Martin Giese: Sportsemiotische Ansätze im Inklusionsdiskurs – ein interdisziplinärer, epistemischer Mehrwert für die Behindertenpädagogik?

Abstract: Der Beitrag geht von der These aus, dass der behindertenpädagogische Inklusionsdiskurs einer – bis dato ausstehenden – kulturanthropologischen Fundierung bedarf, um im Sinne einer langfristigen pädagogischen Legitimation für immanente und ggf. exkludierende anthropologische Annahmen zu sensibilisieren. Unter Beachtung anthropologiekritischer Überlegungen wird dazu eine funktionale Wesensbestimmung des Menschen auf der Basis eines sportsemiotischen Paradigmas entwickelt, die auf der Philosophie der Symbolischen Formen (PSF) Ernst Cassirers fußt. Dabei zeigt sich, dass diese Bezüge potentiell geeignet erscheinen, um ein methodisches Werkzeug zur kulturanthropologischen Diskussion der Inklusionsdebatte zur Verfügung zu stellen. Andererseits sensibilisiert der Rückgriff auf die Sportpädagogik jedoch dafür, dass diese grundsätzlich von einem romantisierenden Menschenbild auszugehen scheint, das die verletzlichen Bedingungen des Humanen, das konstitutiv Imperfekte, weitestgehend ignoriert.

Stichwörter: Inklusion; Sportpädagogik; Anthropologie(-kritik); Sportsemiotik

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagentheoretische Insuffizienzen
  2. Anthropologiekritik
  3. Sportsemiotische Überlegungen
  4. Der Inklusionsdiskurs im Spiegel der Sportsemiotik
  5. Ein epistemischer Mehrwert? Eine methodenkritische Bilanzierung
  6. Literatur

1. Grundlagentheoretische Insuffizienzen

Im deutschsprachigen Inklusionsdiskurs fehlt es nach wie vor an einer grundlagentheoretischen bzw. kulturanthropologischen Fundierung (Giese, 2011). Die damit korrespondierende Praxisfixierung hat ihrerseits Auswirkungen auf die Theoriebildung, weil der weitgehende Theorieverzicht auf der Wirkungsebene übertriebene Heilsversprechen begünstigt und zu einer Beliebigkeit didaktischer Konzeptionen führt. Insbesondere im Kontext von Bildung und Erziehung erscheint eine kulturanthropologische Fundierung somit dringend notwendig: Da sich sowohl hinter didaktischen Überlegungen als auch hinter konkreten Unterrichtsmethoden immer anthropologische Grundannahmen verbergen und weitestgehend unstrittig ist, „dass mit einem pädagogischen Menschenbild immer auch deskriptive und vor allem normative Vorstellungen damit einhergehen, wie Entwicklungen verlaufen bzw. verlaufen sollen“ (Zirfas, 2012, S. 76), spricht (Drexel, 2003, S. 317) expressis verbis von einem „anthropologischen Imperativ“; nach den Sportpädagogen Grupe und Krüger ventiliere sich dieser darin, „dass das jeweilige Bild oder Verständnis vom Menschen offengelegt und diskutiert“ (Grupe & Krüger, 2002, S. 183) werden müsse.
„Didaktisch-methodische Konzepte zum Lehren und Lernen von Bewegung müssen kompatibel zu anthropologischen Grundlagen und bewegungs- und lerntheoretischen Erkenntnissen konzipiert werden und sie sind in einem Rahmenkonzept von Bildung zu verankern, durch das sie hinreichende normative Orientierungen erhalten“ (Scherer & Bietz, 2013, S. 181).
Erschwert wird diese Aufgabe allerdings dadurch, dass die Anthropologie unter dem Stichwort der Anthropologiekritik in unterschiedlichen (erziehungs-)wissenschaftlichen Kontexten zwischenzeitlich grundsätzlich in Misskredit geraten ist, weil sie systemstabilisierend (auch) als Vehikel der Exklusion von Menschen mit Behinderungen fungiert (vgl. Kap. 2). Um diese fundamentalen Einwände konstruktiv aufzugreifen, wird im Folgenden vorgeschlagen, den behindertenpädagogischen Inklusionsdiskurs aus einem alternativen Blickwinkel zu betrachten und das Forschungsfeld unter dem Postulat eines (sport-)semiotischen Paradigmas neu zu deklinieren (vgl. Kap. 3). Dabei wird ein Strukturdiskurs geführt, der nach zugrunde liegenden Formungsprinzipien, nach der Grammatikalität inklusiver Prozesse fragt (vgl. Kap. 4):
„Wir gehen hier von einem generativen Strukturkonzept aus, wie es schon in dem Begriff der inneren Form von Wilhelm von Humboldt für die Sprache entwickelt worden ist. Struktur in diesem Sinne meint die Gestaltungskräfte, die die Generierung und Wandlung der Formen in kulturellen Feldern zu Konfigurationen ordnen und erklären helfen“ (Hildenbrandt, 2005, S. 202).
Ist dabei im Folgenden von einer (sport-)semiotischen, einer symboltheoretischen bzw. einer symbolphilosophischen Fundierung die Rede, wird damit Bezug auf eine sportpädagogischeForschungstradition genommen, die in der Philosophie der symbolischen Formen Ernst Cassirers (Cassirer, 1954b) wurzelt und deren Rezeption in der Sportwissenschaft zu dem sog. „symboltheoretischen Paradigma“ (Drexel, 2002, S. 184) geführt hat (Kap. 3).[1]

2. Anthropologiekritik

Wird der Argumentationsgang im Folgenden als ein interdisziplinärer Grenzgang zwischen Behinderten- und Sportpädagogik konzipiert, ist einleitend zu erwähnen, dass die Anthropologie sowohl in der Philosophie als auch in der Behindertenpädagogik grundsätzlich in Misskredit geraten ist, weshalb Moser und Horster (2012b, S. 11) kritisch fragen, ob „der Weg der Anthropologie eine Sackgasse“ sei? Die Frage nach den Bedingungen des Menschseins ist „so alt wie die abendländische Philosophie selbst, wurde jedoch nicht als eigenständige Disziplin, sondern bis ins 19. Jahrhundert im Rahmen der metaphysischen Gesamtdeutung des Seins (Ontologie) behandelt“ (Jakobs, 2006, S. 179). Als eigenständige Disziplin entwickelt sie sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Philosophische Anthropologie, die vor allem von Scheler, Gehlen oder Plessner betrieben wird. Im Gegensatz dazu betrachtet die Pädagogische Anthropologie den Menschen „und seine Erziehungs- und Bildungsverhältnisse“ (Zirfas, 2012, S. 75) und versucht zu zeigen, „dass und wie Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsmodelle explizit wie implizit an Bilder vom Menschen anknüpfen“ (Zirfas, 2004, S. 7). Da damit auch Fragen nach den Erziehungszielen in den Mittelpunkt rücken, ist Pädagogische Anthropologie immer mit Ethik verbunden (Bohlken, 2012; Jakobs, 2009, S. 294).[2] Die Pädagogische Anthropologie entwickelte in den 1960er Jahren eine enorme Breitenwirkung und stand in dieser Zeit quasi synonym für die Allgemeine Pädagogik. „Wegen der Gefahr, Idealbilder dogmatisch zu fixieren und konservativ statt emanzipatorisch zu wirken, geriet die pädagogische Anthropologie unter Ideologieverdacht“ (Jakobs, 2006, S. 179) und wurde spätestens seit den 1970er Jahren von gesellschaftstheoretischen Ansätzen verdrängt.
Gesellschaftstheoretische Ansätze gehen davon aus, dass das Wesen des Menschen „nicht naturhaft abstrakt im Einzelnen vorhanden [ist, MG]. Im Geschichtsprozess und in Kooperation oder Konflikt schaffen die Individuen die materiellen und institutionellen Bedingungen ihrer immer schon sozialen Welt“ (Jakobs, 2009, S. 295). Ausbuchstabiert wurde diese Kritik in der Kritischen Theorie, womit der Übergang von einer Philosophischen bzw. Pädagogischen zu einer Historischen Anthropologie verbunden ist, weil „der Mensch anthropologisch, in seiner sinnlich-leiblichen Existenz allein, nicht begriffen werden kann“ (Habermas, 1977, S. 94). Historische Anthropologie betont „die Bedeutung der historisch-kulturellen Umstände sowie einer Alltagsgeschichte ‚von unten‘. Sie verlangt die Dekonstruktion sämtlicher Wesens- und Naturbestimmungen des Menschen“ (Bohlken, 2012, S. 68). Wird die Kritische Theorie über ihre Erkenntnis, dass es „eine Formel, die ein für alle Mal die Beziehung zwischen Individuum, Gesellschaft und Natur bestimmte“ (Horkheimer, 2009, S. 251), nicht gibt, zum Totengräber einer Philosophischen Anthropologie, konstatiert Jakobs, dass allerdings auch eine Historische Anthropologie kaum vermag, „den mit der Kritischen Theorie bereits erreichten Horizont zu übersteigen“ (Jakobs, 2009, S. 296).

2.1 Behindertenpädagogische Anthropologiekritik

Wurden bisher philosophische und erziehungswissenschaftliche Einwände thematisiert, zeigt der Blick in die Behindertenpädagogik, dass auch dort „Zweifel gegenüber der Anthropologie im Allgemeinen wie gegenüber einer Anthropologie der Behindertenpädagogik im Besonderen“ (Bohlken, 2012, S. 63) existieren: Aus Sicht der Behindertenpädagogik „bleibt alle Anthropologie defizitär und potenziell behindertenfeindlich, da Behinderung in ihr nicht vorkommt, ja anthropologische Kategorien theoretisch wie praktisch zur Ausgrenzung der Betroffenen aus dem Menschlichen missbraucht wurden und werden“ (Jakobs, 2009, S. 296). Die Sinnhaftigkeit der Anthropologie wird in Frage gestellt, „weil hier immer schon Festschreibungen über Wesensmerkmale und Eigenschaften eines Menschen vorgenommen werden, die entweder unvollständig, fragwürdig oder gar sinnlos sind“ (Moser & Horster, 2012b, S. 11). Die Beantwortung der Frage, was der Mensch sei, zielt zwangsläufig auf eine Wesensbestimmung, „die nicht anders als über die Benennung von charakteristischen Merkmalen zu erreichen ist. Damit wird – absichtlich oder unabsichtlich – eine Art Normaltypus festgelegt, dem Menschen mit schweren Behinderungen oft nicht entsprechen. Sie erscheinen als ‚abweichend‘ oder ‚unnormal‘, als ‚krank‘ oder ‚fehlerhaft‘ – Diagnosen, die bis zu der Frage getrieben worden sind, ob Behinderte überhaupt Menschen sind“ (Bohlken, 2012, S. 61). Dass solche Diskurse nicht nur akademischer Natur sind, sondern fatale Folgen entfalten können, zeigte sich in Deutschland in den Eugenik- und Euthanasieprogrammen des Nationalsozialismus. Mit „mehr als 150 000 sog. ‚Krankenmorden‘ in den Psychiatrien und den mehr als 400 000 Sterilisationen unter dem NS-Regime“ (Moser & Horster, 2012a, S. 16) erreichte eine lang existierende behindertenfeindliche Tradition in dieser Zeit einen brutalen Höhepunkt.

2.2 Anthropologische Diskurse in der Sportpädagogik – ein Exkurs

Können anthropologische Analysen ein exkludierendes Potential in Bezug auf Menschen mit einer Behinderung entfalten, muss sich auch die Sportpädagogik mit diesem exkludierenden Potential selbstkritisch auseinandersetzen. So betont Grupe, dass die Sportanthropologie auf einer Philosophischen Anthropologie fuße (Grupe, 2003, S. 26) und in kantischer Tradition nach dem Wesen des sporttreibenden Menschen frage. Dabei gehöre es zu den anthropologischen Grundannahmen, den Menschen unter Verweis auf Plessners Konstrukt der exzentrischen Positionalität „als ein handelndes und entscheidungsfähiges Wesen anzusehen“ (ebd., S. 27) und ihn dabei nicht „nur in seinem individuellen Sein zu sehen, sondern ihn gleichzeitig in seinem Eingebundensein in seine kulturelle, soziale und historische Umwelt zu verstehen“ (ebd., S.32). Ein wichtiges methodisches Prinzip einer solchen Sportanthropologie sei, dass mit der Analyse sport- und bewegungsbezogener Einzelphänomene des Menschen Einblicke zu gewinnen seien, die „zu seinem ‚Gesamtverständnis‘ beitragen“ (ebd., S. 31).
Wirkungsmächtig erweisen sich bis dato allerdings auch Überlegungen zu einem olympischen Menschenbild, wobei der Mensch durch die „Leib-Seele-Einheit und die Leitvorstellung einer harmonischen Ausbildung des Menschen“ (Grupe, 1993, S. 32) sowie durch „das Ziel der menschlichen Selbstvollendung über die sportliche Leistung“ (ebd., S. 33) gekennzeichnet sei. Die Idee eines olympischen Menschenbilds, das dem antiken Kalokagathie-Ideal und der Annahme folgt, dass damit auch „bestimmte moralische Qualitäten verbunden sind“ (Weiler, 2003, S. 52), wird auch von Lenk vertreten, der den Menschen als ein eigenleistendes Wesen – als Homo performator – versteht, das im olympischen Geiste danach strebt, die Welt zu verbessern (Lenk, 1999, S. 123). Lenk, selbst Olympiateilnehmer, beschreibt dabei den olympischen Athleten umstandslos als „ein hervorragendes Beispiel, idealerweise ein Vorbild des eigenleistenden Menschen“ (ebd., S. 122), der einer Elite, einer Aristokratie zugehörig ist, „aber – wohl verstanden – eine[r] Aristokratie völlig gleichen Ursprungs“ (ebd., S. 121).[3]
Eine evolutionäre Weiterentwicklung des Homo olympicus erkennt Meinberg (2003) im Homo sportivus, wobei ein glorifizierendes Menschenbild kolportiert werde, das sich an Vorstellungen der individuellen Vollkommenheit, der Leistung und der körperlichen Robustheit orientiert.
„Die Aufwertung des Körpers, der Perfektionsgedanke, die Idee des ‚Vollmenschen‘ im Sinne des ganzen Menschen, die besondere Moral und auch eine spezifische Ästhetik gehören zum Chromosomensatz, zum überdauernden ‚Genpool‘ des Homo Sportivus“ (ebd., S. 103).
Somit bleibt kritisch anzumerken, dass in der Sportanthropologie bis heute Diskussionsnischen existieren, die dem antiken Ideal der Kalokagathie, dem Ideal des vollendeten Edelmensch folgen, obgleich Weiler (2003) – explizit im sportpädagogischen Kontext – darlegt, dass diese Ideologie bereits bei Aristoteles dazu verwendet wurde, um die Ausgrenzung von Sklaven, Barbaren und Frauen aus dem Bereich des Menschlichen zu legitimieren und dass von Anfang an „eine Art Umkehr des Kalokagathie-Ideals existiert, nämlich insofern, dass hässliche Menschen als bösartig und gefährlich gelten“ (ebd., S. 52). Sloterdijks (2008, S. 95) Einschätzung, dass „die philosophische Anthropologie des 20. Jahrhunderts […] die Beiträge der Behindertenpädagogik ignoriert“, gilt in diesem Sinne auch für die Sportanthropologie. Menschen mit Behinderungen rücken dabei letztlich nur dort in den Blick, wo sie sich der medial verwerteten, immanenten Leistungs- und Steigerungslogik des Sports unterwerfen, wobei Potentiale des Disempowering,also Momenten, in denen die Teilnahme am Leistungssport eben gerade keine positive Wirkung oder sogar eine negative Wirkung entfaltet, in der Regel unbeachtet bleiben (Hoffmann, 2002, S. 22; Peers, 2009; Purdue & Howe, 2012), wie es beispielsweise bei den Paralympics oder den Special Olympics der Fall ist. Der schwer mehrfachbehinderte Homo sportivus erscheint vor diesem Hintergrund als Contradictio in Adjecto – als narzisstische Kränkung des eigenleistenden Subjekts.
Normative sportanthropologische Idealisierungen erweisen sich dabei auch bis in die aktuellen Lehrpläne der Unterrichtsfaches Sport hinein als wirkungsmächtig und führen auch dort – in Folge einer neoliberalen Vereinnahmung des Bildungssystems – zu reduzierten Menschenbildern, die sich kongenial auf Gesundheit, Fitness und Arbeitsfähigkeit beschränken (Ruin, 2014). Gleiches gilt auch für Marthalers Versuch, Sport im kantischen Sinne als Pflicht zu definieren. Auch wenn Marthaler dabei von einem weiten Sportbegriff ausgeht, der „alle Formen modernen Fitnesstrainings und auch alle Formen natürlicher Bewegung wie Spazieren, Treppen steigen, Laufen, Fahrrad fahren, Klettern etc.“ (Marthaler, 2014, S. 200) impliziert, können selbstverständlich Gruppen von Menschen mit Behinderungen identifiziert werden, die zu dem von Marthaler intendierten Sport nicht in der Lage sind. Kritisch ist auch hier der explizit formulierte Umkehrschluss, „denn wenn Sport als Pflicht Geltung besitzt, dann ist Unsportlichkeit als moralisches Laster zu qualifizieren“ (ebd., S. 198). Menschen moralisch zu verdammen, wenn ihnen eine Sportausübung im marthaler‘schen Sinne nicht möglich ist, entlarvt Marthalers Ethikdiskurs als potentiell diskriminierend und behindertenfeindlich.
„Wenn heute weithin Einigkeit zu bestehen scheint, dass keine normative, positive Anthropologie mehr möglich sei, so ist diese doch längt ‚praktisch‘ geworden: in ubiquitären und medial forcierten Normierungen von Schönheit, Intelligenz, Gesundheit, Leistung etc., die behinderte Menschen ausschließen“ (Jakobs, 2009, S. 296).
Vor dem Hintergrund dieser kritischen Analysen stellt sich die Frage, warum in diesem Beitrag trotzdem für eine kulturanthropologische Fundierung plädiert wird. So ist zu zeigen, dass es „pädagogisch und moralisch sinnvoll sein kann, von pädagogisch-anthropologischen Erkenntnissen auszugehen, ohne dass dies zu einer Sonderanthropologie von Menschen mit Behinderungen führen muss“ (Zirfas, 2012, S. 75). Im Sinne eines anthropologischen Mindeststandards schlägt Zirfas in diesem Sinne vor, dass „mit der historischen Pädagogischen Anthropologie an drei humanen Bestimmungen festgehalten werden [solle, MG], die wohl von allen neueren Ansätzen Pädagogischer Anthropologie mitgetragen werden können: an der Negativität und Offenheit der anthropologischen Bestimmung, an der Bildungs- und Erziehungsnotwendigkeit und an der Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeit“ (ebd., S. 78).
Die Annahme, dass eine Pädagogische Anthropologie möglich sei, der es „gelingt, Ausgrenzungen und Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen zu vermeiden“, vertritt auch Bohlken (2012, S. 63). Grundvoraussetzung dafür sei, dass bei der Suche nach dem Wesen des Menschen nach funktionalen bzw. strukturellen Bestimmungen gesucht wird (ebd., S. 72), wie es beispielsweise in Plessners Drei-Stufen-Modell der menschlichen Natur der Fall ist oder bei Cassirer, der davon ausgeht, „daß, wenn es überhaupt eine Definition des »Wesens« oder der »Natur« des Menschen gibt, diese Definition nur als funktionale, nicht als substantielle verstanden werden kann“ (Cassirer, 1996, S. 110). Vor dem Hintergrund der Anthropologiekritik erscheint insofern eine anthropologische Fundierung möglich, wenn sich die Suche nach dem Wesen des Menschen auf funktionale bzw. strukturelle Wesensbestimmungen des Menschen beschränkt.

3. Sportsemiotische Überlegungen

Im Folgenden wird der Vorschlag zur Diskussion gestellt, den behindertenpädagogischen Inklusionsdiskurs, durch ein sportsemiotisches Forschungsparadigma zu erweitern. In dieser komplexen Gemengelage wird auf Cassirers Philosophie der symbolischen Formen (PSF) Bezug genommen, die ihre Grundbegriffe durchweg als relationale Gebilde im Rahmen eines holistischen Gesamtkonzepts entwirft, weshalb eine knappe Darstellung zentraler Schlüsselbegriffe erforderlich erscheint.
„[…], daß seine Philosophie der symbolischen Formen nur als ein Ganzes von Begriffen gegeben ist, die in strenger Korrelation zueinander stehen und die außerhalb dieser Korrelation gar keinen selbständigen Inhalt besitzen. Keiner von ihnen besagt etwas ‚für sich’, – jeder ist nur im Hinblick auf den anderen oder, besser gesagt, im Hinblick auf das Gesamtsystem definiert. Und doch besagt eben diese Wechselseitigkeit nicht den geringsten Mangel, sondern sie begründet einen ganz bestimmten, höchst charakteristischen logischen Vorzug“ (Schwemmer, 1997b, S. 13).

3.1 Der Mensch als animal symbolicum

Cassirers anthropologische Position ist – wie oben eingefordert – explizit durch einen funktionalen und keinen substantiellen Zugriff gekennzeichnet, der auf einen transzendentalen Ausdrucks- und Wirkungswillen verweist:
„Das Eigentümliche des Menschen, das, was ihn wirklich auszeichnet, ist nicht seine metaphysische oder physische Natur, sondern sein Wirken. Dieses Wirken, das System menschlicher Tätigkeiten, definiert und bestimmt die Sphäre des »Menschseins«. Sprache, Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft, Geschichte sind die Bestandteile, die verschiedenen Sektoren dieser Sphäre“ (Cassirer, 1996, S. 110).[4]
Um dieses Wirken zu verstehen, ist zu beachten, „daß dieses ‚Tun’ als Gestalten zu verstehen ist, als die Schaffung von Ausdrucksformen im allgemeinen, von Bildern und Begriffen im besonderen“ (Schwemmer, 1997b, S. 30). Die beschriebenen Sektoren, die kulturellen Errungenschaften der Menschheit, werden als Ergebnis dieses Ausdrucks- und Wirkungswillens verstanden:
„All diese Formen sind symbolische Formen. Deshalb sollten wir den Menschen nicht als animal rationale, sondern als animal symbolicum definieren“ (Cassirer, 1996, S. 51).
Aufgrund dieses transzendentalen Ausdruckswillens spricht Hildenbrandt (1997, S. 17) von dem „animal symbola formans“ und für Schwemmer ist „unser Geist […] das Vermögen oder auch die Kraft zur – bildlichen oder begrifflichen – Gestaltung von Ausdrucksformen“ (Cassirer, 1996, S. 31). Die kantische Erkenntnis, dass das Ding an sich in der Wirklichkeit zwar gewiss, für uns aber unzugänglich ist und uns im Erkenntnisprozess deshalb ausschließlich (symbolische) Erscheinungen zur Verfügung stehen, erfährt bei Cassirer „eine neue, bis dahin undenkbare Wendung“ (Franke, 2000, S. 103): Dass sich der Mensch nur ein Bild von der Welt machen kann, wird hier nicht zu einem grundsätzlichen Mangel seiner Erkenntnisfähigkeit, sondern zu seiner herausragenden Leistung. Denn „nur der Mensch sei in der Lage, der Welt Bedeutung zu geben: das Symbol wird damit zum Inbegriff der Gestalt des Wirklichen“ (Cassirer, 1996, S. 6).
Verleiht der Mensch der Welt über das Symbol Bedeutung, beschränkt sich diese Symbolfunktion nicht auf bestimmte Fälle, sondern ist ein universell anwendbares Prinzip. Die Symbolisierungsfähigkeit ist die Bedingung der Möglichkeit, die kulturelle Entwicklung ermöglicht, wobei – worauf später noch Bezug zu nehmen ist – „ein Mensch beim Aufbau seiner Welt nicht von der Beschaffenheit des Materials abhängig ist, das ihm seine Sinne liefern“ (ebd., S. 63).
„Das Prinzip des Symbolischen mit seiner Universalität, seiner allgemeinen Gültigkeit und Anwendbarkeit ist das Zauberwort, das »Sesam, öffne dich!«, das den Zugang zur menschlichen Welt, zur Welt der menschlichen Kultur, gewährt“ (ebd., S. 63).
Diese Symbolisierungstätigkeit ist keine Option menschlichen Zur-Welt-Seins, sondern eine Conditio sine qua non, die auch von Zirfas unterstellt wird, wenn er die Offenheit des Weltbezugs seiner pädagogischen Anthropologie axiomatisch zu Grunde legt. Ausgehend von diesen kulturanthropologischen Überlegungen, die geeignet erscheinen, der von oben eingeforderten funktionalen Bestimmung des Menschen gerecht zu werden, werden die beiden Begriffe symbolische Form und symbolische Prägnanz erläutert.

3.2 Symbolische Formen und symbolische Prägnanz

Mit dem Begriff der symbolischen Formung erklärt Cassirer, wie aus sinnlichen Eindrücken symbolische Formen werden. Dieser Prozess ist eine autopoietische Gestaltung, „allerdings nicht als tätige Bearbeitung der uns umgebenden Welt […], sondern als Erzeugung der Ordnung unseres Bewußtseins, unserer Wahrnehmungs- und Vorstellungswelt und – verbunden damit – als Herstellung und Verwendung von Zeichen, als Schaffung von Zeichenwelten“ (Cassirer, 1994, S. 46).
„Unter einer ‚symbolischen Form’ soll jene Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsinhalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft wird und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird. In diesem Sinne tritt uns die Sprache, tritt uns die mythisch-religiöse Welt und die Kunst als je eine besondere symbolische Form entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das Grundphänomen aus, daß unser Bewußtsein sich nicht damit begnügt, den Eindruck des Äußeren zu empfangen, sondern daß es jeden Eindruck mit einer freien Tätigkeit des Ausdrucks verknüpft und durchdringt“ (ebd., S. 175).
Auch pädagogische Praktiken können in diesem Sinne als symbolische Formen interpretiert werden, in denen sich ein Sinn materialisiert. Das Vorhaben, mit Schülern in einen pädagogischen Prozess einzutreten, sucht sich beispielsweise in konkreten Unterrichtsverfahren oder rehabilitativen Maßnahmen einen Ausdruck. Der unanschaubare Sinn bedarf eines materiellen Trägers, um sich zu artikulieren. Symbolische Formen sind somit das Ergebnis einer schöpferisch-bildenden Tätigkeit, in der das Individuum den Eindrücken und Absichten eine feste, symbolische Form gibt, sie „sind demnach universelle, intersubjektiv gültige Formen oder Grundformen des Verstehens der Welt. Mit den symbolischen Formen schaffen sich die Menschen Organe, die es ihnen ermöglichen, kulturell bedeutsame Lebenswelten zu konstituieren“ (Paetzold, 2002, S. 42).
„Letztlich geht es bei allen geistigen Leistungen und also auch bei allen symbolischen Formen darum, das Chaos der sinnlichen Eindrücke’ in eine ‚feste Gestalt’ zu bringen (PSF I, S. 43), ‚aus dem Chaos der Eindrücke ein[en] Kosmos, ein charakteristisches und typisches Weltbild’ zu formen (PSF II, S. 39). Dem ‚fließenden Eindruck [müssen wir, MG] […] bildend gegenübertreten’, damit er für uns ‚Form und Dauer’ gewinnt. Es vollzieht sich dann eine ‚Wandlung zur Gestalt’ (PSF I, S. 43). Und damit ist das ‚Zentrum der symbolischen Formen’ gefunden, nämlich in der ‚gemeinsamen Aufgabe’, durch die alle symbolischen Formen, durch die ‚[d]ie verschiedenen Erzeugnisse der geistigen Kultur […] zu Gliedern eines einzigen großen Problemzusammenhangs’ werden: [...]‚ die passive Welt der bloßen Eindrücke, in denen der Geist zunächst befangen scheint, zu einer Welt des reinen geistigen Ausdrucks umzubilden (PSF I, S. 12)“ (Schwemmer, 1997b, S. 30).
Die Entstehung symbolischer Formen gilt es – wie unten weiter ausgeführt wird – als Strukturgenese zu verstehen, die sich im Spannungsverhältnis zwischen dem Wirkungswillen des Menschen und der Widerständigkeit der Welt – im Wechselspiel der Dichotomie von forma formata und forma formans – gestaltet. Forma formata ist dabei als eine geprägte Form zu verstehen und forma formans als Formungswille, als formgenerierendes Moment. Die einzige Schnittstelle, um diesen Willen zur Form mit der Formungswiderständigkeit der Welt in Bezug zu setzen, ist die Bewegung.
Der zweite Grundbegriff ist die symbolische Prägnanz. Damit bezeichnet Cassirer den Prozess, in dem sich ein unanschaulicher Sinn in einem materiellen Träger artikuliert und sich dadurch anschaubar macht. Sinn und Bedeutung sind dabei vorgängig und materialisieren sich im materiellen Träger z. B. in sozialen Praktiken. Damit „macht Cassirer die symbolische Prägnanz zum entscheidenden Verbindungselement zwischen Sinnlichkeit und Sinn“ (Schwemmer, 1997b, S. 69).
„Unter ‚symbolischer Prägnanz’ soll also die Art verstanden werden, in der ein Wahrnehmungserlebnis als ‚sinnliches’ Erlebnis zugleich einen bestimmten nicht-anschaulichen ‚Sinn’ in sich faßt und ihn zur unmittelbaren konkreten Darstellung bringt. Hier handelt es sich nicht um bloß »perzeptive« Gegebenheiten, denen später irgendwelche »apperzeptive« Akte aufgepfropft wären, durch sie gedeutet, beurteilt und umgebildet würden“ (Cassirer, 1954a, S. 235).
Die Bedeutung der symbolischen Prägnanz für die Philosophie der symbolischen Formen kann kaum hoch genug eingeschätzt werden, weshalb Schwemmer (1997b, S. 122) resümiert, „daß Cassirer die symbolische Prägnanz zum Schlüsselbegriff seiner Theorie der Symbolisierung macht“.
Symbolische Formung und symbolische Prägnanz zeigen, dass die Welt niemals unmittelbar, sondern immer sinnhaft als etwas gegeben ist (Cassirer, 1954b, S. 42). Wahrnehmung ist demnach auf einer strukturellen Ebene immer als unmittelbare Bedeutungswahrnehmung zu denken. Im Kontext von Behinderung ist dabei essentiell, dass aufgrund dieses strukturellen Zugriffs beispielsweise die Vorstellungswelten von Menschen mit einer Sinnesbehinderung nicht irgendwie verdunkelt oder defizitär sind und dass diese Annahme keine Frage ideologischer oder normativer Wunschvorstellungen ist, sondern eine strukturell begründete Folge der kulturanthropologischen Modellierung darstellt.
„Vielmehr ist es die Wahrnehmung selbst, die kraft ihrer eigenen immanenten Gliederung eine Art von geistiger ‚Artikulation’ gewinnt - die, als in sich gefügte, auch einer bestimmten Sinnfügung angehört. In ihrer vollen Aktualität, in ihrer Ganzheit und Lebendigkeit, ist sie zugleich ein Leben ‚im’ Sinn. Sie wird nicht erst nachträglich in diese Sphäre aufgenommen, sondern sie erscheint gewissermaßen als in sie hineingeboren“ (Cassirer, 1954a, S. 235).

4. Der Inklusionsdiskurs im Spiegel der Sportsemiotik

Vor dem Hintergrund, die grundlagentheoretische Diskussion über Inklusion in der Behindertenpädagogik um ein alternatives Paradigma ergänzen zu wollen, sensibilisiert der sportsemiotische Ansatz u. a. für die Bedeutung der Autonomie, die strukturelle Heterogenität aller Individuen sowie die Relevanz der Bewegung.[5] Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die symbolische Formung unabhängig von dem Material, das die Sinne liefern, modelliert wird. Die Wahrnehmungswelten sind zwar grundsätzlich heterogen, aber immer vollständig und semantisch imprägniert. Im Weiteren ist zu klären, wie die Entstehung individueller Kulturleistungen, wozu rudimentäre Lautäußerungen ebenso zählen können wie das Schreiben oder das Rechnen, zu denken ist, damit Aussagen möglich werden, wie dieser Prozess pädagogisch unterstützt werden kann. Grundlage der weiteren Überlegungen ist die Annahme, dass keine geistigen Leistungen existieren, die – unabhängig von Behinderungen – nicht auch Kulturleistungen wären.
„Dieses Wesen schafft Kultur (man muß eigentlich sagen: unausweichlich) als Objektivation seines wirkenden Geistes. Seine kulturellen Leistungen sind Symbolwelten, weil letztendlich alle menschliche Erfahrung und Erkenntnis (im Sinne symbolischer Prägnanz) symbolisch ‚geprägt’ ist“ (Hildenbrandt, 1997, S. 17).
Die synthetisierten symbolischen Formen, die kulturellen Objektivationen, zeichnen sich nach Cassirer durch drei Gegenstandsmomente aus: das Physische, das Psychische und das Historische. In der Terminologie von de Saussure spricht Hildenbrandt (1997, S. 19) von Signifié, Signifiant und Diachronie.[6] Zeichnet sich auch der Inklusionsdiskurs durch Signifié, Signifiant und Diachronie aus und sind alle Formen menschlichen Wirkens Kulturschaffen, dann sind auch pädagogische Praktiken Kulturleistungen, da inklusives Handeln eben nicht arbiträre pädagogische Praxis ist, sondern mittels der symbolischen Prägnanz immer auch Sinn materialisiert. Diese Annahme ermöglicht es, inklusive Pädagogik im Rahmen des symboltheoretischen Paradigmas zu diskutieren.
Dieser intentional formatierte Kulturprozess kann nach Hildenbrandt (1998, S. 31) zwar „als Bildungsprozess in einem ursprünglichen Wortsinn beschrieben werden“, es bleibt allerdings zu fragen, unter welchen Bedingungen diese Bildung erworben werden kann.
„Beides, der Reflexionsprozeß auf der Basis von Vernünftigkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit und Freiheit des Denkens und Handelns sowie die Frage nach dem vernunftbegabten, erkenntnisfähigen Subjekt als autonome Person gelten als Voraussetzungen und Merkmale von Mensch-Welt-Bezügen, denen man eine bildungsrelevante Bedeutung zuschreibt“ (Franke, 2000, S. 98).
Bedingung der Möglichkeit, um – auch inklusiven – Mensch-Welt-Bezügen bildungsrelevante Potentiale attestieren zu können, sind in diesem Theoriezugriff Situationen, die die Reflexion des Subjekts herausfordern. Insbesondere im Kontext von Sport und Bewegung erscheint es existentiell, die kantische Erkenntnistheorie „über das enge, sprachorientierte Vernunftverstehen hinaus zu einer Kulturtheorie zu erweitern“ (Franke, 2000, S. 104). Mit Cassirers Symbolphilosophie versucht Franke den Schritt, weg von der Einengung des Erkenntnisprozesses auf verbale Systeme, hin zu einer grundsätzlicheren symbolhaften bzw. funktionalen Auseinandersetzung mit der Welt, zu gehen und den kantischen Dualismus von anschaulicher Sinnlichkeit und abstrakter Begrifflichkeit zu überwinden.
In inklusiven Settings wären Selbstreflexion von Schülerinnen und Schülern, die sich allerdings nicht in der sprachlichen Artikulation der Reflexion erschöpfen muss. Die Ausdrucksform ist durch ihren materiellen Träger zwar beeinflusst, aber nicht durch diesen determiniert. Lässt sich vermuten, dass die erwirkten Symbolwelten in ihrer Beschaffenheit aufgrund unterschiedlicher Formungspotentiale unterschiedlicher Individuen Unterschiede aufweisen, befreit dies keinesfalls von der grundsätzlichen Notwendigkeit der autonomen Formung eigener symbolischer Ausdrucksformen. Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen erzeugen dabei keine verdunkelten Wirklichkeiten, taube Menschen keine stummen Lebenswelten und Menschen mit geistigen Behinderungen keine irgendwie reduzierten Entitäten. Die Symbolwelten sind eben gerade nicht auf substantieller Ebene durch das Material der Sinne charakterisiert, sondern auf funktionaler Ebene durch das Bestreben bedeutungshaltige Ausdrucksformen zu generieren und damit in ihrer jeweiligen Modalität immer auch vollständig.

4.1 Von der Genese überdauernder Bewusstseinsformen

Im Bestreben, die Hinweise zur pädagogischen Unterstützung inklusiver Prozesse weiter zu konkretisieren, ist zu diskutieren, wie die oben formulierte Bildung bedeutungshaltiger Bewusstseinsinhalte spezifischer modelliert werden kann.[7]
„Fixierung, Relationierung, Homogenisierung und Kontinuierung charakterisieren insgesamt die Transformation des bloßen Geschehens zu einer identifizierbaren, auch über das Ereignis ihres Auftretens hinaus präsenten Form“ (Schwemmer, 1997b, S. 82).
Von übergeordneter Bedeutung sind dabei die gleichzeitig auftretenden Momente Fixierung und Relationierung. Eine bestimmbare Identität kann ein Bewusstseinsmoment nur gewinnen, wenn es sich eindeutig von anderen Bewusstseinsinhalten unterscheidet, auf die es sich gleichzeitig bezieht (ebd., S. 80). Bedingung der Relationierung von Bewusstseinsmomenten ist dabei ihre weitgehende Homogenität im System von Verweisungen. Auch wenn durch die Transformation des Geschehens in ein fixiertes Verweisungsmoment unseres Bewusstseins etwas Neues geschaffen wird, nämlich eine symbolische Struktur des ursprünglichen Geschehens bzw. dessen symbolische Form, so muss dieses ursprüngliche Geschehen in dieser Ursprünglichkeit auch sichtbar bzw. kontinuiert bleiben. Fixierung, Relationierung, Homogenität und Kontinuierung, die der Entstehung von Bewusstseinsformen zu Grunde liegen, modellieren, wie sich prägnante Gestalten im Bewusstsein bilden, die jederzeit und vor allem losgelöst von dem Moment ihres Auftretens zur Verfügung stehen. Da dieser Prozess als eine Transformation beschrieben wurde, ist eine abbildhafte Integration der Bewusstseinsmomente in das Bewusstsein ausgeschlossen, was den poietischen Charakter der Bewusstseinsprozesse erneut unterstreicht.
„Schwierig wird aber die Erklärung dafür, daß sich unsere konkreten Erfahrungen – wenn wir sie denn wirklich als die selbsttätigen Gestaltungen unseres Bewußtseins verstehen – über ihre jeweilige Ausbildung hinaus zu dem im Prinzip ständig verfügbaren Repertoire unserer Erinnerungen und zum im Prinzip ständig gegenwärtigen Hintergrund unserer Wahrnehmungen verdichten“ (Schwemmer, 1997a, S. 94).
Um diese Transformation zu erklären, unterscheidet Schwemmer zwei Bewusstseinsprozesse: die primäre Bewusstwerdung eines leiblichen Geschehens und die sekundäre Vergegenwärtigung von Bewusstseinsprozessen. Die primäre Bewusstwerdung übersetzt ein leibliches Geschehen in die Verweisungsstrukturen des Bewusstseins. Das Ergebnis sind geistige Bewusstseinsmomente, die sich als Erlebnisse, Wahrnehmungen, Vorstellungen oder Gefühlsregungen artikulieren (Schwemmer, 1997b, S. 84). Diese Bewusstseinsmomente sind keine Analogien der ursprünglichen Geschehnisse. Aufgrund der geistigen Bearbeitung kommt es zu einem strukturellen Wandel von einem leiblichen Geschehen zu einer geistigen Form dieses Geschehens. Das Ergebnis der primären Bewusstwerdung ist allerdings immer noch in seiner Zeitlichkeit gefangen, stark an seinen lebensweltlichen Kontext gebunden und noch nicht generell verfügbar.
Erst die sekundäre Vergegenwärtigung löst ein Bewusstseinsmoment aus seiner temporären Determination und emanzipiert es vom situativen Kontext seines Auftretens.
„Denn mit seiner Vergegenwärtigung wird dieses Ereignis aus dem ‚Strom’ des Bewußtseins, aus seiner prozessualen Existenzform als Ereignis herausgehoben. Es ist nun nicht mehr eine Phase oder geformte Episode des Bewußtseinslebens, die sich entwickelt und auch dann, wenn sie Spuren hinterläßt, als Ereignis wieder verschwindet, sondern es wird mit seiner Vergegenwärtigung ein eigener, aus dem Zusammenhang der Phasen und Episoden weitgehend herausgelöster ‚Gegenstand’, auf den wir uns auch unabhängig von diesem Ereignis-Zusammenhang beziehen können“ (Schwemmer, 1997b, S. 85).
Das Ergebnis dieses zweistufigen Prozesses ist weder das ursprüngliche Ereignis noch dessen Bewusstseinsmoment, sondern die im Bewusstsein überdauernd fixierte bedeutungshaltige Form des Ereignisses, die zukünftiges Wahrnehmen und Handeln überdauernd verändert (Giese, 2010, S. 75). Die kulturanthropologische Bestimmung des Menschen als ein bewegtes Wesen, das wirkt und sich ausdrückt, lässt den Bildungsprozess in Gang kommen und hält ihn am Laufen. Dabei steht es dem Individuum keineswegs frei, diesen Weg zu gehen. Durch die kulturanthropologisch fixierte Entkopplung von Reiz und Reaktion und die darin begründete Gestaltungsbedürftigkeit der Mensch-Welt-Bezüge ist der Mensch durch das weitgehende Fehlen automatisierter Verhaltensweisen gekennzeichnet. Er tritt der Welt nicht passiv gegenüber, sondern muss sich mithilfe seiner synthetisierenden Kompetenzen sein eigenes symbolisches Universum bilden.

4.2 Überdauernde Bewusstseinsformen als Funktion der produktiven Einbildungskraft

Ursache und Motor der Genese aller Bewusstseinsformen ist dabei die von Cassirer so bezeichnete produktive Einbildungskraft – das aktive intentionale Wirken des Individuums, das sich an der Widerständigkeit der Welt bricht und dem dynamischen Wechselspiel von forma formata und forma formans folgt.[8]
„Das Wechselspiel zwischen beiden macht erst den Pendelschlag des geistigen Lebens selbst aus. Die »forma formans«, die zur »forma formata« wird, die um ihrer eigenen Selbstbehauptung willen zu ihr werden muß, die aber nichtsdestoweniger in ihr niemals gänzlich aufgeht, sondern die Kraft behält, sich aus ihr zurückzugewinnen, sich zur »forma formans« wiederzugebären – dies ist es, was das Werden des Geistes und das Werden der Kultur bezeichnet“ (Krois, 1995, S. 18).

Indem wir beispielsweise eine Bewegung oder etablierte pädagogische Praktiken, als forma formata, an eine unbekannte (motorische) Handlungssituation herantragen, entwickeln diese Formen in der Auseinandersetzung mit der Situation ein eigenes Formungspotential. Besonders dann, wenn das antizipierte Resultat nicht dem tatsächlichen Resultat entspricht. Die forma formata wird dann zur forma formans. Mit zunehmender Passung der Handlungsabsichten zu den Effekten wird die forma formans immer mehr zur forma formata, geht in ihr aber niemals völlig auf. Dieser Funktionsmechanismus, der an die Wahrnehmung von Differenz gebunden ist, kann sich ausschließlich im Modus der Bewegung realisieren.

5. Ein epistemischer Mehrwert? Eine methodenkritische Bilanzierung

Ausgehend von der Annahme, dass der Inklusionsdiskurs unter Beachtung anthropologiekritischer Überlegungen einer – bis dato ausstehenden – kulturanthropologischen Fundierung bedarf, um im Sinne einer langfristigen pädagogischen Legitimation für immanente und ggf. exkludierende Annahmen zu sensibilisieren, wurde eine funktionale, anthropologische Fundierung des Inklusionsdiskurses aus der Perspektive des symboltheoretischen Paradigmas zur Diskussion gestellt.
Aus dieser Perspektive lassen sich insbesondere die Aspekte Autonomie, Heterogenität und Bewegung anthropologisch begründen, weil Cassirers funktionale Bestimmung des Menschen als Ausdrucks- und Wirkungswesen, das in einem bewegungsgebundenen Prozess unablässig bedeutungshaltige symbolische Ausdrucksformen erwirkt, Autonomie und Heterogenität zum primordialen Ausgangspunkt seiner kulturanthropologischen Überlegungen macht. Dieser Prozess wurde als ein autopoietischer Bildungsprozess beschrieben, dessen Funktionsmechanismen nicht durch reproduktive Prozesse beschrieben werden können. Die Fokussierung ist dabei nicht – wie sonst häufig üblich – als Folge normativen, ideologischen oder bildungspolitischen Anspruchsdenkens zu verstehen, sondern als theoretisch begründete Folgerung aus einer elaborierten und in einem gesellschaftlichen Diskurs verhandelten philosophischen Theorie. Modelliert das symboltheoretische Paradigma auch die Strukturgenese symbolischer Formen und damit überdauernder Bewusstseinsleistungen, wurde dargelegt, dass diese Genese an das dynamische Wechselspiel von forma formata und forma formans gebunden ist, das seinerseits durch die Selbstbewegung des Individuums konstituiert ist.
Insofern scheint der Verweis auf sportsemiotische Arbeiten potentiell geeignet, um unter Beachtung anthropologiekritischer Hinweise die Diskussion funktionaler anthropologischer Bestimmungen des Menschen zu befruchten. Besonders relevant erscheint dabei, dass auch ein Strukturgenesemodell symbolischer Formen zur Verfügung steht, was die einheitliche Modellierung anthropologischer, bildungstheoretischer und bildungsdidaktischer Überlegungen erlaubt. Es lassen sich also Aussagen darüber treffen, wie die individuelle Genese symbolischer Formen unterstützt werden kann.
Der sportsemiotische Zugriff erscheint somit potentiell geeignet, als Grundlage einer kulturanthropologischen Fundierung der (behinderten-)pädagogischen Inklusionsdebatte zu fungieren. Allerdings nur, solange strikt darauf geachtet wird, die strukturelle bzw. funktionale Ebene nicht zu verlassen. Dass die Nicht-Beachtung dieser Einschränkung versteckte exkludierende Potentiale impliziert, wird in der sportpädagogischen Lesart des symboltheoretischen Paradigmas deutlich, weil in diesen Kontexten meist selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass alle Individuen auch uneingeschränkt zu komplexen und (hoch-)abstrakten Reflexionsleistungen, zur uneingeschränkten Autonomie und zur uneingeschränkten intentionalen Selbstbewegung in der Lage sind (Giese, 2016b; Giese & Ruin, 2016).
„Bildung als Prozess der Selbstgestaltung blieb als Akt der Selbstreflexion leitend und ließ immer wieder von den realen Verhältnissen des Subjekts absehen. Daran, nämlich am Projekt der Vervollkommnung, der Steigerung der Kompetenzen, der ‚Höherbildung‘, mussten Menschen (in soziokultureller und ökonomischer Benachteiligung und mit Behinderung) scheitern“ (Stinkes, 2008, S. 87).
Kehren wir die Blickrichtung in diesem Sinne abschließend um und schauen aus der Behindertenpädagogik in die Sportpädagogik, sensibilisieren dortige Wissensbestände dafür, dass die Sportpädagogik in Bezug auf ihr Menschenbild – auch im Kontext sportsemiotisches Debatten – ebenso unausgesprochen wie diskriminierend einem romantisierenden Menschenbild folgt, das konstitutive Angewiesenheit, Verletzlichkeit und Eingeschränktheit indolent ignoriert (Giese, 2016a).
Zu beachten wäre also, dass Selbstbestimmung und Autonomie gerade nicht an komplexe kognitive Abstraktionsleistungen gebunden werden können, weil „hiermit doch oftmals sehr umfangreiche Rationalitäts- und Reflexivitätsansprüche verbunden [sind, MG], die von vielen Menschen kaum eingelöst werden können“ (Zirfas, 2012, S. 80). Ebenso wäre zu beachten, dass der Begriff der Autonomie nicht ideologisch und normativ überfrachtet wird, „denn das immer und zuerst bemühte Erziehungsziel, die Mündigkeit (Autonomie), führt nicht nur bei Menschen mit (geistiger) Behinderung meist in eine Aporie“ (Jakobs, 2010, S. 86).
„Das Problem erschöpft sich nicht darin, dass manche aufgrund mangelnder Ressourcen verletzbarer sind als andere und daher marginalisiert werden. Vielmehr erscheint die Prämisse einer auf Unverletzbarkeit beruhenden Autonomie als Bedingung selbstbestimmter Handlungsfähigkeit als historischer Skandal. Wenn nämlich möglichst weitgehende Unverletzbarkeit die Voraussetzung für den Status des Subjekts ist, dann bleibt dieser Status immer das Privileg einer kleinen Gruppe“ (Meißner, 2015, S. 4).
Das Vorhaben, den behindertenpädagogischen Inklusionsdiskurs aus der Perspektive der Sportsemiotik neu zu deklinieren, entwickelt damit ein janusgeschichtiges Antlitz. Auf der einen Seite scheint der Bezug auf Cassirers Semiotik und seine zeitgenössischen Adaptionen von Schwemmer oder Krois geeignet, dem geforderten anthropologisch funktionalen Zugriff ein potentes Werkzeug an die Hand zu geben, andererseits verweist eben dieser Zugriff auf ein umfangreiches Forschungsdesiderat in der Sportpädagogik, weil es für die Notwendigkeit sensibilisiert, auch dem Imperfekten (endlich) einen Platz einzuräumen.

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[1] Die Rede von Cassirers Semiotik wurde in der amerikanischen Cassirer-Forschung geprägt, da Cassirer den Begriff der Semiotik kannte, ihn aber „als eine Lehre von den Zeichen der Sprache und nicht von der Bedeutung überhaupt oder der ganzen Kultur, wie Pierce und de Saussure sie entwickelten“ (Krois, 1986, S. 437), verstand. So plädiert Krois dafür, dass Cassirer im Vergleich zu Pierce und de Saussure in der semiotischen Forschung mehr Berücksichtigung erfahren müssten, da „lediglich eine terminologische und keine systematische Verschiedenheit zwischen dem, was Cassirer als Wissenschaft von diesem ‚symbolic universe’ vorschwebte, und dem, was de Saussure und Pierce entworfen hatten“ (ebd., S. 438), existiert.

[2] Die komplexen Verstrickungen zwischen anthropologischen und ethischen Überlegungen, können hier nicht weiter entfaltet werden (Zirfas, 2012, S. 79).

[3] Die Frage, ob eine olympische Anthropologie moralische und erzieherische Orientierung bieten kann, ist nicht Gegenstand der Untersuchung. Es sei allerdings angemerkt, dass Olympia in Anbetracht von Doping, Betrug, Korruption, Manipulation oder der Ausbeutung von Arbeitern beim Bau von Wettkampfstätten inzwischen vielmehr in der Nähe der organisierten Kriminalität zu stehen scheint und dass die Spiele Teil einer kommerzialisierten Massenkultur sind, die sich entgegen den hehren Absichten Coubertins „bei jeder Wiederholung noch entschiedener in eine profane Eventmaschine verwandeln“ (Sloterdijk, 2008, S. 149).

[4] Eine einheitliche Bestimmung des Menschen, könne nur gelingen, wenn „nicht nach der Einheit der Erzeugnisse, sondern nach der Einheit des schöpferischen Prozesses“ (Cassirer, 1996, S. 114) gesucht wird.

[5] Dass Autonomie hier nicht als eine angewiesene Autonomie zu verstehen ist, wird später diskutiert.

[6] Mit der Anwendung von Cassirers Kulturtheorie auf den Inklusionsdiskurs scheint eine diachrone kulturanthropologische Betrachtung möglich, bei der nicht nach der äußeren Formentwicklung gefragt wird, sondern nach grundliegenden kulturellen Formungskräften. Ziel ist, „das Verstehen auf die Analyse des Wirkens und nicht auf die der Werke zu gründen. Die empirischen Fakten […] sind nicht Ausgangspunkt, sondern stehen am Ende der Explikation als Ergebnis einer Genese, die als ein ‚Werden zur Form’ aufgefasst wird“ (Hildenbrandt, 2001, S. 47).

[7] Das Bewusstsein wird als ein System von Verweisungen verstanden, in das die einzelnen Bewusstseinsinhalte zu integrieren sind, um sie identifizierbar zu machen. „Was vorbewußt ein leibliches Geschehen ist […], wird dadurch zu einem bewußten Ereignis, daß es in ein Element des Systems von Verweisungen transformiert wird, als das unser Bewußtsein existiert“ (Schwemmer, 1997b, S. 81). Die Verknüpfungsstruktur der Bewusstseinsinhalte wird zur entscheidenden Eigenschaft des Bewusstseins. Zentrales Charakteristikum der Bewusstseinsinhalte ist dabei, „daß alles Einzelne des Bewußtseins nur dadurch ‚besteht’, daß es das Ganze potentiell in sich schließt und gleichsam im steten Übergang zum Ganzen begriffen ist“ (Cassirer, 1954b, S. 45).

[8] Das Wechselspiel von forma formata vs. forma formans verweist bei Cassirer auf die bekannte humboldt’sche Unterscheidung zwischen Sprache als Ergon vs. Energeia. Kongeniale Unterscheidungen finden sich auch bei de Saussure (langue vs. parole) oder in der generativen Transformationsgrammatik von Chomsky (competence vs. performance).