Abstract: Mit dem im Rahmen der qualitätsoffensive Lehrerbildung aus Mitteln des BMBF geförderten Projekt DoProfiL – Dortmunder Profil für inklusionsorientierte Lehrer/innenbildung – reagiert die TU Dortmund auf die Anforderungen, die sich aus der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz von Heterogenität und Inklusion für Schule und Hochschule ergeben. Aufgabe eines Teilprojekts ist es hierbei, Lehrende für die Diversität der Studierenden zu sensibilisieren und für inklusionsorientierte Praktiken in der Lehre zu qualifizieren. Als eine Methode zur Initiierung eines Disziplinen- und Fächerübergreifenden Diskurses zur Entwicklung eines gemeinsamen Inklusionsverständnisses aller Projektbeteiligten wird hierbei die World-Café-Methode eingesetzt.
Die Ergebnisse des diesjährigen World-Cafés bilden die Grundlage für diesen Beitrag. Wir verdeutlichen, wie Inklusionsorientierung im Rahmen des Projektes DoProfiL an der TU Dortmund in die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Lehramtsausbildung Eingang findet. Herausgearbeitet wird das Spannungsfeld, welches sich ergibt, wenn auf der einen Seite bei der Entwicklung einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung ausgehend von einem umfassenden Inklusionsverständnis die Vielfalt der Studierenden berücksichtigt wird, ohne dabei auf der anderen Seite die höchst individuellen Studien- und Lernsituationen z. B. von behinderten Studierenden zu übersehen.
Des Weiteren wird das World Café hinsichtlich der Fragestellung ausgewertet, in welcher Weise an der TU Dortmund das Thema Inklusion auch Inklusiv gelehrt wird. Aufgezeigt wird, wie es Fachwissenschaft und Fachdidaktik gelingen kann, den Inklusionsdiskurs im eigenen hochschuldidaktischen Tun umzusetzen.
Abschließend wird das Potenzial einer inklusionsorientierten Hochschullehre und Hochschule für eine zukunftsorientierte Lehramtsausbildung thematisiert.
Stichworte: Inklusive Hochschule; Lehrer/-innenbildung; diversitätssensible Lehre
Inhaltsverzeichnis
Inklusionsorientierung an der Hochschule wird von Dannenbeck und Dorrance (2016, 27) wie folgt beschrieben: „Vielmehr würde Inklusionsorientierung sich erst im Bemühen erweisen, Barrieren und Diskriminierungsprozessen wirksam entgegenzutreten, von denen Studierende in all ihren unterschiedlichen Lebenslagen betroffen sein können. […] Daraus würde aus inklusionstheoretischer Sicht die Notwendigkeit einer Fokussierung von Diskriminierungs- und Benachteiligungsmechanismen folgen, anstatt sich mit etwas mehr Integration von Behinderten zu begnügen“.
In unserem Beitrag greifen wir dieses Verständnis von Inklusionsorientierung auf und verdeutlichen, wie es im Rahmen des Projektes DoProfiL an der TU Dortmund in die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Lehramtsausbildung Eingang findet. Dabei arbeiten wir zum einen heraus, welcher Maßnahmen es bedarf, um bei der Entwicklung einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung die Vielfalt der Studierenden zu berücksichtigen, ohne dabei spezifische Studien- und Lernsituationen von behinderten Studierenden zu übersehen. Zum anderen wird abschließend das Potenzial einer inklusionsorientierten Hochschullehre und Hochschule für eine zukunftsorientierte Lehramtsausbildung thematisiert.
Mit dem im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung aus Mitteln des BMBF geförderten Projekt DoProfiL – Dortmunder Profil für inklusionsorientierte Lehrer/innenbildung – reagiert die TU Dortmund auf die Anforderungen, die sich aus der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz von Heterogenität und Inklusion für Schule und Hochschule ergeben. Die Ausbildung der ca. 7300 Lehramtsstudierenden, die an der TU Dortmund 30 verschiedene Fächer studieren können und für die Tätigkeit in fünf unterschiedlichen Schulformen qualifiziert werden, soll deutlicher als bisher auf die Anforderungen vorbereiten, die eine Schule der Vielfalt mit sich bringt (vgl. HRK/KMK, 2015). Auch wenn die Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesrepublik Deutschland und verschiedene Bundesländer aktuell den Fokus deutlich auf die Diversitätsdimension Behinderung lenkt, hat sich die TU Dortmund entschieden im Projekt ein breites Inklusionsverständnis zu verfolgen, welches neben Behinderung auch Diversitätsaspekte wie Geschlecht, Religion, ethnische Herkunft, sozialer oder ökonomischer Status und Hochbegabung berücksichtigt.
Ausgehend von diesem umfassenden Inklusionsverständnis sollen Curricula, Methoden, Lehr-/Lernarrangements, Kulturen und Strukturen sowie Verknüpfungen zwischen Theorie und Praxis der Lehramtsausbildung überprüft und neu entwickelt werden. Dieser Prozess wird als Querschnittsaufgabe verstanden, d. h. im Projekt arbeiten Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und Rehabilitationswissenschaften eng zusammen.
Neben dieser fachwissenschaftlichen- und fachdidaktischen Entwicklungsforschung, die auf eine (Weiter-)Entwicklung und Etablierung von neuen Lehr-Lern-Formaten sowie deren curricularer Verankerung abzielt, sind der projektübergreifende Hochschulentwicklungsprozess im Sinne des Change Managements und die hochschuldidaktische Qualifizierung der Lehrenden ein weiterer zentraler Projektbaustein, welchen wir im Folgenden ausführlich vorstellen werden.
Für die Koordination, Entwicklung und Durchführung der Maßnahmen dieses Projektbausteins ist das Zentrum für Hochschulbildung (zhb) mit dem Lehrstuhl Hochschuldidaktik und Hochschulentwicklung sowie mit dem Bereich Behinderung und Studium (DoBuS) maßgeblich verantwortlich. Durch die Beteiligung von DoBuS soll die bundesweit anerkannte Expertise hinsichtlich der Themen Behinderung und Studium in das Projekt einfließen. Diese Projektbeteiligung ist Ausdruck des an der TU Dortmund praktizierten Disability Mainstreamings (vgl. Rothenberg/Welzel/Zimmermann 2016). Dies macht es erforderlich die im Projekt angestrebte Neuausrichtung der Lehramtsausbildung auch dahingehend zu befragen, in welcher Weise sie zur Gleichstellung und Teilhabe behinderter Studierender und Lehrender beiträgt oder sie verhindert.
Die UN-BRK, die ein diskriminierungsfreies und chancengleiches Studium für behinderte und chronisch kranke Studierende völkerrechtlich absichert und das Positionspapier „Eine Hochschule für Alle“ der Hochschulrektorenkonferenz stellen eine zentrale rechtliche bzw. politische Grundlage für diesen Hochschulentwicklungsprozess dar, dem sich die TU Dortmund nicht erst seit Verabschiedung dieser Dokumente verpflichtet sieht. Im Kontext des Projektes DoProfiL gewinnt die Entwicklung einer universitären Lehramtsausbildung, die ein diskriminierungsfreies und chancengleiches Studium sicherstellt, an zusätzlicher Relevanz, denn alle Studierenden, d. h. auch die, die nicht unmittelbar von Diskriminierung und Exklusion betroffen oder potentiell bedroht sind, sollen in ihrem Studium erleben, dass an der TU Dortmund Inklusion inklusionsorientiert gelehrt wird. Damit soll aktiv dem entgegengewirkt werden, was Drolshagen und Rothenberg (2011) mit dem Begriff des geheimen Lehrplans bezeichnen, nämlich dass Inklusion gelehrt, jedoch Exklusion praktiziert wird.
Auf diesen Aspekt einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung verweist auch Plate (2016), wenn sie Inklusion nicht nur als Inhalt, sondern auch als Prozess zur Entwicklung von Kulturen, Strukturen und Praktiken an der Hochschule versteht, die Diskriminierungen abbauen und Teilhabe aller ermöglichen. Sie beschreibt eine inklusiv und partizipativ gestaltete und erlebte Lehramtsausbildung als Voraussetzung für die Qualifizierung zum Umgang mit inklusiven Prozessen z. B. in der Schule. Einen inklusiven Umgang mit Diversität sollen alle Lehramtsstudierenden sowohl theoretisch kennenlernen und in universitären Lehrveranstaltungen erleben als auch praktisch erproben und reflektieren. Die Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung an der TU Dortmund wird also dahingehend profiliert, dass die Studierenden bei der Vermittlung von Inklusion Inhalt und Form als kohärent erleben.
Um diesen Entwicklungsprozess anzustoßen und weiterzuführen, wurde im Rahmen des Projektes mehrfach die World Café Methode (vgl. Brown/Isaacs 2005) eingesetzt, da diese sowohl erlaubt die bereits vorhandenen Erfahrungen hinsichtlich des Themas zu explorieren und aufzunehmen als auch eine Möglichkeit darstellt, wie Plate (ebd.) es fordert, die verschiedenen Akteurinnen und Akteure am Entwicklungsprozess systematisch zu beteiligen. Mitgewirkt haben nicht nur die Lehrenden der am Projekt beteiligten Disziplinen, sondern auch Lehramtsstudierende, die hinsichtlich verschiedener Diversitätsaspekte über eigene Erfahrungen verfügen, sowie fachlich einschlägige externe Expertinnen und Experten. Sowohl der mittels der World Café Methode initiierte disziplinen- und statusgruppenübergreifende Dialogprozess selbst als auch dessen systematische Auswertung und Rückführung der Ergebnisse in das Projekt verfolgen das zuvor beschriebene Ziel einer partizipativen Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung mit der Zielrichtung Inklusion inklusionsorientiert zu lehren.
In diesem Beitrag werden insbesondere zentrale Ergebnisse des 2. World Cafés dargestellt, welches im Februar 2017 durchgeführt wurde. Ziel des durch das World Café stimulierten Austauschprozesses sowie der anschließenden Auswertung und Diskussion der Ergebnisse war es, ausgehend von den Erfahrungen der einzelnen Lehrenden das Thema Inklusion inklusiv lehren weiterzuentwickeln.
Im Zentrum des zweiten World Cafés, in dem insgesamt 40 Projektbeteiligte mitgewirkt haben, stand der Austausch darüber, welche Erfahrungen die DoProfiL Lehrenden mit der Diversität der Studierenden in ihren Lehrveranstaltungen machen. Thematisiert wurden insbesondere Fragen danach, wie die Lehrenden, vor dem Hintergrund ihrer Erwartungen und Erfahrungen, die Diversität der Studierenden wahrnehmen sowie auf welche Weise sie in ihrer eigenen Lehre mit der wahrgenommenen oder vermuteten Diversität umgehen.
Insgesamt sehen alle Projektbeteiligten eine Differenz zwischen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Diversität einerseits und deren Umsetzung in ihren Lehrveranstaltungen andererseits. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass einige Teilnehmende des World Cafés die Gruppe der Lehramtsstudierenden eher als homogene Gruppe wahrnehmen und Vielfalt und Individualität, auf die sie die Studierenden vorbereiten sollen, in ihrer eigenen Lehre nicht erwarten. Diese Lehrenden berücksichtigen die Diversität der Studierenden nur dann, wenn dies explizit von diesen eingefordert wird, z. B. in Form der Gewährung eines Nachteilsausgleiches, der von behinderten Studierenden beantragt wird. Begründet wird die Vernachlässigung der Diversität der Studierenden insbesondere durch Verweise auf die Selektionsmechanismen des schulischen Bildungssystems, welches der Hochschule eine bereits stark vorselektierte Gruppe zuführe, sowie auf die Zulassungsbeschränkungen und -verfahren der Hochschulen, in deren Zuge eine weitere Selektion stattfinde. Darüber hinaus werden auch die Rahmenbedingungen der Lehre (z. B. Seminargröße, Anzahl der zu betreuenden Abschlussarbeiten etc.) sowie fehlende eigene Kompetenzen als Ursache für diese wenig diversitätssensible Perspektive genannt. Wird Diversität nicht wahrgenommen, können Barrieren für Lernen, auf die einzelne Studierende stoßen, auch nicht erkannt werden. Nicht zuletzt die Ergebnisse einer im Rahmen des Projektes durchgeführten Befragung von Lehramtsstudierenden, die die Diversität der Studierenden hinsichtlich zahlreicher Diversitätsaspekte belegt, verdeutlichen den Bedarf an Maßnahmen, die die Lehrenden für diese Diversität sensibilisieren.
Im World Café wurde jedoch auch deutlich, dass anderen Lehrenden die Heterogenität der Lehramtsstudierenden durchaus bewusst ist und sie diese Diversität auch als Potenzial nutzen möchten. Sie beschäftigen sich mit Fragen danach, wie sie die Heterogenität insbesondere bei nicht sichtbaren Diversitätsaspekten erkennen können, welche Erwartungen sie an Studierende bestimmter Heterogenitätsdimensionen haben und wie sie deren vermutete oder geäußerte Lernvoraussetzungen und Bedarfe in ihrer Lehre decken können, ohne dabei selbst Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozessen Vorschub zu leisten. Auch wenn diese Lehrenden für das Thema Diversität sensibel sind, zeigt sich auch hier ein Bedarf an Qualifizierung, insbesondere hinsichtlich des Erkennens von Diversität sowie eines nicht diskriminierenden Umgangs mit der erkannten Diversität.
Hinsichtlich des Umgangs mit der Diversität der Studierenden wurden von den Teilnehmenden im World Café verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Hier lassen sich vor allem zwei Positionen unterscheiden. Die Bereitschaft der Lehrenden, situationsangemessen, z. B. in Form von Nachteilsausgleichen, zu reagieren, wenn von den Studierenden individuelle Lernvoraussetzungen oder Bedarfe geäußert werden, die dies erforderlich machen, charakterisieren wir als reaktiven Umgang mit Diversität. In Reaktion auf geäußerte Bedarfe werden mit dem Ziel, Benachteiligung oder Diskriminierung zu vermeiden, Einzelfalllösungen geschaffen. Als einen proaktiven Umgang mit Diversität charakterisieren wir das Bemühen, die eigenen Potenziale als Lehrende – anlasslos – so einzusetzen, dass die potentiell zu erwartende Diversität der Studierenden aufgegriffen und berücksichtigt wird, um auf diese Weise von vorn herein möglichst Benachteiligung und Exklusion zu vermeiden.
Beide Herangehensweisen besitzen Vor- und Nachteile: Im Mittelpunkt einer Lehre, die proaktiv diversitätssensibel gestaltet ist, steht das Bemühen, vergleichbar dem universellen Design, die eigene Lehre inhaltlich und methodisch so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Lernende und deren antizipierte heterogene Bedarfe zugänglich und nutzbar ist. Dieses Vorgehen geht zwar von einem breiten Diversitätsverständnis aus, birgt dadurch jedoch auch die Gefahr, dass über einen angestrebten Standard hinausgehende Lernvoraussetzungen und Bedarfe unbeachtet bleiben und so die Teilhabe von Lernenden mit sehr spezifischen Lernvoraussetzungen und Bedarfen erschwert oder gar verhindert wird. Werden im Unterschied dazu Lehrveranstaltungen lediglich als Reaktion auf erkannte oder geäußerte Bedarfe angepasst, erlaubt dies durchaus sehr spezifische Bedarfe durch passgenaue Lösungen zu decken. Wegen der Beschränkung auf Einzelfalllösungen und des Fehlens von Proaktivität kann jedoch von einer inklusionsorientierten Lehre nicht die Rede sein.
Der Dialogprozess des World Cafés verweist darauf, dass die Kombination beider Vorgehensweisen großes Potenzial für eine inklusionsorientierte Lehramtsausbildung besitzt. Exklusionsrisiken werden von vorn herein weitest möglich vermieden, ohne dass spezifische Bedarfe zu Lasten eines breiten Inklusionsverständnisses übersehen werden.
Welche Kompetenzen und Ressourcen benötigen Lehrende, um inklusionsorientiert lehren zu können? Wie kann die Hochschule als Organisation Lehrende in diesem Prozess unterstützen?
Handlungsbedarf sehen wir in Anlehnung an Rothenberg (2012) auf zwei Ebenen. Einerseits lassen die Ergebnisse des World Cafés auf Seiten der Lehrenden einen Bedarf an Angeboten erkennen, die sie für die Thematik der Diversität der Studierenden sensibilisieren und für den Umgang damit qualifizieren. Andererseits bedarf es auf Organisationsebene Strukturen, die Lehrende im Sinne von Subsidiarität bei einer inklusionsorientierten Gestaltung ihrer Lehre nutzen können. Beides führen wir im Weiteren aus und fokussieren dabei den Diversitätsaspekt Behinderung.
a) Sensibilisierung und Qualifizierung
Zur Unterstützung der Lehrenden bezüglich der inklusionsorientierten Gestaltung ihrer Lehre bedarf es auf struktureller Ebene Maßnahmen, die Lehrende dafür sensibilisieren und qualifizieren, proaktiv diversitätssensibel zu lehren und darüber hinausgehende (spezifische) Bedarfe zu erkennen und aufzudecken.
Eine hochschuldidaktische Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen des Projektes DoProfiL sind von international ausgewiesenen Expertinnen und Experten durchgeführte Workshops und Arbeitsgruppen zum Thema universal design of learning (UDL). Hierbei erarbeiten die Teilnehmenden in interdisziplinären Gruppen nicht nur Konzepte und Strategien, wie das UDL als Gegenstand der (fach-)didaktischen Ausbildung den Studierenden vermittelt werden kann, sondern setzen sich auch damit auseinander, wie sie UDL als ein leitendes Prinzip in der eigenen Hochschullehre umsetzen können. UDL ist ein didaktisches Konzept zur Planung, Gestaltung und Durchführung von Lehr-/Lernprozessen für alle, das von der Vielfalt der Lernenden und ihren unterschiedlichen Lernstilen, Lernwegen und benötigten Lernmaterialien ausgeht und Barrieren im Lernprozess verhindern will. Auch für Hochschullehrende bedeutet dies „flexible Lernmaterialien und unterschiedliche methodische Zugänge und Strategien [einzusetzen], mit denen Lehrende den vielfältigen Bedarfen der Studierenden entsprechen können“ (Fisseler/Schaten 2012, 216). Um es Lehrenden zu ermöglichen, die allgemeinen Prinzipien des UDL auch bezogen auf die spezifische Lernsituation von Studierenden mit Behinderungen umsetzen zu können, führt der Bereich Behinderung und Studium (DoBuS) im Rahmen des Projekts entwickelte, vertiefende Workshops durch, in denen Lehrende sich z. B. mit Fragen der barrierefreien Gestaltung von Präsentationen für sehbeeinträchtigte und blinde Studierende oder mit der Thematik der Gewährung angemessener Nachteilsausgleiche bei Prüfungen auseinandersetzen können.
Neben solchen Qualifizierungsangeboten, die methodisch-didaktische Kompetenzen vermitteln, bedarf es für eine inklusive Lehre von Inklusion auch Maßnahmen, die die Lehrenden für Prozesse sensibilisieren, die Studierende mit Behinderung in ihren Veranstaltungen aussondern bzw. für diese eine Barriere darstellen. Dies erfordert auf Seiten der Lehrenden ein Bewusstsein für die soziale Produktion von Behinderung sowie die Reflexionsfähigkeit, diese Exklusionsprozesse auf die eigene Lehrsituation zu übertragen. Zwei in DoProfiL konzipierte Qualifizierungsmaßnahmen zielen darauf ab, von Lehrenden diese „permanente Reflexion der individuellen Konsequenzen und strukturellen Bedingungen des eigenen Handelns“ (Dannenbeck/Dorrance 2009) einzufordern.
Die World Cafés verfolgen dieses Ziel, da sie viel Raum für einen statusgruppenübergreifenden und interdisziplinären Erfahrungsaustausch bieten sowie darüber hinaus auch Lehrende mit beeinträchtigungserfahrenen Studierenden und doppelten Expertinnen und Experten (vgl. Drolshagen 2012) ins Gespräch bringen. Während im Format World Café Themen gesetzt werden, die für alle Lehrenden und die Weiterentwicklung des Gesamtprojektes von Relevanz sind, besteht im Gruppencoaching „Inklusion inklusiv Lehren aber wie“, welches ebenfalls vom Bereich Behinderung und Studium angeboten wird, die Möglichkeit, im kleinen und geschützten Rahmen Themen aus der eigenen Lehre einzubringen, die hinsichtlich eines inklusionsorientierten Umgangs mit Diversität als herausfordernd wahrgenommen werden. Im Team aus behinderungserfahrenen Mitarbeitenden des Bereiches Behinderung und Studium sowie in der Lehre erfahrenen Kolleginnen und Kollegen erfolgt unterstützt durch Coachingmethoden zunächst eine ausführliche Problemklärung, bevor gemeinsam mögliche Handlungsalternativen entwickelt und diskutiert werden.
Mit den beschriebenen Maßnahmen werden Lehrende sensibilisiert, qualifiziert und unterstützt möglichst proaktiv chancengleiche Lernbedingungen für Studierende mit Beeinträchtigungen herzustellen und auf darüber hinaus bestehende individuelle Bedarfe zu reagieren. Wirken diese hochschuldidaktischen Maßnahmen nachhaltig, tragen sie langfristig zu einer Weiterentwicklung der Organisation bei.
b) Subsidiäre Strukturen für eine diversitätssensible Lehre
Die beschriebenen Maßnahmen zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Lehrenden erachten wir als notwendige jedoch nicht als hinreichende Bedingung hinsichtlich einer inklusionsorientierten Hochschullehre. Erst die Kombination aus den beschriebenen im Projekt (weiter)entwickelten Maßnahmen der Sensibilisierung und Qualifizierung mit den an der TU Dortmund bereits etablierten und stetig weiterentwickelten inklusiv ausgerichteten Strukturen eröffnet den Weg zu einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung bzw. Lehre. Zu den grundlegenden inklusiv ausgerichteten Strukturen gehören sowohl barrierefrei zugängliche Seminarräume oder barrierefrei nutzbare Lernplattformen, geregelte Verfahren zur Bewilligung von Nachteilsausgleichen in Prüfungsverfahren (etc.) als auch auf die Zielgruppe Behinderung fokussierte Angebote, die u. a. der Bereich Behinderung und Studium am Zentrum für Hochschulbildung vorhält.
Wie erfolgt die Entwicklung dieser inklusiven Strukturen an der TU Dortmund?
Ein zentraler Akteur in diesem Organisationsentwicklungsprozess ist DoBuS. Ausgangspunkt der Arbeit von DoBuS sind konkrete Lernsituationen behinderter und chronisch kranker Studierender mit ihren zum Teil höchst individuellen Studien- und Lernvoraussetzungen. Neben der Unterstützung der Studierenden (z. B. bei der Beantragung von Hilfsmitteln oder Nachteilsausgleichen) werden auch die Lehrenden hinsichtlich des beschriebenen Umgangs mit den spezifischen Bedarfen der Studierenden unterstützt. Zum Beispiel werden in so genannten Fachberatungen (vgl. Drolshagen et al 2002), an denen die Studierenden als Experten bzw. Expertinnen für ihre eigene Beeinträchtigung, die Lehrenden als Experten bzw. Expertinnen für den Lernstoff sowie die DoBuS Mitarbeitenden als Experten bzw. Expertinnen für mögliche Adaptionen teilnehmen, in Reaktion auf die konkrete Lehr-/Lernsituation passgenaue Lösungen entwickelt.
Kennzeichnend für den Arbeitsansatz von DoBuS ist eine über die Entwicklung von solchen Einzelfalllösungen hinausgehende Perspektive (vgl. Drolshagen/Klein 2016). Die aufgetretenen Bedarfe und entwickelten Einzelfalllösungen werden bei DoBuS systematisch erfasst und dahingehend analysiert, ob allgemeine Rahmenbedingungen (z. B. Studien und Prüfungsordnungen) oder Strukturen (z. B. nicht barrierefreie bauliche oder technische Infrastruktur) zur Benachteiligung und Exklusion geführt haben. Die Ergebnisse dieser Analyse lassen ggf. Handlungsbedarfe erkennen, allgemeine Hochschulstrukturen im Hinblick auf ihre Nutzbarkeit für behinderte und chronisch kranke Studierende zu modifizieren oder spezifische Angebote zur Unterstützung der Studierenden oder Lehrenden zu entwickeln und dauerhaft in die Hochschulstruktur zu implementieren. Diese Implementation erfolgt in enger Kooperation mit den Akteurinnen und Akteuren des Disability Mainstreamings und Diversity Managements. Bereits etablierte spezifische Angebote für Studierende sind beispielsweise ein Arbeitsraum und Hilfsmittelpool für chronisch kranke und behinderte Studierende oder EDV Kurse, in denen Studierende den Umgang mit assistiver Technologie erlernen können. In die Hochschulstruktur implementierte Angebote für Lehrende sind die so genannten Fachberatungen oder verschiedene Qualifizierungsangebote, die im Rahmen des Projektes DoProfiL ausgebaut, weiterentwickelt und hinsichtlich des profilgebenden Elementes des Projektes „Inklusion inklusiv zu Lehren“ konkretisiert werden. Die auf diese Weise aus Reaktionen auf individuelle Bedarfe entwickelten Strukturen können von Lehrenden genutzt werden, um in künftigen Veranstaltungen proaktiv inklusionsorientierte Lernbedingungen zu schaffen oder auf geäußerte Bedarfe zu reagieren und somit Inklusion zu praktizieren.
Das Dortmunder Profil einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung soll insbesondere dadurch geschärft werden, dass Inklusionsorientierung nicht nur vermittelt, sondern auch im eigenen hochschulischen Bildungsprozess erlebbar wird. In erster Linie zielen die in diesem Beitrag beschriebenen Maßnahmen darauf ab, bei der Neu- und Weiterentwicklung der Strukturen und Formate der Lehramtsausbildung Teilhabe für Studierende in unterschiedlichen Lebenslagen z. B. Behinderungen zu ermöglichen und durch die inklusionsorientierte Gestaltung der Lehre Exklusion zu vermeiden. Die Chance, die sich aus dieser Vorgehensweise für eine inklusionsorientierte Lehramtsausbildung ergibt und die es zu ergreifen gilt, ist, systematischer als bisher Form und Inhalt aufeinander zu beziehen und den vorbildhaften Charakter dieses Tuns für zukünftige Lehrerinnen und Lehrer transparent zu machen. Explizit zu verdeutlichen, in welcher Weise Inklusionsorientiert gelehrt wird, stellt eine Möglichkeit dar, diese Chance zu ergreifen. Beispielsweise hat angeregt durch das Projekt eine Lehrende ihr Seminar an den UDL Prinzipien ausgerichtet und so versucht, proaktiv die antizipierten Lernvoraussetzungen und Bedarfe der Studierenden aufzugreifen. Diese UDL Ausrichtung hat sie darüber hinaus sowohl mit den Studierenden selbst, als auch im Rahmen von Arbeitsgruppen und des Coachings „Inklusion Inklusiv Lehren“ u. a. hinsichtlich möglicher Exklusionsmechanismen kritisch reflektiert.
Eine weitere Chance hinsichtlich der Profilierung einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung liegt in der Entwicklung von Formaten, in denen den Studierenden explizit die Maßnahmen verdeutlicht werden, mit denen an der jeweiligen Hochschule Diskriminierungs- und Benachteiligungsmechanismen aufgedeckt und abgebaut werden und mit denen die Lehrenden bei der Umsetzung ihres Auftrags einer inklusionsorientierten Hochschullehre unterstützt werden. Die Studierenden erfahren, dass an der TU Dortmund Inklusionsorientierung nicht nur Aufgabe des einzelnen Lehrenden ist, sondern diese systemisch eingebettet und strukturell abgesichert wird. Auch dies besitzt unseres Erachtens vorbildhaften Charakter.
Es gilt im Rahmen des Projektes, diese Potenziale einer inklusionsorientierten Lehramtsausbildung weiter auszubauen und curricular abzusichern.
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