Abstract: An der Universität Duisburg-Essen wird im Rahmen eines germanistischen DFG-Projekts derzeit die deutschsprachige Literaturpreislandschaft einer quantitativen und qualitativen Erfassung und Auswertung unterzogen. In der Menge der Preise sticht dabei die Nischengruppe von sechs inklusionsorientierten Literaturpreise hervor, die in Deutschland (und Österreich) aktuell verliehen werden und die Literatur von oder für Menschen mit (geistiger) Behinderung auszeichnen. Sie verknüpfen literarische Praktiken sowie Praktiken literarischer Wertung mit kultur- und
bildungspolitischen Werten und Strategien. In ihrer Inklusionsorientierung sind sie dabei exemplarisch für aktuelle Programme, wie sie in Konventionen, Strategiepapieren und Konzepten von politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Institutionen zum Ausdruck kommen. Das spezifische Verständnis von ‚kultureller Bildung und Vielfalt‘, ‚Inklusion‘ und ‚Partizipation‘ sowie seine pragmatische Applikation in den Preisprofilen und Vergabepraktiken wird in diesem Beitrag aus literatur- und kulturwissenschaftlicher sowie diskursanalytischer Perspektive herausgearbeitet. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf die Art und Weise gelegt werden, wie sich ‚Identifikationsregime‘ (Jacques Rancière) und Wertordnungen von Behinderung und Literatur (etwa Konzepte literarischen Schreibens, literarischen Werts und Autorschaft) verzahnen und wie das Potential zur Störung symbolischer und sozialer Ordnungen, das der Inklusion als Haltung eignet, ‚reterritorialisiert‘ (Gilles Deleuze) wird.
Stichworte: Inklusion, literarische kulturelle Bildung, literarische Wertung, Identifikationsregime von Kunst und Behinderung
Inhaltsverzeichnis
Seit Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und 2011 sowie 2016 Nationale Aktionspläne zu deren Umsetzung beschlossen hat, wird unter dem Schlagwort ‚Inklusion‘ in unterschiedlichster Hinsicht um Barrierefreiheit und den Abbau segregierender Strukturen gerungen – auch jenseits von Behindertenbewegung, Sonder- oder Rehabilitationspädagogik oder Disability Studies. Exkludierende Strukturen werden nicht mehr nur in architektonischer oder informationstechnologischer Hinsicht identifiziert, sondern auch im kulturellen Sektor. Zeitgleich ist eine diskursive Konjunktur von kultureller Bildung und Teilhabe zu konstatieren. Die seit Anfang der 2000er Jahre entstandenen inklusionsorientierten Literaturpreise, die Literatur von und für Menschen mit (geistiger) Behinderung auszeichnen, sind ein Beispiel für die Verzahnung beider Diskurse in politisch geförderten Projekten der kulturellen Bildung. Als Literaturpreise greifen sie eine traditionsreiche Praxis literarischer Wertung auf, positionieren sich damit auch im literarischen Feld und setzen sich in Relation zu tradierten literarischen Diskursen, Praktiken und Wertordnungen. Preise als Praktiken literarischer Wertung stehen aktuell im DFG-Projekt „Literaturpreise im deutschsprachigen Raum seit 1990: Funktionen und Wirkungen“ im Fokus. Das Projekt widmet sich der umfassenden, datenbankgestützten, quantitativen und qualitativen Erfassung der bis 2018 vergebenen Literaturpreise. Preisprofile und Vergabepraktiken werden hinsichtlich ihrer innerliterarischen, literaturbetrieblichen und kulturpolitischen Funktionen analysiert, um Aufschluss über die in der Literaturpreislandschaft wirkenden Mechanismen und Strukturen zu erhalten. Dabei stehen Fragen nach der Rolle der Preise bei der Ausdifferenzierung des literarischen Feldes und des soziokulturellen Raums im Vordergrund – und nicht zuletzt die Frage nach den programmatischen Verknüpfungen von heterarchischen, also nebengeordneten und simultan gültigen Wertordnungen innerliterarischer wie außerliterarischer Provenienz, bzw. danach, wie literarische und außerliterarische diskursive Objekte durch diese Verknüpfungen valorisiert werden. Für solche Fragestellungen erweist sich die Nischengruppe der inklusiven Literaturpreise als aussagekräftig, da ihre Verzahnung unterschiedlicher Wertordnungen die Mechanismen der Valorisierung besonders augenfällig macht – und den Anteil der Preise an der Konstitution dieser Ordnungen hervorzuheben erlaubt. Das Zusammenspiel unterschiedlicher ‚diskursiver Formationen‘ (vgl. Foucault 1973: 58) und ihrer Wertordnungn, das derart in Projekten inklusiver kultureller Bildung im Allgemein, bei den genannten Preisen im Besonderen zum Tragen kommt und sowohl inkludierende als auch exkludierende Effekte nach sich zieht, wird in vorliegendem Beitrag nachgezeichnet und analysiert.
Anlässlich der Verleihung des BKM-Preis Kulturelle Bildung 2018, der seit 2009 innovative und nachhaltige, beispielhafte Projekte der kulturellen Vermittlung unter besonderer Berücksichtigung von unterrepräsentierten Zielgruppen auszeichnet, bewirbt Kulturstaatsministerin Monika Grütters kulturelle Bildung als „Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und gesellschaftlichem Zusammenhalt“ (BPA 2018). Die Formelhaftigkeit des Statements kennzeichnet kulturelle Bildung in augenfälliger Weise als kulturpolitische Leitformel im Sinne Max Fuchs’ – also als „handlungsaktivierend[e] und -leitend[e]“ „Abkürzung programmatischer Aussagen in der Praxis“, die insofern höchst voraussetzungsreich sind, als ihnen legitimierende Argumentationen und Begründungen sowie wissenschaftliche und politische Diskussionen zugrunde liegen (ebd., S. 8). Sehr spezifische (inter-)diskursive Formationen bilden also das ‚historische Apriori‘ (vgl. Foucault 1973, S. 183) solcher Leitformeln bzw. ihre „Realitätsbedingung“ (ebd.). Gerade durch den Preisverleihungs-Kontext wird deutlich, dass derartige Leitformeln außerdem eine Konstellation von normativen Werten, also eine Wertordnung implizieren und konstituieren. Im Fall des BKM-Preises werden nicht nur kulturelle und künstlerische Projekte valorisiert, also mit Wert versehen, sondern unterschiedliche Werte in Relation gesetzt: so wird der kulturellen Bildung attributiver Wert zugesprochen, indem sie als ‚Schlüssel‘, mithin als Instrument zur Realisierung des als axiologisch gesetzten Werts gesellschaftlicher Teilhabe profiliert wird (zu den Begriffen des attributiven und axiologischen Werts vgl. von Heydebrandt, S. 832-836). Das pragmatisch-literarische, also eine implizite Handlungsanweisung enthaltende Symbol des Schlüssels führt diese Instrumentalität bildlich vor Augen: kulturelle Bildung ‚öffnet (oder schließt) Türen‘ – wird also diejenige Praxis gesetzt, die maßgeblich über Inklusion und Exklusion entscheidet. Gesellschaftliche Teilhabe oder Inklusion wiederum geht offenbar automatisch mit gesellschaftlichem Zusammenhalt einher, wie die Kopula ‚und‘ im zitierten Statement vor Augen führt. Grütters Aussage kann in ihrer – so produktiven wie friktionalen – Verzahnung unterschiedlicher Diskurse und Wertordnungen als repräsentativ für den Großteil des aktuellen kultur- und bildungspolitischen Diskurses gelten, der im Folgenden skizziert wird.
Das Printmagazin Kulturelle Bildung und die zugehörige Internetplattform als „digitale Fortschreibung des Handbuchs Kulturelle Bildung“(Kulturelle Bildung Online), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, getragen von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) u.a., bündeln die zentralen institutionellen Akteure und Verfechter von kultureller Bildung. An ihnen lassen sich folglich die zentralen Positionen, Strategien und Wertordnungen der o.g. diskursiven Formation konturieren. ‚Kulturelle Bildung‘ wird auf der Internet-Wissensplattform als Bildung in, aber vor allem durch Kunst und Kultur begriffen (Reinwand-Weiss 2013/2012). Auf Basis eines weiten Kulturbegriffs, der Lebensweise, „Wertegerüst“ (ebd.) und Künste gleichermaßen einbegreife, sowie eines partizipations- und stärkenorientierten Bildungsverständnisses, soll kulturelle Bildung den Einstieg in einen (lebenslangen) Bildungsprozess im emphatischen bzw. „idealistisch-neuhumanistischen“ (Vierhaus 2004, S. 550) Sinne ermöglichen: Im Medium des eigenen kreativen und künstlerischen Gestaltens sowie der Beschäftigung mit symbolisch polyvalenten künstlerischen Gegenständen finde Bildung als Selbstbildung in Wechselwirkung mit Welt und Gesellschaft statt (vgl. Reinwand-Weiss 2013/2012). So verstandene kulturelle Bildung zeitige „Transfereffekte“ (ebd.) – womit letztlich auf die Realisierung bestimmter axiologischer Werte verwiesen wird: kulturelle Bildung „zielt auf kulturelle Teilhabe für alle und die Entwicklung von biografischer Lebenskunst und also ein gutes, humanes Leben ab“ (ebd.) und besitze darüber hinaus das Potential zur Veränderung bestehender Verhältnisse.
In anderen hegemonialen diskursiven Positionen wird die Vision eines guten Lebens qua kultureller Bildung konkreter gefasst: Die Kultusministerkonferenz (KMK) bezeichnet letztere als „Grundauftrag“ von Schule und anderen Bildungsinstitutionen, da sie „unverzichtbare Beiträge zur emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und für deren Integration in die Gesellschaft [leiste]“ (KMK). Der Beitrag zur kindlichen Entwicklung wird näher bestimmt als ‚Entfaltung des eigenen kreativen Potentials‘ – einmal mehr wird hier Kreativität als höchst aktuelle gouvernementale Selbsttechnologie aufgerufen, d.h. als Paradigma gegenwärtiger Selbstregierung und -regulierung von Subjekten, deren Kreativitätsentfaltung ihre Bildungschancen erhöhe und damit (als Transfereffekt) soziale Integration verwirkliche (ebd.). Die KMK verweist an dieser Stelle auf das Schwerpunktkapitel des im Juni 2012 von Kultusministerkonferenz, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung (DIPF) vorgestellten Bildungsberichts. Auch im Bildungsbericht wird kulturelle bzw. musisch-ästhetische Bildung als „[u]nverzichtbare[r] Bestandteil der Persönlichkeitsbildung“ konzipiert, wobei ‚Persönlichkeitsbildung‘ als Hervorbringung eines mündigen, autonom und kritisch an „Gesellschaft und Politik“ teilhabenden Subjekts mit stabiler Identität gilt (Bildung in Deutschland 2012, S. 157). Der Kernkompetenz der Kreativität bedarf dieses Subjekt offenbar vor allem aufgrund der gegenwärtig vieldiskutierten Ästhetisierung der Gesellschaft, deren „soziale, politische und ökonomische Prozesse von einer Fülle ästhetischer Medien geprägt werden“ (ebd.). Zugespitzt formuliert, wird der Wert kultureller Bildung folglich dominant in der Hervorbringung von (Staats-)Bürgern verortet. Es scheint beinah, als würde kulturelle Bildung hier die Funktionsstelle der Dichtung im Bündnis von Philosophie, Poesie und Staat übernehmen, das Friedrich Kittler dem 19. Jahrhundert attestiert, indem er u.a. die Rolle des (gymnasialen) literarischen Schreibens bei der Hervorbringung von ‚Staatsdienern‘ und die reziproke Legitimation von Dichtung und Beamtentum analysiert (vgl. Kittler 2003, S. 185-187). Wenn kulturelle Bildung als Mittel der Hervorbringung aktiver Bürger-Subjekte diskursiviert wird, legitimiert sie sich durch einen ähnlichen Bezug auf Staat (oder politische Ordnung) – und legitimiert damit ihrerseits eben diesen Staat. Einer der Unterschiede zu Kittlers „Aufschreibesystem von 1800“[1] (vgl. ebd., S. 28) besteht dabei im Rekurs auf die modern-normalistische Wachstums-Logik, wie auch das Abschlusskapitel des genannten Bildungsberichts impliziert, wenn es die „Wirkungen und Erträge von Bildung“ (ebd., S. 199) zusammenfasst und ihr eine Schlüsselfunktion für „Wachstum, Wohlstand und soziale Kohäsion“ (ebd.) attestiert. Im Einklang damit fördert das Programm Kultur macht stark des Bundesministeriums für Bildung und Forschung lokale Projekte kultureller Bildung, um die „Grundlagen für persönliches Wachstum und gesellschaftliche Teilhabe“ (Kultur macht stark) zu schaffen.
Auch wenn die BKJ betont, kulturelle Bildung sei „vor allem Selbstbildung, Persönlichkeitsbildung, und nicht Bildung zu anderen, übergeordneten Zwecken, so nützlich diese auch sein mögen“ (BKJ [a]), so heben die auf der Homepage bereitgestellten Dossiers doch allesamt ebendiese Zwecke hervor: Sie profilieren kulturelle Bildung im Allgemeinen als „Zukunftsinvestition“ (BKJ [b]) und im Besonderen als Beitrag zu „Transformationsprozessen im Sinne einer nachhaltigen und lebensfreundlichen Gestaltung unserer Welt“ (BKJ [c]), als Grundlage „gelebter Demokratie und gestalteter Freiheit“(BKJ [e]), als Vermittlung von „Medienkompetenz“ (BKJ [d]) – und immer wieder als wichtige Ressource für „die Entwicklung von Strategien der sozialen Inklusion und der kulturellen Vielfalt“ (BKJ [e]).
Wie der Blick auf das Selbstverständnis der BKJ zeigt, ist das Programm der (aktiven) Teilhabe an Kultur nicht nur an die Subjektivierung des ‚mündigen Bürgers‘ gekoppelt, sondern auch an einen spezifischen Kulturbegriff, dem Kultur und Gesellschaft sowohl empirisch als auch programmatisch als Sphäre von Vielfalt gelten,[2] die sowohl auf der Ebene der kulturellen „Ausdrucksformen“ (UNESCO) als auch der Trägerschaft bzw. der Produzenten und Rezipienten von Kunst und Kultur verortet wird. Gerade als vielfältige erfüllen Kultur und kulturelle Bildung, der BKJ zufolge, ihre Funktionen der Stärkung von „Demokratie, Toleranz, soziale[r] Gerechtigkeit und gegenseitige[m] Respekt“ (BKJ [c]), „nachhaltiger Entwicklung“ (BKJ [b]) sowie Inklusion im Sinne einer zum „Normalfall“ (BKJ [c]) gewordenen Vielfalt.
Dass Kunst bzw. Kultur und Inklusion von Menschen mit (geistiger) Behinderung zusammengedacht werden, ist allerdings trotz der gegenwärtigen Diversitäts-Euphorie offenbar nicht selbstverständlich. Mit dem Schlagwort ‚Diversität‘ wird vielmehr vor allem auf interkulturelle Öffnung des Kulturbetriebs gezielt, während bspw. die Evaluation des Programms Kultur macht stark ergibt, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung die „am wenigsten angestrebte Zielgruppe“ (EUCREA 2018, S. 9) darstellen. Erst in jüngerer Zeit wendet sich der kultur- und bildungspolitische Diskurs systematischer und problematisierend der andauernden Marginalisierung von Menschen mit Behinderung im Kultursektor zu. Eine Reihe jüngerer Veröffentlichungen und Positionspapiere indizieren in diesem Kontext weiterhin einen erhöhten Legitimationsdruck und betreiben erheblichen strategischen Argumentationsaufwand, um Kunst und Kultur als relevantes Feld von Inklusionsbemühungen zu profilieren, wobei bestimmte Argumentationsfiguren dominieren. In Rekurs auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und das dort festgeschriebene Recht auf politische, ökonomische, soziale und kulturelle Teilhabe Aller, wird der Mensch aufgrund seiner Fähigkeit zur Gestaltung des Lebens und aufgrund seiner „Selbstzweckhaftigkeit“ als „kulturell verfasstes Wesen“ (Fuchs 2017, S. 25) konzipiert. Unter Berufung auf Friedrich Schillers Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen werden die Künste als privilegierte Form des Zugangs und der (pädagogischen) Hinführung zu dieser Menschlichkeit profiliert, da die Autonomie der Kunst die Autonomie und Würde des Menschen belege (vgl. ebd., S. 26-29). Neben Gewährsmännern der Kulturgeschichte wird außerdem auf Studien verwiesen, die belegten, dass Kunst und Kultur u.a. durch ihre Widerspiegelung menschlicher Daseinsvielfalt und sozialer Debatten kognitive und sozial-emotionale Fähigkeiten fördere und das moralische Urteilsvermögen schule (vgl. Gellhorn 2017, S. 49). Sie seien demnach geradezu prädestiniert dafür, inklusive Veränderungsprozesse voranzutreiben und zwar sowohl als fundamentale Erweiterung des rehabilitationspädagogischen oder therapeutischen Förderinstrumentariums (vgl. Groß-Kunkel 2017, S. 22), als auch im Sinne des Abbaus von Vorurteilen sowie der Verständigung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Insbesondere die Kunst von Menschen mit Behinderung oder „gravierenden biografischen Brüchen“ biete durch ihre Devianz vom ‚Mainstream‘ außerdem einen „ästhetische[n] und authentische[n] Zugewinn“ hinsichtlich menschlicher Selbstdeutung (vgl. Gellhorn 2017, S. 40), da sie auch die ‚verdrängten Schattenwelten‘ menschlichen Daseins bewusst mache (vgl. ebd., 41).[3]
Zur diskursiven Vorgeschichte des Epistems und Postulats, dass die Teilhabe aller, also auch von Minoritäten wie Menschen mit Behinderung, Ausdruck und Ressource von wünschenswerter kultureller Vielfalt ist, gehören auch die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt von 2005 sowie die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) von 2006. Letztere bildet den wesentlichen Bezugspunkt für die Entwicklung des ersten Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Rechte behinderter Menschen (NAP 1.0) von 2011. Dass Inklusion im mediopolitischen Diskurs vorrangig als bildungs- bzw. schulpolitisches, arbeitsrechtliches und die öffentliche Infrastruktur betreffendes Handlungsfeld diskutiert und problematisiert wird, liegt sicher auch an den thematischen Schwerpunktsetzungen von UN-BRK und NAP 1.0. Beide Papiere verorten kulturelle Inklusion in einem eher diffusen Sammelbecken, das kulturelles Leben, Erholung, Freizeit und Sport umfasst und darüber hinaus einen Schwerpunkt auf Zugänglichkeit bzw. Barrierefreiheit zu „kulturellem Material“ und „Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen“ (UN, S. 26) setzt. Als ProduzentInnen dieses ‚Materials‘ – als KünstlerInnen – werden Menschen mit Behinderung nur in einem Absatz der UN-BRK angesprochen, und auch hier ist nicht von ‚Kunst‘ und ‚KünstlerInnen‘ die Rede, sondern von Entfaltung ‚kreativen, künstlerischen und intellektuellen Potentials‘. Wie oben skizziert, wird dieses Potential eher als anthropologische Universalie und Ressource bürgerlicher Subjektivität verstanden, eine Perspektive auf Menschen mit Behinderung als professionelle Kunstproduzenten fehlt (vgl. Gellhorn 2017, S. 39). Dennoch ist der entsprechende Passus auf Drängen von Interessensgruppen in den NAP 2.0 von 2016 aufgenommen und ein verstärkter Bezug auf die Ermächtigung von professionellen Kunstschaffenden mit Behinderung erreicht worden (vgl. ebd., S. 39). Dabei steht auch hier die in der UNESCO-Konvention hervorgehobene, anthropologisch begründete kulturelle Diversität im Fokus: „Kunst, Kultur und Medien spielen als Ausdruck der Vielfalt des menschlichen Daseins eine herausragende Rolle für die Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft“ (BAMS, S. 149). Auch das strukturpolitische, kulturelle Diversifizierungsprogramm von EUCREA, dem Dachverband die Interessensvertretung von KünstlerInnen mit Behinderung im deutschsprachigen Raum fundiert sein Engagement anthropologisch: „Kunst ist eine universelle Sprache, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Unsere Utopie und Vision ist eine Zukunftsgesellschaft, die Kreativen mit Behinderung Chancen bietet, ihre künstlerischen Fähigkeiten auszubilden, zu entwickeln und beruflich zu nutzen“ (EUCREA [b]).
Mit Jacques Rancière gesprochen, vollzieht der Diskurs der kulturellen Inklusion also eine spezifische „Aufteilung des Sinnlichen“ (Rancière 2008). Rancière verweist mit diesem Begriff darauf, dass jede Ordnung eines Gemeinwesens auf einer allgemeinen Ästhetik im Sinne einer Ein-, Auf- und Zuteilung von Subjekten, Tätigkeiten, Räumen, Zeiten, Sag- und Sichtbarkeiten beruht (vgl. ebd., S. 25-26). Diese umfasst auch ein spezifisches „Identifikationsregime“ (Rancière 2008 b, S. 17) von Kunst, das dieser bestimmte (soziale) Räume und Funktionen zuweist. Inklusionstheoretisch ist hinzuzufügen, dass in der Zuweisung des Status ‚Behinderung‘ mit all ihren auch institutionellen Konsequenzen wie der (andauernden) Exklusion in segregierte räumliche Sphären, die Funktionsweise der Aufteilung des Sinnlichen besonders augenfällig wird. Das Identifikationsregime von Kunst, das der Inklusionsdiskurs dieser Exklusion entgegensetzt, ist im Ganzen stark humanistisch, teleologisch bzw. normativ und moralisch fundiert.
In der beschriebenen Konstellation nimmt die Literatur bzw. nehmen literarische kulturelle Bildungs-Projekte in unterschiedlicher Hinsicht eine Sonderrolle ein, anhand derer auf einige ‚blinde Flecken‘ der genannten Aufteilung des Sinnlichen aufmerksam gemacht werden kann.
Wieder ist der BKM-Preis hierin exemplarisch, wie sich nicht nur daran zeigt, dass in den zehn Vergabejahren erst einmal (2009) ein Kunstprojekt ausgezeichnet worden ist, an dem Menschen mit geistiger Behinderung beteiligt waren (das Projekt Accompagnato – Die Kunst des Begleitens, eine musikalischen Kooperation nicht-behinderter Orchester-Musiker mit geistig behinderten Sängern und Darstellern). Darüber hinaus ist 2016 zum bislang einzigen Mal ein literarisches Projekt prämiert worden – das Frankfurter Literaturvermittlungs-Projekt Frankfurt liest ein Buch, in dem seit 2010 jährlich ein Buch über Frankfurt im Mittelpunkt unterschiedlicher, über die Stadt verteilter Lese- und Präsentationsveranstaltungen steht. Literatur ist damit gewissermaßen zweifach unterrepräsentiert: in der kulturellen Bildung im Allgemeinen, in der inklusiven kulturellen Bildung im Besonderen. Bereits der Bildungsbericht von 2012 verweist darauf, dass in Deutschland im OECD-Vergleich bei außerunterrichtlichen musisch-ästhetischen Angeboten eine signifikante Schwerpunktsetzung auf Musik und bildende Kunst festzustellen ist (Bildung in Deutschland 2012, S. 180), die letztlich die curriculare Verteilung der künstlerischen Pflichtfächer widerspiegelt (ebd., S. 181). Darüber hinaus differieren derartige Angebote nach Schulart: während in Gymnasien und Gesamtschulen Instrumentalmusik und (Chor-)Gesang dominieren, setzen Hauptschulen schwerpunktmäßig auf „Tanz/Akrobatik/Zirkus“ (ebd., S. 181). Literarische Angebote, die in allen Schularten statistisch noch unterhalb von Projekten der „Medienpraxis“ (ebd.) rangieren, sind in 28% der Gymnasien und Gesamtschulen, jedoch nur in 9% der Hauptschulen vertreten. Diese Zuordnung von bestimmten Künsten zu bestimmten Räumen und Subjekten macht nicht zuletzt auf ‚unter der Hand‘ mitgeführte, seinem Universalismus entgegenlaufende Abstufungen und Partikularismen im Bildungsdiskurs aufmerksam, an denen sich in den Theoriedebatten und Kämpfen um Bildungs(un)fähigkeit geistig behinderter Menschen auch der geistigbehindertenpädagogische Diskurs abarbeitete (vgl. Ackermann 2010, S. 60-62). Angesichts solcher Befunde verwundert es nicht, dass Literaturprojekte im Bereich der kulturellen Bildung von Menschen mit (geistiger) Behinderung noch stärker unterrepräsentiert sind (vgl. Groß-Kunkel 2017, S. 24) – was nicht nur die Praxis betrifft: Auch in der Forschung spielt „Literatur als Medium kulturellen Erfahrens und Erlebens von Menschen mit Behinderung“ (ebd.) im Gegensatz zu Kunst, Theater, Tanz und Musik kaum eine Rolle.
Die Gründe hierfür sind zum einen sicher institutionell bzw. strukturell bedingt. EUCREA e.V. macht auf die generellen strukturellen Hürden im Kunstbetrieb aufmerksam, die zur Ausbildung eines parallelen Kunst- und Kultursektors (etwa in Form der Behindertenwerkstätten) beitragen und zu denen sowohl ein Mangel an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, räumlicher und technischer Barrierefreiheit, als auch juristische Regelungen, die bspw. Werkstatt-Teilnehmern die Beantragung von Projektförderung oder das Regelstudium untersagen, gehören (vgl. EUCREA 2018, S. 11-12). Im Fall der Literatur kommt jedoch erschwerend hinzu, dass diese Kunstform per se weniger institutionalisiert ist: (universitäre) Ausbildungs- oder Studiengänge für literarisches Schreiben sind weit weniger verbreitet als Kunst-, Musik- oder Theaterhochschulen und gewinnen (wie etwa das Literaturinstitut Leipzig) erst in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung. Die Tatsache, dass literarisches Schreiben und Lesen kulturgeschichtlich eher als private, ja intime, isolierte und isolierende Tätigkeiten eines einzelnen Subjekts diskursiviert und praktiziert wurden und werden, ist hierfür gewiss ebenso relevant wie persistierende Autorbegriffe, die den Autor – trotz seiner (post-)strukturalistischen ‚Entthronung‘ zugunsten der Eigengesetzlichkeit von Sprache – als geistig schöpferisches Originalgenie konzipieren. Für die historischen wie gegenwärtigen Identifikationsregime der Künste ist die ‚Geistigkeit‘ von Literatur bzw. ein spezifischer Logozentrismus und Intellektualismus nicht von der Hand zu weisen, vielmehr sind sie stark durch die Dichotomie Geist versus Körper bzw. Kultur versus Natur strukturiert. Dabei ist die mediale Besonderheit von Literatur, dass es sich bei ihr um Sprachkunst handelt, gewiss von maßgeblicher Bedeutung. Da Musik und Tanz bspw. dominant asignifikante Künste darstellen und Tanz und Theater wesentlich körperbasiert sind, stehen sie dem Sinnlichen näher, während die Sprache als Material von Literatur kulturhistorisch mit dem Logos und folglich mit dem menschlichen Vernunft- bzw. Erkenntnisvermögen, dem Sinnvollen, zusammenhängt. Rancière legt diesbezüglich dar, dass und wie ein derartiges Identifikationsregime von Literatur daran teilhat, die Menschen einzuteilen in diejenigen, die qua Sprach- und geistigem Vermögen „an der Welt der Handlungen teilhaben“ und diejenigen, „die auf die Welt des Lebens, das heißt der reinen Reproduktion des Daseins beschränkt sind“ (Rancière 2008 b, S. 21).
Diese Dichotomie ist, darauf verweist Viola Luz, selbst für den Diskurs der bildenden Kunst prägend. Hier konnte zwar, etwa im Art-Brut-Diskurs, das künstlerische Schaffen von Menschen mit geistiger Behinderung bzw. psychischen Störungen bedingt in den Bereich des Sag- und Sichtbaren integriert werden, jedoch um den Preis bestimmter Zuschreibungen, die dieser Kunst eine ahistorische Ursprünglichkeit und Authentizität qua Kulturferne ihrer Schöpfer attestieren (vgl. Luz 2012, S. 337). In den oben skizzierten Argumentationsmustern bezüglich inklusiver kultureller Bildung zeichnen sich diese Zuschreibungen ab, wenn die künstlerische Tätigkeit von Menschen mit Behinderung als anthropologische Universalie statt professionelle Kompetenz, individuelles Talent o.ä. adressiert wird. Luz hebt in diesem Kontext außerdem die Relevanz der Kreativitätsforschung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und ihre Applikation in Theorie und Praxis von Heilpädagogik und Behindertenhilfe hervor, die „Kreativität mit einem an sprachlich-intellektuellen Prozessen ausgerichteten Intelligenzgrad“ (ebd., S. 109) koppeln. Derselbe Intellektualismus, nicht zuletzt bedingt durch die Entstehung normalistischer Verfahren der Intelligenzmessung, prägt nun, wie etwa Thomas Hoffmann darlegt, immer noch die Modellierung geistiger Behinderung (vgl. Hoffmann 2013, S. 207). Konzepte künstlerischen Schaffens setzen also auf Eigenschaften und Kompetenzen, die Menschen mit geistiger Behinderung gerade abgesprochen werden (vgl. dazu Schuppener 2005, S. 23-29), für die Kunstform Literatur aber besonders relevant sind, erfolgt literarisches Schreiben doch im Medium der Sprache – sein Material bildet also ein kodifiziertes Zeichensystem, dessen En- und Decodierung (neben physischen) spezifischer kognitiver Kompetenzen bedarf. In neueren Theorien zum Schriftspracherwerb von Menschen mit Behinderung, insbesondere in den New Literary Studies, wird ein derartiger, an formalen Lese- und Schreibkompetenzen sowie kognitionspsychologisch orientierter Literacy-Begriff mittlerweile problematisiert und selbige stattdessen als soziale Praxis konzipiert, die „unterschiedliche Arten und Formen der Beschäftigung mit Texten“ (Groß-Kunkel 2017, S. 107) bzw. „kulturelle[] Formen der Nutzung geschriebener Sprache“ (Wilke 2015, S. 33) umfasst. Zum literarischen Schreiben (und der angemessenen Lektürehaltung) allerdings gehört gemäß hegemonialer Literaturbegriffe weiterhin ein spezifischer, besonderer oder besonders elaborierter und reflektierter Umgang mit Sprache bzw. eine spezifische Literarizität im Sinne von ästhetischen Verfahren, die von der Normal- oder Alltagssprache abweichen (vgl. Winko 2009, S. 374-376), und die auf der Beherrschung dieser Normalsprache durch ein souveränes, vernunftbegabtes Autorsubjekt (vgl. Waldschmidt 2007, S. 190f.) aufbauen. Die von Anke Groß-Kunkel hervorgehobene Tatsache, dass die (schulische) Lesesozialisation bzw. das Lesenlernen von Menschen mit geistiger Behinderung in der Regel nicht mit Literatur verbunden wird, bestätigt die Exklusivität des Literarischen; wo offenbar noch um Konzept und Didaktik des Schriftspracherwerbs in der Geistigbehindertenpädagogik gerungen wird, scheint der Weg zur Beschäftigung mit dem literarischen Schreiben und Lesen von Menschen mit geistiger Behinderung noch weit. Entsprechend wenden sich Literatur- und Kulturwissenschaft sowie Disability Studies dem Thema ‚Literatur und Behinderung‘ vorrangig im Rahmen der Repräsentations- und Konstruktionsdimension von Literatur zu und heben ihren Anteil an der Reproduktion von Behinderungs-Stereotypen hervor (vgl. Barker/Murray 2018) – oder aber (wie oben für den Diskurs der inklusiven kulturellen Bildung konstatiert) das Potential von Behinderung thematisierender Literatur, zu empathischem Verständnis und Verständigung beizutragen. Dies ist beispielsweise explizites Programm des einmalig von der Caritas veranstalteten Literaturwettbewerbs Barrieren Überwinden, der 2011 Schreibende ab 14 Jahren zur Einreichung einfach geschriebener, kurzer Texte aufrief, „die sich mit der Frage beschäftigen, wie Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen verwirklicht, wie Barrieren überwunden werden können“ (Caritas 2011, S. 3).
Ungeachtet des diffizilen Verhältnisses von literarischem, Inklusions- und Bildungsdiskurs schreiben Menschen mit geistiger Behinderung Literatur (man denke etwa an Axel Brauns, Georg Paulmichl, Nicoleta Craita Ten‘o u.a.) und es gibt Preise, die Literatur von und für Menschen mit (geistiger) Behinderung auszeichnen und sich damit nicht nur im Feld kultureller Bildung, sondern auch im literarischen Feld verorten. Wie sich die beschriebenen Identifikationsregime, Wertordnungen, Sag- und Sichtbarkeiten in den Profilen dieser Preise abzeichnen, wird im Folgenden im Vergleich mit ‚regulären‘ Literaturpreisen genauer betrachtet.
In einer ersten Annäherung sind die in Deutschland (und Österreich) vergebenen Literaturpreise, die in unterschiedlicher Weise auf die Inklusion von Menschen mit sog. (geistiger) Behinderung zielen, als kulturelle Bildungsprojekte im oben erläuterten Sinn zu verstehen. Nicht zuletzt zeigt sich dies an ihrer Trägerstruktur: bis auf eine Ausnahme werden alle Preise werden von kirchlichen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren vergeben (oder finanziell gefördert), die der institutionalisierten Behindertenhilfe (wie etwa Aktion Mensch, die Lebenshilfe oder die Caritas), der kulturpolitischen Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung (EUCREA e.V., KuBus e.V.) oder der außerschulischen, inklusiven kulturellen Bildung (wie der Verein Die Wortfinder e.V., Ohrenschmaus e.V.) zuzuordnen sind. Die Vereinsleitbilder, Preisprofile und Vergabepraktiken weisen die Preise entsprechend als Instrumente der Sichtbarmachung, Normalisierung und Ermächtigung von Menschen mit Behinderungen aus. Sie sind jedoch nicht nur als teilhabeorientierte Bildungs-Projekte zu begreifen, sondern schließen als Literaturpreise auch an eine traditionsreiche Praxis des literarischen Feldes an und sind somit auf der Schwelle oder Schnittstelle zwischen mindestens zwei Diskursen, Praktiken und Wertordnungen zu verorten. Was Saskia Schuppener für die Theoretisierung von Kreativität und Behinderung im Kontext der bildenden Künste fordert, gilt auch für die Analyse der der inklusiven Literaturpreise: Sie sind nicht nur „zum einen aus behinderungstheoretischer Sicht […], zum anderen aus der Perspektive der Funktionalisierung von Kunst vor therapeutischem und/oder pädagogischem Hintergrund“ (Schuppener 2005, S. 117), sondern auch aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive zu untersuchen. Dies, so die These, ermöglicht ein genaueres Verständnis der Verzahnung von Ein- und Ausschließung, die sich an den Preisen im Besonderen, in Kunst und Kultur im Allgemeinen beobachten lässt.
Jenseits von einmalig veranstalteten Schreibwettbewerben wie dem o.g. Barrieren überwinden, werden bzw. wurden in Deutschland (und Österreich) sechs inklusionsorientierte Literaturpreise verliehen. Vier von ihnen zeichnen Texte aus, die von Menschen mit Behinderung geschrieben worden sind: 2005, 2008 und 2010 veranstaltete der Verein EUCREA e.V. seine von den Elbe-Werkstätten mit initiierten Schreibwettbewerbe für, wie in den Ausschreibungen formuliert, „Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung“ (EUCREA [c]). Der österreichische Verein Ohrenschmaus. Verein zur Förderung der Literatur von Menschen mit Behinderung vergibt seit 2007 jährlich drei Hauptpreise für „herausragende Texte von Menschen mit intellektueller Behinderung“ (Ohrenschmaus), seit 2014 zusätzlich bis zu zehn Plätze auf der so genannten Ehrenliste und seit 2017 den Schokoladenpreis, für den der Schokoladenhersteller Zotter 1000 Stück Schokoladen spendet, auf deren Banderole der Gewinnertext aufgedruckt wird. Seit 2011 veranstaltet der Bielefelder Verein Die Wortfinder e.V. zur Förderung von Kreativität und Literatur von Menschen mit ‚psychischen und geistigen Beeinträchtigungen‘ oder in ‚besonderen Lebenslagen‘ jährlich einen Literaturwettbewerb (vgl. Die Wortfinder). Ausgezeichnet werden kurze Texte und „Schriftbilder“ von Schreibenden mit geistiger Behinderung. Seit 2018 verleiht der Geest-Verlag jährlich seinen b.bobs59-Literaturpreis, der im ersten Jahrgang Schreibende ab 15 Jahren zur Einreichung von Texten zum Thema „So stark bin ich“ aufruft (vgl. Geest). Als einziger der genannten Preise ist er auch für Menschen mit körperlicher Behinderung offen (vgl. hierzu Abschnitt 3.2).
Zwei weitere inklusive Preise werden für Texte vergeben, die für Menschen mit Behinderung bzw. Lern- und Leseschwierigkeiten verfasst worden sind: Seit 2013 veranstaltet die Lebenshilfe Berlin den von KuBus e.V. (Verein zur Förderung der Kultur, Bildung und sozialen Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung) entwickelten, jährlich stattfindenden Literaturwettbewerb Die Kunst der Einfachheit, der Geschichten und Gedichte in einfacher Sprache bzw. „verständliche Literatur“ (KuBus) auszeichnet. Der Leichte-Sprache-Preis der Universität Hildesheim und des DUDEN-Verlags ist insofern ein Sonderfall, als zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrags noch nicht feststeht, ob er nach der erstmaligen Vergabe 2018 noch weiter verliehen wird. Darüber hinaus zeichnet er keine belletristische Literatur, sondern „die beste Fachübersetzung“ (DUDEN) in Leichte Sprache aus – nicht zuletzt, um die Professionalisierung der Leichte-Sprache-Übersetzung, die der DUDEN-Verlag bereits mit seinem dreibändigen Leichte-Sprache-Handbuch betreibt, zu fördern. Da es hier um Fragen von Behinderung und Literatur als Kunst geht, bleibt der Leichte-Sprache-Preis im Folgenden weitgehend unberücksichtigt.
Ungeachtet ihrer Spezifika teilen die genannten Preise bestimmte Charakteristika. Dass sie alle wettbewerbsförmig organisiert sind, bildet ein hervorstechendes Merkmal dieser Gruppe innerhalb der Literaturpreislandschaft, wo von ca. 950 Preisen 388, also rund 40%, dem Wettbewerbsformat gehorchen. Der Anteil derartiger Preise mit Ausschreibung, Selbstbewerbung und formal gleichen Teilnahmebedingungen, die vom ‚klassischen‘ Literaturpreismodell im Sinne der seriellen Ernennung eines in arkanen Auswahlverfahren bestimmten Preisträgers und der inszenierten, ritualisierten, feierlichen Verleihung des Ehrentitels (vgl. Dücker/Neumann 2005, S. 11) abweichen, steigt seit 1990 kontinuierlich an. Die inklusiven Literaturpreise übertreffen damit jedoch nicht nur einen allgemeinen Trend. Wettbewerbsförmige Preise werden nämlich bevorzugt in bestimmten Sektoren verliehen – allen voran in den Sektoren Laienpreise (90%), Nachwuchspreise (55%) und Lyrikpreise (55%). Strategisch überschreiten derartige Wettbewerbe die Konsekrationsfunktion, die Kulturpreisen üblicherweise zugeschrieben wird: Bei den Nachwuchs-Wettbewerben, die zudem häufig im Entstehen begriffene Texte auszeichnen, verschiebt sich der Fokus vom Werk auf die Produktionsförderung bzw. -stimulierung – die Preisvergaben fungieren hier nicht selten (wie beim Open Mike in Berlin) als eine Art ‚Talent-Scouting‘ und/oder als finanzieller Zuschuss in Anbetracht prekärer künstlerischer Lebensbedingungen und Erwerbsverhältnisse. Insbesondere Preise, die an nicht professionelle und oft jugendliche AutorInnen gehen, sind nicht nur wettbewerbsförmig, sondern werden zudem größtenteils als Schreib- statt Literaturwettbewerbe tituliert, sind in der Regel zu einem bestimmten Thema ausgeschrieben und implizieren folglich, dass die Texte dezidiert für den Wettbewerb verfasst werden. Sie realisieren damit besonders deutlich den für das Feld kultureller Bildung fundamentalen Wertmaßstab der Partizipation. Partizipation im Modus des Wettbewerbs, so ist nicht nur mit Blick auf Schreibwettbewerbe zu ergänzen, bildet aktuell das dominante Modell kultureller Bildung. So vermerkt die ministerielle Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Bildungsarbeit NRW, dass gerade der Wettbewerbsmodus die Partizipierenden „dazu motivier[t], selbst kreativ tätig zu werden [und] sich intensiv mit den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten von Kunst und Kultur auseinanderzusetzen“ (Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“).
Auch die genannten inklusiven Literaturpreise, die Texte von Menschen mit (geistiger) Behinderung auszeichnen, sind solche Schreibwettbewerbe. Zum einen inkludieren sie folglich die zum Mitmachen auf- oder angerufenen Teilnehmer in einen hegemonialen Subjektivierungsmodus. Dessen Konkurrenzförmigkeit gehorcht der o.g. modernen und normalistischen, sozioökonomischen Wachstumslogik, die insbesondere seit der Durchsetzung neoliberaler ökonomischer Paradigmen mit konkurrenzbasierten Subjekttechnologien einhergeht (vgl. Link 2009, S. 323-328; vgl. Lemke 1997, S. 248). Zum anderen rückt die Auszeichnung von Sprachkunstwerken besonderer Qualität, die gemeinhin als Funktion von Literaturpreisen gilt, zugunsten der eingangs skizzierten Ziele inklusiver kultureller Bildung wie Empowerment oder auch therapeutischer Kreativitätsförderung in den Hintergrund. Die inklusiven Wettbewerbe bzw. ihre Träger berufen sich zwar durchaus auf die übliche Konzeption von Literaturpreisen als Indikatoren künstlerischer Qualität: So beansprucht das Vereinsleitbild von EUCREA e.V., sich dafür einzusetzen, dass „Kunst von Menschen mit Beeinträchtigungen nicht in ‚Sonderkategorien‘ unterteilt oder bewertet wird. Unserer Meinung nach geht es darum, auf künstlerischer Ebene eine kritische und gleichwertige Reflexion der Arbeit von Künstlern mit und ohne Beeinträchtigung anzustreben“ (EUCREA [b]). Die Ohrenschmaus-Homepage betont das Anliegen, zur „Vielfalt der Literaturlandschaft“ beizutragen, zitiert den Schirmherrn Felix Mitterer mit den Worten: „Kein Mitleidsbonus, keine Peinlichkeit – einfach Literatur!“ (Ohrenschmaus) und verwehrt sich auf Facebook der Etikettierung als „Sozial-Projekt“, da es um „wahre Literatur“ gehe (Ohrenschmaus [b]). Auf eine Anfrage per Mail betont auch der Geest-Verlag, das sich die Vergabekriterien seines b.bobs59-Literaturpreises mit dem Maßstab literarischer Qualität nicht von seinen anderen, „rein literarische[n] Wettbewerbe[n]“ unterschieden. Die Dignität ästhetischer Qualität wird somit erst einmal aufgerufen, um die prämierten Texte und Autoren zu valorisieren, sie also in den Status wirklicher, ,guter‘ Literatur zu erheben oder zu inkludieren und die Preise selbst aus dem segregierten Bereich der Rehabilitationspädagogik bzw. der inklusiven kulturellen Bildung in den des literarischen Feldes zu überführen. Gleichzeitig jedoch ergänzt der Geest-Verlag im selben Mailverkehr den Maßstab literarischer Qualität um das Kriterium der „Bedeutung des Beitrags für andere Menschen mit ähnlichen Lebenssituationen“ und die Teilnahmebedingung geistige Behinderung (auf die noch zurückzukommen sein wird) widerspricht der Proklamation von EUCREA und Ohrenschmaus e.V., sich Sonderkategorien zu verweigern.
Alle vier Wettbewerbe für Menschen mit (geistiger) Behinderung adressieren diese außerdem, da es eben Laien-Preise sind, nicht als AutorInnen oder KünstlerInnen, sondern in anthropologischem Impetus als ‚Menschen‘, als ‚Gesellschaftsmitglieder‘ (vgl. EUCREA [b]) oder eben als ‚Schreibende‘ – so die Ankündigung des b.bobs59-Wettbewerbs, der selbigen als „Schreib- und Buchprojekt“ (Geest) tituliert. Das Schreiben von Menschen mit geistiger Behinderung wird damit eher im Bereich der Literacy-Praktiken als in dem der Literatur situiert, wie sich auch mit Blick auf die Peritexte der ausgezeichneten Texte bestätigt. Im programmatischen Vorwort der Anthologie von Siegertexten des Ohrenschmaus-Wettbewerbs etwa schreibt Eva Jancak: „Dass beispielsweise Menschen mit Downsyndrom schreiben und lesen können und das oft sehr leidenschaftlich tun, wissen wir meistens nicht“ (Huainigg 2011, S. 7) – und profiliert den Wettbewerb als eines von mehreren Projekten, die diese ‚überraschende‘ (vgl. ebd., S. 8) Tatsache sichtbar machen. Das Vorwort der b.bob59-Anthologie rechtfertigt den Abdruck eines eingereichten Schriftbildes, das aus grafischen, an Buchstaben erinnernden Zeichen besteht, implizit ebenfalls mit dessen Status als Literacy-Praxis im erweiterten Sinne: wir „müssen [...] bedenken, dass es die ganz besondere Leidenschaft und Stärke dieses Mannes ist, sich seitenweise so auszudrücken und mitzuteilen“ (Büngen et al. 2018, S. 7-8). Als Autorinnen und Autoren (bzw. professionelle ÜbersetzerInnen) werden die TeilnehmerInnen nur beim Leichte-Sprache-Preis und beim Wettbewerb Die Kunst der Einfachheit adressiert, die sich nicht (nur) an Schreibende mit Behinderung richten – kulturelle Inklusion wird hier auf LeserInnen-Seite verortet und auch hier ist ein Impuls der Sichtbarmachung minorität Literacy-Praktiken zu konstatieren, wenn KuBus e.V. den Wettbewerb wie folgt begründet: „Viele Autoren wissen nicht, dass es Erwachsene gibt, die verständliche Literatur brauchen“ (KuBus).
Neben der sie strukturierenden Partizipationslogik hat die Wettbewerbsförmigkeit der inklusiven Preise gewiss noch weitere Gründe, wie sie der Vergleich mit einer Untersparte der Laien-Schreibwettbewerbe, den Mundart-Preisen, sowie mit Lyrik-Wettbewerben ersichtlich macht. Selbige lassen sich gewissermaßen als ‚Kompensationspreise‘ begreifen – im Falle der Mundart-Preise, die zu 87% Wettbewerbe darstellen, wird im Einklang mit der eingangs hervorgehoben UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt auf die Bewahrung und Pflege regionaler Minderheitensprachen abgezielt. Im Fall der Lyrik-Wettbewerbe wird ein auf dem Buchmarkt unterrepräsentiertes Genre gefördert: Lyrikanthologien oder -monographien machen nur einen geringen Teil der jährlichen Neuerscheinungen aus. In der Regel ist daher (wie auch bei den inklusiven Preisen) die Veröffentlichung in Anthologien, Zeitschriften oder Preis-Broschüren bereits Teil der Gratifikation und die Generierung eines gedruckten Textkorpus zwecks Genre-Förderung gehört zur Programmatik der Preise. Hinzu kommt, dass der Großteil der Preise, vor allem die hochdotierten und/oder bekanntesten Preise nur selten an Lyrikerinnen und Lyriker vergeben werden. Auch der Inklusions-Impuls der Literatur- bzw. Schreibwettbewerbe für Menschen mit (geistiger) Behinderung nimmt seinen Ausgang von einer Unterrepräsentation im literarischen Feld, auch hier ist die Textveröffentlichung bereits (wichtigster) Teil der Gratifikations-Gabe und auch hier generiert das Format Wettbewerb überhaupt erst sein eigenes Bewertungsobjekt, also eine zu evaluierende Textmenge, die aufgrund der o.g. institutionellen und strukturellen Marginalisierung von Künstlern bzw. Literaten mit (geistiger) Behinderung über die regulären Buchmarkt-Kanäle nur sehr begrenzt zu haben ist.
Im Gegensatz zu den Lyrik-Wettbewerben richtet sich die Sichtbarmachungspolitik der Schreibwettbewerbe für Menschen mit geistiger Behinderung also nicht auf ein Genre, sondern eine Autorengruppe – zumindest auf den ersten Blick. Geregelte Teilnahmebedingungen gehören zum Modell des sportlichen Wettbewerbs und der sportlichen Fairness, da sie eine möglichst homogene Vergleichsgruppe konstituieren sollen. Dass mit der Voraussetzung ‚(geistige) Behinderung‘ eine Teilnahmebedingung gesetzt wird, die über formale Vorgaben wie Genre oder Textlänge hinausgehend an die (juristische, kulturelle, körperliche etc.) Person des Autors gebunden wird, ist in der Literaturpreislandschaft eher selten. Abgesehen von Altersvorgaben bei Laien-Schreibwettbewerben für Kinder und Jugendliche oder bei Nachwuchspreisen, wo sie der formalen Festlegung des Attributs ‚Nachwuchs‘ dienen, besteht die häufigste personenbezogene Teilnahmebedingungen im biographischen Bezug zur Region oder zum Ort, in oder von dem der Literaturpreis verliehen wird. Vergleichbar mit der Bedingung ‚Behinderung‘, die als Kategorie soziokulturelle, juristische, medizinische und körpergebundene Dimensionen hat, sind nur noch die Bedingungen ‚Geschlecht‘ bei den neun existierenden Preisen für Autorinnen und die des ‚Kultur- und Sprachwechsels‘ beim 2017 eingestellten Adelbert-von-Chamisso-Preis.
Die genannten Dimensionen des Behinderungsbegriffs werden in den Ausschreibungen der Preise weder differenziert oder spezifiziert (rudimentär lediglich beim Wortfinder-Wettbewerb, der psychische Störungen dezidiert aus seinem Behinderungsbegriff ausschließt), noch werden Nachweise über die Behinderung gefordert. (EUCREA und Ohrenschmaus e.V. verlangen zwar einen kurzen Lebenslauf, machen diesbezüglich jedoch keine Vorgaben und die Kurz-Biografien mögen auch der Autorenpräsentation in den Anthologien dienen.) Einzig der Geest-Verlag verweist in seiner Ausschreibung auf die Behinderungsdefinition der UN-BRK und expliziert zudem als einziger Träger (allerdings nur im Vorwort der Wettbewerbs-Anthologie, nicht in der Ausschreibung) den nicht eingeforderten Behinderungsnachweis: „Schreiber, die sich selbst so einstufen, sollten, unabhängig davon, ob sie physisch oder psychisch amtlich behindert dokumentiert sind, die Chance der Teilnahme erhalten. Niemand will und wollte das nachprüfen.“ (Büngen et al. 2018, S. 6) Dem Problem divergierender Modelle von Behinderung, Diagnostikansätze und -verfahren sowie der darin vollzogenen Objektivierung wird begegnet, indem auf Selbstverortung der Subjekte gesetzt wird. Im Verbund mit der Tatsache, dass sich der b.bob59-Wettbewerb auch an Schreibende mit Körperbehinderung richtet und daher ein wesentlich größeres und heterogeneres Vergleichsfeld konstituiert, betreibt der Preis damit – ähnlich den AutorInnen-Preisen – eine Politik der Gleichstellung im übergeordneten Feld der Literaturpreise und -Wettbewerbe. Offenbar vorgetragenen Beschwerden nicht-behinderter AutorInnen entgegnet der Herausgeber im Vorwort entsprechend: „Haben sich die Diskussionsteilnehmer eigentlich schon je einmal gefragt, wie sich Menschen mit Behinderung bei all den anderen Wettbewerben fühlen?“ (ebd., S. 6).
Ob die Tatsache, dass die übrigen Wettbewerbe für Schreibende mit geistiger Behinderung keinen Behinderungsnachweis fordern, ebenfalls der Gleichstellung bzw. der Vermeidung von klassifizierender Stigmatisierung geschuldet ist, ist hier nicht entscheidbar. Zusammen mit der Verengung der Teilnahmebedingung auf geistige Behinderung, was eine mangelnde Vergleichbarkeit der Texte von AutorInnen mit geistiger und denen von AutorInnen mit körperlicher Behinderung impliziert, kann der nicht geforderte Nachweis aber auch problematisiert werden. Offenbar macht zum einen die strukturelle Einbettung der Wettbewerbe einen Nachweis unnötig: So sind die Ausschreibungen auf keinem der einschlägigen Autorenportale (wie literaturport.de oder kulturpreise.de) zu finden, die SchriftstellerInnen über Preise und Stipendien bzw. aktuelle Ausschreibungen informieren, sondern werden vorrangig über die institutionellen Kanäle des Netzwerks der Behindertenhilfe und Rehabilitationspädagogik verschickt und geteilt. Dass die Lebensläufe der AutorInnen der EUCREA- und Ohrenschmaus-Anthologien beinah ausnahmslos Wohnheime, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Förderschulen oder Projekte und Werkstätten der inklusiven kulturellen Bildung als Lebensstationen und Wohnorte aufführen, spricht in diesem Kontext Bände. Auch das Gästebuch des Wortfinder-Wettbewerbs versammelt zu einem großen Teil Stimmen aus der institutionalisierten Behindertenhilfe und führt so die deutliche Grenzziehung zwischen ‚regulärem‘ und ‚inklusivem‘ Literaturbetrieb vor Augen.
Die Teilnahmebedingung ‚geistige Behinderung‘ rückt die Preise jedoch auch in eine problematische Nähe zu den o.g. ‚Genre-Preisen‘. Sie impliziert nämlich, dass die Vergleichbarkeit der Texte innerhalb der Gruppe geistig behinderter Hobby-AutorInnen größer ist als die zwischen Texten von geistig behinderten und nicht-behinderten Laien und konstituiert damit, vergleichbar der Art Brut im Bereich bildende Kunst, tendenziell eine Art Quasi-Genre der ‚Behindertenliteratur‘. So ist in den Epi- und Peritexten rund um die Wettbewerbe und Siegertexte eine verstärkte Zuschreibung bestimmter Charakteristika zu vermerken. Am häufigsten fällt hier der Signifikant des Überraschenden oder Ungewöhnlichen (vgl. Huainigg 2011, S. 8, 11; Elbe-Werkstätten/EUCREA 2005, S. 5), Qualifizierungen des Komisch-Anrührenden wie im Werbetext des Online-Buchhandels zu einer Anthologie des Wortfinder e.V. („Oft verbirgt sich hinter der zum Schmunzeln bringenden
Leichtigkeit eines Textes noch eine zweite, tiefere Ebene“ [Amazon]), des Nachdenklichen (vgl. Elbe-Werkstätten/EUCREA 2005, S. 5; Die Wortfinder 2016; 2018) und des Ursprünglich-Authentischen. Die Einleitung der EUCREA-Anthologien bündelt den Großteil dieser Zuschreibungen: „[M]it dem Wettbewerb [haben wir] die Tür zu einer verborgenen Schatzkammer geöffnet [...], hinter der viele Edelsteine schlummern: Außergewöhnliche, authentische, fantasievolle und nachdenkenswerte Texte, die auf ihre Leser warten“ (Elbe-Werkstätten/EUCREA 2005, S. 5). Es ist jedoch nicht ohne weiteres entscheidbar, ob formale oder stilistische Besonderheiten eher der Tatsache geschuldet sind, dass hier Menschen mit Behinderung schreiben oder schlicht Hobby-Autoren bzw. Laien, deren schulische Bildung zudem nur geringe Anteile literarischer Bildung umfasst. Die Kopplung formaler Charakteristika an den Status ‚Behinderung‘ führt folglich die Produktion von „Adjektivliteratur“ (Czollek 2018, S. 131) vor Augen, wie sie Max Czollek charakterisiert (wobei ‚Behindertenliteratur‘ in Czolleks Aufzählung freilich fehlt) und die durch die „Kategorisierung künstlerischer Werke in Themen-Schubladen“ (ebd., S. 130) wie ‚migrantisch‘, ‚muslimisch‘, ‚feministisch‘, oder ‚jüdisch‘ Ausgrenzung erzeugt: „Diese Adjektive fungieren als Label, unter dem potentielle Leser*innen eine authentische und biographische Literatur erwarten – und also gerade keine Kunst im Sinne der Hochkultur, die lediglich ihren eigenen Gesetzen folgt“ (ebd., S. 131).
Zu problematisieren sind diese Zuschreibungen aus unterschiedlichen Gründen: Erstens rufen die Wettbewerbe die Schriftsteller als Behinderte an und provozieren so selbst bestimmte thematische Muster auf der Produzentenseite und Lektürehaltungen auf der Rezipientenseite. So ermuntern die thematischen Vorgaben der inklusiven Wettbewerbe – wenn auch nicht in jedem Jahr – die TeilnehmerInnen (mindestens implizit) zur Literarisierung behinderungsspezifischer Erfahrungen oder schließen mit dem Signifikanten ‚Mut‘ an Ermächtigungsdiskurse an, etwa im ersten EUCREA-Motto, das zugleich ein Zitat des (geistig behinderten) Autors Georg Paulmichl ist: „ich getraue mich ins leben vorzudringen“ (Elbe-Werkstätten/EUCREA 2005), im b.bobs59-Thema „So stark bin ich“ (2018) oder im Wortfinder-Thema „Über Mut und um Mut herum“ (2015). Der Ohrenschmaus-Preis gibt als einziger Wettbewerb für Menschen mit Behinderung keine thematische Bindung vor, wird jedoch bis 2012 neben Prosa und Lyrik in der Sparte ‚Lebensbericht‘ vergeben (und schlägt dies immer noch als mögliches Genre vor), wodurch die Thematisierung von Behinderung zumindest implizit angeregt wird. Spiegelbildlich entspricht dieser thematischen Dimension die in Epi- und Peritexten wie (von nicht-behinderten Akteuren verfassten) Vorworten, Klappen- bzw. Werbetexten oder auch in den Laudationes wiederholte Betonung, dass die Texte „einen direkten Zugang zur Individualität, zum Denken und Fühlen von Menschen mit geistiger Behinderung“ (Elbe-Werkstätten/EUCREA 2005, S. 5) geben und Erfahrungen vom „Leben der Menschen [vermitteln], die irgendwie an den Rand gedrängt werden und vielleicht nicht so, wie sie wollen, wahrgenommen werden“ (Huainigg 2011, S. 8). Die eingangs genannte Metapher der ‚Schattenwelten des Daseins‘ (vgl. Gellhorn 2017 S. 41), die in Kunst von Menschen mit Behinderung spürbar werde, wird auch im Preiskontext häufig variiert, etwa wenn die „Aussagekraft“ (Büngen et al. 2018, S. 7) von Geschichten gelobt wird, die den ‚starken Umgang mit Schwächen‘ (vgl. ebd.) bzw. mit dem Leid der Beeinträchtigung thematisieren: „Wenige Worte schaffen einen Raum, der eine Biografie spürbar werden lässt, eine Biografie, die dem Dunklen, das sie geprägt hat etwas Helles abtrotzen möchte: eine Sehnsucht nach einem Leben ohne Verletzungen.“ (Janisch 2018) ‚Berührung‘ (vgl. ebd.) ist dann der entsprechende Affekt auf Rezipientenseite.
Zweitens werden auf diese Weise Identifikationsregime von Behinderung und hierarchische Beziehungsstrukturen zwischen behinderten und nicht-behinderten Subjekten reproduziert. Neben dem komplementären Verhältnis von ‚Leben-mit-Behinderung-Narrativ‘ und Berührungs-Affekt wird im Wettbewerbskontext häufig auch die o.g. Dichotomie von Körper/Sinnlichkeit versus Geist konnotativ aktualisiert, etwa bei den Themen „Es hört sich an wie eine Melodie“ (b.bobs59-Wettbewerb 2019), „Sinn(e) und Unsinn(e)“, „Körper, Geist und Seele“ (Wortfinder-Wettbewerbe 2013; 2019), „Und die Welt klingt wie Musik“ (Die Wortfinder/Feldwieser 2016 b)oder in der häufigen Rekurrenz auf das Gefühl schlechthin: die Liebe („die liebe ist warm, ich spüre sie am herz“ (EUCREA-Wettbewerb 2010) oder „Luft und Liebe“ (wortfinder-Wettbewerb 2018), „Wenn man verliebt ist, wird das Herz ganz rot“ (Die Wortfinder/Feldwieser 2016). Gerade im Fall der sprachspielerischen Themenvorgaben von Wortfinder e.V. wird ein weiterer Topos des Diskurses um Kunst und Behinderung aufgerufen: Indem durchaus auch aktuelle Themen wie „Heimat und Fremde“ (2016) ausgeschrieben werden oder ‚philosophisch‘ unbestimmte wie „Von großen und von kleinen Dingen“ (2017), wird den antizipierten Texten bzw. ihren AutorInnen durchaus Erkenntnispotential und Reflexionsvermögen zugesprochen. Im Jahrgang 2014 wird dies besonders deutlich: Statt des traditionellen Jahreskalenders mit prämierten Texten wird ein Anthologie-Projekt durchgeführt, bei dem in einer ersten Runde zur Einreichung von Fragen zu so unterschiedlichen Themenbereichen wie Philosophie und Ethik, Religion und Glaube, Leben und Tod, Politik, Behinderung und Gesellschaft, Liebe und Gefühle, Körper und Sexualität, Natur und Pflanzen, Wissenschaft und Technik aufgerufen wird, aus denen „die spannendsten, interessantesten und witzigsten“ (Die Wortfinder 2014) ausgesucht und ihrerseits zur Bearbeitung in Wort und Bild ausgeschrieben werden. Die bereits angeführten Klappen- und Werbetexte zeigen jedoch, dass das hier adressierte Erkenntnisvermögen auf eine bestimmte Art und Weise konzipiert wird, die literatur- und kulturgeschichtlich an hergebrachte Naivitätsdiskurse anschließt, in denen der (kindlichen, frommen oder ungebildeten) Einfalt eine unschuldige, unverbildete Weisheit zugesprochen wird (vgl. z.B. Koopmann 1998; Geisenhanslüke 2011). Derartige Erkenntnisse, denen bei nicht-naiven Lesern der Eindruck des Witzigen im Sinne des Überraschenden, des Rührenden oder Nachdenklich-Machenden zugeschrieben wird, gelten nicht als reflexive, sondern als eine andere, spontane und natürlichere Erkenntnis. So führt DuBuffet als Begründer des Art Brut-Diskurses den Wert und die „geistige Bewegung“ (Dubuffet 1991, S. 98) der Kunst von Insassen psychiatrischer Kliniken, Kindern oder sog. ‚Primitiven‘ auf deren Distanz zur Kultur zurück bzw. auf die Tatsache, dass sie „unberührt von der kulturellen Kunst geblieben sind“ (ebd., S. 92) und somit frei von „Anpassung und Nachahmung“ (ebd.) seien. In den genannten Zuschreibungen von authentischem Ausdruck, idiosynkratischem Ton und ganz eigener „Sichtweise“ (Huainigg 2011, S. 11), von Einblicken in eine ansonsten (noch) verschlossene Welt des ausgeschlossenen Anderen schwingen derartige Bestimmungen mit. Wenn zudem immer wieder betont wird, dass die Texte von geistig behinderten AutorInnen zum Schmunzeln, Fühlen und Nachdenken anregen, wird deutlich, dass das besondere Erkenntnis- und Bereicherungspotential (vgl. Huainigg 2011, S. 11) der Texte vor allem als wirkungsästhetischer Effekt auf Seiten der nicht-behinderten Rezipienten konzipiert wird, sodass man durchaus instrumentalisierende Tendenzen bei Beibehaltung herkömmlicher Dichotomien konstatieren muss. Eine genauere Analyse der Primärtexte muss aus Platzgründen entfallen – es gälte an dieser Stelle aber herauszuarbeiten, inwieweit die Effekte des Nachdenklichen und Rührend-Komischen tatsächlich auf Innerlichkeit, Authentizität und Kulturferne zurückzuführen sind, oder ob sie nicht vielmehr gerade als Spuren des disziplinarischen (im Sinne Foucaults), subjektivierenden Zugriffs durch kulturelle, pädagogische, moralische, medizinische u.a. Institutionen, Diskurse, Praktiken und Wertordnungen zu lesen sind.
Drittens reduzieren die Zuschreibungen behinderungsspezifischer Charakteristika Literatur im Allgemeinen, Literatur für Menschen mit sprachlichen Einschränkungen im Besonderen auf spezifische Modelle, in denen ihre Literarizität und Materialität zugunsten von Identifikationsregimen in den Hintergrund rückt, die Literatur als Kommunikation und/oder Narration konzipieren und das ‚Verstehen‘ als dominante Rezeptionshaltung postulieren. Dies gilt auch für den Wettbewerb Die Kunst der Einfachheit, der bereits durch seinen Namen das Schreiben für Menschen mit Behinderung in eigentlich emanzipatorischem Gestus als ästhetisches Paradigma profiliert sowie für das ähnlich gelagerte aktuelle Projekt Literatur in einfacher Sprache des Literaturhauses Frankfurt.
Auf dem Flyer zum Wettbewerb Die Kunst der Einfachheit für Literatur in einfacher Sprache ist neben der fotografischen Abbildung einer lesenden jungen Frau mit Down Syndrom eine typographische Zusammenstellung unterschiedlicher qualifizierender Attribute zu sehen. Eine erste Gruppe ist dem o.g. semantischen Feld des Authentischen und des ‚Unschuldig-Einfältigen‘ zuzuordnen („ungekünstelt“, „ehrlich“, „schlicht“, „bescheiden“, „natürlich“, „erfrischend“). Eine zweite Gruppe vermittelt ästhetischen Anspruch bzw. eine ästhetische Programmatik („ästhetisch“, „mit wenigen Mitteln“, „minimal“, „möglichst viel erreichen“). Im Unterschied zu den partizipationsorientierten Wettbewerben ist hier folglich der künstlerische Anspruch von erhöhter Relevanz und einfache Sprache wird als ästhetisches Mittel valorisiert. Die dritte Attribut-Gruppe führt diese ästhetische oder poetische Programmatik jedoch kategorial auf ‚Verstehen‘ eng, insofern sie auf Prinzipien der klassischen Rhetorik rekurriert, allen voran auf die Maßstäbe von claritas und perspicuitas (Klarheit und Durchsichtigkeit): „gradlinig“, „direkt“, „der kürzeste Weg“, „transparent“, „klar“, „verständlich“. Obwohl es aus der Reihe der Literaturpreise und Wettbewerbe herausfällt, sei an dieser Stelle auf das ähnlich gelagerte Projekt Literatur in einfacher Sprache des Frankfurter Literaturhauses verwiesen. Die Beteiligten (AutorInnen, Literaturhaus-MitarbeiterInnen, wissenschaftliche und politische Kooperationspartner) erarbeiteten ein eigenes Regelwerk, nach dem die eigens dafür gewonnenen professionellen AutorInnen Texte in einfacher Sprache erstellen und in regelmäßiges Abständen in Lesungen präsentieren. Explizites Ziel des Projekts ist, die Gleichzeitigkeit von Zugänglichkeit durch einfache Sprache mit künstlerischem Anspruch zu vereinen und so den „toten Winkel“ (Grimm/Hückstädt/Walser 2018, S. 38) der sieben Millionen auf einfache Sprache angewiesenen erwachsenen LeserInnen und nicht sprach-eingeschränkte Lesepublika zu erreichen. Damit begegnet das Projekt kritischen Einwänden gegen die Leichte Sprache, deren „Hypostasierung“ Clemens Dannenbeck zufolge einen „Gestus der Übersetzung, der Übertragung, der Vereinfachung ins Andersartige“ und „Sonder-Angebote[]“ für Menschen mit Behinderung produziert (Dannenbeck 2012, S. 59). Die künstlerischen Texte in einfacher Sprache hingegen „sollen den Makel des Behelfs, der Krücke, des Kunstlosen entbehren“ und das noch junge Feld der Literatur in einfacher Sprache „zu unbekannten Grenzen“ führen (Grimm/Hückstädt/Walser 2018, S. 39). Abgesehen davon, dass diese künstlerische Fähigkeit durch die Auswahl der teilnehmenden SchriftstellerInnen aber nur nicht-behinderten AutorInnen zugesprochen wird, bleibt das Attribut ‚einfach‘ im ästhetischen Regelwerk recht unbestimmtes Postulat („Wir benutzen einfache Wörter“ oder „Wir schreiben einfache Sätze“ [ebd., S. 40]). Die Regel „Wir erzählen nur aus einer Perspektive“ (ebd.) hingegen indiziert eine Gattungs-Eingrenzung auf epische, also narrative Texte, und die Vorgabe „Wenn wir Sprachbilder verwenden, erläutern wir diese“ (ebd.) impliziert ein hermeneutisches Verstehensmodell. Zusammengenommen scheint einfache Sprache als literarisches Paradigma auf die Produktion ‚lesbarer‘ Texte in Sinne Roland Barthes hinzusteuern, also einen Literaturbegriff zugrunde zu legen, der ‚gnadenlos‘ (vgl. Barthes 1987, S. 8) zwischen Produzent und Rezipient, zwischen Autor und Leser trennt, wobei letzterem die Aufgabe der passiven Sinnentnahme bzw. Konsumtion zusammenhängender, narrativer, dominant referentieller Texte zugewiesen ist. Einer der beteiligten Autoren, Kristof Magnusson, betont zwar zu Recht, dass die selbst auferlegten Schreibregeln des Projekts die Autoren zu einem „Oulipo-artigen Sprachspiel“ (Magnusson 2017, S. 9) einladen – es besteht jedoch ein nicht unwesentlicher Unterschied zu den formalen contraintes, die sich die Mitglieder der experimentellen Autorengruppe Oulipo auferlegten. Während letztere (etwa Georges Perecs Roman ohne ‚e‘) eher einen Verfremdungseffekt im Brecht’schen oder strukturalistischen Sinn evozieren – also eine Entautomatisierung der Wahrnehmung und des Verstehens – sollen die Regeln der einfachen Sprache dieses (referenzielle) Verstehen gerade ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus eine Paradoxie, dass – obwohl in beiden Fällen auf die Kategorie ‚Behinderung‘ Bezug genommen wird – die Literarizität, die bei der Textproduktion für Menschen mit geistiger Behinderung oder sprachlicher Einschränkung angestrebt wird, eine ganz andere ist, als diejenige, die (einige) der prämierten Texte von Menschen mit Behinderung auszeichnet. Den Kriterien des Wettbewerbs Die Kunst der Einfachheit jedenfalls dürfte ein Text wie der folgende des EUCREA-Preisträgers Ingo Biesterfeld nicht entsprechen, der – seines Identifikationsregimes enthoben – m.E. ebenso gut in einer Sammlung arrivierter experimenteller Poesie erscheinen könnte:
Die vergehenden Tage zum Winter
Die Tage werden nach der sonnenbedeckten Zeit der Uhr nach zum Winter hin verstellt, wo der Schornstein bläst die Asche hin. Wer zu Tage noch die Gartenläuse warm zu sein Blick gewandt, versteht die Einsamkeit ‚Mensch‘ als torreiche Lebenskugel und baut ein Netz aus Drachenspinnen und Humuskleeblatt Gespann, weil die Reise pünktlich vergeht in einem Glückritter Gesang. [...] Nach dem Sonnenlicht der Tage die Welt sich warm gemausert, verliert man dem Anschein nach des Schornsteins reich gemauert und kehrt ein im Winterreich des herzanmutigen Nikolausschutzbeherbergigen Gemäuer.
Während die Preisverleihung zum Wettbewerb Die Kunst der Einfachheit auf der Leipziger Buchmesse erfolgt und damit dessen Anspruch der Etablierung von Literatur in einfacher Sprache als Buchmarkt-Segment unterstreicht, münden die anderen Wettbewerbe in gesonderte Verleihungsveranstaltungen. Mit den ritualisierten und feierlichen Vergaberitualen lehnen sie sich wieder an die gängige Praxis der Literaturpreislandschaft an und folgen der Tradition einer sequenzierten, „ritualisierten Verleihungsaufführung“ (vgl. Dücker/Neumann 2005, S. 11), die dem Vergabeturnus entsprechend in regelmäßigem Abstand in gleicher oder ähnlicher Form wiederholt wird und somit als Ereignis „einer auf Kontinuität und Geschichte ausgerichteten Institution“ (ebd., S. 12) konstituiert wird. Kern dieser Verleihungsrituale bildet – auch bei den inklusiven Preisen – die Übergabe der eigentlichen Auszeichnung, die sich aus Blumen, Urkunde und (außer beim Ohrenschmaus-Preis) der aus dem Wettbewerb hervorgegangenen Veröffentlichung sowie (außer bei EUCREA und Wortfinder) einem kleinen Preisgeld zusammensetzt. Die Editionen der Preisträgertexte spiegeln ihren marginalen Status im Literaturbetrieb: sie erscheinen im Selbstverlag (Lebenshilfe-Verlag), im Selfpublishing-Verlag Books on Demand (EUCREA), beim Stifter selbst (Geest-Verlag) oder erst gar nicht als Broschüre oder Buch, wie beim Wortfinder-Preis, der die kurzen Siegertexte und Schriftbilder auf einem Kalender und auf Postkarten vertreibt. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht werden die Texte auf diese Weise im Marktsegment Papeterie und Geschenkartikel als Hybridbereich zwischen Belletristik und Gebrauchsliteratur verortet.
Die Preisgelder liegen selbst im Vergleich mit anderen Laien-Schreibwettbewerben weit unter dem Durchschnitt (zum Vergleich: das durchschnittliche Preisgeld bei Laienwettbewerben beträgt ca. 325 Euro pro Preisträger, bei den inklusiven Preisen etwa 38 Euro) – während die durchschnittliche Anzahl der Preisträger doppelt so hoch ist wie bei anderen Laienpreisen. Anders als beim ‚klassischen‘ Verleihungsritual werden die Siegertexte bei der wortfinder-, EUCREA-, Ohrenschmaus-und b.bobs59-Verleihung vorgelesen (meist nicht von den Autoren, sondern von regionalen Prominenten und/oder erfahrenen SprecherInnen) – Dankesreden hingegen sind bei keinem der Preise vorgesehen. Ob und inwiefern dies etwaigen sprachlichen Einschränkungen der Ausgezeichneten geschuldet ist, sei hier dahingestellt; in jedem Fall mindert die Modifikation in der rednerischen „Basisordnung“ (Dücker/Neumann 2005, S. 11) des Verleihungsrituals den Stellenwert des Laureaten bzw. seiner „Selbstpräsentation“ (ebd., S. 14) bei der Konsensproklamation von Laureat und preisvergebender Institution, die im symbolischen Akt der Annahme der Auszeichnung traditionellerweise vollzogen wird. Dass Dankesrede und – bis auf eine Ausnahme – auch der Programmpunkt Laudatio entfallen und etwaige andere, weniger formalisierte Festreden nicht archiviert werden, macht außerdem deutlich, dass der funktionale Schwerpunkt der Verleihung auf dem Ereignis bzw. Erlebnis liegt – und weniger auf bspw. der Einschreibung von preisverleihender Institution oder Laureaten ins kulturelle Gedächtnis. Die hohe Anzahl an Preisträgern und die Würdigung jedes Textes durch seine Lesung mildern zudem die hierarchisierende Funktion des Wettbewerbsformats ab (wo andere Wettbewerbe wie der Ingeborg-Bachmann-Preis gerade die Momente der Selektion zelebrieren) und unterstreichen den Empowerment-Anspruch der Verleihungsrituale.
Lediglich beim Ohrenschmaus-Preis werden für die Erstplatzierten Laudationes gehalten; der Preis vergibt zudem die höchsten Preisgelder und betreibt eine eigene Homepage, auf der die Laudationes und Jurybegründungen mindestens in Auszügen archiviert werden. Er weist damit den höchsten Professionalisierungsanspruch in der Gruppe der untersuchten Preise auf. Dieser Anspruch lässt sich auch an der Juryzusammensetzung ablesen, die einen hohen Anteil an professionellen Akteuren des Literaturbetriebs, darunter bekannte Autoren wie der Schirmherr Felix Mitterer oder Franzobel, aufweist, während bspw. in den Jurys der Wortfinder- und des EUCREA-Preise Akteure der kulturellen Bildung, der Behindertenhilfe, der Publizistik oder nicht-literarischer Kunstsparten wie Musik und Theater dominieren. Weder dort noch in der Ohrenschmaus-Jury vertreten sind hingegen Juroren mit geistiger Behinderung. Offenbar zeigt sich hier eine Kollision zwischen den Wertordnungen von Literatur und inklusiver literarischer Bildung: die axiologischen Werte ästhetische Qualität und Diversität gleichzeitig in der Juryzusammensetzung abzubilden, ist wohl nicht zuletzt aufgrund der oben skizzierten strukturellen Marginalisierung von LiteratInnen mit Behinderung schwierig – AutorInnen oder andere professionelle Akteure des literarischen Feldes mit geistiger Behinderung für die Juryarbeit zu gewinnen, ist allein deswegen schwierig, weil es sie eben (noch?) kaum gibt. Der b.bobs59-Preis kann eine in dieser Hinsicht ausgewogene Juryzusammensetzung vorweisen, da neben dem Verlagsgründer Alfred Büngen und der Autorin Helga Bürster mit Nicoleta Craita Ten’o und Doris Egger auch zwei Autorinnen mit geistiger Behinderung vertreten sind – alle drei Autorinnen werden (u.a.) von Geest verlegt, sodass hier die realisierte Inklusion personelle Vielfalt in anderer, etwa institutioneller oder regionaler Hinsicht beschneidet. Eine gänzlich anderes Jury-Profil weist der Wettbewerb Die Kunst der Einfachheit auf: hier besteht die Jury aus Mitgliedern der LEA-Leseklubs. In den von Groß-Kunkel ausgehend vom erweiterten Literacy-Konzept entwickelten und wissenschaftlich begleiteten, inklusiven Lese-Gruppen treffen Menschen mit geistiger Behinderung und nicht-behinderte ehrenamtliche „Mitleser“ (Groß-Kunkel 2012, S. 78) in regelmäßigen Abständen zur gemeinsamen Textlektüre zusammen – Die Kunst der Einfachheit ist also genau genommen ein Publikumspreis, der die Praxis literarischer Wertung in ein Instrument der Partizipation überführt.
Trotz aller berechtigter Kritik an der schulpolitischen Umsetzung von Inklusion verwirklicht übrigens ein ganz anderer literarischer Preis das Prinzip Inklusion am konsequentesten: Der Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels. Mit der Wettbewerbsrunde 2017/18 wird – nach ‚scharfer Kritik‘ mehrerer Schulen – der bisherige, separate und ‚niederschwellige‘ „Förderschülerwettbewerb“ abgeschafft (Börsenverein).
Die Differenzen und Äquivalenzen in den Profilen und Vergabepraktiken der vorgestellten Preise unterstreichen die Heterogenität von Inklusionsparadigmen und ihren Ansprüche – mithin die ‚Trilemmata‘ von Inklusionstheorie und ihrer pragmatischen Applikation (vgl. Boger 2017). Die Grenzziehungen, Positionierungen und Relationierungen, die sie vollziehen, bezeugen die Gleichzeitigkeit von Prozessen der Annerkennung und Differenzherstellung (vg. Dannenbeck 2012, S. 61) sowie die Notwendigkeit, die eigene Inklusionsperspektive permanent zu reflektieren und zu hinterfragen (vgl. Dannenbeck/Dorrance 2009). Im Vergleich mit dem Feld ‚regulärer‘ Literaturpreise hat sich gezeigt, dass sich diese Schwierigkeiten im Kreuzungspunkt von inklusivem und literarischem Diskurs bzw. durch die Überlagerung der Identifikationsregime und Wertordnungen von Literatur und Behinderung noch einmal verschärfen.
Die Verschränkung von Inklusion und Exklusion in den untersuchten Literaturpreisen führt vor Augen, dass das literarische Schreiben von Menschen mit (geistiger) Behinderung ebenso wie gegenwärtige Theoriedebatten um Schriftspracherwerb und Literacy (das Phänomen der unterstützten Kommunikation wäre in diesem Kontext ebenfalls zu thematisieren) die Wertordnungen des literarischen Diskurses irritieren. Sie deterritorialisieren bzw. zerstreuen (vgl. Deleuze/Parnet 1980, S. 146) die Positionen seines Identifikationsregimes, etwa hegemoniale Konzepte von Autorschaft, Kreativität, Literarizität etc., ebenso sehr wie diejenigen des Diskurses der inklusiven kulturellen Bildung (in dem behinderungsspezifische Inklusion dominant durch asignifikante, stärker körperbasierte Künste praktiziert und theoretisiert wird), rufen komplementäre Prozesse der Reterritorialisierung auf den Plan – und sollten beide Disziplinen zur Selbstreflexion anregen. Eine stärkere Verzahnung von fachwissenschaftlichen und kulturpädagogischen Diskursen wäre, nicht zuletzt für die germanistisch-fachdidaktische Perspektivierung von Inklusion, vor diesem Hintergrund wünschenswert.
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[2] Mit Foucault ließe sich hier wohl von einer empirisch-transzendentalen Dublette sprechen, weil die UNESCO-Konventionzur kulturellen Vielfalt „das Empirische auf der Ebene des Transzendentalen zur Geltung bringt“ (Foucault 2012, S. 386).
[3] Diese Argumentation impliziert freilich eine problematische Reduktion der Kunst von behinderten Menschen, die hier dominant als Repräsentation und thematische Verhandlung von Behinderung konzipiert wird.