Abstract: Die vorliegende Systematisierung der Theoriezugänge zu ‚Inklusion’ ordnet diese von einem Primat des Politischen her. Es handelt sich demnach dezidiert nicht um eine ideengeschichtliche Sortierung, sondern um eine Beschreibung der unterschiedlichen Paradigmen als ‚Theoriepaten’ oder ‚Textpaten’ von politischen Bewegungen. Der Text richtet sich demnach an Menschen, die ein Interesse an der (Re-)Politisierung des Inklusionsbegriffs haben und neugierig sind, was erscheint, wenn man den Dialog mit Betroffenenbewegungen neu aufspannt und von dieser Seite aus auf die Möglichkeiten und Grenzen von Paradigmen blickt.
Stichworte: Theoriebildung; Politische Philosophie; Intersektionalität; Standpunkttheorie
Inhaltsverzeichnis
Der Entstehungskontext der folgenden Systematisierung ist ein mittlerweile vierjähriges Projekt, in dem ich Definitionen und Theoriezugänge zu ‚Inklusion’ aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und Betroffenenbewegungen sammele, sortiere und vergleiche. Ich halte der Idee die Treue, Inklusion als Vereinigungszeichen sexismus-, rassismus-, ableismus- und klassismuskritischer Theoriebildung zu verstehen, weswegen ich ‚Inklusion’ synonym zu Differenzgerechtigkeit (oder ex negativo: Nicht-Diskriminierung/Diskriminierungsfreiheit) verwende.
Dementsprechend gehören zu den Fachdisziplinen, in denen ich recherchiere, nicht nur Schul-, Integrations- und Sonderpädagogik, sondern auch Gender Studies, Black Studies, Post-Koloniale Studien und das sog. ‚Kritische Weißsein’, Disability und Mad Studies und deren jeweilige Ableger, die eine seltsam lange Liste bilden würden (Momentan ist es offensichtlich in Mode, alle möglichen ‚XYZ Studies’ auszurufen, weswegen ich sie gelegentlich mit ‚Particular Studies’ abkürze).
Das Projekt, das sich ‚Theorie der trilemmatischen Inklusion’ nennt, läuft noch weiter und es ist ein sehr dynamisches und dialogisches Unterfangen, weswegen die Verschriftlichungen des Trilemmas nur Zwischenstände protokollieren. Ich spreche die unterschiedlichen Zugänge immer wieder mit verschiedenen (Betroffenen-) Gruppen durch, um ein Gefühl dafür zu bekommen, in welchen Situationen sie wem was bedeuten, welche Konnotationen einzelne Begriffe in verschiedenen Feldern haben, wer welche Schwerpunkte im Trilemma setzt und welche Konsequenzen daraus zieht. Das Schlussmuster ändert sich gewiss nicht – das ist ja das Schöne an logischen Schlüssen; aber wie es eingeführt wird und welche Pointe es hat, variiert mit dem Kontext (‚Schuld’ daran ist gewiss der dekonstruktive Punkt, wie später noch klar werden wird). Diese Liste an Theoriezugängen ist gewiss nicht vollständig und will es auch gar nicht sein. Es geht mir hier nur darum, Möglichkeiten zu sortieren, wie sich ‚Inklusion’ denken (und erforschen) lässt mit dem Fokus, darauf aufzuzeigen, welche Möglichkeiten welchen politischen Ansprüchen gerecht werden können und welchen nicht.
Darauf muss man sich einlassen wollen: Dieser Text richtet sich an Menschen, die glauben, dass eine engagierte Inklusionsforschung, die Betroffenenbewegungen dienlich ist, Sinn macht. Dialog ist immer auch ein Wagnis. Das kann mitunter bedeuten, dass man sich erst einmal in den ‚Jargon’ der Anderen einhören muss. Egal woher Sie kommen, ob von der Wissenschaft oder vom Aktivismus, und egal aus welcher der hier genannten Strömungen sie auch sein mögen, möchte ich Sie daher einladen, sich Zeit zu lassen und gnädig mit sich und den Anderen zu sein. Die folgende Systematisierung nämlich kartographiert auch ziemlich viel an Streit. Es ist dem Verständnis daher dienlicher, beim Lesen nicht selbst auf Streit und Diskussion aus zu sein, sondern sich für die jeweils anderen Zugänge zu öffnen, damit die Form der Diskussion und der streitenden Bezugnahmen selbst in den Blick geraten und verstanden werden können.
Ein Trilemma besteht aus drei Sätzen, von denen immer nur zwei gleichzeitig wahr sein können. Hat man zwei der im Folgenden dargelegten Thesen akzeptiert, muss man die dritte also aus logischen Gründen verneinen. Die Theorie der trilemmatischen Inklusion dient in diesem Sinne der Reflexion der Selbstpositionierung in Sachen Inklusion und Diskriminierung(-sforschung). Bekanntlich gibt es Wissenschaftler_innen, die vertreten ihr ganzes Leben dieselbe Linie, und solche, die je nach Phänomen, Konferenz oder spontaner Intuition mit einem anderen Paradigma arbeiten, und alle möglichen Abstufungen zwischen diesen beiden Extremen. So gilt auch für das Trilemma, dass es welche gibt, die sich bombensicher sind, dass die jeweils dritte Linie purer Unfug ist und solche, die sehr tolerant oder diplomatisch davon ausgehen, dass wohl jedes Paradigma zur Diskriminierungsforschung irgendwie seine Berechtigung haben wird. Erstgenannte finden es demnach regelrecht trivial, dass es sich um ein Trilemma handelt, und es fällt ihnen leicht, die dritte These zu verwerfen. Bei Letzteren hingegen kann es das Gefühl auslösen oder ausdrücken, dass irgendwie ‚immer etwas fehlt’. In jedem Fall sortiert das Trilemma nur Aussagen und nicht Personen! Daher ist es unzulässig, von der Zitation eines Satzes im Trilemma auf die Position der Autor_innen zu schließen! Tatsächlich pendeln viele der zentralen Stimmen der Inklusions-/Diskriminierungsforschung im Trilemma und wägen je nach sozio-politischer Situation strategisch ab, welche Konzeption gerade die angemessenste ist.
Die drei Basissätze lauten, dass sich ‚Inklusion‘
- als Empowerment (E)
- als Normalisierung (N)
- als Dekonstruktion (D)
beschreiben lässt. Jeweils zwei davon zu verbinden, heißt demnach ‚Inklusion’ zu beschreiben
- als Erkämpfen des Rechts der Anderen*[1] auf Teilhabe an einer Normalität (wie z.B. der ‚Inklusion’ der Frauen in den Arbeitsmarkt oder der ‚Inklusion’ von Menschen mit Behinderung in die Regelschule). Dies impliziert die diskursive Reproduktion der Dichotomie Andere*/Normale* bzw. Zu-Integrierende/Integrierte und schließt die Dekonstruktion dieser Kategorien folglich aus (EN à non-D).
- als Dekonstruktion der normalistischen Dispositive, von denen die Zuschreibung von Andersheit ausgeht. Dies schließt den Rückgriff auf präfigurierte Kategorien aus, da es dann darum geht, die Konstruktionsbedingungen dieser Kategorien nachzuzeichnen. Die Anderen* werden demnach gerade nicht als solche adressiert. Diese Disartikulation von Differenz impliziert daher das Verstummen der anderen* Stimme (ND à non-E).
- als contra-hegemonialen Entwurf, bei dem es darum geht, einen kritischen Standpunkt gegenüber den Normalitätskonstruktionen und dem normalen* Verständnis von Wissenschaftlichkeit zu beziehen. So hatten z.B. die Disability Studies nie vor, eine normale* Wissenschaft zu sein, sondern es geht im Gegenteil darum, Vorstellungen von Normalität* dekonstruktiv anzugehen. Der Bezug auf eine Standpunktepistemologie impliziert die selbstermächtigende Verweigerung der Normalisierung, die als Assimilation und Entschärfung verstanden wird (DE à non-N).
Ich selbst gehöre zu der Fraktion, die findet, dass alle Paradigmen ihre Berechtigung haben und dass alle Sätze gleich wichtig und richtig sind und dass es darum geht, die Spannungen zwischen ihnen auszuhalten und bestenfalls in eine produktive Spannung zu übersetzen. Aber, wie gesagt, gibt es auch Menschen, die deutlich streitlustiger sind als das.
Jeder dieser Zugänge kann zurecht für sich beanspruchen, den Ansprüchen mindestens einer Betroffenenbewegung gerecht zu werden, denn aus Betroffenenperspektive geht es bei dem Trilemma darum, dass die drei Grundformen des Begehrens des diskriminierten Subjekts in einem dissonanten Verhältnis zueinander stehen: das Begehren als Andere_r* bei den Normalen* mitspielen zu dürfen (EN), das Begehren in seiner Individualität ohne Zuschreibung von Andersheit* gesehen zu werden (ND) und das Begehren in seiner Eigenheit sein zu dürfen und sich nicht verstecken oder anpassen zu müssen (DE). Diese dissonanten Begehrensformen erzeugen eine permanente Hintergrundspannung im diskriminierten Subjekt. Diese Tatsache sorgt dafür, dass es – um es einmal deutlich zu formulieren – keine Kunst ist, Betroffene zu finden, die man sich zu Legitimationszwecken oder zur moralischen Absolution vor den Karren spannen kann. Das Konzept der Betroffenenhoheit ist daher im trilemmatischen Streit ausgesetzt, da alle drei paradigmatischen Grundformen der Inklusionsforschung und –theoriebildung ihre Anhänger_innen haben. Vielmehr geht es darum zu verstehen, welchen Ansprüchen von Betroffenen man gerecht wird und welchen nicht.
Für die privilegierte/nicht-betroffene Perspektive habe ich die drei Dilemmata, die das Trilemma komponieren, andernorts am Beispiel Rassismus wie folgt zusammengefasst: “Be the advocate against advocacy […] Be the emperor against imperialism. […] Appreciate otherness without othering.” (Boger 2016, 85). Diese Dilemmata – Anwalt gegen Paternalismus zu sein und sich dafür auszusprechen, die Fü(h)rsprache und Fü(h)rsorge auszusetzen; seine Macht zu nutzen, um zu verändern, dass Menschen wie man selbst in mächtigen Positionen überrepräsentiert sind und ständig darüber zu reden, dass man öfter mal schweigen und die Anderen* sprechen lassen sollte; Andersheit wertschätzen zu wollen, ohne die Zuschreibung von Andersheit zu reproduzieren – sind die ambivalenten Momente des Alliierten-Daseins gegen Diskriminierung.
Wer sich länger mit dem Themenfeld Inklusion und Diskriminierung befasst, wird gewiss all diese Gefühle schon einmal gehabt haben (und mit Sicherheit mind. einen der drei entsprechenden Vorwürfe kassiert haben). Im Trilemma kommt demnach nichts Neues vor, sondern es ist ein Vorschlag, Bestehendes auf eine andere Weise zu systematisieren.
Das erste Verständnis von Inklusion als Anti-Diskriminierung geht von einem kollektivierten Körper aus, der pluralisch zu sprechen beginnt und sich gegen das Unrecht erhebt, nachdem er Einsicht in die Verhältnisse erlangt hat, die uns entfremden. ‚Wir Frauen fordern das Wahlrecht’ oder ‚Wir Menschen mit Behinderung fordern das Recht auf barrierefreie Teilhabe’ sind zum Beispiel solche Ereignisse, die sich als Empowermentprozesse beschreiben lassen.
Es geht hier aus Betroffenenperspektive um zwei Facetten: Unrecht richten (Spivak 2008b) und in seinem Leid unter diesem Unrecht wahrgenommen werden. Eine engagierte Sozialwissenschaft solle also erstens zeigen, was die Mechanismen der Diskriminierung sind und was das Ausmaß dieser ist. Es müsse anerkannt werden, dass Diskriminierung der kapitalistischen Ordnung immanent ist. Zweitens solle eine engagierte Sozialwissenschaft den Betroffenen Gehör verschaffen, ihren Perspektiven Raum geben und ihre Forderungen unterstützen, indem sie diese publik machen helfen.
Um einen Begriff von Inklusion zu entwickeln, der an Empowerment-Konzepte anschließt, braucht man demnach ein Konzept von Körper und ein Konzept von einer Klasse, die ‚Wir’ sagen kann. Zwei Zugänge sind dafür prädestiniert: materialistische und (leib-) phänomenologische. Das Verständnis von Diskriminierung geht in beiden Fällen von der Ausbeutung und Unterdrückung von Körpern aus, die eine erhöhte Vulnerabilität aufweisen. Es geht darum, welche Körper sich zu welcher Arbeit schleppen müssen, wessen körperliche Unversehrtheit hintenan gestellt wird, wie das Recht auf körperliche Selbstverfügung eingeschränkt wird, wer Anspruch auf wessen Körper erhebt, etc.
Im feministischen Bereich geht es demnach um den Entwurf eines materialistischen/(neo-)marxistischen Feminismus und thematisch insb. um Reproduktionsarbeit (siehe z.B. Federici 2012). Homolog setzt auch die ‚materialistische Behindertenpädagogik’ nach Jantzen beim Körper und dessen Eingebundenheit in materiale Prozesse an. Im Bereich Rassismuskritik geht es um Themen wie Sklaverei, Zusammenhänge von Klassismus und Rassismus (Prekarisierung und Unterschichtung von Migrant_innen etc.) und globale Ungleichheit. In jedem Fall geht es um reale Verhältnisse.
Der zweite Wunsch aus Betroffenenperspektive war der danach, wahrgenommen zu werden und geglaubt zu bekommen – ernstgenommen zu werden ohne Relativierungen, Beschwichtigungen oder andere Abwertungen. Prädestiniert dafür sind phänomenologische Zugänge, bei denen es im Wesentlichen darum geht, die Erfahrung von Diskriminierung sichtbar, sagbar und verstehbar zu machen. Viele davon beerben Fanon oder DuBois. Ein zeitgenössisches Beispiel aus dem Bereich Rassismus ist die Arbeit von Kilomba (2013) zu den Erfahrungen mit Diskriminierung im Schwarzen diasporischen Alltag. So setzen die Erzählungen vom distanzlosen Umgang mit Afros, Abstandsinszenierungen in öffentlichen Verkehrsmitteln, etc. an einem Leib an, der als gelebter Körper Rassismus als traumatisch erfährt. Im Bereich Feminismus und Queer hat Ahmed (2006) mit phänomenologischen Ansätzen gearbeitet. Diese macht auch die Bedeutung von Emotionen stark (2004) – ein Feld, das bei der Theoriebildung leider häufig unbeleuchtet bleibt. Gerade der Blick auf Emotion, Begehren und Sexualität bietet in neueren materialistisch-marxistischen Ansätzen eine Brücke zwischen diesen beiden Zugängen (siehe z.B. Rodriguez 2014).
Was empirische Studien betrifft, wird Diskriminierung hier demnach als etwas verstanden, das sowohl objektiv messbar ist (wenn man z.B. das race/gender pay gap ausrechnet) als auch subjektiv erfahren wird (was es möglich macht z.B. in Interviewstudien, von diesen Erfahrungen zu erzählen). Methodisch wird der Empowermentaspekt in Konzepten der partizipativen Forschung oder des Action Research (Rappaport) aufgegriffen.
Das zweite Verständnis von Diskriminierung verläuft entlang der Unterscheidung von ‚Zentrum’ und ‚Peripherie’, wie es auch in den Begriffen ‚Marginalisierung’ oder ‚Randgruppe’ anklingt. Die Fragerichtung lautet hier, wer von diesem mächtigen Zentrum abgeschnitten ist und mit welchen Mitteln Menschen von diesem ferngehalten werden. Inklusion wird folglich als eine Inklusion ins Zentrum oder als Teilhabe an diesen privilegierten Positionen verstanden und impliziert eine Normalisierung des diskriminierten Subjekts.
Die Ansprüche von Betroffenenseite an eine engagierte Sozialwissenschaft lauten je nach Position im Trilemma:
- im Falle der Affirmation von Normalität* (EN): eine Teilhabeforschung zu betreiben, die Barrieren aufdeckt und hilft, eine barriere- und diskriminierungsfreie Welt zu denken
- im Falle der Dekonstruktion von Normalität* (ND): Sozialwissenschaft so zu betreiben, dass diese die Zuschreibung von Andersheit* als Abweichung vom Normalen* nicht reproduziert, sondern im Gegenteil die Mechanismen der ‚Veranderung‘ (z.B. als Beobachtungslogiken) aufdeckt und kritisiert.
- im Falle der Emanzipation von Normalität (DE à non-N): Sozialwissenschaft so zu betreiben, dass sie den Anderen* nicht aufnötigt, sich normalisieren lassen zu müssen oder die Vorstellung reproduziert, dass Normalisierung* ein erstrebenswertes Ziel und die Normalen* höherwertig seien.
Dementsprechend braucht es einen machtkritischen Begriff von Normalität. Die zwei beliebtesten Poststrukturalisten, um zu bestimmen wer diese Normalen* sind, sind nach wie vor Foucault und Bourdieu.
Diese zwei Zugänge sind gute Beispiele für Paradigmen, die auf allen trilemmatischen Linien mitpendeln: Man kann sowohl mit Foucault als auch mit Bourdieu fragen, mit welchen Machtpraktiken die Körper der Anderen* regiert/im Feld positioniert und mit welchen Barrieren sie vom Machtzentrum der Normalen* ferngehalten werden (EN) – dann geht es um die realen und materialen Verhältnisse. Zweitens kann man fragen, wie von diesem Machtzentrum der Normalität* aus die Anderen* mit allen zur Verfügung stehenden symbolpolitischen Mitteln als solche hervorgebracht, also ‚verandert’ werden (ND). ‚Veranderung’ setzt sich gerade als Übersetzung des Begriffs ‚Othering‘ durch, der auf Said (1978) zurückgeht, welcher in Auseinandersetzung mit den Foucaultschen Schriften zeigt, wie der Okzident im Diskurs um den Orient sich selbst zentriert und so den Orient als das essentialisiert Andere* hervorbringt. Demgemäß bezeichnet ‚Veranderung’ den Prozess, in dem eine Gruppe zu essentialisiert Anderen* gemacht wird, weswegen sie hier mit Stern* geschrieben werden, um an diesen Konstruktionsprozess zu erinnern. In dieser Variante geht es demnach um diskursanalytische Fragen und Anschlüsse an Zeichentheorien (Begriffe von symbolischer Gewalt etc.).
Position im Trilemma |
Normalität* ist ... |
Verständnis von Andersheit* |
EN |
etwas, woran man teilhaben will, und daher als solches Objekt der Begierde nicht dekonstruierbar. |
affirmiert essentielle Andersheit*, um Teilhabe an einer Normalität* einzufordern (strategischer Essentialismus) |
ND |
eine diskursive Formation, deren Kontingenz aufzuzeigen ist, um die Veranderung als solche sichtbar zu machen und aufzuheben. |
dekonstruiert die Zuschreibung von Andersheit* und arbeitet gegen die Essentialisierung |
DE |
hegemonial und in diesem Sinne das, wovon es sich zu entkoppeln gilt, um zu einem emanzipierten Selbstbild zu gelangen. |
Fundamentale Andersheit*, die sowohl essentiell ist als auch den Normalen* unverfügbar |
Beliebt bei allen drei Zugängen zu Inklusion, hängt die Position im Trilemma demnach nicht vom poststrukturalen Paradigma ab, sondern von der Argumentation, in der es eingesetzt wird. In manchen Studien geht es um eine affirmierte Normalität und um die realen/materialen Effekte, die eine Regierungsweise entfaltet (EN); in anderen Studien wiederum geht es um eine zu dekonstruierende Normalität, wobei die erste Dekonstruktion auf dezentrierte, entessentialisierte Individuen zielt (ND) und die zweite Form der Dekonstruktion sich in Verbindung mit einer Geste der Selbstermächtigung gegen den Normalismus wendet, um sich von ihm zu emanzipieren (DE). Auf allen drei Linien wird sich dazu des Foucaultschen Vokabulars, bzw. unterschiedlicher Lesarten seiner Texte bedient. Niemals aber ist es möglich, alle drei Bewegungen auf einmal zu vollziehen. Es macht z.B. keinen Sinn zu sagen, dass Menschen ein Recht auf Teilhabe an einer Normalität haben, deren Existenz man zugleich in Frage stellt, usw.
Das dritte Verständnis von Inklusion als Anti-Diskriminierung wiederum denkt die Sache von einer Störung der Ordnung aus. Diskriminierung äußert sich gemäß dieses Zugangs in der unnachgiebigen Reproduktion von Binarismen, die das jeweils Andere* als solches zeichnen und subordinieren. Mit ‚Dekonstruktion’ ist demnach in diesem Kontext nicht nur jene nach Derrida gemeint, sondern es handelt sich hier um einen Oberbegriff für alle Zugänge, die sich darauf konzentrieren, die Hervorbringung und die Störung der binären Ordnungen zu untersuchen, die Diskriminierungsprozessen zugrunde liegen.
Das Begehren aus Betroffenenperspektive ist hier demnach das nach der Produktion von anderen Bildern und Geschichten, die es vermögen, Stereotypen und Klischees, falschen Vorstellungen und entwertenden Narrativen von Andersheit* etwas entgegen zu setzen.
Um einen Begriff von Inklusion zu entwickeln, der an in diesem Sinne dekonstruktive Theorien anknüpft, braucht man dementsprechend einen Begriff von Iteration oder Irritation (und den Glauben daran, dass diese möglich ist, dass die Ordnung also nicht immer gewinnt). Lüdemann macht einen für diesen Kontext sehr treffenden Einstieg in den Grundgedanken der Dekonstruktion. Sie leitet ein mit Derridas (Selbst-)Verständnis von Dekonstruktion, „die im Sinne ihrer eigenen Konsequenz nicht in rein spekulativen, theoretischen und akademischen Diskursen eingeschlossen bleiben möchte und die [...] den Anspruch erhebt, Folgen zu haben, die Dinge zu ändern“ (Derrida 1991,18f in Lüdemann 2011, 14f), woraus Lüdemann macht, dass Dekonstruktion in diesem Sinne „eine verantwortliche Form des Philosophierens >nach Ausschwitz<“ sei (ebd., 15). Mit diesem politischen Einsatzpunkt verweist sie immer wieder auf die Stelle in ‚Die Schrift und die Differenz’, in der Derrida die Struktur des Erbes erläutert und betont, dass wir keine Sprache haben, die „nicht an der Geschichte beteiligt wäre“, was sie zu folgender Konklusion führt:
„Diese gegenstrebige Gleichzeitigkeit von Sich-Fügen-Müssen (in ein überliefertes philosophisches Idiom, eine Syntax, eine Lexik, eine Unterscheidungsgeschichte) und In-Frage-stellen-Wollen bestimmt das dekonstruktive Lesen (und Schreiben) als eine gleichermaßen genealogische und strategische Operation.“ (ebd., 55)
Es gibt sehr andere Verständnisse von ‚Dekonstruktion’, wie wir später noch sehen werden. Insbesondere auf der ND-Linie wird sie mit Deleuze und Guattari (1977) gerade nicht genealogisch als ein Sich-iterierend-Einschreiben in eine Geschichte verstanden, sondern als De(kon)struktion ebenjener Genealogie: sie sehen in den rhizomatischen Fluchtlinien einen Ausweg aus der patrilinearen Erbestruktur.
In jedem Fall ist es der Aspekt, der die Bewegung ins Spiel bringt. Diese Bewegung kann in zwei Richtungen schlagen. Dekonstruktion kann als Dissolution der Dichotomie ‚Normale* - Andere*’ gedacht werden (ND) oder aber als eine Dis_soziation von der normalen Ordnung, bei der ein fundamental oder radikal anderes* Sprechen entworfen wird (DE). In dem einen Fall geschieht die Irritation durch die Deprivilegierung und Dezentrierung der Normalen* (z.B. gegen den Eurozentrismus, den Phallogozentrismus), die um ihren Alleinanspruch auf universales Sprechen gebracht werden (ND). In dem anderen Fall kommt es zur Iteration, weil nun etwas leiblich Erfahrenes gesagt werden kann, das von der etablierten Ordnung zum Schweigen (Piesche 2012; Hark 2015) gebracht wurde (DE).
[Abb.: Das Trilemma als Entscheidungsbäumchen]
Im Ringschluss gilt es nun zu zeigen, dass für alle drei Basissätze gilt, dass das Hinzunehmen eines zweiten den jeweiligen dritten Punkt ausschließt.
Fragt man wie oben skizziert nach den politischen Einsatzpunkten von Inklusion und Diskriminierung und lässt alle anderen Unterschiede zwischen Paradigmen beiseite, haben Studien auf der EN-Linie folgende Gemeinsamkeiten, so verschieden ihre Instrumente und die einzelnen konkreten Themen auch sein mögen:
- Inklusion wird als Teilhabegerechtigkeit und/oder Chancengerechtigkeit verstanden. Ihr Verständnis von Diskriminierung geht demnach von vulnerablen Gruppen aus, denen die Teilhabe bzw. die Chance auf ein gelingendes Leben verwehrt oder erschwert ist. Diese Diskriminierungen werden als objektiv messbar betrachtet, da sie von realen Verhältnissen ausgehen (Variablen wie Dauer der Beschulung, Einkommen, etc.).
- Dementsprechend ist es aus der Perspektive dieser Seite des Trilemmas auch keine Frage der Adressierung/Ansprache, wer diskriminiert wird, sondern etwas objektiv Quantifizierbares, das man sich im wörtlichsten Sinne ausrechnen kann (wie z.B. beim Gender Development Index oder bei der Kalkulation von pay gaps).
- Sie desinteressieren sich dabei für die Konstruktion der in ihren Studien benannten Gruppen und setzen diese als präexistente und für die Untersuchung sinnhafte Einheiten voraus, mit dem Ziel die Benachteiligungen der so benannten Gruppen aufzudecken.
- In qualitativen (Teil-)Studien, die also nach der subjektiven Erfahrung dieser objektiven Verhältnisse fragen, werden Menschen aus den relevanten Gruppen als solche adressiert (also z.B. als Jude*, als Behinderter*, etc. befragt) und auch in der Auswertung der Interviews / Beobachtungen in dieser Sprechposition als Andere* betrachtet.
Im Dienste dieser Betroffenenbewegungen steht auch die Konzeption der „egalitären Differenz“ (Prengel 1993/2006), eine theoretische Grundfigur, von der Walgenbach (2014, 20) resümierend schreibt, dass sie „durch sozialkonstruktivistische bzw. dekonstruktivistische Kritik gereift ist“ (ebd., 35). Die Kritik an diesen Zugängen richtet sich demnach gegen die Essentialisierung und Reifikation in der Reproduktion der Kategorien, die den jeweiligen Diskriminierungsformen zugrunde liegen und die ihnen ebenso inhärente Affirmation des Normalismus in der jeweiligen Teilhabeagenda.
Wenn wir uns zum Beispiel auf Nussbaum und den Capabilities Approach konzentrieren, verwirft diese den Vorwurf in aller Kürze damit zu antworten, dass es – wie das Wort Befähigung es auch nahe legt – nur um das Ermöglichen geht, nicht um das Erzwingen. Den dekonstruktiven Einspruch, dass die diskursive Konstruktion, die sie befördert, selbst in den Blick geraten müsse, da es sonst zu unreflektiertem Kulturimperialismus komme, lehnt sie dezidiert ab. Wenn eine auf diese Weise als den Überlegungen präexistent vorausgesetzte Gruppe eine Normalisierung selbst begehrt, kann diese in diesem Paradigma nicht mehr imperial oder (in einem schlechten Sinne) paternalistisch sein, da hier affirmiert wird, dass es um ebenjenen Kampf um gleichberechtigte Teilhabe geht:
„Genau gesehen ist der Vorwurf des Paternalismus kein Argument gegen kulturübergreifende Universalismen. Denn es geht ausschließlich darum, die Würde der Menschen zu wahren und ihre Entscheidungen zu respektieren. Dieser Respekt verlangt von uns, zahlreiche Freiheiten universell zu verteidigen“ (Nussbaum 2000, 59f).
Nussbaums Konzeption beerbt dabei Aristoteles und Marx: zwei Philosophien, die einen Begriff von Bedürfnissen entfalten und mit denen sich fragen lässt, in welchem Verhältnis diese Grundbedürfnisse/(un-)entfremdeten Bedürfnisse zum (gerechten) Staat stehen. Ein solches anthropologisches Verweisen auf körperliche Grundbedürfnisse geht bei Nussbaum zurück auf einen sog. ‚milden Essentialismus’. Die Affirmation dieser als anthropologisch universal verweigert die Aufnahme dekonstruktiver Ansätze zugunsten des Einforderns allgemeiner Menschenrechte (EN à non-D). Nussbaums Ablehnung des Gegenspielers im Trilemma ist sehr offenkundig: in einer Attacke gegen Judith Butler, die sie mit diesem Feminismus (und reduktiv nur damit) identifiziert, argumentiert sie unter dem Titel „The Professor of Parody“, dass die dekonstruktiven Spiele ihres Erachtens nicht nur nutzlos zur Verbesserung der Lage von Frauen seien, sondern sogar eher schädlich (1999). Vice versa gönnt sich Spivak, eine der zentralen Stimmen der Dekonstruktion (ihres Zeichens Übersetzerin von Derrida), eine aufgenötigte Endnotenschlacht gegen Nussbaum, da diese die Mechanismen der Produktion von strategischen Essentialismen und „Vorzeigesubalternen“ nicht genügend durchschaue und reflektiere (Spivak 2008, 81ff, die dort auf obiges Paternalismus-Zitat Bezug nimmt). Dieses Beispiel steht in einer langen Reihe an innerfeministischen Debatten um das Versammlungszeichen ‚Wir Frauen’ und die Frage nach Repräsentation. Hier geht es nur darum nachvollziehbar zu machen, warum Studien, die eine solche Konzeption von Inklusion als Nicht-Diskriminierung affirmieren und zum Beispiel mit Ansätzen wie dem Capabilites Approach arbeiten, die dekonstruktive Kritik verwerfen.
In jedem Fall ist und bleibt es das Verdienst dieser Studien, die Effekte und das (Aus-)Maß an Diskriminierungen von Gruppen deutlich zu machen und zu ermöglichen, dass Betroffene als Betroffene gehört werden. Dazu muss man sie als Andere* adressieren und die Anderen*-Gruppe als solche in ihrer Existenz voraussetzen, was die dekonstruktive Aufhebung dieser Veranderung ausschließt.
Für die Verbindungslinie zur Dekonstruktion von Normalismen gibt es zwei Begriffe – je nachdem, von welcher ‚Seite‘ man eher kommt: Transnormalismus und Dissolution.
Der Begriff „Transnormalismus“ geht zurück auf Jürgen Link (1997), der in der Nachfolge Foucaults steht. Im Anschluss daran wird Inklusion verstanden als Auflösung des Normalfeldes, von dem die Veranderung ausgeht, sodass die Dichotomie Normale*-Andere* aufgehoben ist. Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext die Schriften von Ulrike Schildmann (u.a. 2002; 2004), deren Verdienst es ist, diesen Begriff für den pädagogischen Inklusionsdiskurs fruchtbar gemacht zu haben.
In den Gender Studies ist gewiss der Ansatz von Judith Butler der für diesen politischen Einsatzpunkt gängigere, welche damals dieselbe Vorstellung von Anti-Diskriminierung in anderen Begriffen, aber ebenso mit Rückgriff auf Foucaultsche Thesen formulierte, indem sie zeigte, „daß die Macht in der Produktion des binären Rahmens, der das Denken über die Geschlechtsidentität bestimmt, am Werke ist“ (Butler 1991, 8), da es schließlich erst dieser binäre Rahmen ist, der lesbisch Sein, queer Sein, etc. als Abweichungen hervorbringt. Butler selbst wendet sich gegen den „linguistischen Monismus“ (Butler 1997, 27), den die Betroffenen, die sich auf diese Linie fixieren, in ihrem Begehren nach entessentialisierter Individualität gerne lesen würden, und arbeitet (was auch Nussbaum wie eben dargelegt in ihrer Kritik vollständig ausblendet) ebenso mit phänomenologischen Ansätzen, sodass man fast resümieren muss, dass ihr Werk von diesem politischen Lager reduziert und zum Skandieren missbraucht wird. Ebenso benutzt Link (2016) seinen eigenen Ansatz lieber zur Kritik protonormalistischer Regime denn zur utopischen Konstruktion einer transnormalistischen Welt; aber mit beiden, Link und Butler, lässt sich offensichtlich eine Utopie der Inklusion skizzieren, die Betroffenen etwas bedeutet.
Im pädagogischen Feld – insbesondere in der schulpädagogischen Inklusionsdebatte – ist die kritische Spitze dieser Konzeption von Inklusion, die bei Hinz als „Überwindung der Zwei-Gruppen-Theorie“ (2002) eine skandierungsfähige Form erhalten hat, im Verlauf der Zeit tragischerweise zu einer Wolke bunter Punkte verpufft, die emblematisch für einen Heterogenitätsdiskurs und eine Konzeption von ‚Differenz’ stehen, die häufig Zurecht als „Banalisierung“ kritisiert werden (Rendtorff 2014). Dieses Entschärfen selbst kann man genealogisch verstehen: Je weiter sich die Formulierungen von der Foucaultschen Quelle entfernen, desto weniger hat das Gesagte noch mit Machtkritik zu tun.
Dissolution ist selbst ein changierendes Konzept. Zunächst könnte man übersetzend einfach sagen, wir sprechen hier über ‚Auflösungen’. Im Falle der deleuzianischen ‚Falte’ (2000) in einer positiven Konnotation mit einem Hauch von ‚Abblendung’ oder ‚Nuance’. Aus der Perspektive von Laclau und Mouffe (2000) müsste es deutlich negativer konnotiert sein; dort ist die Rede von einer geradezu pathologischen Haltlosigkeit oder Unfixiertheit dieser dekonstruktiven Zugänge, wie bei einer Verflüssigung, einem Entgleiten (ebd., 150). Was wird also ‚aufgelöst’? Je nach dem, wen man fragt. Die Freund_innen der ND-Ansätze antworten: Aufgelöst werden all die symbolischen Barrieren und Dichotomien, die für Zwietracht sorgen und in falschen Essentialismen von der Individualität aller* Menschen ablenken. Die Kritiker_innen hingegen warnen: aufgelöst wird hier jene Form von Differenz, die es zu einem politischen Leben braucht, das diesen Namen verdient hat (auch bekannt als ‚Antagonismus’). Wenn ‚Selbstbestimmung’ und ‚Individualität’ die höchste Werte sind, die der Westen kennt, sind dort Demokratie und Neoliberalismus längst in Eins zusammengefallen. Mehr zu diesem Thema findet man unter dem Begriff ‚Post-Fundamentalismus‘ (z.B. bei Hebekus & Völker 2012, 22 ff). Als besonders empfehlenswert erscheint mir die Lektüre von Alain Badiou, dem passioniertesten Kritiker konstruktivistischer Pseudo-Demokratismen (angewandt auf das Thema Inklusion in Boger 2016).
Bei Elvau (2014), eine_m queere_n Inter*-Aktivistix, werden dieses Lebensgefühl in ND-aktivistischen Kreisen und der Einspruch dagegen sehr treffend zusammengefasst:
„Alles so schön bunt hier. Alle gleich. Alle Queer. Großes WIR. Doch ich merke immer mehr: Ich will Unterschiede nicht festschreiben, aber benennen. Ja – ich will Kämpfe von Inter* und Trans* und auch Queers zusammenbringen. [...] Aber ich bin auch nicht blind dafür, dass es einen großen Unterschied macht, wenn du heute sagst: ‚Ich bin Queer’, ob du inter*, trans* oder cis bist. Ich will keine Olympiade der Unterdrückung gewinnen, aber wem ein Recht auf Geschlecht abgesprochen wurde, wer Eingriffe in den Körper erlebt hat, braucht vielleicht erstmal eine eigene Nische, eigene Räume, eigene Worte, vielleicht auch die Sicherheit einer Kategorie als Empowerment. Für manche ist das Spiel und Show mit den Rollenbildern, für mich auch. Aber es ist auch bitterer Ernst, wenn dein Körper nicht sein darf.“ (ebd., 74)
An den ‚vielleicht’-Einschüben und der entschuldigenden Einleitung merkt man mit wie viel Kraft solche trans(*)-normalistischen ND-Räume gegen das Empowerment arbeiten, wenn sie erst einmal die Tendenz ausgebildet haben, klare Gruppenbezeichnungen und Segregationen entlang dieser Gruppenzugehörigkeiten zu verteufeln. Wenn alle* gleich betroffen sind, weil ja alle* – auch die cis-Männer – von der heteronormativen Matrix in eine Schublade gesteckt werden, wird verkannt, dass das für die einen vielleicht bedeutet, dass mal ein Witz gemacht wird, aber für die anderen – die fundamental Anderen – deutlich gravierendere Unterdrückungen, wie Zwangsoperationen und -behandlungen in Kindheit und Jugend, involviert. Wer darauf – wie im Zitat durch Verteidigung als Angriff aufgestellt – antwortet, dass man Betroffenheiten nicht nach Schwere hierarchisieren soll, hat jeden Bezug zum körperlichen Leiden und zum Erfahren (insb. von Schmerz) verloren.
Neben diesen politikphilosophischen Debatten um Sinn und Unsinn der Dissolution von Differenz und der Frage, ob diese Krieg oder Frieden bedeutet, lautet die diskriminierungstheoretische Kritik an den so operierenden konstruktivistischen/diskurstheoretischen Zugängen demnach: Der Leib fehlt und ihr Subjekt ist nicht mündig (weswegen es in den demokratietheoretisch gewendeten Schriften heißt, es sei entpolitisiert). Im Abschnitt des Gegenspielers im Trilemma, bei den Empowermenttheorien, haben wir (neo-)marxistische/materialistische und (leib-) phänomenologische Zugänge genannt und genau diese sind es, die sich nun zur Kritik erheben.
Bezüglich Gender wird dies gerade unter Begriffen wie ‚body turn’ oder ‚new materialism’ verhandelt (Gugutzer 2006; Grosz 2010); Butler wurde durch oben erwähnte vereinseitigte Rezeption ja regelrecht genötigt, über das Gewicht von Körpern zu schreiben (1997) und immer wieder daran zu erinnern. Im Bereich Rassismusforschung hat der Diskurs um Flucht und Asyl offensichtlich geholfen, die Menschen zu erinnern, dass es auch noch globale Ungleichheit gibt und nicht nur symbolische Ausgrenzungsprozesse. Für Behinderung hat Dederich (2007) die leibphänomenologische Widerrede gegen die ND-Verbindung ausgearbeitet und auch die Verfechter_innen des auf diese konstruktivistische Weise verkürzten sozialen Modells von Be_Hinderung sollten sich warm anziehen (siehe z.B. Homann & Bruhn 2016, die dieses aus marxistisch-materialistischer Perspektive kritisieren). Außerdem wird angeführt, dass die so aufgestellten leiblos-bunten Vielfaltslieder sich paradoxerweise gegen das radikal Andere immunisieren (pädagogisch gewendet z.B. bei Wimmer 2014). Wenn alle gleich verschieden sind, ist niemand mehr fundamental anders. Insgesamt häuft sich die Kritik also gerade.
Der Einspruch gegen diese Vorstellung von ‚Inklusion’ hat in der Praxis Formen wie: ‚Was nützt es denn zu wissen, dass meine Behinderung sozial konstruiert ist, wenn ich nicht krankenversichert bin?’ bzw. in einem (schul-)pädagogischen Beispiel ‚Ist ja nett, dass ihr mich ganz normal findet und nicht glaubt, dass Leistung so wichtig ist, aber einen Job werde ich trotzdem nicht finden.’. Solche Einwürfe nennt man in der französischen Philosophie auch ‚Einbruch des Realen’ (z.B. lacanianisch bei Grosz 1990). Sie durchbrechen die Zirkulation der Symbole (das Gelaber) mit Gewalt (im französischen oder englischen Sinne von ‚force’; also nicht Brachialgewalt, sondern so etwas wie ‚Kraft’ oder ‚Wucht’).
In Monty Pythons ‚Das Leben des Brian’ gibt es diese Szene, in der eine große Masse Leute im Chor ruft „Wir sind alle Individuen“ und einer hinten links grölt hinterher „Ich nicht!“. Der Typ hinten links – der ist Leibphänomenologe. Er hat noch nicht einmal dezidiert etwas gegen das Gerede, er ist kein Querulant und macht das auch nicht zu Selbstdarstellungszwecken; er sagt es eher aus dem Affekt, weil ihn irgendetwas leiblich ergriffen hat, als hätte ihn etwas kurz gebissen, weil da etwas ist, was nicht stimmig ist, was keine Resonanz ihn ihm findet und es stößt ihm auf und aus ihm heraus. Dieses etwas, das eher spontan räsoniert – mit weniger ratio und mehr Resonanz(körper) – ist der gelebte Leib. Der Leib gehorcht niemandem, er kennt kein Gesetz, er stellt sich quer, aber ohne im politischen Sinne ‚dagegen’ zu sein. Es geht hier also darum, die Dinge in den Blick zu nehmen, die weder freie (politische) Entscheidung sind, noch durch einen Diskurs determiniert, sondern, die uns überfallen und heimsuchen. Sie fühlen sich so wesentlich an, dass es Selbstverrat wäre, zu leugnen, dass sie ein Teil von uns sind. Sie als Konstruktion zu beschreiben, wirkt auf diesen Leib daher schräg.
So ist das mit dem Realen: Es passt nirgendwo hin, deshalb bricht es einfach ein. Es stört die allzu geraden Argumentationen, es passt nicht in den Text, steht irgendwie quer raus, unterbricht die Routine. Manche macht es wütend, andere traurig, wieder andere zynisch; aber egal, was es ist und wie man es theoretisch fasst – ob mit Lacan oder leibphänomenologisch – es ist der stärkste Widerspruch gegen jenen Reduktionismus der ND-Linie, die schönste Art zu sagen ‚Da ist mehr als Diskurs und Konstruktion’.
Wenn ich an mein Leben denke, kämpfe ich zum Beispiel oft für Depathologisierung und ich mache das mit genau diesen diskursanalytischen ND-Zugängen in der Nachfolge Foucaults. Der Theoriezugang redet dabei aber konsequent an meinem eigenen Körper und seiner Geschichte vorbei, denn in dieser hieß Pathologisierung, dass ich nach einer langen Reise in meiner Existenz anerkannt und gerettet werde. Die Psychiatrie war der einzige Ort, an den ich mich wenden konnte. Alle anderen waren oder fühlten sich nicht zuständig. Ich ging zuerst zum Jugendamt. Die fragten mich, wer gerade seine Aufsichtspflicht verletze, dass ich alleine durch die Stadt laufe (kein Scherz! Das sind noch echte Beamte). Dann ging ich zu einem Frauenhaus und wurde freundlich informiert, dass diese nur für Erwachsene zuständig seien. Ich erzählte es einer Lehrkraft und er sagte, er könne sich damit nicht befassen (was ihm sichtlich Leid tat; ich schwör, das war ein guter Kerl). Ich ging zum Arbeitsamt, um mich zu erkundigen, ob ich irgendeine Möglichkeit übersehen hatte, früher von Zuhause auszuziehen (darf man erst mit 16, aber auch nicht wirklich – keine Ahnung). Ich klingelte bei einer stationären Einrichtung der Jugendhilfe und noch bevor ich etwas sagen konnte, wurde ich informiert, mein Sozialpädagoge solle einen Termin ausmachen (niemand spricht mit Kindern; alle fragen nach deinem Sozialpädagogen, aber was, wenn du noch keinen hast?). Erst dann ging ich zu einem Psychiater und sagte, nachdem auf alle anderen Sätze niemand reagiert hatte: ‚Ich bring mich um‘. „Im Schnitt muss ein (sexuell) misshandeltes Kind, 7 Erwachsene ansprechen, bis es gehört wird“ (Rosenblatt 2013). So normal ist es, verschieden zu sein.
Ich weiß, es gibt viele, die über Menschen wie mich denken „Das gibt’s doch nicht!“ (Mangold 2014); Aber Zuschreibungen von Behinderungen und Pathologisierungen sind keine bloßen Beobachtungsartefakte, sondern komplexe Verwaltungsprozesse, an denen zahlreiche – nicht nur pädagogische – Systeme beteiligt sind. In der Praxis ist eine Dekategorisierung daher ungeahnt schwieriger als in hübsch geschriebenen Büchern mit linearen Argumentationen. So sehr ich sie in der Theorie mag, in der Praxis ist die Welt zu protonormalistisch für transnormalistische Inklusionsdefinitionen. Weil es also nicht linear geht, muss man mäandrieren, wie Spivak es für ihr Verständnis von ‚Dekonstruktion’ betont. Man formuliert es mal so, mal anders, mal hier, mal invers, in der Hoffnung es wird erhört und hat irgendwo Ort.
So ist obige Geschichte mit Sicherheit auch eine dekonstruierende, legt sie doch offen, was es heißt, ver_rückt zu werden, und wie fragil und beweglich die Kategorisierungen, die den Unerfahrenen als so fix und eindeutig erscheinen, eigentlich sind. Das ist der Beitrag dieser Geschichte gegen falsche Essentialismen: Ein anderer Beamter, eine andere Einrichtung und – zack! – hat man ein ganz anderes Etikett. Gleichzeitig aber hält diese Geschichte an etwas nicht Dekonstruierbarem fest, nämlich dem Leid dahinter. Es ist ein „Song of Ourselves“ wie Mitchell, Snyder und Ware (2016, 37) so malerisch in ihrem Entwurf von „Disability as teachable moment“ schreiben. Dieses Erzählen der Geschichte eines gelebten Leibs, dem etwas widerfahren ist, unterscheidet diesen dekonstruktiven Anschluss von dem der ND-Linie, der sich auf kontingente Diskurs- und Beobachtungslogiken beschränkt. Hier bleibt etwas Nicht-Kontingentes, etwas Unhintergehbares. Sie operieren, wie Mecheril (2007, 222) sagt, in einer „Dialektik von Aneignung und Widerfahrnis“: Indem man versucht es abzuschütteln, wird es ein essentieller Teil der eigenen Geschichte. Außerdem fragt dieser Zugang nach der Möglichkeit eines Selbstbezugs, der die Abhängigkeit von diskriminierenden und retraumatisierenden Fremdbeobachtungen aufhebt, lindert oder sich von ihnen dis_soziiert. Dazu forscht man diesen Fremdbeobachtungen also gerade nicht hinterher, sondern konzentriert sich auf die eigene Eingebundenheit und das Selbstverhältnis.
Hier findet demnach ein Sprung auf eine zweite Ebene statt: Es geht nicht mehr nur darum, standpunktunabhängig Inklusion und Diskriminierung zu erforschen, sondern auch darum, dies auf eine inklusive und nicht-diskriminierende Weise zu tun, die keinen Körper und auch nicht den Körper aus der Forschung ausschließt. In dieser performativen Dopplung werden die Strukturen des Wissenschaftsbetriebs und die Konzeptionen von ‚Wissenschaftlichkeit’ selbst in den Blick genommen, um andere, barrierefreie Erkenntniswege und Textproduktionen zu entdecken. (Linton 1998; viele interessante Geschichten, Vorträge und Quellen unter: http://www.zedis-ev-hochschule-hh.de/downloads/index.html und http://www.disability-studies-deutschland.de )
Wenn man mit positioniertem Sprechen arbeitet und demnach mit den Kategorisierungen, von denen man betroffen ist, sind andere Dinge möglich als im wissenschaftlichen Normalduktus*. Die entsprechenden Disziplinen, die mit einer Standpunktepistemologie argumentieren, häufen sich gerade. Ob in Form von Black Studies, Mad Studies oder Disability Studies, sie alle haben gemeinsam, dass sie daran arbeiten, ihre Geschichte selbst zu erzählen (der Empowerment-Aspekt) und durch diese iterierte Narration der Hegemonie etwas entgegensetzen zu können (der dekonstruktive Aspekt). Dazu braucht es demnach einen Erfahrungsbegriff, was bedeutet an die phänomenologischen Theorien, mit denen wir diese Darstellungen begonnen haben, wieder anzuschließen.
Da der Impetus oder die ‚Schreibrichtung‘ eine contra-hegemoniale ist, lässt sich auch ex negativo definieren, worum es in diesen Disziplinen geht. Sie versuchen mit Spivak (u.a. in 2008, 127) gesprochen, die epistemische Gewalt als solche aufzudecken und sich ihr zu entziehen. Es geht darum, „Räume zu schaffen, in denen die Anderen gehört werden, und andere bisher unbeachtet gebliebene Perspektiven freizulegen, die bisher nicht als wertvoll qualifiziert waren.“ (Castro-Varela & Dhawan 2003, 279). Das im emphatischen Sinne andere* Sprechen, das hier eingeübt wird, reißt sich entweder bewusst von den führenden Narrativen und Vorstellungen von ‚Wissenschaftlichkeit‘ los oder aber ist nie von ihnen erfasst worden und in diesem Sinne subaltern. Durch die Dis_Soziation von den normalistischen Regimen werden andere Dinge sagbar. In einer Variante feministischer Phänomenologie klingt diese Begründung z.B. so:
„Wenn die bedeutsame Erfahrung die Prüfung durch die diskursive Formulierung bestehen muß, dann schließen wir das Unausgesprochene aus dem Bereich des Wissens aus – eine Tendenz, die brav den Interessen westlicher Maskulinität dient, indem man ihr erlaubt, Unterdrückungsformen zu ignorieren, die sich unter den herrschenden Diskursregimen nicht aussprechen lassen.“ (Alcoff 1997, 237)
Wenn wir wirklich alle alle* meinen, so antwortet die DE-Linie in Verteidigung fundamentaler Andersheit den ND-Transnormalist_innen, dann dürfen auch die Menschen nicht in ihrer Existenz verleugnet werden, deren Rettung in einem Schutzraum besteht, der anerkennt, dass es gerade keine Möglichkeit mehr gibt, so zu tun als wäre man wie alle*. Man muss immer beides denken: Segregation und Desegregation dürfen nicht unabhängig von dem soziopolitischen Kontext und der Fallkonstellation, in der sie stattfinden, bewertet werden. Man muss den Blick für die einzelnen Menschen frei machen, da es oft nicht ist, wie es scheint. Es gibt Kinder, die werden gerade gemeinsam unterrichtet – wie es immer war, weil die Menschen noch nie Lust hatten, über sie nachzudenken – und die gehen in dieser Schule für alle*, die sich weigert Menschen als Andere* wahrzunehmen, unter. Ihr Leid wird nivelliert und übersehen, sowohl empirisch als auch in vielen der momentan kursierenden Konzeptionen von Gemeinsamem Unterricht. Was auf den ersten Blick wie ein Transnormalismus erscheint – dass diesen Kindern keine Andersheit zugeschrieben wird, sondern dass sie ganz selbstverständlich mit allen* anderen in die Schule gehen –, ist in Wirklichkeit Gnadenlosigkeit. Es gibt Kinder, die werden nachts wach gehalten und morgens gefragt, wo ihre Hausaufgaben sind, Kinder, die fürchterliche Angst haben und dann in disziplinierendem Tonfall auf ihre Aufmerksamkeitsspanne angesprochen werden. Die Lehrstunden in Sachen Normalität vortäuschen, mitschwimmen, mithalten können wollen, daran scheitern, die Schuld dafür bekommen und sich die Schuld dafür geben, sich anpassen, den Anschein erwecken als könne man funktionieren wie alle*, schlagen eine Kluft zwischen uns (Maskos 2015). So sollte es darum gehen, die Angst vor Angewiesenheit und Verletzbarkeit zu verlieren, indem eine Kultur der Freundlichkeit gepflegt wird, die sich der Entwertung von Abhängigkeit ebenso entgegenstellt (Meißner 2015) wie sämtlichen Formen von Zwangsintegration. Ein „Kind im Rollstuhl unter allen Umständen und in jedem Fall, zumindest symbolisch am Spiel zu beteiligen, mag letztlich ebenso problematisch sein, wie es vom Basketballspiel systematisch auszuschließen.“ (Dannenbeck & Dorrance 2009). Die Figur der Verweigerung von Normalisierung wird daher immer Teil inklusiver Reflexionen sein.
Die (Selbst-)Kritik an den DE-Zugängen lautet (neben der offensichtlichen, dass sie nicht ganz normal* seien), dass sie zu etwas neigen, dass man eine ‚Ontologie des Dahinter’ nennen könnte. Diese basiert auf naiven oder konkretistischen Vorstellungen davon, wie das eigene ‚wahre Selbst’ aussähe, wenn es keine Diskriminierung gäbe. Sie suchen ‚hinter’ der weißen Maske, den Geschlechterstereotypen und/oder der eigenen Be_Hinderung einen essentiellen Kern, der von den Diskriminierungserfahrungen unberührt ist und regelrecht darauf wartet, erscheinen zu dürfen sobald ein barriere- und diskriminierungsfreier Raum die Chance dazu bietet. Für diese Illusion sind alle segregierten Räume anfällig. Aber es gibt kein Selbst ‚hinter’ der Diskriminierung. Es gibt ein diskriminiertes Selbst und mehr oder weniger verzweifelte Iterationen.
Zweitens folgt aus all diesen partikularen Anekdoten nichts. Sie existieren nur als Einspruch, können nur als Widerstand gehört werden. Jantzen (2015) hat dieses Prinzip sehr schön resümiert: „Immer haben die Betroffenen das letzte Wort, aber das heißt nicht, dass sie Recht haben müssen. Daran muss die Diskussion ansetzen, denn die Betroffenen als Teil der Unterdrückung tragen auch immer die Spuren der Unterdrückung in sich.“
Wir müssen dafür sorgen, dass wir tatsächlich alle gehört werden, nicht nur die bunt-vielfältigen Stimmen, sondern auch die tief-Schwarzen. Dafür braucht es eine Disziplin, die systematisch über positioniertes Sprechen und Re_Präsentation reflektiert wie die Disability/Mad Studies. Das ist das Potential aller ‚Particular Studies’ und ihre Grenze.
Zusammenfassend zeigt das Trilemma zweierlei: Erstens kann man nicht alles haben. Die Kritiken von Seiten der jeweiligen Gegenspieler sind gemeinhin bekannt und die meisten davon werden so langsam alt oder sind es schon, weswegen sich die Konzentration der Inklusions-/Diskriminierungsforschung momentan darauf richtet, diese trilemmatische Situation ‚sprengen’ oder überwinden zu wollen. In den verschiedensten Konstellationen versuchen die Menschen eben doch auf alle drei Aspekte einzugehen und eben doch allen drei Formen des Begehrens von diskriminierten Subjekten gerecht zu werden. Eine Beispielpassage für den Versuch, die ND-Linie zu brechen ohne sie zu brechen, findet sich bei Dederich (2007), der lakonisch resümiert, „dass Hughes und Paterson (1997) sowie Turner (2001) Versuche vorlegen, die Theorieperspektive Foucaults mit einem phänomenologischen Ansatz zu verbinden, obwohl beide häufig als inkommensurabel angesehen werden.“ (ebd., 155). Dabei geht es – wie immer in der Inklusions- und Diskriminierungsforschung – nicht nur um die paradigmatische Differenz, sondern immer auch um die politische: Wenn es gleichzeitig politisch wichtig ist, die Vorstellung, dass Behinderung untrennbar mit Leid verknüpft sei, zu dekonstruieren (ND), während im selben Moment andere notorisch übergangen und in ihrem Schmerz nicht gesehen werden (Gegenspieler E), dann knallt es eben manchmal, egal wie viele vornehme Begriffe der Wissenschaftstheorie wir dafür finden, ob die jeweiligen Zugänge nun kommensurabel sind oder nicht.
Demnach könnte man resümieren, dass es der Inklusionsforschung darum geht, das Undenkbare irgendwie trotzdem zu denken, das Inkommensurable doch wieder sinnhaft zu verketten, weil ihr Gegenstand es einfordert. Auf dieselbe trilemmatische Weise wurde zuvor diskutiert, wie Dekonstruktion trotz der Notwendigkeit strategischer Essentialismen denkbar sei (D trotz EN). Was uns Bielefelder_innen betrifft, muss eingestanden werden, dass der Name des Studiengangs „Integrierte Sonderpädagogik“ ein Oxymoron ist (DE trotz N) – so etwas entsteht in einer Gemengelage aus pädagogischem Denken und Handeln, dem Politischen und den Vorgaben der Politik. Diese verworrene Gemengelage aber liegt inklusivem Handeln immer zugrunde. Ich stimme Knapp (2012) daher in Gänze zu, wenn sie über die vier historischen feministischen Grundargumentationen, die alle in Aporien münden, resümiert: „Ich gehe davon aus, dass die feministische Kritikkonstellation mit ihren spezifischen Verbindungen von Theoriebildung, Forschung und politischem Veränderungsanspruch ein geradezu paradoxienheckendes und -bearbeitendes Dispositiv darstellt und dass genau darin ein wichtiges Moment ihrer Produktivität und Vitalität liegt” (ebd., 391). Mit der Inklusions-/Diskriminierungsforschung als Ganzes ist es nicht anders.
Zweitens zeigt sich, dass diese Ambivalenzen den praxeologischen Kern inklusiven Handelns betreffen: Das Trilemma macht sehr deutlich, warum inklusive Pädagogik nicht technologisierbar ist, sondern professionalisierungsbedürftig, da es niemals eine ‚Lösung’ geschweige denn eine Lösung für alle* geben wird, was auf der Ebene der Theoriebildung bedeutet, dass es keine ‚Supertheorie’ geben kann, die allen Ansprüchen von Betroffenengruppen gerecht wird und dabei noch konsistent ist. „Eine reflexive inklusive Perspektive ist so gesehen immer auch ein politisches Projekt.“ (Dannenbeck & Dorrance 2009), weswegen es kein ‚Ende der Reflexion’ geben kann. Egal als was man Inklusion beschreibt, der fehlende dritte Punkt treibt die (Selbst-)Kritik darüber, ob es für diesen Kontext die richtige Wahl war, voran. „Die Überzeugung jedoch, inklusiv gehandelt zu haben, setzt dieser Form der Kritik stets ein jähes Ende“ (ebd.). Den logischen Part des Trilemmas zu attackieren, ist natürlich möglich und technisch gesehen übrigens sehr leicht, endet daher aber leicht in peinlicher Rührung, den Rückfall in ein binäres Schema oder Schmerz.[2]
Der spannendere Part ist daher die kritische Entwicklung in der Praxis. Am Ende des Tages ist das Trilemma genau das – eine ganz praktische Sache: man kann mit ihm arbeiten wie mit einem Satz Bauklötze, schauen, was man damit betrachten kann, überlegen, wo man selbst steht und ob sich das biographisch verändert hat, ausprobieren, was sich dadurch ausdifferenziert, was man damit in welchem Kontext anstellen kann. Diese Theorie ist nur da, um sie zu benutzen. Sie entfaltet ihren Wert nur und erst, indem man sie anwendet.
Sowohl im US-amerikanischen Pragmatismus als auch in der französischsprachigen Philosophie hat man diese andere Art des Theoretisierens und der Diskussionskultur entworfen. Es geht um „eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren kann.“ (Deleuze & Guattari 1977, 40), wie es im Rhizom heißt. Durch dieses experimentelle Rumspielen mit dem Gedankengang werden die Bedingungen, unter denen das Trilemma gilt, durch das Entdecken von Fällen, in denen es nutzlos ist, mit zunehmender Präzision freigelegt.
Zuletzt sollen daher zwei Beispiele skizziert werden, wie solche Abwägungen und Entscheidungen darüber, was in der gegebenen Situation ein differenzsensibles Verhalten wäre, mit dem Trilemma reflektiert werden können.
Nehmen wir als erstes Beispiel für Konzeptionen und Studien, die einen Beitrag zu einem guten Umgang mit Differenz leisten wollen, die Frage nach der allgemeinen* allgemeinen Didaktik, bzw. danach, was zum Henker ‚inklusive Didaktik’ sein soll. Der politische Einsatzpunkt ist nun kein Detailproblem, das erst im Fazit relevant wird, sondern beeinflusst bereits die Formulierung der Fragestellung:
Position im Trilemma |
Beispiel für Formulierung der Fragestellung |
typische politische Argumentation / Verständnis von ‚Inklusion’ |
EN |
Welche Didaktik ist für die Unterrichtsplanung von gemeinsamem Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung geeignet? |
„Inklusion unterstützende Didaktik“ (z.B. Lütje-Klose 2011; Textor et al. 2014) muss gewisse Kriterien erfüllen |
ND |
Was ist das Verhältnis von Didaktik, Methodik und der Frage differenter Wahrnehmungs- und Zugangsweisen? |
Allgemeine* allgemeine Didaktik (z.B. Textor 2012), Argumentation wie damals schon bei Feuser (1989) |
DE |
Was sind gute Lernmaterialien für Kinder mit Sehbehinderung? Wie verändert sich der Einsatz dieser in Abhängigkeit davon, ob diese im GU oder in segregierten Förderklassen verwendet werden? (Ggf.: Müssen diese adaptiert werden?) |
Sonderpädagogische Expertise als Expertise in differenter Methodik innerhalb einer allgemeinen Didaktik |
Bei der ersten Argumentation (EN) geht man davon aus, dass mit dem gemeinsamen Unterricht durchaus eine andere* Herausforderung ins Haus steht. Die Fragestellung ersucht auf Basis dieser Annahme zu erörtern, was es braucht, um bestehende oder neue allgemeindidaktische Prinzipien an diese Anforderungen anzupassen. Demgemäß geht es darum, Kriterien für einen guten gemeinsamen Unterricht zu entwickeln und zu prüfen, mit welchen didaktischen Prinzipien diese erfüllt werden können. So argumentieren bei uns im Haus (Uni Bielefeld) zum Beispiel Lütje-Klose (2011) und manchmal auch Textor. Die zweite Argumentation (ND) geht davon aus, dass – wie Feuser (1989) es schon zuspitzte – die momentane allgemeine Didaktik eine besondere sei und die Herausforderung darin bestünde eine tatsächlich allgemeine Didaktik zu entwerfen. Wäre sie tatsächlich allgemein, müsste man sie nämlich auch nicht an den GU anpassen, wie die Vertreter_innen auf der EN-Linie es behaupten (Textor 2012). Auf Basis dieser Annahme gibt es immer noch genug zu tun und zu forschen: in der Fragestellung taucht die Differenz ‚behindert – nichtbehindert’ aber gar nicht mehr auf. Ein Beispiel dafür bei uns auf dem Flur ist Störtländer (2011), der das Wort ‚Inklusion‘ nicht benutzt, sondern einfach dadurch allgemeine* allgemeine Didaktik betreibt, dass er reflektiert, wie sich in Anbetracht des im EN-Abschnitt dargelegten Universalitätsproblems die Setzung gemeinsamer Gegenstände als tatsächlich gemeinsame legitimieren lässt, wenn man Schlüsselprobleme (Klafki) als Befähigungsdeprivationen (Nussbaum) beschreibt. Die Idee der allgemeinen* allgemeinen Didaktik verleugnet die Differenz nicht, versteht sie aber nur insofern als eine didaktisch relevante, als sie eine methodische Variation erfordert (einfaches Beispiel: manche Kinder sehen den gemeinsamen Gegenstand, andere ertasten ihn – derselbe Lerninhalt, differentes Medium, aber dieselbe Didaktik). Da niemand verleugnet, dass es nicht nur Kinder gibt, die mit den Augen lesen, sondern eben auch solche, die es mit den Händen oder Ohren tun, bleibt die dritte Variante an Fragestellungen (DE) nach wie vor relevant: sie kümmert sich um ebenjene differenten methodischen Zugänge, die ermöglichen, dass alle Kinder auch etwas von der allgemein*-allgemein-didaktischen Unterrichtsplanung haben. Wie Textor und Lütje-Klose, plädiere auch ich gegen dogmatische Verhärtungen und für ein Pendeln im Trilemma (da das Politische das Pädagogische sonst erschlägt): Ich muss mich bei der Unterrichtsplanung fragen, was das Allgemeine ist, das ich für alle* so vorbereite, dass niemand verandert wird (ND), was die differenten Methoden sind, mit denen ich dieses Allgemeine* auch den Kindern zeigen kann, die andere* Zugangsweisen benötigen (DE) und was diesen Kindern, die ich in ihrer Andersheit* anerkenne, hilft, möglichst barriere- und diskriminierungsfrei am normalen* Unterricht teilzunehmen (EN). Das wird in der Theorie inkonsistent, ja – aber das ist es, was es in der Praxis möglich macht Konzepte dafür zu haben, was es heißt, indifferent alle* Kinder in ihrer Individualität anzuerkennen (ND), solidarisch mit den Anderen* zu sein und Teilhabe zu ermöglichen (EN) und dabei nicht in einem imperialpädagogischen Modus alle zu nötigen, sich zu integrieren, sondern ggf. Segregation zuzulassen in Anerkennung der Tatsache, dass Lehrkräfte und – strukturell gedacht – vor allem Lehrpläne die Macht haben festzulegen, welche Gegenstände angeblich gemeinsame sind (DE). So sieht man diese Adaptabilität in der Bielefelder Laborschule sogar in der Architektur: eine große Fläche für alle* (ND), gleichzeitig Inseln, in denen man sich abkapseln kann (DE) und Räume der Förderung, die in einer normalistischen Allusion an reguläre Klassenzimmer erinnern (EN). Ich glaube – eine Herzensüberzeugung! – man muss die verschiedenen Linien im Haus bespielen, da (wie zu Genüge dargelegt) niemand alles kann, und dann gemeinsam Knoten knüpfen: mit einer starken allgemeinen* allgemeinen Didaktik, mit Menschen, die sich mit besonderen* Anforderungen intensiv beschäftigen, und solchen, die versuchen zwischen diesen zu übersetzen, indem sie fragen, wie man dieses Andere* normalisiert. Dann muss man sich im Haus streiten und sich gegenseitig fragen, was man da als ‚Inklusion‘ verkauft hat. Weiter arbeiten. Weiter kritisieren. Niemals sagen, dass man ‚Inklusion‘ jetzt verstanden hat. Sich gegenseitig erinnern, welchen Anspruch man hat fallen lassen. ‚Inklusion‘ kann man nicht alleine denken. ‚Inklusion‘ denkt man als ein Haus, das dies „im Widerstreit“ (Knapp 2012) als gemeinsame Aufgabe annimmt. Wie auch Nauerth (2015) schließt: „Gemeinsam haben wir genug zu tun - und ich freue mich auf diese Arbeit.“. Auf diese Haltung kommt es an.
Eine weitere häufige Frage betrifft den Umgang mit standpunkttheoretischen Einwürfen und deren fraglichen Folgen für die Zitationspolitik. So finden manche, dass sich das ‚Nichts über uns ohne uns’ auch im Literaturverzeichnis spiegeln solle. Aber in welcher Form? Besteht die subversive Pointe darin, Texte von Betroffenen so zu zitieren wie alle anderen auch (ND)? Oder muss benannt werden, dass dies die Kritik von ‚Außen’, von den Anderen* ist, um sie ihrer Widerständigkeit nicht zu berauben (E)?
Fanon liefert dafür ein gutes Beispiel. Seine heute als hochbedeutsam anerkannte Schrift „Schwarze Haut, Weiße Masken“ war ursprünglich als Doktorarbeit geplant, doch wurde sie nie als solche abgegeben: zu literarisch der Schreibstil, zu provokant die Thesen, um im hegemonialen Wissenschaftsbetrieb passieren zu können. Heute fragen sich demnach viele, ob bzw. auf welche Weise dieser Text in wissenschaftlichen Kreisen zitiert werden kann. Die drei Vorstellungen inklusiver Zitationspolitik gemäß des Trilemmas wären:
Position im Trilemma |
Zitationspolitik |
Kritik der Gegenseite |
EN |
Zitieren als eine andere* Perspektive, die als solche gehört und zur dominierenden weißen* Perspektive ins Verhältnis gesetzt werden muss |
Reproduziert die Veranderung und trägt zur Entschärfung und Neutralisierung der contra-hegemonialen Kritik bei (a.k.a. ‚das Dialogspiel’) |
ND |
Zitieren wie einen ganz normalen* Text, um ihn in den Kanon einzuziehen |
Nivelliert die Differenz und verleugnet die Machtverhältnisse; reproduziert die entnannte weiße* Norm |
DE |
Nicht als wissenschaftlichen Text zitieren, um nicht zur Entschärfung und Nivellierung beizutragen |
Reproduziert die Veranderung und den Ausschluss aus den weißen akademischen Zirkeln |
Auch hier sehen wir die trilemmatische Situation, in die alltägliche anti-diskriminierende Interventionen eingewoben sind. Es gibt keine perfekte Lösung; alles bleibt eine Frage kontextsensibler Abwägungen und Strategien. Die eine Verhaltensweise (EN) partikularisiert das Sprechen (bzw. wiederholt die Verweigerung der Zuschreibung universalen Sprechens, die selbst Gegenstand des Texts ist). Dafür schafft sie es aber, die Andersheit* als solche anzuerkennen und somit den Fremdanspruch als tatsächlich fremden Anspruch zu erhören. Die andere Verhaltensweise (ND) hingegen verfällt in einen trügerischen oder illusionären Universalismus und zieht ihn in die etablierte Ordnung hinein, als ob er nichts enthielte, das fundamental anders ist und ergo nicht einfach in die bestehenden Register einsortiert werden kann. Dafür gelingt es dieser Sprechweise aber, die Veranderung aufzuheben und die ersehnte Unterredung auf entessentialisierter Augenhöhe wenigstens zu simulieren. Die dritte Verhaltensweise (DE) wirkt in Anbetracht der ersten beiden fast ein bisschen wie Konfliktvermeidung: man versucht die Andersheit nicht zu nivellieren, verliert aber die Antwortfähigkeit. Wenn es kein normaler wissenschaftlicher Text ist, kann man ihn auch nicht kritisieren wie einen.
Ob in den Queer, Black oder Disability Studies, in allen Disziplinen dieser Form wird gefordert, den veranderten Stimmen Raum zu geben und nicht (ständig/nur) die Normalen* zu zitieren. Der Slogan ‚Nichts über uns ohne uns‘ ist aber nicht die Lösung, sondern erst die Formulierung des zu bearbeitenden Problems. Manche sind dabei so radikal, dass sie fordern, die hegemonialen Grenzziehungen zwischen literarischen und wissenschaftlichen Texten bzw. zwischen Genres im Allgemeinen in Frage zu stellen (hornscheidt 2012), so wie es auch Deleuze und Guattari auf ihren ‚Tausend Plateaus’ vorgeführt haben, da dieses Spielen mit Textformen und Schreibstilen der beste Weg sei, die hegemoniale Blickordnung zu stören. Zaghaftere versuchen in Fußnoten zu retten, was noch zu retten ist. Bruchlos oder gar souverän wird es nie.
In beiden Beispielen jedoch geht es darum, zu diskutieren und zu begründen, welches Verständnis von Inklusion als Differenzgerechtigkeit bzw. Anti-Diskriminierung wir haben. Inklusion ist in diesem trilemmatischen Sinne das Gegenteil eines dogmatischen Projekts: Sie erfordert die Bereitschaft, immer wieder aufs Neue abzuwägen, was nach Analyse einer diskriminierenden Ausgangssituation die beste anti-diskriminierende pädagogische Antwort ist. Diese Reflexionsweise kann man üben und je erfahrener man in der Praxis im Umgang mit verschiedenen Diskriminierungskonstellationen wird, desto routinierter wird das Abwägen zwischen verschiedenen differenzsensiblen Handlungsoptionen.
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[2] Das liegt daran, dass das sehr einfache Schlussmuster nur zwei Bruchstellen bietet: Wie immer kann man bei der grundlegenden These ansetzen, die da lautet: ‚Es gibt Möglichkeiten des Widerstands gegen Diskriminierung.’ Diese These kann man verneinen, gewiss, und mir sind Existenzen bekannt, die es tun...
Die zweite Kernthese fasst den trilemmatischen Ringschluss zusammen und lautet: ‚Es gibt keine konsistente Theorie der Inklusion, die allen Ansprüchen von Betroffenengruppen gerecht wird.’ Zur Widerlegung braucht es demnach nur einen einfachen Existenzbeweis für ebenjene von der Theorie der trilemmatischen Inklusion als unmöglich hergeleitete, widerspruchsfreie Supertheorie: Man muss eine Theorie der Inklusion finden oder selbst eine schreiben, die allen Ansprüchen von Betroffenen gerecht wird, also alle Punkte des Trilemmas widerspruchsfrei vereint. Bevor man das versucht, sollte man allerdings die Argumentationen rezipieren, die begründen, warum dies ein fragwürdiges Ziel ist, gar eines, das permanent droht in einen Totalitarismus zu kippen, würde es doch den politischen Dissens aus der Theoriearbeit tilgen (Prengel 1993/2006, 51f).