Bettina Streese & Jacquelin Kluge:Förderschulen zwischen Inklusion und Exklusion – Zur Situation und den Perspektiven der niedersächsischen Förderschulen aus bildungspolitischer und fachwissenschaftlicher Sicht

Abstract: Deutschland steht mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention seit 2009 gemäß Artikel 24 in der Pflicht, ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten. Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt eindeutig heraus, dass das deutsche Förderschulsystem nicht mit einem inklusiven Bildungssystem zu vereinen ist. Dennoch halten viele Bundesländer bisher an dem segregierenden System fest. Die Auseinandersetzung um das Entwickeln und Finden neuer Strukturen ist ein Prozess, der sich auf verschiedenen Ebenen vollzieht. In diesem Beitrag wird exemplarisch am Bundesland Niedersachsen in den Blick genommen, wie sich die Situation der Förderschulen aktuell darstellt und welche Perspektiven die Bildungspolitik für die Förderschulen derzeit entwickelt. 

Stichworte: Inklusion, Exklusion, Förderschulen, Bildungspolitik, Niedersachsen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Niedersächsische Förderschulen zwischen Inklusion und Exklusion
  3. Perspektiven für niedersächsische Förderschulen aus bildungspolitischer Sicht
  4. Idealbild eines Bildungssystems und der Weg dahin
  5. Literatur

 

1. Einleitung

Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ratifiziert und steht seit 2009 gemäß Artikel 24 in der Pflicht ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten. Auf fachlicher sowie bildungspolitischer Ebene wird in der Diskussion um die Gestaltung eines inklusiven Bildungssystems überaus kontrovers über die Konformität der Institution Förderschule mit der UN-BRK verhandelt. Es stellt sich die Frage, ob die Aufrechterhaltung von Förderschulen mit einem inklusiven Bildungssystem im Sinne der UN-BRK zu vereinen ist. Während eine Stellungnahme der Monitoring-Stelle UN-BRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIM) diesbezüglich eindeutig herausstellt, dass „die Aufrechterhaltung separierender Strukturen nicht UN-BRK-konform ist“ (DIM, 2017, S. 3), offenbart ein Blick auf Länderebene, dass die Rolle der Förderschulen auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem sehr stark differiert. Bremen beispielsweise hat die Förderschultypen der Schwerpunkte Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung, Sprache und Geistige Entwicklung vollständig aufgelöst, die Mehrzahl der Länder hält aktuell jedoch noch an den traditionellen Strukturen des Förderschulwesens fest (vgl. Klemm & Preuss-Lausitz, 2017). Parallel zu diesen Entwicklungen verändert sich zudem die Struktur der Schulsysteme in der Sekundarstufe. Insgesamt sind drei Ausrichtungen zu finden, die sich gleichmäßig über die Anzahl der Länder verteilen: Zweigliedrigkeit, erweiterte Zweigliedrigkeit sowie erweitert traditionelle Systeme (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018, S. 89f). Diese Strukturen erweisen sich im Kontext der inklusiven Entwicklungen entsprechend herausfordernd. Mit einzelnen Einschränkungen wird den Erziehungsberechtigten deutschlandweit in der Regel das Recht gewährt, für ihre Kinder den Lernort zu wählen (Klemm & Preuss-Lausitz, 2017, S. 22), was zudem erhebliche Auswirkungen sowie Planungsunsicherheiten bzgl. der schulischen Strukturen mit sich bringt.
Die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems ist ein langwieriger Prozess, der verschiedene, miteinander in Verbindung stehende Ebenen durchläuft und in diesen unterschiedlich rekontextualisiert wird (vgl. Fend, 2008; Lütje-Klose, Neumann & Streese, 2017). Gesteuert wird er im Bundesland auf oberster Ebene durch die Bildungspolitik des Landes. Hier setzt dieser Beitrag an: Exemplarisch am Bundesland Niedersachsen wird der Weg zu einem inklusiveren Bildungssystem auf bildungspolitischer Ebene mittels einer Dokumentenanalyse zentraler bildungspolitischer Dokumente zu den Themen Integration und Inklusion seit den 1990er Jahren rekonstruiert, wobei insbesondere die Entwicklung der Förderschulen fokussiert wird. Konkret wird die Frage in den Blick genommen, wie sich in Niedersachsen die aktuelle Situation der Förderschulen darstellt und welche Perspektiven die Bildungspolitik für die Förderschulen im Kontext der Umsetzung inklusiver Beschulung entwickelt, zumal sich die Frage nach der Kompatibilität der dauerhaften Aufrechterhaltung des Förderschulsystems bei der Umsetzung eines inklusiven Schulsystems stellt (vgl. Werning & Thoms, 2017). Um diesen Fragen nachgehen zu können, werden zunächst das zugrundeliegende Inklusionsverständnis geklärt und bisherige Wege hin zu einem inklusiven Bildungssystem in Niedersachsen nachskizziert. Darauf aufbauend werden der aktuelle Stand und Perspektiven für die Förderschulen sowie für ein inklusives Bildungssystem im Ganzen erarbeitet.
Neben der Analyse bildungspolitischer Dokumente basiert der Beitrag auf einem am 15. Februar 2018 geführten leitfadengestützen Interview mit dem niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne, in dem er Rede und Antwort steht zu Fragen nach der Konformität der niedersächsischen Förderschulen mit der UN-BRK. Konkret wurden im Interview Fragen nach dem zugrundeliegenden Inklusionsverständnis sowie zu aktuellen Entwicklungen im Bundesland bearbeitet, z.B. welche Gründe sich hinter der Entscheidung verbergen, der Förderschule Lernen im Sekundarbereich I einen Bestandsschutz bis 2028 zu gewähren oder welche Gründe der Entscheidung zugrunde liegen, keine weiteren Förderschultypen abzuschaffen. Weiterhin wurden Fragen nach dem Elternwahlrecht und den Plänen zur weiteren Ausgestaltung eines inklusiven Bildungssystems gestellt. Das transkribierte Interview wurde anschließend inhaltsanalytisch in einem deduktiv-induktiven Prozess mit Blick auf das Inklusionsverständnis und die Perspektiven für die Förderschulen ausgewertet.

2. Niedersächsische Förderschulen zwischen Inklusion und Exklusion

2.1 Inklusionsverständnis

In der Inklusionsdiskussion werden verschiedene Verständnisse von Inklusion unterschieden. So rekonstruiert Grosche (2015) insgesamt 28 verschiedene Lesarten des Begriffs und ordnet diese den vier Dimensionen inklusive Kulturen, inklusive Strukturen, inklusive Praktiken sowie der juristischen Dimension zu. Das Inklusionsverständnis der niedersächsischen Landesregierung zeichnet sich durch folgende zentrale Aspekte aus:

Gleichberechtigter und barrierefreier Zugang zu öffentlichen allgemein bildenden Schulen

„Die öffentlichen Schulen ermöglichen allen Schülerinnen und Schülern einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang und sind damit inklusive Schulen. Welche Schulform die Schülerinnen und Schüler besuchen, entscheiden die Erziehungsberechtigten“ (NSchG § 4 Abs. 1). „Keinem Kind wird in Niedersachsen der Zugang zu einer bestimmten Schule oder Schulform aufgrund einer Einschränkung oder Behinderung verwehrt“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online a). Der Kultusminister betont, da liege „das Verständnis zugrunde, dass jedes Kind, so es denn möchte, eine allgemein bildende Schule besuchen kann und zwar egal, was für Voraussetzungen das Kind mitbringt […]. Grundsätzlich gibt es den Anspruch, dass Kinder miteinander gemeinsam lernen“ (Tonne, 2018, Z. 4). Das niedersächsische Schulgesetz folgt somit einem eher statischen denn prozessbezogenen Verständnis von Inklusion. „Im Gegensatz zu anderen Schulgesetzen, in welchen Inklusion als Auftrag der schulischen Entwicklung beschrieben wird, beispielsweise in Bremen, sind in Niedersachsen die Schulen dem Gesetz nach dann inklusiv, wenn sie den Schülerinnen und Schülern einen gleichberechtigten Zugang ermöglichen“ (Werning & Thoms, 2017, o. S.). Das niedersächsische Verständnis ist damit der „Platzierungsdefinition“ von Inklusion (Grosche, 2015, S. 34) zuzuordnen, die beschreibt, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren Voraussetzungen unbedingt in eine Schulklasse aufgenommen werden. Der Kultusminister beschreibt weiterhin: „Es gibt ein Förderschulsystem neben dem allgemein bildenden Schulsystem. […] Jedes Kind, das in das allgemein bildende Schulsystem möchte, kommt heute in das allgemein bildende Schulsystem“ (Tonne, 2018, Z. 14). Nach dem Verständnis des Kultusministers zählen Förderschulen also nicht zum allgemein bildenden Schulsystem. In der Fachdiskussion besteht jedoch Einigkeit darüber, dass Förderschulen nach dem deutschen Schulrecht zu den allgemeinbildenden Schulen gehören, da sie allgemeinbildend sind. Allerdings wird gestritten, ob der Begriff „general education system“ aus dem englischen Original der UN-BRK mit „allgemeines Bildungssystem“ (deutsche Übersetzung UN-BRK; Wrase, 2017, S. 20) oder „allgemeinbildendes Schulsystem“ (Speck, 2015, o. S.) zu übersetzen ist. Letzteres würde bedeuten, dass das deutsche Bildungssystem formal bereits als inklusiv angesehen werden könnte (vgl. ebd.). Es ist nicht eindeutig geklärt, welchem Verständnis die niedersächsische Landesregierung hier folgt oder ob ggf. das Verständnis vorherrscht, dass auch die öffentlichen niedersächsischen Förderschulen inklusive Schulen sind und alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig von einem festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf – aufnehmen können, sofern deren Eltern dies wünschen. 

Erweitertes Verständnis von Inklusion

„Die Niedersächsische Landesregierung vertritt ein erweitertes Begriffsverständnis von Inklusion. Inklusion bedeutet in diesem Sinne die umfassende und uneingeschränkte Teilhabe jedes Einzelnen am gesellschaftlichen Leben. Das schließt ausdrücklich das Recht auf Bildung ein. Die inklusive Schule ist eine Schule der individuellen Förderung, in der jedes Kind mit seinen individuellen Talenten, Begabungen sowie besonderen Bedarfen bestmöglich unterstützt wird. Die inklusive Schule begreift Heterogenität als Grundlage und Chance schulischer Arbeit und Bildung“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online a).
Einzig die Platzierung, also der Zugang zur öffentlichen, allgemeinen Schule, gewährt noch keine Auskunft über die Ausgestaltung von Inklusion. Hier bekennt sich die niedersächsische Landesregierung dazu, dass die inklusive Schule Heterogenität als Selbstverständlichkeit, ja sogar als Chance betrachtet und dass die bestmögliche Förderung und Unterstützung aller Kinder und Jugendlichen bei uneingeschränkter Teilhabe gewährleistet wird. Damit kommt sie der Anerkennungsdefinition von Inklusion (Grosche 2015, S. 33) nahe. Grundlegend ist festzuhalten, dass das niedersächsische Kultusministerium damit ein erweitertes Verständnis vertritt, in dem alle Lebensbereiche angesprochen sind und der Fokus auf alle Kinder und Jugendlichen und somit auf alle Heterogenitätsdefinitionen gelegt und nicht die Zwei-Gruppen-Theorie (vgl. Hinz, 2009) verfolgt wird. Andererseits fußt die schulstrukturelle Ebene weiterhin auf dieser Theorie, denn anderenfalls würde verstärkt daran gearbeitet werden, die Integration der Förderschulen in das allgemeine Systemvoranzubringen. Nach aktuellem Stand unterliegt das Förderschulwesen derzeit noch einer exklusiven Struktur.

2.2 Entwicklung inklusiver Beschulung in Niedersachsen

In Niedersachsen wurde die inklusive Schule mit dem Schuljahr 2013/14 beginnend verbindlich und aufsteigend ab den Schuljahrgängen 1 und 5 eingeführt. Im Schuljahr 2018/19 ist der vollständige Ausbau in den allgemeinen Schulen erfolgt und setzt sich nun auch in den berufsbildenden Schulen fort (Niedersächsisches Kultusministerium, online a). Die heute vorzufindenden Grundstrukturen für die sonderpädagogische Förderung in der allgemeinen Schule wurden bereits in den 1990er Jahren mit der im Kontext der Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in die allgemeinen Schulen entwickelten Rahmenkonzeption „Lernen unter einem Dach“ (Niedersächsisches Kultusministerium, 1998) geschaffen. Sonderpädagogische Grundversorgung, Mobile Dienste, Kooperationsklassen und Integrationsklassen wurden systematisch nach den ersten Schulversuchen zur gemeinsamen Beschulung (seit 1986/87) entwickelt (Niedersächsischer Landtag, 2001) und in Regionalen Integrationskonzepten in sehr unterschiedlichem Ausmaß verwirklicht. 1993 wurde im niedersächsischen Schulgesetz der Grundsatz verankert, dass in der Regel Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, an allen Schulen gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern erzogen und unterrichtet werden sollen. Der Erlass „Sonderpädagogische Förderung“ vom 1. Februar 2005 erklärt dementsprechend die sonderpädagogische Förderung zur „Aufgabe aller Schulen“ und sieht vor, dass „als Förderort die zuständige allgemeine Schule anzustreben“ ist (Niedersächsischer Landtag, 2007a). Schon vor der Ratifizierung der UN-BRK kam es in Niedersachsen in einzelnen Regionen daher aufgrund dieser integrativen Entwicklungen zu Schließungen von Förderschulen (siehe auch Tabelle 1).
Im bundesdeutschen Durchschnitt lag die Förderquote im Schuljahr 2016/17 bei 7,1%, die Inklusionsquote bei 2,8% und die Exklusionsquote bei 4,3%. Im Bundesland Bremen, dem Bundesland mit den gravierendsten Veränderungen in den Schulstrukturen, lag im gleichen Schuljahr die Förderquote bei 7,1%, die Inklusionsquote bei 5,9% und die Exklusionsquote nur bei 1,2%. Verfolgt man die zahlenmäßige Entwicklung in Niedersachsen (Abbildung 1), so ist zu erkennen, dass die Förderquote etwas unter dem Bundesdurchschnitt liegt und dass die Inklusionsquote im Verlauf auf 3,3% gestiegen ist, während die Exklusionsquote leicht gesunken ist. 

Abbildung 1: Entwicklung der Förderquote, Inklusionsquote und Exklusionsquote in Niedersachsen seit 2000 (Eigene Darstellung, Daten entnommen aus Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 81; 2018, S. 105 und Klemm, 2015, S. 58)

Während in Niedersachsen etwa die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf eine Förderschule besuchen, sind dies bundesweit fast zwei Drittel und in Bremen lediglich ein Sechstel der Schülerinnen und Schüler.
Besonders auffällig erscheint in Niedersachsen, dass die Anzahl der Feststellungen sonderpädagogischer Unterstützungsbedarfe (Förderquote) insbesondere seit der Einführung der Inklusion deutlich angestiegen ist. Ein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf kann in Niedersachsen in den Förderschwerpunkten Emotionale und Soziale Entwicklung, Geistige Entwicklung, Hören, Lernen, Sehen, Sprache sowie Körperliche und Motorische Entwicklung über das förmliche Feststellungsverfahren durch die Schulaufsicht festgestellt werden. Eine Differenzierung in diese sieben verschiedenen Förderschwerpunkte ergibt noch einmal ein anderes Bild, insbesondere auch mit Blick auf die Situation der niedersächsischen Förderschulen:

Abbildung 2: Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf – differenziert nach Förderschwerpunkten und Art der Beschulung in den Jahren 2012 bis 2016 (Landesrechnungshof, 2018, S. 11)
Die Zahlen zeigen, dass – außer im Förderschwerpunkt Lernen – bislang keineswegs von einer Entwicklung Richtung Inklusion gesprochen werden kann und sich bezogen auf die Situation der Förderschulen (außer Lernen) nichts verändert hat. Vielmehr ergibt sich eine paradoxe Situation, die Wrase bereits an anderer Stelle beobachtet hat: „Die Zahl der integrativ beschulten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf steigt, während der Anteil der an Förderschulen unterrichteten Kinder nur geringfügig abnimmt“ (Wrase, 2017, S. 18) und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf somit insgesamt steigt.
Für die Finanzierung der schulischen Inklusion und damit auch die Ressourcenzuweisung bezogen auf die sonderpädagogische Expertise gelten in Niedersachsen unterschiedliche Systeme: für die sonderpädagogische Grundversorgung an den Grundschulen werden den Schulen bereits seit ihrer Einführung zwei sonderpädagogische Lehrer*innenstunden pro Klasse als systemische Ressource zugeteilt. Diese beziehen sich auf die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung und außerdem auf die Prävention der Entstehung sonderpädagogischer Unterstützungsbedarfe. Für die Förderschwerpunkte Sehen, Hören und Körperliche und motorische Entwicklung werden schüler*innenbezogene Ressourcen in Form von Mobilen Diensten gewährt und für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung weitere Stunden pro Kind zusätzlich zur sonderpädagogischen Grundversorgung zugewiesen (Niedersächsisches Kultusministerium, online b). Grundschulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung sowie Schulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund oder Schulen in besonderen sozialökonomischen Brennpunkten können darüber hinaus zusätzliche Lehrer*innenstunden beantragen. In den weiterführenden Schulen erfolgt die Zuweisung grundsätzlich schüler*innenbezogen, die Anzahl der zugewiesenen Stunden ist jeweils abhängig von der Art des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung. Für die sonderpädagogische Grundversorgung in der Grundschule erhält eine dreizügige Schule unabhängig von der tatsächlichen Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfen Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung und Sprache 24 Unterrichtsstunden einer sonderpädagogischen Lehrkraft, während in der Sekundarstufe alleine ca. acht Schülerinnen und Schüler mit entsprechenden Unterstützungsbedarfen diese Personalressource auslösen würden. Der niedersächsische Kultusminister bemerkt, dass das Ministerium sich auch immer eine Ressourcenfrage stellen muss: „Wie kriegen wir eigentlich ausreichend Experten dann ins allgemein bildende Schulsystem, die die Kinder dort mit ihrem Förderbedarf trotzdem zielgerichtet und punktgenau unterstützen können? - Deswegen wurde ja gesagt, lassen wir die Förderschule Lernen auslaufen, weil es da im Verhältnis zueinander am ehesten gerechtfertigt ist das zu machen“ (Tonne, 2018, Z. 8), denn „Kinder mit einer Lernbeeinträchtigung sind die, die am leichtesten auch im allgemein bildenden Schulsystem zu beschulen sind. Binnendifferenzierter Unterricht ist Standardprogramm für unsere Lehrkräfte, das machen sie auf einem exzellent hohen Niveau und das können sie auch“ (Tonne, 2018, Z. 8).
Fraglich erscheint hier, warum gerade Kinder und Jugendliche, die ein zieldifferentes Lernangebot benötigen, „am leichtesten“ allgemein zu beschulen seien? Schülerinnen und Schüler, die zielgleich unterrichtet werden (z. B. mit Unterstützungsbedarfen in den Bereichen Sprache, Sehen, Hören, Körperliche und Motorische Entwicklung) werden schließlich nach dem allgemeinen Lehrplan unterrichtet. Es ließe sich interpretieren, dass für die Unterstützung der zieldifferent unterrichteten Kinder womöglich kein größerer Ressourcenaufwand gesehen wird, da die allgemeinen Lehrkräfte dies bereits im Rahmen des differenzierten Unterrichts übernehmen. 

2.3 Zur Situation und Rolle der Förderschulen im Entwicklungsprozess

Im Zuge der Entwicklung zu einem inklusiven Schulsystem hat die niedersächsische Landesregierung bisher den sukzessiven Abbau der Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen fokussiert. Eine erste Schulgesetzänderung zum Auslaufen der Förderschule Lernen im Primarbereich erfolgte im Jahr 2012 (NschG § 14 Abs. 4 Satz 2, § 183 c Abs. 4), das Auslaufen des Sekundarbereichs der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen wurde 2015 gesetzlich verankert (NSchG § 183 c Abs. 5). Der in der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung (SPD & CDU) von 2017 vereinbarte Bestandsschutz der Förderschulen Lernen für eine Übergangszeit bis spätestens 2028 wurde in der Schulgesetzänderung vom 25.02.2018 umgesetzt, „indem neben dem inklusiven Unterricht weiterhin der Schulbesuch unter den Bedingungen der Förderschule möglich bleibt. Damit werden die Möglichkeiten der kommunalen Schulträger, den jeweiligen regionalen Bedingungen bei der Weiterentwicklung der Inklusion Rechnung tragen zu können, erweitert. Auch wird der Wunsch vieler Betroffener entsprochen, die Schulwahlfreiheit zu sichern. Eltern haben somit die Möglichkeit, für ihr Kind eine ausschließlich inklusive Schule oder eine Förderschule bzw. allgemeine Schule mit einer Lerngruppe Lernen anzuwählen“ (Vorwort NSchG S. 3). Ein Abbau der Förderschulen für die anderen sonderpädagogischen Förderschwerpunkte ist bisher nicht vorgesehen, bei ihnen sind häufig auch die Mobilen Dienste eingerichtet. Im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gab es offensichtlich Überlegungen zu Veränderungen in den Angebotsstrukturen bezogenen auf die Erfüllung der Schulpflicht in Tagesbildungsstätten (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, 2016, S. 16), die sich im Aktionsplan Inklusion 2017/18 (ders., o. J., S. 27) jedoch nicht wiederfinden. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Bereich der Geistigen Entwicklung haben in Niedersachsen neben einer inklusiven Beschulung die Möglichkeit, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung zu besuchen oder alternativ ihre Schulpflicht in einer anerkannten Tagesbildungsstätte zu absolvieren. Tagesbildungsstätten entstammen historisch betrachtet der Zeit, als der Personenkreis von Menschen mit sog. geistiger Behinderung vom Schulbesuch ausgeschlossen war. Zwischen 1950-1970 etablierten sie sich deutschlandweit als Betreuungseinrichtungen für entsprechende Kinder und Jugendliche. Das Land Niedersachsen hält als einziges Bundesland bis heute an dieser durch die Eingliederungshilfe finanzierten Struktur fest; alle anderen Bundesländer haben mit Einsetzen der Schulpflicht für alle Kinder die Tagesbildungsstätten in Förderschulen umgewandelt. Laut Thümmel existierten im Jahr 2009 56 Tagesbildungsstätten in Niedersachsen (Thümmel, 2012, S. 167). 3024 von 9571 niedersächsische Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung erfüllten 2006 in einer Tagesbildungsstätte ihre Schulpflicht (Niedersächsischer Landtag, 2007b). Genaue Einrichtungs- und Schüler*innenzahlen bezogen auf die Tagesbildungsstätten sind in den amtlichen Schulstatistiken des Landes nicht zu finden. Die Anzahl der niedersächsischen Förderschulen hat sich in den vergangen ca. 40 Jahren folgendermaßen entwickelt:

 

1975

1990

2005

2010

2014

2015

2016

Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen

210

193

184

179

156

145

135

Förderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung

17

43

47

50

51

51

51

sonstige Förderschulen

40

50

65

65

63

63

63

Insgesamt

267

286

296

294

270

259

249

Tabelle 1: Anzahl der niedersächsischen Förderschulen seit 1975 (Eigene Darstellung, Daten entnommen aus: Niedersächsisches Kultusministerium, 2018, S. 13 ff.)
Während die Anzahl der Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen um mehr als ein Drittel zurückgegangen ist, sind die Anzahlen der Förderschulen für die anderen Förderschwerpunkte angestiegen und in den letzten Jahren konstant geblieben. Für die Tagesbildungsstätten ist insgesamt nur der o.g. Wert zu finden. Es ist anzunehmen, dass diese 56 Einrichtungen auch heute noch in der Anzahl vorzufinden sind, zumal die Förderquote im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung etwas angestiegen ist (siehe Abbildung 2).
Der Auftrag der Förderschulen und der allgemeinen Schulen, die Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung aufnehmen, ist deren Unterrichtung und Erziehung, „darüber hinaus Beratung, individuelle Förderplanung und die Zusammenarbeit mit allen an der Förderung der Schülerinnen und Schüler beteiligten Personen und Einrichtungen“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online d). Die Rolle der Förderschulen in ihrer Funktion als Förderzentren ist außerdem, „die allgemeinen Schulen bei der Durchführung von sonderpädagogischer Unterstützung“ (NSchG § 14 Abs. 3) zu unterstützen. Konkret sind seit der Einführung der Integration sonderpädagogische Lehrkräfte der Förderschulen im Rahmen der sonderpädagogischen Grundversorgung, der Mobilen Dienste, der Kooperations- oder der Integrationsklassen für die sonderpädagogische Unterstützung an den allgemeinen Schulen beauftragt oder abgeordnet. Die Förderschulen als Förderzentren koordinieren deren Stundenpläne und Einsätze, führen Dienstbesprechungen und regeln personalrechtliche Angelegenheiten. Aktuell ist beabsichtigt, Lehrkräfte mit dem Lehramt für Sonderpädagogik zum Schuljahr 2019/20 auch an anderen Schulformen als Förderschulen einzustellen und/oder dorthin zu versetzen (Schulverwaltungsblatt 12/2018, S. 708).
Als eine weitere neuere Struktur im Kontext der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems werden derzeit die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren Inklusive Schule (RZI) auf- und ausgebaut. „In den RZI arbeiten Expertinnen und Experten, die in allen Fragen sonderpädagogischer Förderung und Unterstützung kompetent Auskunft geben können. Sie sind damit zentrale Anlaufstelle (…) in allen Fragen der Inklusion. Die RZI gehen auf regionale Besonderheiten in der Beratung ein und fördern die Zusammenarbeit und Vernetzung in der Region zum Wohle der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Außerdem koordinieren die RZI die sonderpädagogische Versorgung der Schulen in der jeweiligen Region“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online c). Zum 01.08.2017 wurden 11 RZI eingerichtet, im Jahr 2018 folgten 24 weitere (ebd.). Hier scheint sich die sonderpädagogische Expertise regional zu bündeln, um die inklusiven Schulen bezogen auf sonderpädagogische Inhalte zu beraten und zu unterstützen. Außerdem wird die Koordination der Personalbedarfe für Sonderpädagogik an den inklusiven Schulen hier übernommen. Welche Rolle die Förderschulen zukünftig also im inklusiven Schulsystem haben werden, ist noch unklar.

3. Perspektiven für niedersächsische Förderschulen aus bildungspolitischer Sicht

Ausgehend von der Tatsache, dass in Niedersachsen zwar ein sukzessiver Abbau der Förderschule Lernen stattfindet, aber kein Abbau von Förderschulen mit anderen Schwerpunkten geplant ist, stellt sich zum einen die Frage, aus welchen Gründen die Landesregierung weiterhin das Förderschulsystem erhält und damit der UN-BRK widerspricht. Zum anderen ist zu untersuchen, welche Rolle die weiterhin existierenden Förderschulen zukünftig im inklusiven Schulsystem haben werden.

3.1 Gründe für den Erhalt des Förderschulsystems

Je nach Perspektive auf das Bildungssystem werden unterschiedliche Gründe für oder gegen den Erhalt des Förderschulsystems proklamiert. Die niedersächsische Bildungspolitik, vertreten durch den Kultusminister, benennt in diesem Zusammenhang folgende Aspekte:

Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht

„Ich sehe keinen Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention, weil das Recht auf inklusive Schule gilt, und es gilt uneingeschränkt“ (Tonne, 2018, Z. 8). Wie bereits in dem eingangs erläuterten Inklusionsverständnis deutlich wurde, vertritt die Bildungspolitik die Ansicht, dass Inklusion mit der Möglichkeit einhergehe, eine allgemein bildende Schule zu besuchen, was nach dem niedersächsischen Schulgesetz bereits gilt: „Für uns gilt die inklusive Schule, das, was schulgesetzlich festgelegt ist“ (Tonne, 2018, Z. 8). Zu unterscheiden sei jedoch zwischen Recht und Pflicht: „Aber ich muss unterscheiden zwischen einem Recht auf den Besuch einer inklusiven Schule und darf es nicht verwechseln mit der Pflicht. In dem Moment wo ich sage: ‚Ich schaffe Förderschulen ab‘, habe ich eine Pflicht zum Besuch des allgemein bildenden Schulsystems. Die UN-Behindertenrechtskonvention, sie postuliert ein Recht darauf, ein allgemein bildendes Schulsystem zu besuchen. Es steht nicht drin es ist die Pflicht es zu besuchen“ (Tonne, 2018, Z. 8).
Anhand der Aussagen lässt sich schlussfolgern, dass Förderschulen aus Sicht des Kultusministers mit der UN-BRK zu vereinen sind und eine Abschaffung dieser in der Konvention nicht explizit gefordert wird. Mit der Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht geht zudem ein weiteres zentrales Argument für den Erhalt der Förderschulen einher: das Elternwahlrecht.

Elternwahlrecht

„Wir haben immer gesagt, dass wir nicht seitens des Landes vorgeben und sagen: ‚Bestimmte Dinge müssen so sein‘, sondern das Elternwahlrecht ist uns ein sehr hohes Gut, deswegen gibt es keine Pflicht zum Kindergartenbesuch, sondern es gibt das Recht auf einen Kindergartenplatz“ (Tonne, 2018, Z. 10).
Das Elternwahlrecht wurde in Niedersachsen mit der Schulgesetzänderung im Jahr 2012 gesetzlich verankert. Die Eltern können seitdem den Lernort ihres Kindes wählen. Folglich muss die Wahlmöglichkeit zwischen der allgemeinen Schule und der Förderschule durch den Erhalt beider Institutionen bereitgestellt werden. Eingeschränkt wurde das Recht in Niedersachsen allerdings für Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf Lernen (Lange & Politze, 2015, S. 20). Sie können für den Primarbereich nicht mehr den Lernort ihres Kindes wählen, in der Sekundarstufe I ist bzw. wird es in naher Zukunft genauso sein. Zu fragen ist an dieser Stelle, ob damit sowohl die Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht als Argument für den Erhalt der Förderschulen als auch das Argument Elternwahlrecht nicht hinfällig werden, wenn das Elternwahlrecht für Eltern einer bestimmten Schülerschaft eingeschränkt und Inklusion für diesen Personenkreis zu einer Pflicht gemacht wird.
Auch in der Fachdiskussion wird über die Legitimation der Förderschule über das Elternwahlrecht gestritten. Speck (2011, S. 84) entnimmt der UN-BRK, dass den Eltern in dieser ein Wahlrecht zugesprochen werde, wobei er offenlässt, aus welchem Wortlaut er dies folgert. Wocken (2011) und Wrase (2016, 2017) hingegen stellen heraus, dass die UN-BRK bewusst auf ein solches Recht verzichte. Laut Degener (2009, S. 214 f.) sei zunächst ein Wahlrecht im Entwurf der UN-BRK vorgesehen gewesen, worauf in der endgültigen Fassung der Konvention jedoch verzichtet worden sei, um das Recht aller auf inklusive Bildung anzuerkennen. Das DIM (2017, S. 4) stellt eindeutig heraus: „Das Recht auf inklusive Bildung ist ein Recht des Kindes, nicht der Eltern. […] Die staatliche Verantwortung, einen Systemwechsel herbeizuführen, kann nicht dem ‚Elternwillen‘ überantwortet werden.“ Die Aufrechterhaltung beider Systeme, allgemeines und Förderschulsystem, widerspricht dieser Argumentation folgend der Verpflichtung, ein inklusives Bildungssystem zu verwirklichen, welches jedes Kind bestmöglich fördert. Ohne einen Entwicklungsplan sei daher ein dauerhaftes Elternwahlrecht nicht UN-BRK-konform (ebd.).

Kindeswohl als Grenze der inklusiven Beschulung

Als ein weiteres Argument für den Erhalt der Förderschulen wird häufig das Kindeswohl aufgeführt: „Für viele Kinder mag eine gemeinsame Beschulung förderlich sein, aber ganz sicher nicht für alle Schüler“ (Ahrbeck, 2014, S. 18). Auch der niedersächsische Kultusminister vertritt eine ähnliche Position und scheint generell eine Grenze in der inklusiven Beschulung zu sehen: „Ansonsten gibt es immer wieder Situationen, wo man einfach sagen muss, dass eine Beschulung in einem geschützten Raum für das Kind hilfreicher und besser sein kann. Das kann man nicht verallgemeinern, auch nicht generalisieren, sondern das muss man sich im Einzelfall angucken“ (Tonne, 2018, Z. 8).
Empirische Studien deuten darauf hin, dass auch Lehrkräfte und Eltern Grenzen in der inklusiven Beschulung sehen. So ergab bspw. eine Elternumfrage der Bertelsmann Stiftung (2015, S. 18 ff.), dass die Mehrheit (70%) das gemeinsame Lernen in Abhängigkeit des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs beurteilt. Erfahrungen mit schulischer Inklusion nehmen auf Seiten der Eltern und auch seitens der Lehrkräfte einen Einfluss auf diese Einstellungen. Laut Forsa-Studie (2017, S. 2) halten es 42 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer „auch im Falle entsprechender finanzieller und personeller Rahmenbedingungen für sinnvoller, wenn Kinder mit einer Behinderung in speziellen Förderschulen unterrichtet werden.“
Vorliegende Studien, die die Effekte inklusiver Beschulung auf die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, z. T. im Vergleich zur separierenden Beschulung, untersuchen, kommen zu divergenten Ergebnissen, wie beispielsweise ein Vergleich der Überblicksartikel von Stein und Ellinger (2018) für den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung mit den Beiträgen von Bless und Mohr (2007) sowie Werning und Lütje-Klose (2016) für den Förderschwerpunkt Lernen offenbart. Das Argument Kindeswohl kann nach derzeitiger Befundlage weder eindeutig gestützt noch widerlegt und insbesondere nicht pauschalisiert werden. Dennoch sollte es auf lange Sicht nicht als Argument für den Erhalt der Förderschulen vorgehalten werden, denn der „Grundsatz ‚Wohl des Kindes‘ verbindet sich mit der Vermutung, dass das Kindeswohl im inklusiven Regelschulzusammenhang am besten verwirklicht werden kann. Dieser Grundsatz darf nicht als Schranke des Rechts auf inklusive Bildung gelten“ (DIM, 2011, S. 14). Inklusive Beschulung zielt nicht nur auf die bloße Platzierung aller Kinder (oder aller Kinder mit Unterstützungsbedarf im Lernen) in der allgemeinen Schule, sondern auf die bestmögliche Unterstützung aller Kinder ab.

Emotionalität der Debatte

Auf die Frage, welche Gründe sich hinter der Entscheidung verbergen, das Auslaufen der Förderschule Lernen im Sekundarbereich zu verlangsamen, indem Förderschulen auf Antrag weiter bestehen können, antwortet der Kultusminister: „Wir haben […] eine unheimlich emotionale Debatte geführt, ob Inklusion richtig oder nicht richtig ist, […] und ich finde diese Debatte brandgefährlich, weil diese emotionale Debatte dafür und dagegen dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt nicht mehr über weitere Schritte uns unterhalten: Wie gelingt uns eigentlich eine inklusive Schule? Was müssen wir an Rahmen schaffen? Was müssen wir an personeller Ausstattung schaffen? Das fand alles nicht mehr statt, sondern es war nur noch: ‚Seid ihr dafür oder seid ihr dagegen?‘ Und mit diesem Kompromiss akzeptieren wir jetzt, dass die Inklusion in den Regionen Niedersachsens unterschiedlich weit fortgeschritten ist. […] [Ich] sehe den Sinn dieses Kompromisses insbesondere darin, die Emotionalität zurückzufahren und auf der anderen Seite Raum zu bieten, dass wir durch konzeptionelle Überlegungen und insbesondere durch Aufstockung des personellen Bedarfs mehr mitnehmen können und überzeugen können“ (Tonne, 2018, Z. 6).
In der Tat scheint dieses Argument nicht außer Acht gelassen werden zu können. So findet sich nicht nur in der Fachliteratur, wie bspw. zwischen Hans Wocken und Bernd Ahrbeck, eine hitzige Debatte, die mitunter zu „heftigen Polarisierungen“ (Ahrbeck, 2016, S. 46) führt, sondern auch das DIM (2017, S. 4 f.) nimmt dies wahr und fordert, dass die Diskussion wieder „sachlich und konstruktiv“ geführt werden müsse und stellt ebenso wie der Kultusminister fest, dass es einzelnen Bundesländern nicht gelungen ist, alle Beteiligten bei diesem Prozess mitzunehmen sowie Vertrauen und Bereitschaft aufzubauen. Dass der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems ein Prozess ist, der nur schrittweise erfolgen kann, steht außer Frage. „Zu lange wurde [jedoch] diskutiert, ob und inwieweit die Förder- und Sonderstruktur noch eine Daseinsberechtigung hat und mit einem inklusiven System in Einklang gebracht werden kann“ (ebd., S. 1 f.). In diesem Sinne kann dem Kultusminister zugestimmt werden, wenn er der Emotionalität entgegenwirken und Raum für die Überlegung und Planung nächster Schritte eröffnen möchte. Das Förderschulsystem, voraussichtlich ausgenommen die Förderschule Lernen, wird in Niedersachsen aus den dargestellten Gründen weiterhin eine Rolle im Entwicklungsprozess einnehmen. Aber wie könnte diese vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen aussehen?

3.2 Zukünftige Aufgaben der Förderschulen

So wie in vielen Ländern wird auch in Niedersachsen, wie im zweiten Kapitel dieses Beitrags aufgezeigt, „die sonderpädagogische Unterstützung in verschiedenen Organisationsformen angeboten, entlang eines Kontinuums von Segregation (Unterricht in unterschiedlichen Gebäuden), über Separation (Unterricht im selben Schulgebäude, aber in unterschiedlichen Räumen) und Integration (teilweise gemeinsamer Unterricht) hin zu vollständiger Inklusion (umfassender gemeinsamer Unterricht)“ (Powell, 2017, S. 28). In der Zuständigkeits- und Aufgabenbeschreibung der Förderschule wird ersichtlich, dass diese bisher in allen Bereichen des Kontinuums zu verorten ist. So ist sie als Bildungsort für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf für die Segregation, in Form von Kooperationsklassen unter dem Dach allgemeiner Schulen für die Separation und durch ihre Funktion als sonderpädagogisches Förderzentren für die Integration bis hin zur Inklusion zuständig. Die neueren Entwicklungen in Niedersachsen werfen nun die Frage auf, welche Rolle die Förderschule weiterhin einnehmen wird. Durch die Schaffung der RZI werden Veränderungen hinsichtlich des Aufgabenbereiches notwendig, denn bei genauerem Hinschauen scheinen die Einrichtung der RZI und die Etablierung der Förderschulen als Förderzentren in mancherlei Hinsicht Doppelstrukturen aufzuweisen. Die Landesregierung ist sich dieser Situation wohl bewusst: „Wir werden jetzt auch sehr kurzfristig die Frage lösen müssen, welche Kompetenzen sollen verbleibende Förderschulen im Sinne von Förderzentren haben und wie ist das Zusammenspiel mit den RZIs, die wir in jedem Landkreis installieren möchten als steuernde Einheit“ (Tonne, 2018, Z. 20). Übernähmen die RZI von nun an die Steuerung des Personalbedarfs für die sonderpädagogischen Lehrkräfte der inklusiven Schulen (sonderpädagogische Grundversorgung, Mobile Dienste, Integrationsklassen), wären die Förderschulen künftig ausschließlich für die Unterrichtung und Erziehung ihrer Schülerinnen und Schüler im Sinne der Separation oder ggf. im Kontext von Kooperationsklassen (Segregation) zuständig und von den inklusiven Entwicklungen noch weiter entkoppelt. Wenn perspektivisch sonderpädagogische Lehrkräfte an allgemeinen Schulen angestellt oder dorthin versetzt werden, trägt dies zudem dazu bei, da eine Anbindung an die Förderschulen nicht mehr gegeben ist. Im Sinne einer multiprofessionellen inklusiven Schulentwicklung an den allgemeinen Schulen sind diese Strukturen zu begrüßen, denn sie können unterstützen, die integrativ angelegten Strukturen der sonderpädagogischen Unterstützung in eine inklusivere Form zu überführen. In der Gesamtbetrachtung des Schulsystems würde das Förderschulsystem jedoch eine noch exklusivere Stellung erhalten. Ein Aufgabenbereich auf der Ebene der Förderschulen als Förderzentren könnten weiterhin die Mobilen Dienste mit ihrer Fachexpertise sein. Sobald eine sonderpädagogische Lehrkraft einer allgemeinen Schule jedoch diese Fachexpertise vorhält, stellt sich auch hier wieder die Frage nach Doppelstrukturen und Zuständigkeiten. Es stellt sich also grundlegend die Frage nach Aufgaben und Zuständigkeiten der Förderschulen im Kontext der Inklusion. Die Trennung der verschiedenen Institutionen, die Förderschule auf der einen und die allgemeine Schule auf der anderen Seite, würde mit den aktuellen Perspektiven verschärft werden. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist eine strukturelle Veränderung des Bildungssystems hin zum Lernen Aller unter einem Dach und die damit verbundene schrittweise Abschaffung der Förderschulen. Ein Blick in andere Länder offenbart andere Systeme und Strukturen für die schulische Bildung aller Schülerinnen und Schüler und somit, dass eine inklusive Schulstruktur ohne ein differenziertes Förderschulsystem durchaus möglich ist. Mit Blick auf diese Länder bemerkt der Kultusminister: „Wenn ich aber auf die Länder gucke, die uns immer als Vorbild auch vorgehalten werden, dann ist es auch dort ein Prozess, der seit vielen, vielen Jahren läuft, und wo selbst diese Länder, die sich seit zwanzig Jahren auf den Weg zur inklusiven Schule gemacht haben, selbst die sagen heute nicht: `Wir sind am Ende der Diskussion, wir sind fertig`, sondern die sagen: `Wir müssen Inklusion immer weiter entwickeln, weiter entwickeln, weiter entwickeln und von daher reden wir über einen sehr langen Prozess" (Tonne, 2018, Z. 14). Auch fachwissenschaftlich betrachtet wird Inklusion als fortwährende Entwicklung beschrieben, „selbst in den nordischen Ländern, welche vergleichsweise fortgeschrittene inklusive Bildungssysteme etabliert haben, wird inklusive Bildung eher als Prozess und Ziel (denn) als erreichter Status betrachtet“ (Powell, 2017, S. 28).
Die niedersächsische Entwicklung von Integration und Inklusion währt mittlerweile bereits über 30 Jahre, führte unter der Überschrift der Integration jedoch eher ein Schattendasein, wenngleich die grundlegenden Strukturen aus den 1990er Jahren auch heute noch gelten: „Die Gültigkeitsdauer des Erlasses "Sonderpädagogische Förderung" vom 01.02.2005 ist mit dem 31.12.2012 abgelaufen. Bis zur Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung ist der Erlass weiter anzuwenden“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online d). Dies bedeutet, dass die Organisationsformen sonderpädagogischer Förderung aus der Zeit der Integration bis heute überdauert haben und das Land sich bereits seit vielen Jahren im Prozess befindet. In diesem Prozess hat sich gleichzeitig aber auch das separierende Förderschulsystem etabliert, sodass es nicht verwundert, dass die Abschaffung dieses Systems und somit die Reform des Bildungssystems eine große Herausforderung darstellt: „Wesentliche Barrieren für die heutige schulische Integration respektive Inklusion, v. a. in wesentlichen Wohlfahrtsstaaten, liegen in der langfristigen Institutionalisierung sonderpädagogischer Fördersysteme sowie der Stratifizierung des Bildungswesens“ (Powell, 2017, S. 32). Insbesondere die in der Debatte zu erkennende „Lagerbildung“ verdeutlicht, dass das bestehende und sich etablierte Förderschulsystem nur schwer zu verändern ist. Gefragt nach dem aktuellen Stand der Förderschule äußert der Kultusminister: „Ja, es gibt ein Förderschulsystem neben dem allgemein bildenden Schulsystem. Die Antwort ist aber auch: Jedes Kind, das in das allgemein bildende Schulsystem möchte, kommt heute in das allgemein bildende Schulsystem und ob sich für die Zukunft mittel- und langfristig diese Systeme annähern und nach und nach die Bedarfe für ein Förderschulsystem auslaufen, das ist ein Prozess, der kann kommen, ich fände es auch gut wenn er kommt, aber er bedarf der politischen Steuerung, er bedarf der massiven finanziellen und personellen Unterstützung und er bedarf der nachhaltigen Überzeugung aller Beteiligten, dass das gut und richtig ist“ (Tonne, 2018, Z. 14). Bezogen auf die politische Steuerung wäre es gerade im Sinne der Überzeugung aller Beteiligten anzuraten, die Förderschulen strukturiert und systematisch in alle inklusiven Prozesse einzubinden und die ohnehin vorhandenen exklusiven Strukturen nicht noch weiter auszubauen.

4. Idealbild eines Bildungssystems und der Weg dahin

Ein inklusives Bildungssystem, so wurde bereits mehrfach hervorgehoben, verzichtet auf ein separierendes, selektives Schulsystem. Dies vertritt auch der Kultusminister: „Das Idealbild eines Bildungssystems ist es erstens, dass wir gar nicht mehr betonen müssen, dass es inklusiv ist, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, dass es ein Bildungssystem gibt und in diesem Bildungssystem garantieren wir für jedes Kind die individuell bestmögliche Bildung. […] [Im] Kern steckt immer wieder dahinter, jedem Kind die bestmögliche Bildung an die Hand zu geben und zwar egal von wo es kommt und dann haben wir ein ganz wunderbares Bildungssystem, das nämlich Chancengerechtigkeit gewährleistet“ (Tonne, 2018, Z. 24). Im Interview benennt er einige konkrete Schritte, die derzeit auf dem Weg hin zu einem inklusiven Bildungssystem geplant sind:

Arbeit von multiprofessionellen Teams

„Niedersachsen setzt bei der Umsetzung der inklusiven Schule auf multiprofessionelle Teams. Diese Teams bestehen aus Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie pädagogischen Fachkräften, wie z. B. Erzieherinnen und Erziehern“ (Niedersächsisches Kultusministerium, online b). Für die Arbeit dieser Teams soll ein landesweit einheitliches Konzept erstellt werden. „Was ist eigentlich die Aufgabe und Arbeit von multiprofessionellen Teams? Wer ist Bestandteil dieser multiprofessionellen Teams? Welche Aufgaben haben sie dort? Wer übernimmt welche Aufgaben auch in Zusammenarbeit? Was ist die Aufgabe einer Lehrkraft? Was ist die Aufgabe einer Sozialarbeiterin? Was ist die Aufgabe einer pädagogischen Mitarbeiterin?'“ (Tonne, 2018, Z. 16). Auch hier offenbart sich erneut die Frage, welche Rolle die Förderschulen und sonderpädagogischen Lehrkräfte in diesem Konzept einnehmen sollen.

Unterstützungssystem Schulbegleitung

„Wir werden sehr intensiv dafür werben, dass Bund und Länder zusammen ein gemeinsames, sinnvolles Unterstützungssystem auf die Beine stellen. Momentan haben Kinder mit festgestelltem Förderbedarf in bestimmten Bereichen die Möglichkeit einer Schulbegleitung. Ich glaube, dass es falsch ist, dass das ein individuelles Recht ist. Ich würde diese Ressource viel lieber an die Schule geben und der Schule sagen: 'Ihr setzt jetzt diese Ressourcen sinnvoll ein, dort wo ihr sie braucht im Unterricht'“ (Tonne, 2018, Z. 16). Die über die Sozial- oder Kinder-und-Jugendhilfe-Gesetzgebung gewährten Hilfeleistungen sind seit vielen Jahren in größerem Ausmaß auch an den Förderschulen zu finden. Die Vision einer tragfähigen Lösung und verlässlichen Ressource für alle Schulen und Lehrkräfte erscheint begrüßenswert.

Mobile Dienste

„Wir sind dabei, eine landesweit einheitliche Konzeption der Mobilen Dienste zu erstellen, zu sagen: 'Wie kriege ich eigentlich, wenn Hilfe benötigt wird, diese Hilfe punktgenau an die Schulen?'“ (Tonne, 2018, Z. 16). Hier sind die Förderschulen als Förderzentren sehr stark gefragt, aber auch die Schulen und Schülerinnen und Schüler, die die Unterstützung durch die Mobilen Dienste benötigen. Eine landesweit einheitliche Konzeption für die Mobilen Dienste aller Förderschwerpunkte ist ein hohes Ziel. Die Arbeit daran ermöglicht einen hohen interprofessionellen Austausch. Sie kann zielführend sein und die Rolle der Förderschulen in Bezug auf Integration und Inklusion ausschärfen und stärken.
In einer Gesamtbetrachtung der geplanten Schritte im Entwicklungsprozess lässt sich zusammenfassen, dass in Niedersachsen, so wie in vielen Bundesländern, noch ein Gesamtkonzept zu fehlen scheint (DIM, 2017, S. 3). Die Schritte Multiprofessionelle Teams, Umorganisation der Schulbegleitung und Konzeptionierung der Mobilen Dienste entsprechen im Weitesten schon den Empfehlungen des Expertenkreises Inklusive Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission zur Zusammenführung von Förderschulen und allgemeinen Schulen (Deutsche UNESCO-Kommission 2018). Allerdings werden dort auch noch der langfristige Planungsrahmen, eine verlässliche pädagogische Grundausstattung der Schulen, die Entwicklung von Förderschulen zu Förderzentren, die externe Begleitung der Prozesse sowie die Förderung des Ganztags als weitere konkrete Empfehlungen benannt (ebd., S.4ff). Der Kultusminister erkennt die Problematik: „Diese Aufgaben stehen momentan alle nebeneinander und ehrlich gesagt müssen sie auch in diesem Jahr dann mal so zusammengebunden werden, dass sie zu einem Gesamtplan führen“ (Tonne, 2018, Z. 16). Weiterhin würde dennoch ein langfristiges Ziel fehlen, welches auch die schrittweise Auflösung der Förderschulen beinhaltet. So resümiert Weishaupt (2016, S. 37 f.), dass „Versuche, den notwendigen umfassenden Innovationsprozess durch partielle Veränderungen im allgemeinen Schulwesen und eine Änderung des sonderpädagogischen Förderortes von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu umgehen, […] an den praktischen Erfordernissen des Unterrichtsalltags und den Widerständen aus dem Förderschulsystem scheitern“. Dass die Umsetzung einzelner Schritte, ohne ein Gesamtkonzept im Blick zu haben, zu neuen Schwierigkeiten führen kann, wird an der Entwicklung in Niedersachsen deutlich. So ist bspw. durch die Einführung der RZIs ohne zuvor die notwendigen Änderungen hinsichtlich der Förderschulen als Förderzentren zu planen, eine Doppelstruktur sowie eine erhebliche Unübersichtlichkeit und Unsicherheit bzgl. der Zuständigkeiten entstanden, die auch weiteres Unbehagen auf der Ebene der Akteure erzeugen kann. Darüber hinaus ist zu klären, nach welchem grundlegenden Inklusionsverständnis die RZIs ihre Arbeit ausführen. Zudem wäre die Frage, ob sie auf der Basis eines erweiterten Verständnisses von Inklusion (siehe oben) auch weitere Differenzlinien (bspw. Gender, Kulturelle Vielfalt, Begabung) berücksichtigen sollten, um auch in entsprechenden Fragen regionale Zuständigkeiten zu übernehmen. Außer Frage steht, dass die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystem als ein schrittweiser, langfristiger Prozess erfolgen wird (Weishaupt, 2016, S. 37; Powell, 2017, S. 35). Es bedarf allerdings eines Gesamtkonzepts, welches die langfristige Planung und Zusammenführung einzelner Schritte auf dem Weg hin zu einem inklusiven Bildungssystem beinhaltet (Weishaupt, 2016, S. 37 f.; DIM, 2017, S. 3).

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