich – ganz im Sinne der Prinzipien konstruktivistischer Pädagogik – die Rolle der Lehrperson vom (Be-)Lehrer hin zum Lernbegleiter (Sander et al. 2016; Arnold 2012). Eine offene Unterrichtsform überlässt SchülerInnen zumeist die Planung ihrer benötigten Lernzeit, der Sozialform und des Lernwegs, wodurch Lernen individueller wird und der offene Unterricht den Lernenden so eine hohe Partizipation an der Gestaltung des Unterrichts gewährt. Außerdem bedeutet gemeinsamer Unterricht nicht, dass alle Kinder genau das Gleiche lernen bzw. ein gemeinsames Lernziel verfolgen, weshalb das Unterrichten in heterogenen Klassen spezifischer Methoden und Instrumente bedarf. Ein Projekt vom Katharina Studtmann (2016, S. 60) zeigte, dass der Erfolg eines inklusiven Politikunterrichts mit Kriterien wie „Adressaten-, Handlungs- und Lebensweltorientierung sowie Exemplarität“ zusammenhängt und dass „Elementarisierung, Medienvielfalt, Leichte Sprache Binnendifferenzierung sowie Strukturgebung“ entscheidende Faktoren darstellen. Unter diesen Berücksichtigungen sei die Entwicklung einer Urteils- und Handlungsfähigkeit auch bei SchülerInnen mit Förderbedarf möglich (ebd.).

5.1 Handlungs- und fallorientierte Methoden

Für Kinder und Jugendliche mit eingeschränkten Schreib-, Lese- und Sprachkompetenzen bieten sich Methoden an, die, statt schriftlichem Inhalt, mit Bildern, Videos, Zeichen, Symbolen oder gar mit Körpersprache oder einfacher Kommunikation auskommen (Bird & Buckley 2005; Zaynel 2017). Methoden, die dafür am geeignetsten sind, sind vor allem handlungsorientierte Methoden in einer offenen Unterrichtsform und fallorientierte Methoden in gegebenenfalls kooperativen/kollaborativen Unterrichtsformen, die die Möglichkeit zu einem relativ freien und selbstständigen Lernen unter Begleitung der Lehrperson sichern (Schiefer, Schütte & Schlummer 2015; Studtmann 2016).
So bietet die Methode der Handlungsorientierung eine optimale Möglichkeit für SchülerInnen mit sprachlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen, da durch produktives, simulatives oder reales Handeln und Tun gelernt wird. Können betroffene Lernende an einer gemeinsamen Tätigkeit teilnehmen, indem sie eine bestimmte Rolle und Funktion ausüben, sind sie motiviert, lernwillig und engagiert. Dabei können sie sich Schritt für Schritt durch Projekte oder durch Rollenspiele dem politischen oder demokratischen Handeln nähern. Gerade spielerisch-forschendes Lernen fördert Perspektivenübernahme und Reflexionsfähigkeiten und stärkt dadurch Sozial- und Urteilskompetenz. Weiterhin können Spiele im Politikunterricht, wie Rollenspiele oder inszenierte Debatten und Diskussionsspiele die Kommunikationsfähigkeit ausbauen, die Meinungsbildung fördern und die Handlungskompetenz stärken. Ein handlungsorientierter und ganzheitlicher Unterricht kann so Lernende mit und ohne Behinderung gleichermaßen durch erfahrendes Tun fördern und öffnet ihnen Zugang zu einer aktiven und wachsenden selbstständigen Teilhabe (Scholz 2014). Dabei werden die SchülerInnen nicht zu bestimmten wünschenswerten Werten erzogen, sondern werden dazu befähigt, selbstständig zu werten – im Sinne des emanzipatorischen Wesens der politischen Bildung (Heldt 2017). In handlungsorientierten Methoden ist es ebenfalls möglich gleiche Lerninhalte auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Zielintentionen bearbeiten zu lassen (KMK 2011).
Bei der exemplarischen Fallorientierung werden alltagsnahe – und daher leichter nachvollziehbare – Themen induktiv behandelt. Durch die Beschäftigung mit ausgewählten aktuellen Fällen der Politik lässt sich Konkretes lernen. Nach Möglichkeit sollten spezifische Interessen und die Lebenswelt der Lernenden berücksichtigt werden. Ein fallorientierter Unterricht kann kooperativ in Form einer Gruppenarbeit, in dem mehrere SchülerInnen zusammenarbeiten, oder in Form einer Stationenarbeit – wahlweise auch in Kleingruppen, Partner- oder Einzelarbeit – gestaltet werden. Beide Varianten ermöglichen selbstständiges Lernen und fördern so Handlungskompetenz und bereiten auf politische Urteilsbildung und Beteiligung vor. Gruppenarbeit als kooperative/kollaborative Unterrichtsform kennzeichnet sich durch ein Miteinander und aktiven Austausch innerhalb der Gruppe, wobei die leistungsschwächeren SchülerInnen von dem Vorwissen der Leistungsstärkeren profitieren können (Hild 2009). Induktives kooperatives Lernen kennzeichnet sich als konstruktive und selbsterfahrende Aufgabe (Oymanns 2015).

5.2 Das Konzept Leichte Sprache

Sprache spielt im politischen Unterricht, wie insgesamt in der Schule, eine wichtige Rolle; sie stellt zugleich ein kognitives und ein soziales Werkzeug dar, denn Sprache ermöglicht es Fachinhalte durch Verschriftlichung in Wissen umzuwandeln und dient gleichzeitig der Kommunikation. Problematisiert werden kann die Dominanz der konstruierten deutschen ‚Bildungssprache‘ mit einem hohen geforderten Leistungsniveau in sprachlichen Fähigkeiten, da es dadurch im Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland oft zur Benachteiligung von SchülerInnengruppen, welche Defizite in sprachlichen Kompetenzen aufweisen, kommt. Dies führt dazu, dass, trotz großer Bemühungen zur Inklusion, Lernende nach sprachlichen Fähigkeiten klassifiziert werden. Unbemerkt besteht hier eine weitere gesellschaftliche ‚Schublade‘, welche Diskriminierung bedingt und aufgedeckt sowie hinterfragt werden muss.
Um der UN-BRK gerecht zu werden, ist das System Schule dazu aufgefordert, Individualisierung auch im Bereich der sprachlichen Bildung zu fördern, sodass jedes Kind und jeder Jugendlicher seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten entfalten kann. Dazu ist es im Grunde notwendig, dass Sprache im Unterricht nicht mehr an eine Mindestnorm gebunden ist, sondern individuelle Differenzen zulässt und dadurch den realen schulischen Bedingungen gerecht wird (Chilla 2017; Rüstow 2015). SchülerInnen, die im Bereich des Wortschatzes und des Sprachverständnisses eingeschränkt sind, sind sie nicht dazu in der Lage, Texte mit normalem oder gar hohem Anforderungsniveau zu verstehen und können dadurch in ihrem Wissenserwerb beeinträchtigt werden. Sofern ihnen lediglich die Sprache als Barriere im Weg steht, sie aber dazu fähig sind (politisches) Wissen zu verstehen und zu vernetzen, können und dürfen sie nicht vom Wissenserwerb aufgrund von lediglich sprachlichen Defiziten abgehalten werden (Zaynel 2017). Im Sinne grundlegender Barrierefreiheit – nicht nur physischer Art – darf Sprache keine Barriere für Lernende mit leichten geistigen oder sprachlichen Beeinträchtigungen darstellen (Spreer, Schulze & Glück 2015). Aufgabe der Lehrkräfte für einen inklusiven Politikunterricht ist es daher eine „Passung zwischen den mit dem Curriculum verbundenen Lernanforderungen und den eingeschränkten, rezeptiven Fähigkeiten herzustellen“ (ebd., S. 173), sodass inhaltlich-fachliches Lernen und sprachliches Lernen ineinandergreifen und ein sprachlicher Zugang auf allen Niveaus zum Sachinhalt eröffnet wird (Fürstenau 2012).
Die Verwirklichung dieser Aufgabe möchte das Konzept der Leichten Sprache ermöglichen. Dieses Konzept arbeitet mit leichten und minimalistisch strukturierten Sätzen – kurze Hauptsätze, Verzicht auf Nebensätze – und vermeidet komplizierte Begriffe und Fremdwörter, wodurch das Verständnis von schriftlichen Texten erleichtert werden soll (Bredel & Maaß 2016; Kellermann 2014). Sachzusammenhänge, selbst komplexe, werden hierbei inhaltlich nicht verändert oder reduziert, sondern lediglich angemessen vereinfacht, um den LeserInnen Zugang zu sämtlichem Wissen zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist die Leichte Sprache insbesondere für Kinder, Jugendliche, aber auch für Erwachsene von Relevanz. Das Ziel dieses Konzepts ist es, Menschen, die aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen eine niedrige Lesekompetenz aufweisen, die Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben möglich zu machen (Seitz 2014; Lasch 2017).
Um eine Einheitlichkeit zu garantieren, gibt das Netzwerk Leichte Sprache in Zusammenarbeit mit dem BMAS ein Regelwerk heraus, welches Regeln zur Typografie, zur Orthografie und zur Sprachstruktur, also zum Vokabular und zur Grammatik, umfasst (BMAS 2014). Als kritischen Einwand hinsichtlich des Konzepts muss man allerdings festhalten, dass die Regeln für Leichte Sprache noch nicht ausreichend linguistisch systematisiert und empirisch überprüft sind (Bock 2014, 2015). Teils sind die Regeln noch sehr unspezifisch und es bedarf dahingehend noch einer terminologischen Kategorisierung bzw. stärkeren und zielgruppenspezifischeren Definierung komplexer und zu vermeidender Wörter und Verknüpfungen (Siegel & Lieske 2015).
Die Nutzung von in Leichter Sprache verfassten Materialen ist dennoch bereits heute für Lehrkräfte in heterogenen Lerngruppen von Relevanz, damit Sprachbarrieren leichter überwunden werden können und SchülerInnen mit kognitiven oder sprachlichen Beeinträchtigungen Zugang zu Informationen und Wissen erlangen. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) bietet auf ihrer Webseite unterschiedlichste Rubriken in Leichter Sprache, die von Kindern und Jugendlichen mit DS selbst genutzt werden oder im Unterricht Anwendung finden können. Ferner stellt die BPB Informationsmaterialien in Leichter Sprache zur Verfügung, die aktuelle und grundsätzliche politische Sachzusammenhänge, wie Bundestagswahlen oder das Grundgesetz, erläutern und verständlich machen. Diese können von Lehrkräften als bereits differenziertes, sprachlich reflektiertes Unterrichtsmaterial verwendet werden (BPB 2016).
Insgesamt stellt das Prinzip der Leichten Sprache für einen inklusiven Unterricht mit Lernenden mit kognitiven Beeinträchtigungen einen wichtigen Schritt dar, um den Herausforderungen der Inklusion gerecht werden zu können. Inklusion kann und muss auch durch sprachliche Binnendifferenzierung erfolgen und muss somit Unterrichtsmaterialien in Leichter Sprache bereitstellen, die z.B. von Kindern und Jugendlichen mit Trisomie 21 verarbeitet werden können (Oeftering 2015b). Genau gesagt darf die Sprache kein Kategorisierungsmerkmal und keine Barriere darstellen, die SchülerInnen mit diesbezüglichen Handicaps den Zugang zu Informationen und politischem Wissen verwehrt (Spreer et al. 2015). Damit stellt die Leichte Sprache nach Rüstow (2015, S. 114) ein „Schlüssel für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung“ dar und kann dadurch ein passendes Werkzeug für einen erfolgreichen inklusiven Politikunterricht darstellen.
Nach wie vor gilt jedoch auch beim Konzept der Leichten Sprache zu beachten, dass die ‚gut gemeinte‘ Differenzierung nicht im selben Maße selbst zur Exklusion führt, indem Vorurteile zu Personen mit sprachlichen Defiziten geschaffen werden, was wiederrum zu einer Kategorisierung und Diskriminierung führen könnte. Daher muss die Leichte Sprache – ebenso wie alle inklusiven Maßnahmen – bewusst eingesetzt werden und eine politisch-kritische Perspektive auf Aspekte der ‚Normalität‘ und des ‚Anderssein‘ betont werden, um gerade in diesem Sinne Exklusion zu verhindern und Inklusion und Chancengleichheit zu fördern (Zurstrassen 2015b).

6. Ausblick

Die Inklusion von SchülerInnen mit (sprachlichen) Beeinträchtigungen im Politikunterricht stellt Herausforderung und Chance zugleich dar. Fakt ist, dass Lehrkräfte auf grundsätzliche Werkzeuge angewiesen sind, um den Anforderungen der Unterrichtung einer heterogenen Lerngruppe gerecht werden zu können. Denn das pädagogische Konzept der inklusiven Bildung strebt vor allem eine individuelle Förderung der Lernenden unter Gleichberechtigung und Wertschätzung an (Graumann 2012). Allerdings wird von Seiten (angehender) Lehrkräfte häufig auch ein Mangel an Informationen bezüglich Inklusion sowie der einzelnen Förderbedarfe beklagt (Schön, Stark & Stark 2017), sodass die mit ihnen einhergehenden pädagogischen Anforderungen in der Lehrkräfte Aus- und Weiterbildung stärker durch die Vermittlung didaktischer Methoden und Konzepte, aber auch grundlegender theoretischer Kenntnisse über Inklusion begegnet werden sollte. Um Unterricht in inklusiven Settings erfolgreich gestaltet zu können, muss neben den geeigneten Methoden und Werkzeugen aber selbstverständlich auch eine entsprechende professionelle pädagogische Haltung vorherrschen (Langner 2015; Schön, Stark & Stark 2018). Es muss klar sein, dass in inklusiven Schulsettings kein lehrerzentrierter Unterricht stattfinden kann, sondern vielmehr Schülerorientierung und Prinzipien systemisch-konstruktivistischer Didaktik grundlegend sein müssen (Arnold & Schön 2019). Dahingehend muss sich auch die universitäre Lehramtsausbildung reflektieren und entsprechende methodisch-didaktische Konzepte in stärkerem Maße vermitteln.
Damit der Sozialkundeunterricht auch für Kinder und Jugendliche mit sprachlichen Defiziten angemessen ist, sollte der Unterricht stets in einer offenen, lebendigen und schülerzentrierten Form gestaltet werden (Reich 2014). Um SchülerInnen zum politischen Handeln zu befähigen, muss der Unterricht sie in ihren politischen Kompetenzen – im Sinne von Sach-, Urteils-, Handlungskompetenz (GPJE 2004) – fördern. Denn der Sozialkundeunterricht soll sie zu mündigen, vollwertigen und gleichberechtigten Gesellschaftsmitgliedern ausbilden, die politische Sachinhalte reflektieren können, sich politische Meinungen bilden können und ihre politischen Rechte zu nutzen wissen.
Methoden, die sprachliche Defizite ausgleichen und eher auf Lernen durch visuelle Anreize und durch Handeln setzen, sind insbesondere handlungs- und fallorientierte Methoden: In einem handlungsorientierten Unterricht kann durch produktives, simulatives oder reales Tun ganzheitlich, aktiv und selbstständig gelernt werden, während ein exemplarischer Unterricht durch interessante und alltagsorientierte Themen Zugang zum Lerninhalt bietet. In beiden Konzeptionen lässt sich binnendifferenziert, also mit unterschiedlichen Zielintentionen, vorgehen, denn sowohl handlungsorientierte als auch fallorientiere Methoden bieten die Möglichkeit, Aufgaben auf unterschiedlichen Lernniveaus und unterschiedliche Materialien anzubieten. Unterrichtsmaterialien können inhaltlich für Betroffene durch Visualisierung, in Form von Bilder und Videos, oder durch Verwendung von Texten in leichter Sprache zur Überwindung der Sprachbarriere zugänglich gemacht werden. Zudem können insbesondere durch Gruppen- sowie Stationenarbeit und durch die Arbeitsform des Co-Teaching die individuelle Förderung einzelner SchülerInnen spezifischer und punktuell unterstützt werden. Durch größtmögliche Selbstorganisation und interessengeleitetes Lernen kann es allen SchülerInnen einer heterogenen Lerngruppe gelingen, dem Demokratieverständnis näherzukommen, Politikkompetenzen zu erlangen und somit auf politische Partizipation vorbereitet zu werden. Angesichts dessen ist ein offenes Unterrichtskonzept in passend gestalteter Lernumgebung und in Lernprozessbegleitung durch die Lehrkraft vielversprechend. Kurz lässt sich sagen, dass ein Politikunterricht, der auf Individualisierung und Selbstständigkeit der Lernenden setzt, SchülerInnen, auch jene mit Behinderungen, dazu verhilft, sich zu mündigen, politisch informierten und politik-engagierten BürgerInnen zu entwickeln.
Trotz einiger Schwierigkeiten und Herausforderungen, die das inklusive Unterrichten mit sich bringt, sollten die Chancengleichheit und der gegenseitige wertschätzende und respektvolle Umgang aller ein triftiger Grund für die Inklusion sein. Die sprachliche Vereinfachung komplexer Inhalte zum besseren Verständnis kann einen ersten Schritt und eine mögliche Hilfe für inklusiven Unterricht darstellen. Mit den richtigen Einstellungen der Lehrpersonen und einem Repertoire an angemessenen Methoden und Differenzierungsmöglichkeiten kann Inklusion als rein gewinnbringend betrachtet werden, nicht nur in Bezug auf das System Schule, sondern auch im weiteren Blick auf die Entwicklung einer heterogenen und möglichst inklusiven Gesellschaft.

 

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