Jürgen Budde, Nina Blasse und Svenja Johannsen:Praxistheoretische Inklusionsforschung im Schulunterricht

Abstract:Ein Desiderat schulischer Inklusionsforschung besteht darin, die soziale Praxis von inklusiven Schulen zu analysieren. Außerdem mangelt es an qualitativen, multiperspektivischen Untersuchungen. Um eine systematische Befundlage zum Thema Inklusion aus praxistheoretischer Perspektive zu anzugehen, wird im Beitrag eine Meta-Analyse mehrerer ethnographischer Forschungsprojekte geleistet. Ziel des Beitrags ist, auf der Grundlage einer praxistheoretischen Schärfung Ordnungen des Pädagogischen im inklusiven Schulunterricht und im System Schule in den Blick zu nehmen. Die zusammenfassende Analyse der sozialen Ordnungen, die in den pädagogischen Praktiken wirksam wird, zeigt auf, dass sich Sortierung und Besonderung in den pädagogischen Praktiken situativ formieren und dabei in unter-schiedlicher Ausprägung a) Dis/Ability, b) Leistung sowie c) unterrichtliches Verhalten beachtliche Bedeutung entfalten. Die dabei entstehenden pädagogischen Ordnungen tarieren das Verhältnis von Inklusivität und Exklusivität zwischen den Polen Flexibilität und Stabilität aus.

Stichworte: Praxistheorie, pädagogische Praktiken, Ethnographie, Schulpädagogik, rekonstruktive Meta-Analyse, Inklusiver Unterricht

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Inklusion als ungeklärtes Konzept
  3. Praxistheoretische Inklusionsstudien
  4. Fazit
  5. Literatur

1. Einleitung

Inklusion ist zu einem bedeutenden Schlagwort der bildungspolitischen, erziehungswissenschaftlichen wie pädagogisch-praktischen Diskussionen geworden. Eine aktuelle Stellungnahme der DGfE beispielsweise sieht in Inklusion eine der drei maßgeblichen „Revolutionen im bundesdeutschen Bildungswesen“ (DGfE 2015, S. 1). Von den ersten Schulversuchen zum gemeinsamen Unterricht sogenannter ‚behinderter‘[1] und ‚nicht-behinderter‘ Kinder in Deutschland in den 1970ern bis zur United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UN 2006) gibt es dabei eine gewisse „theoretische Kontinuität“ (Lütje-Klose und Urban 2014, S. 114). In jüngster Zeit hat sich dieser vornehmlich in der Sonderpädagogik geführte Diskurs ausdifferenziert und letztlich zur Entwicklung eines stärker erziehungswissenschaftlichen, explizit schulpädagogischen Strangs geführt, der auf ein sozialwissenschaftliches Verständnis von Inklusion als Pendant zu Exklusion rekurriert (z.B. bei Budde und Hummrich 2013; Sturm 2015; Fritzsche 2014). Dies erfolgt vor dem Hintergrund einer Konzeption von Dis/Ability, welche diese nicht in Personen, sondern in Interaktionen und Prozessen verortet (z.B. bei Dederich 2007). Bisherige Studien zu Inklusion respektive Integration fokussieren primär die Zusammenarbeit bzw. Kooperation von professionellen Pädagog*innen sowie Einstellungen der schulischen Akteur*innen zu Inklusion. Ein Desiderat hingegen besteht darin, pädagogische Praktiken und die ihnen zugrundeliegenden sozialen Ordnungen in inklusiven Settings zu erforschen, das heißt eine Betrachtung der Aktivitäten, Handlungen, des Tuns – kurz: des wie – der Inklusionsbestrebungen zu beobachten und zu analysieren. Weiter fehlen komplexe, qualitative, multiperspektivische Untersuchungen noch weitestgehend. Um das Problem einer systematischeren Befundlage zum Thema Inklusion zumindest ansatzweise aus praxistheoretischer Perspektive zu bearbeiten, wird im folgenden Beitrag eine Meta-Analyse mehrerer rekonstruktiver, primär ethnographischer Forschungsprojekte geleistet, die wir im Rahmen schulpädagogischer Inklusionsforschung an der Europa-Universität Flensburg durchgeführt haben. Zuvor wird genauer erläutert, dass sich der Gegenstand ‚Inklusion‘ sowohl in theoretischer als auch empirischer wie praktischer Ebene als äußerst unbestimmt erweist und daher aus den Forschungsprojekten die These von Inklusion als mehrfache Diffusion resultiert.

2. Inklusion als ungeklärtes Konzept

Bereits die theoretische Systematisierung des Begriffs ‚Inklusion’ ist diffus. Wocken beispielsweise unterscheidet „ethische, pädagogische und politische Gründe“ (Wocken 2014, S. 7) für Inklusion, Textor und Koch (2015) hingegen verweisen auf demokratietheoretische, menschenrechtsbasierte und ökonomische Argumentationslinien. Anders entfaltet sich der Begriff, wenn eine Systematisierung anhand der Diskursfelder vorgenommen und damit in gewisser Weise eine thematisch wie chronologische Differenzierung verfolgt wird. Dann ergeben sich fünf unterschiedliche Thematisierungsfiguren.

Es wird versucht, diese theoretischen Unbestimmtheiten über die Unterscheidung zwischen einem „engen“ (auf Dis/Ability fokussierten, (sonder)pädagogischen) und einem „weiten“ (intersektionalen, sozialwissenschaftlichen) Inklusionsverständnis einzufangen (z.B. Budde und Hummrich 2013), wobei auch diese Unterscheidung nicht zu einer abschließenden Klärung beitragen kann.
Bei der Betrachtung vorliegender empirischer Studien bietet sich ein ähnlich ungeklärtes und vielschichtiges Bild wie in der Theorie. Dies bezieht sich zum einen auf den unbefriedigenden Forschungsstand, der von zahlreichen Desideraten geprägt ist. Beklagt wird beispielsweise das Fehlen empirischer Befunde zu einer inklusiven Didaktik (Seitz 2006; Feuser 2008), zu den Sichtweisen von Schüler*innen mit Förderbedarf (Ellinger und Stein 2012), zur Belastung in inklusiven Schulen (Heddrich und Kecker 2009), zu den Lernvoraussetzungen unterschiedlicher Lehramtsstudierender (Kopp 2009) oder zur Zusammenarbeit mit außerunterrichtlich tätigen Fachkräften (Prüß 2007). Doch auch bereits vorliegenden Befunde sind diffus. So identifiziert Moser (2014) in einem Review, dass die Ergebnisse zur Leistungs- und Sozialentwicklung in inklusiven und exklusiven Settings stabil widersprüchlich sind (vgl. Moser 2014; Merz-Atalik 2014; Hillenbrand 2014). Gebhardt (2015) kommt zu dem Fazit, dass der Förderort kaum Auswirkungen auf Leistung und Selbstkonzept hat. Manche Studien dokumentieren sowohl für Regel- als auch für Förderschüler*innen leicht günstigere Lernvoraussetzungen in leistungshomogenen Gruppen (vgl. Heinzel und Prengel 2013; Ellinger und Stein 2012). Andere wiederum verweisen auf günstige Lerneffekte leistungsheterogener Gruppen (vgl. Hattie 2009; Baumert et al. 2013). Nicht zuletzt scheint auch die Praxis von hoher Diffusion gekennzeichnet. Moser (2014) weist auf unklare Aufgabenverteilungen zwischen Regelschullehrkräften und Sonderpädagog*innen hin, in denen oftmals eine „einseitige Delegationslogik“ herrsche (Wagner-Willi und Widmer-Wolf 2011, S. 201). Arndt et al. (i.E.) zeigen am Beispiel diffuser Kooperationspraktiken die generelle Unbestimmtheit von Inklusion. Fritzsche (2014) verweist in einer international vergleichenden ethnographischen Grundschuluntersuchung auf die Verwobenheit von doing inclusion und doing difference im praktischen Vollzug des Unterrichtes. Merl und Winter (2014) kommen in einem Review qualitativer Inklusionsstudien mit Blick auf die Konstruktion von Differenzen zu dem Ergebnis, dass bei Lehrkräften wie Schüler*innen Unterscheidungen zwischen Kindern mit und ohne Förderbedarf hoch wirksam sind.

3. Praxistheoretische Inklusionsstudien         

Im theoretischen Diskurs, in der empirischen Inklusionsforschung und auch in der schulischen Praxis scheint bislang Diffusion das organisierende Prinzip zu sein. Zwischen engem und weitem Inklusionsverständnis, aufgerufen in unterschiedlichen Thematisierungsfiguren, zwischen unklaren Befunden zur Effektivität verschiedener Förderorte und einer ungeklärten Kooperationspraxis stellt sich die Frage nach Inklusion in besonderer Dringlichkeit. Dabei verweist die unklare Lage darauf, dass vor allem empirisch gehaltvolle, grundlagenorientierte Studien fehlen. Um der dem Thema innewohnenden ‚normativen Schräglage‘ zu entgehen, scheint eine Analyse sozialer Praxis von Inklusion vielversprechend, wie sie in jüngster Zeit in praxistheoretisch informierten Forschungsprojekten verfolgt wird. Denn indem das Handeln der Akteur*innen im Zentrum der Analyse steht, wird das Risiko der normativ erwünschten Antworten (wie bei Fragebögen oder in Interviews) minimiert und es können Ordnungen des Pädagogischen in den Blick geraten.

3.1 Praxistheoretische Fundierung

Um das Desiderat in Bezug auf Ordnungen des Pädagogischen zu bearbeiten, werden im Folgenden zusammenfassende Einblicke in zentrale Befunde von fünf ethnographischen Forschungsprojekten der Autor*innen des Beitrags gegeben. Damit wird eine Art Meta-Analyse vorgenommen und gleichzeitig die selbsterhobene Forderung nach gehaltvollen Daten zumindest ansatzweise eingelöst. In Anlehnung an Marcus (1995) Forderung nach einer Abkehr von Single-Site-Research kann das Thema Inklusion als eine ‚Forschungsmetapher‘ verstanden werden, die in den zugrunde liegenden Forschungsprojekten in unterschiedlichen Feldern untersucht wird. Im Sinne einer Meta-Ethnography werden die Einzelstudien in ihren Befunden ‚kodiert‘ und aus diesen ‚Codes‘ generelle Aussagekategorien synthetisiert (Noblit und Hare 1988). Die Zusammenfassung wird also auf der Ebene der Befunde vollzogen. Zugleich dient dies unserer methodologischen Verortung mithilfe der Praxistheorie von Schatzki. Die fünf Forschungsprojekte sind weiter allesamt einer praxistheoretischen Perspektive verpflichtet und interessieren sich für die beobachtbaren Praktiken, in denen sich das Soziale vollzieht. Zur Grundlegung des praxistheoretischen Verständnisses sind drei Präzisierungen notwendig.

Vor diesem Hintergrund argumentieren wir, dass die materielle wie diskursive Dimension aufgrund ihrer divergenten zeitlichen und räumlichen Bedingungen anders in der sozialen Praxis wirken als die Aktivitäten in situ, wobei dieses anders bislang theoretisch wenig konturiert ist und über empirische Erkenntnisse geschärft werden muss. Angenommen werden kann, dass beide Bereiche in je spezifischer Weise stabiler (da überdauernder) scheinen als die Aktivitäten in situ und zugleich in der Aktivität selbst aktualisiert werden. Die hier verfolgte analytische Ausdifferenzierung nach Aktivitäten, Materialitäten und Diskursivem entspringt dem Versuch, Praxistheorie zugleich als theoretische Verortung und als Analyseinstrument für empirische Forschung zu erproben und damit einen Anschluss an Schatzki zu ermöglichen. Durch unseren Vorschlag wird ebenfalls der Annahme widersprochen, dass die sozialen Aktivitäten durch materielle Ressourcen oder aber Diskurse quasi vorentschieden seien, wie dies zahlreiche Sozialtheorien explizit, aber auch implizit annehmen. Denn die materielle Umwelt oder aber die gesellschaftlichen Diskurse haben trotz ihrer größeren Stabilität keinen determinierenden, – oder schwächer formuliert – präfigurierenden oder rahmenden Charakter. Materielles wie Diskursives ist vielmehr verwoben mit den Aktivitäten, in denen sie gleichzeitig performativ hergestellt und in und durch Materielles wie Diskursives konstituiert werden. Auch unsere Beobachtungen zeigen, dass die Annahme einer ‚Vorentscheidung‘ sich empirisch nicht widerspiegelt. So kann beispielsweise die Positionierung der Schulbegleitung entgegen gesetzlicher Richtlinien variieren von der/dem ‚Unsichtbaren’, ‚der Schüler*in‘ bis hin zur/zum ‚sonderpädagogischen Expert*in’ (Arndt et al. i.E.). Damit nehmen wir ebenfalls eine kritische Position gegen unterschiedliche Varianten von Ebenenmodellen ein, wie er beispielsweise von Diehm et al. (2013) als „Kontextualisierungen“ oder von Helsper et al. (2010) als „Mehrebenenmodell“ vorgeschlagen wird. Denn Materielles wie Diskursives kann vom Vollzug von Aktivitäten nicht getrennt werden.[2] Schatzki spricht an dieser Stelle von einer „flachen Ontologie“, um zu verdeutlichen, dass die materielle und die diskursive Dimension auf der gleichen Ebene wie die Praktiken angesiedelt sind (2016, S. 29).
In die Analyse der Ordnungen des Pädagogischen fließen Befunde aus fünf Forschungsprojekten ein. Das Projekt InkomBi (Inklusion in kommunalen Bildungslandschaften; Budde et al. 2014) analysiert anhand von Fotos, Beobachtungen und Gruppendiskussionen Prozesse der Entwicklung inklusiver Bildungslandschaften. Die GESI-Studie (Gemeinschaftsschule und Inklusion; Blasse et al. 2015) erhebt schulkulturelle Entwürfe von Inklusion anhand von Unterrichtsbeobachtungen, Interviews mit relevanten Akteursgruppen wie Schulleitung, Eltern und Berufsorientierung sowie Homepages. Das Forschungsprojekt UHU (Unterricht.Heterogenität.Ungleichheit; Budde und Rißler 2014) hat keinen spezifischen Fokus auf die Kategorie Dis/Ability, sondern betrachtet Differenzkonstruktionen mit einem weiten Inklusionsbegriff in unterschiedlichen 5. Klassen an Sekundarschulen. Das Projekt UNINK (Unterricht im Anspruch von Inklusion; Blasse 2015) interessiert sich für die Praxis der Herstellung von Unterricht im Anspruch von Inklusion und fokussiert dabei vor allem auf die heterogen Lehrgruppen. Spezifisch den Fachunterricht hat das Projekt DIEG (Differenzierung im inklusiven Setting des Englischunterrichts in der Grundschule) im Blick, welches auf inklusiven Englischunterricht in der Grundschule schaut. Die drei letztgenannten Projekte arbeiten ausschließlich ethnographisch und führen vor allem Unterrichtsbeobachtungen und Interviews durch, die erstgenannten verknüpfen organisations- und gouvernanceanalytische Perspektiven mit ethnographischen Ansätzen. Insgesamt liegen dem folgenden Beitrag Homepageanalysen, Unterrichtsbeobachtungen, Interviews sowie Dokumentenanalysen von neun Schulen zugrunde.
Alle Studien betrachten Inklusion in ihrem relationalen Verhältnis zu Exklusion. Damit wird etwa der Gefahr vorgebeugt, Inklusion lediglich als normative Betrachtungsfolie von Schule zu denken und der Tatsache Rechnung getragen, dass aufgrund eines exklusiven Schulsystems und einer exklusiven Gesellschaft das schulische Inklusionspotenzial limitiert ist. Die Projekte eint weiter, dass sie sich empirisch für Differenzkonstruktionen und Kategorisierungen interessieren. Dieser Blick ist dabei jeweils theoretisch eingebettet in das Konzept von „Kategorisierung als antinomische Struktur“ zwischen Differenz, Individualität und Universalität (Budde et al. 2016, S. 40). Bender et al. (i.E.) verweisen darauf, dass durch Inklusion das prinzipielle schulische Spannungsfeld zwischen Universalismus und Individualismus herausgefordert und dynamisiert wird. Differenz kann in dieser relationalen Perspektive nur verstanden werden sowohl vor dem Hintergrund des universalistischen Anspruchs einer allgemeinen Schulbildung wie auch im Angesicht der Subjektivität der/des je einzelnen Schüler*in, die/der ihre/seine Bildungsprozesse individuell durchläuft. Die drei Pole des Spannungsfeldes lassen sich dabei nicht ‚einfach‘ aufheben, sondern verweisen konstitutiv und widersprüchlich aufeinander.
Im Folgenden wird vor dem Hintergrund der bis hierher skizzierten theoretischen und methodologischen Überlegungen eine Systematisierung von Befunden aus den oben genannten Projekten vorgestellt. Dabei werden zunächst die methodologisch eingeführten Dimensionen des Diskursiven und des Materiellen verdeutlicht. Diese Ausdifferenzierung findet ihren weiterführenden Wert in einer zusammenfassenden Analyse der Befunde bezüglich der beobachtbaren Praxis, in der nicht nur die Aktivitäten betrachtet werden, sondern die durch die vorab analytisch getrennten Bereiche (Diskurse, Materialitäten, Aktivitäten) in ihrer Verwobenheit in der Praxis offengelegt werden. Dadurch wird ermöglicht die Aufmerksamkeit auf die diskursive und materielle Beteiligung an der Hervorbringung der Praxis und damit der sozialen Ordnung – im schulischen Fall der pädagogischen Ordnung – zu richten.

3.2 Diskursive Dimension

Zu Beginn steht die Analyse der als diskursiv bezeichneten Dimension, in der sich in der Gesamtschau der Projekte mit der Doppelstruktur aus Normalisierung und Besonderung sowie der Reklamation eines weiten Inklusionsverständnisses zwei inhaltliche Aussagekategorien zeigen.


Abbildung 1: Symbolische Darstellung eines weiten Inklusionsverständnisses (Budde et al. 2014).

Auf der diskursiven Ebene deuten diese Aussagekategorien auf eine schulkulturelle Verortung zwischen Differenzstabilisierung und Dekategorisierung hin, wobei dominierend auf Vielfalt positiv Bezug genommen wird. Inklusion chargiert somit zwischen engem und weitem Verständnis.

3.3 Materielle Dimension

Die zweite Dimension betrifft die Materialität von Inklusion und wird hier vor allem mit Blick auf räumliche Arrangements diskutiert.[3] Hier werden als Aussagekategorien das Spannungsverhältnis von Inklusivität und Exklusivität sowie Defizit-Verwaltung und Differenzstabilisierung sichtbar.

Auch die materiellen Anordnungen chargieren damit zwischen engem und weitem Inklusionsverständnis, die schulischen Strategien sowie die räumlichen Verhältnisse wirken in den Praktiken. In der materiellen Dimension deuten sich zwei verschiedene Varianten an. Während die materiellen Ressourcen in der einen Variante Differenzierungen räumlich unterstützen, konstituieren sich andere Klassen ohne explizite materielle Zusatzressourcen.

3.4 Hervorbringung der pädagogischen Ordnung in der sozialen Praxis

Die fünf Forschungsprojekte interessieren sich insbesondere für die soziale Praxis. In dieser realisiert sich die handelnde Ausgestaltung der Aktivitäten und das Performative rückt in den Vordergrund. Darin finden auch die vorab dargelegten Befunde ihren Niederschlag. Entsprechend der praxistheoretischen Prämisse, dass das Soziale in Praktiken erzeugt wird, ergibt sich somit an dieser Stelle eine Gesamtbetrachtung, in der die Verwobenheit des Diskursiven und des Materiellen mit der Praxis die Beschreibung der Hervorbringung pädagogischer Ordnungen schärft.
In der unterrichtlichen Praxis zeigt sich eine Achse zwischen Besonderung und Normalisierung. Wie oben bereits dargestellt, schmücken sich die untersuchten Schulen in der Regel mit einer offenen Willkommenskultur, nutzen ihre positiv konnotierte Heterogenitätsorientierung als Standortvorteil und werben mit ‚exklusiver Inklusion‘. Doch auch die Bereitschaft zur Umsetzung und ein willkommenskulturelles Verständnis von Inklusion mit dem Ziel der Normalisierung von Differenz können Praktiken der Exklusion nicht verhindern (vgl. Budde und Hummrich 2015, S. 34), da sich das Dilemma, spezifische Beeinträchtigungen wahrzunehmen und in diesem Zuge Besonderung vorzunehmen, in den unterrichtlichen Praktiken fortsetzt. So wird die in einigen Klassen prominente Kategorie ‚sonderpädagogischer Förderbedarf‘ bzw. Dis/Ability z.T. als starke Zuweisung zur Gestaltung des Unterrichts und damit der Hervorbringung der pädagogischen Ordnung herangezogen. In der Praxis bedeutet dies, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemäß eines engen Inklusionsverständnisses ein exklusiver Status zuteilwird, der durch materielle Ressourcen untermauert wird. Der Unterricht bewegt sich entlang kategorienbasierter Differenzierungen und vorab festgelegter Kriterien und folgt festen Abläufen und Routinen. Es zeigt sich eine pädagogische Ordnung, in der feste Sortierungen allgemeingültig und präsent sind. Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf können sich dieser Ordnung kaum entziehen und werden durch dezidierte Adressierungen und gezieltes Heraus-Sortieren durch die Sonderpädagog*in als besondere Gruppe im Klassenverband markiert. Dies wird besonders durch Formen äußerer Differenzierung sichtbar, etwa wenn die Sonderpädagog*in mit einem Teil der Förderschüler*innen in den Differenzierungsraum wechselt und die Gruppe räumlich vom Rest der Lerngruppe trennt. Im Differenzierungsraum, so zeigen unsere Studien, übernimmt grundsätzlich die Sonderpädagog*in die Unterrichtschoreographie und führt Regie. Das Agieren der „heterogenen Lehrgruppe“ (Blasse 2015) führt in diesen Klassen zu einer Doppelstruktur aus inkludierenden und verbesondernden Prozessen und manifestiert den dialektischen Widerspruch zwischen Inklusion und Exklusion (vgl. Budde und Hummrich 2015, S. 34). Dies trifft insbesondere auf jene Klassen zu, in denen besonders viele materielle Ressourcen gebündelt sind. So wirken in jenen Klassen, in denen eine starke Kategorisierung entlang der Kategorie Dis/Ability vorgenommen wird, formale schulische Ordnungen sowie materielle Ressourcen als Projizierungsfolie für die unterrichtlichen Praktiken.
Im Vergleich dazu zeigt sich in anderen Klassen mit geringeren materiellen Ressourcen eine Normalisierung der Kategorie ‚sonderpädagogischer Förderbedarf‘ bzw. Dis/Ability auf der Ebene der unterrichtlichen Praktiken. In diesen Fällen sind Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf Teil der Lerngruppe, werden nicht different markiert und sind nicht per se als besondere Gruppe wahrzunehmen. Statt der Kategorie Dis/Ability treten hier vermehrt unterrichtsbezogene Differenzlinien in den Vordergrund. Das breite Spektrum an Sortierungsmerkmalen verweist für diese Klassen insgesamt auf ein weites Inklusionsverständnis auf unterrichtlicher Ebene. In diesen Klassen sind Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Expertise unklarer verteilt. Auch hier sind die Klassen zwar als ‚I-Klassen‘ markiert, weisen jedoch geringere materielle Ressourcen auf. In diesen Fällen zeigt sich eine flexiblere Ausgestaltung von Verantwortlichkeiten. Die Sonderpädagog*in hat keine feste Zuständigkeit und ist nicht ausschließlich für als besonders markierte Schüler*innen verantwortlich. Vielmehr ist ihr Zuständigkeitsbereich diffus und unbestimmt und manifestiert sich spontan und situativ im unterrichtlichen Handeln. Sie und die Regelschullehrkraft bewegen sich frei im Raum und sind ohne festen Platz. In der Unterrichtschoreographie setzt sich eine an Routinen orientierte aber dennoch flexible Ausgestaltung fort. Gleichzeitig fällt in diesen Klassen das weitgehende Fehlen fachlicher Differenzierung in Methoden oder Materialien auf. Der Fokus dieser Normalisierung liegt auf der Herstellung des Unterrichts und weniger auf kategorialen Differenzierungen zwischen einzelnen Schüler*innen-Gruppen.
Weiter lässt sich eine Achse entlang von unterrichtsbezogenen und differenzbezogenen Differenzkonstruktionen ausmachen. In unseren Studien zeigt sich beispielsweise als ein wiederkehrendes Sortierungsmerkmal das unterrichtsbezogene Kriterium ‚Störverhalten‘ bzw. ‚auffälliges Verhalten‘. Im Umgang mit Unterrichtsstörungen wird vor allem in der GESI-Studie in jenen Klassen, in denen sich bis hierher ein enges Inklusionsverständnis dokumentiert, ebenfalls eine Besonderung deutlich, die wiederum dezidiert zur Reifizierung der Kategorie Dis/Ability beiträgt. So liegt dem Umgang bei störendem Verhalten bei Regelschüler*innen eine universelle Ordnung zugrunde, nach der (mehr oder weniger) einheitliche Maßstäbe für Disziplinierungen gelten. Stören hingegen Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Unterricht, so wird im Verhältnis ein großzügigerer Maßstab mit einer tendenziell tolerierenden, partikularen Verhaltensordnung angelegt. Ein gleiches Muster zeigt sich auch in Bezug auf Praktiken der Leistungserbringung. So lässt sich eine Sortierung durch didaktische Arrangements insbesondere in Form der Arbeitsmaterialen feststellen. In einigen Fällen findet sich eine Art der Differenzierung, die sich beispielsweise in wählbaren Aufgabenstellungen, unterschiedlichen Lösungswegen oder im Einsatz verschiedener Strategien ausdrückt. Im Zusammenspiel mit diesen individuell geprägten Arbeitsphasen wird in unseren Beobachtungen dabei das Kriterium ‚Arbeitsgeschwindigkeit‘ sichtbar. Häufig bearbeiten die Regelschüler*innen zur gleichen Zeit gleiche oder ähnliche Aufgaben. Unterschiede zeigen sich z.B. in der Bearbeitungsgeschwindigkeit. Während die Schüler*innen zu Beginn einer Arbeitsphase noch am Gleichen zur gleichen Zeit arbeiten, differenziert sich dies in Einzel- oder Gruppenphasen aus. In einigen Fällen stehen besonders schnellen Schüler*innen Folgeaufgaben zur Verfügung, bei denen es sich z.T. um weiterführende, im Schwierigkeitsgrad ansteigende Aufgabe handelt, z.T. aber auch um ‚Lückenfüller‘ („Und die ganz Schnellen, die dürfen noch ein Bild malen“; Budde 2013, S. 177), um die verbleibende Zeit zu überbrücken. Bei Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gilt auch hier ein anderer Maßstab als bei Regelschüler*innen. Hier werden Leistungsmaßstäbe angelegt, die sich im bloßen ‚Dabeisein‘ als Performanz von Teilhabe erschöpfen. Gemeinsamer Unterricht an gemeinsamen Gegenständen – wie ihn z.B. Feuser (2008) fordert – findet kaum statt. So wird in gemeinsamen Unterrichtsphasen Schüler*innen mit Förderbedarf oftmals von den Pädagog*innen ‚vorgesagt‘. Inklusion wird über die Teilhabe an den körperlich vollzogenen Handlungen realisiert, die Auseinandersetzung mit und die Aneignung von bestimmten Fachinhalten tritt in den Hintergrund, sodass zwar eine formale Teilhabe auf der Oberfläche des Verhaltens, nicht aber an den Inhalten gesichert ist.
In jenen Klassen wiederum, in denen keine stabile Differenzierung entlang Dis/Ability vorherrscht, werden alle Schüler*innen zunächst als gleich markiert und durchlaufen erst durch ihr jeweiliges unterrichtsstörendes Verhalten einen Prozess der Besonderung. Hier steht weniger die Kategorie im Vordergrund, sondern vielmehr die störungsfreie Durchführung des Unterrichts. Aufgrund des weitgehenden Fehlens fachlicher Differenzierung in Methoden oder Materialien gelten hier auch in Bezug auf die Praktiken der Leistungserbringung ähnliche Maßstäbe. Die Inklusion aller Schüler*innen in allgemeingültige Verhaltens- und Leistungsordnungen ermöglicht Normalisierung, führt auf ihrer Schattenseite jedoch das Problem mit sich, dass individuelle Unterschiede (z.B. in Bezug auf Leistung) tendenziell übergangen werden.
In der Analyse der sozialen Praxis zeigt sich die Realisierung der Unterscheidung zwischen engem und weitem Inklusionsverständnis in den Aktivitäten der heterogenen Lehrgruppe ebenso wie in der didaktischen Gestaltung oder den Verhaltens- und Leistungsordnungen. Darüber wird somit die pädagogische Ordnung gestaltet. Während einige Klassen in den pädagogischen Praktiken unmittelbar an die Differenzkategorie Dis/Ability anschließen und diese im Vollzug der Aktivitäten permanent anhand unterschiedlicher Handhabung aktualisieren, dominieren in anderen Klassen unterrichtsbezogene Differenzierungen auf der Grundlage allgemeingültiger Ansprüche.

4. Fazit

Ziel des Beitrags war, auf der Grundlage einer praxistheoretischen Schärfung Ordnungen des Pädagogischen im inklusiven Schulunterricht anhand der Synthese von Befunden aus mehreren empirisch-rekonstruktiven Forschungsprojekten in den Blick zu nehmen. Die zusammenfassende Analyse der sozialen Ordnung, die in den pädagogischen Praktiken wirksam wird, legt verschiedene Ausgestaltungen von Differenzkonstruktionen in der sozialen Praxis offen. Sie zeigt auf, dass sich Sortierung und Besonderung in den pädagogischen Praktiken situativ formieren und dabei in unterschiedlicher Ausprägung a) Dis/Ability, b) Leistung sowie c) unterrichtliches Verhalten besondere Bedeutung entfalten. Damit verknüpfen sich in der sozialen Praxis des inklusiven Unterrichtes traditionelle unterrichtliche Elemente (Leistung und Verhalten) mit Neuen (durch Materialitäten abgesicherte soziale Differenzkategorie Dis/Ability). In den drei Sortierungskategorien verdichten sich die materiale und diskursive Dimension und werden mit der sozialen Praxis verknüpft. Unsere Analysen verweisen weiter auf ein grundlegendes unterrichtliches Spannungsfeld zwischen Differenzstabilisierung und Dekategorisierung. So aktualisieren einige Klassen in der Raumordnung, der diskursiven Dimension und damit in der sozialen Praxis permanent Differenzen entlang der Kategorie Dis/Ability und prozessieren so ein ‚enges Inklusionsverständnis‘. Hier lassen sich starke Besonderungen finden, die sich in pädagogischen ‚Sonderangeboten‘ für Schüler*innen mit Förderbedarf ausdrücken. In anderen Klassen finden sich primär Normalisierungstendenzen, die Differenzen vor allem über Leistungs- und Verhaltensordnungen bearbeiten und damit an gewohnte unterrichtliche Differenzkategorien anschließen. Diese Variante folgt in spezifischer Weise einem ‚weiten Inklusionsverständnis‘, wobei dies sich lediglich auf die Dekategorisierung erstreckt und nicht etwa ein intersektionaler, machtkritischer Impuls sichtbar wird.
Beide dargelegten pädagogischen Ordnungen tarieren das Verhältnis von Inklusivität und Exklusivität zwischen den Polen Flexibilität und Stabilität aus. Da dieses Verhältnis bislang nicht geklärt scheint und sich keine allgemeinverbindlichen pädagogischen Praktiken auf Schulsystemebene abzuzeichnen scheinen, muss Diffusion als zentrales Ordnungsmoment für die soziale Praxis von Inklusion angesehen werden. In dieser Sichtweise sind die zu Beginn des Textes dargelegten theoretischen und empirischen Unklarheiten nicht etwa die Bedingung für die praktische Diffusion, sondern umgekehrt. Die diffuse Bearbeitung von Inklusion in der sozialen Praxis der pädagogischen Praktiken bildet und dokumentiert zugleich diese theoretischen und empirischen Unklarheiten.
In der Analyse der Daten der fünf Projekte wird darüber hinaus ein prinzipielles Grundproblem rekonstruktiver Inklusionsforschung deutlich. Denn während diese Studien oftmals reklamieren, einem weiten, intersektionalen Inklusionsverständnis zu folgen, geschieht die empirische Arbeit in der Regel entlang dis/ability-bezogener Kategorisierungen. Dies wiederholen auch die hier zusammengefassten Forschungsprojekte, in denen Sonderpädagog*innen, Schulbegleiter*innen sowie Schüller*innen mit Förderbedarf ein besonderes Gewicht in der Beobachtung erhalten. Damit wird aber eine Einengung auf bestimmte empirische Felder vorgenommen, die in der Analyse immer wieder reflexiv eingearbeitet werden muss.
Unser Vorschlag zur analytischen Betrachtung verschiedener Dimensionen vor dem Hintergrund einer praxistheoretischen Methodologie dient der Präzisierung der Beschreibung pädagogischer Ordnungen. Daher plädieren wir dafür eine praxistheoretische Ethnographie als eine Praxeographie anzulegen, die nicht ausschließlich (wenn auch primär) die beobachtbaren Aktivitäten der Akteur*innen in den empirischen Blick nimmt. Vielmehr bedarf es für eine komplexere Betrachtung auch empirischer Daten zur Rekonstruktion der diskursiven und materiellen Dimension. So können (praxistheoretisch gewendet) etwa die Organisationsitems analytisch greifbar(er) erfasst und damit die Ordnung der pädagogischen Praktiken ‚in der Richtung ihres Verlaufs‘ empirisch fundiert bestimmt werden.

5.Literatur

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[1] Bezeichnungen konstituieren immer auch den Gegenstand, den sie beschreiben. Wir verstehen – beispielsweise mit Jansen (2007) – ‚Behinderung‘ als soziale Konstruktion und verwenden im Folgenden den Begriff der Dis/Ability sofern es um Differenzkategorien geht, um dies deutlich zu machen. Für Schüler*innen verwenden wir den diagnostizierten Förderbedarf als Beschreibungskriterium.

[2] Ein Diskurs – beispielsweise über „positive Heterogenitätsorientierung“ (Budde 2015) – gewinnt erst im praktischen Vollzug an Bedeutung. Auch dieses zeigen die Analysen der fünf Forschungsprojekte. Viele Lehrkräfte äußern in Interviews genau jene positive Heterogenitätsorientierung, die etwa im Schulkulturmodell von Helsper der imaginären Ebene oder bei Bohnsack dem Orientierungsrahmen zuzurechnen wäre. Im praktischen Vollzug des Unterrichtes jedoch wird davon wenig sichtbar. In der zumeist wenig weitreichenden und in diesem Sinne ‚halbherzigen‘ didaktischen Differenzierung werden soziale Differenzkategorien zwar sichtbar, diese organisieren jedoch vielmehr den Verlauf der Aktivitäten, als dass sie auf rationale, explizite oder didaktisch begründete Sortierungen verweisen. Die Ordnungen des Pädagogischen folgen in ihren Organisationsitems ihrer je eigenen, praktischen Logik, die die Logik des Diskursiven nicht immer repräsentiert.

[3] Als weitere materielle Bereiche treten Personal (sonderpädagogische Lehrkräfte, Schulbegleitungen) sowie differenzierte Unterrichtsmaterialien als relevant in Erscheinung. Eine überzeugende Systematik, um die Materialität von Räumen, Artefakten und Körpern systematisch zu unterscheiden, findet sich in Praxistheorien bislang nicht.