Sven Bärmig: Kritische Erziehungswissenschaft und Inklusionspädagogik?

Abstract: Mit dem Text möchte ich an Hand pädagogischer Grundbegriffe Zusammenhänge zwischen Allgemeiner Pädagogik und Inklusionpädagogik aufzeigen, die das ungeklärte Verhältnis der beiden Teilbereiche beschreibt. Darüber hinaus ist dies der Versuch Elemente kritischer (Theorie) Pädagogik dafür fruchtbar zu machen.

Stichworte: Inklusion; Kritische Erziehungswissenschaft; Bildung

 

I
Auf der Inklusionsforscher_innentagung in Wiesbaden-Naurod wurde immer wieder Bezug zur Kritischen Theorie hergestellt ohne konkret Theoretiker_innen oder theoretisches zu formulieren und zum anderen kam doch auch die Frage zum Vorschein, welche Gesellschaft denn mit Inklusion angestrebt wurde. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass es um Veränderungen geht, ohne diese näher zu bestimmen oder wenigstens wie eine kritische Theorie dies als Negation des Bestehenden zu beschreiben. Hier soll kursorisch versucht werden kritische Erziehungswissenschaft mit der Frage der Inklusion zu verbinden. Dabei geht es um eine Haltung zur Frage der praktischen Umsetzung der theoretisch gedachten Inklusion, die sich mit Gruschka in etwa so zuspitzen lässt: „Der notorische Streit um das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Pädagogik wird erst verständlich, wenn man die Unzufriedenheit mit der Praxis nicht nur als Symptom einer für die Pädagogik typischen hypertrophen Normenbildung, projektiven Wahns oder chronischer enttäuschungsresistenter Omnipotenzphantasien begreift; wenn man also nicht die Norm für die Verwirrungen verantwortlich macht, wie es heute in zunehmendem Maße von Erziehungswissenschaftlern betrieben wird, ohne dass diese deswegen konservative Positionen beziehen müßten. Auch wenn wir genauer, als es der Fall ist, wüssten, welche Wirkungen Erziehung und Bildung erzielen, würde das die Unsicherheit darüber, was gefordert werden muss und was die Pädagogen können, nicht wirklich beseitigen. Denn so würde lediglich skalierbar und damit differenziert, was bislang mit der Figur von Erfolg und Scheitern belegt wird. Die Relevanz des Problems wird erst deutlich, wenn man sich ernsthaft mit den Unzulänglichkeiten und Anomalien des Systems beschäftigt“ (Gruschka 1994, S.137f). Als Ausgangspunkt, als eine der Anomalien, könnte die Skizzierung der disziplinären Logik von Allgemeiner und Spezieller Pädagogik in Deutschland sein, welche die eigenartige Konstruktion hervorgebracht hat, dass Allgemeine Pädagogik zugleich eine Teildisziplin unter mehreren (vielen) darstellt. Somit fehlt eine einheitliche übergeordnete Adresse an die Inklusion gerichtet werden kann, wenn es das Fach selbst gar nicht als strukturierte Einheit gibt. Hinzuweisen ist bei dieser verzwickten Lage weiterhin noch auf die Tatsache, dass Integration als der ältere Begriff vornehmlich von der Subdisziplin Sonderpädagogik diskutiert wurde (und wird?), die sich letztlich auf eine „Dimension von Anderssein“ (Dammer 2012: 355) bezog, weniger auf eine Allgemeine Heterogenität schlechthin. Dammer sieht damit die Inklusionspädagogik vor das Problem gestellt, das Erbe der Integrationspädagogik anzutreten, ohne deren Problematiken lösen zu können, weil die argumentativen Grundmuster die gleichen bleiben.[1] Hier im speziellen geht es um das scheinbare Ungenügen der Integrationspädagogik, der keine positive Inklusionspädagogik entgegengehalten werden kann. Und hier könnte bereits mit einer Figur kritischer Theorie festgehalten werden, dass es eben nicht um die objektive Beschreibung des status-quo geht, sondern vielmehr darum Gesellschaft an ihren eigenen Maßstäben zu messen oder der Pädagogik einen Spiegel vorzuhalten, um die Fragen der Inklusion dazu zu benutzen, ihre Funktion vielleicht genauer zu analysieren.
Es soll hier auch um einen Aspekt innerhalb der Inklusionspädagogik gehen, der leider immer wieder vernachlässigt wird, auf den vor allem Kritische Erziehnungswissenschaft verweist: Gesellschaft ist ein Zwangszusammenhang, was auch für Inklusion gilt, und Soziale Integration, so der ältere gesellschaftstheoretische Begriff der Inklusion, ist somit eine Vermittlungsaufgabe für die Pädagogik allgemein und für die Schule im besonderen. Das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum ist die Institution Schule betreffend sehr offensichtlich eines, welchem wir unterworfen sind, eines, dass wir uns nicht aussuchen können, wie Wolfgang Jantzen dies immer wieder betont hat. In der Inklusionsdebatte vermisse ich die Beschreibung dieser Aufgabe als Widerspruch von “Bildung und Herrschaft” (Heydorn).

 

II

Das, was wir als Menschlichkeit verstehen, unterliegt keiner geschichtlichen Denkentwicklung, schreibt der Psychoanalytiker A. Gruen. Menschlichkeit entwickelt sich nicht aus dem Nachdenken über moralische Werte, wie es im allgemeinen dargestellt wird, die Moralität kommt aus Kräften, die vitaler sind als eine dem Menschen aufgesetzte Denkweise, nämlich aus dem Handeln und dem sozialen Umgang der Menschen innerhalb von Gesellschaft. Wo die Moralität auf etwas Äußerlichem basiert, werden auch die Bedingungen aller Unmoralität und letztlich Unmenschlichkeit zu finden sein (vgl. Gruen 1989).[2] Dieser Soziale Sinn, ich nenne ihn hier Inklusion, muss immer wieder neu hergestellt werden, denn Soziale Kontexte organisieren sich besonders in der modernen Gesellschaften institutionell, d.h. im Rahmen von (durchaus ritualisierten) sozialen Austauschformen dessen, was man tut. Nur in ihr und durch sie, können sich die einzelnen Individuen zu autonomen Personen entwickeln. Jeder Einzelne ist hierbei in bestehende Strukturen eingebunden, die auf ihren Institutionalisierungsgrad hin analysiert werden müssen. Oder andersformuliert: Es ist zu untersuchen, in welcher Weise die Austauschverhältnisse der Institutionen die Entwicklung jedes Einzelnen bestimmen[3](vgl. Jantzen 2004, 1998, Ritsert 1988).
Wie Adorno zu Gesellschaft festhält, bindet bspw. das Tauschgesetz alle, ganz gleich, ob sie selbst mit ihm konform gehen oder nicht. “Primär ist der Profit. Noch die als Kundenschaft eingestufte Menschheit, das Subjekt der Bedürfnisse, ist über alle naive Vorstellung hinaus gesellschaftlich präformiert, und zwar nicht nur vom technischen Stand der Produktivkräfte, sondern ebenso von den wirtschaftlichen Verhältnissen, so schwer das auch empirisch sich kontrollieren lässt. Die Abstraktheit des Tauschwerts geht vor aller besonderen sozialen Schichtung mit der Herrschaft des Allgemeinen über das Besondere, der Gesellschaft über ihre Zwangsmitglieder zusammen” (Adorno 2003a:13f). Dies trifft natürlich auch die Schule und ihre Funktion, wie bspw. auch die großen Träger der Behindertenhilfe und wirkt bis auf die einzelnen Individuen. Behinderte gehören nicht ganz zufällig zu jenen Gruppen der Gesellschaft, deren Soziale Integration am meisten Fragen und Problematiken aufwirft. Innerhalb dieser sehr spezifischen Tauschgesellschaft gibt es keine Gleichheit in dem Sinne, dass alle überall von den gesellschaftlichen Errungenschaften gleichermaßen profitieren. Die “vorkapitalistischen Rudimente und Enklaven” (Adorno) sind keineswegs etwas Fremdes, Relikte der Vergangenheit, sondern notwendig. Denn: “Der Vergesellschaftungsprozeß vollzieht sich nicht jenseits der Konflikte und Antagonismen oder trotz ihrer. Sein Medium sind die Antagonismen selbst, welche gleichzeitig die Gesellschaft zerreißen” (Adorno 2003a: 14f). Soziale Integration/Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die ein Zusammenleben der einzelnen Individuen erzwingt und nur so das Überleben garantiert. Die angedeutedeten gesellschaftlichen Widersprüche binden die Individuen zwar aneinander, die unterschiedlichen Interessen und ihre Durchsetzung reissen Gesellschaft tendenziell auch wieder auseinander. Kritische Theorie verweist in ihrer materialistischen Perspektive darauf, dass die Einrichtung der Gesellschaft menschlichen Ideen entsprang und nun den Menschen scheinbar übermächtig gegenüber steht (vgl. Adorno 2003a, 2003c; Dahmer 1973). So wird nach Adorno der “Klassenunterschied” immer größer und wirkt in die Existenz der Menschen hinein. Wichtig zu ergänzen: Auch wenn der Begriff der Klasse sehr unmodern klingt, ist bei Adorno etwas ganz spezifisches gemeint. “Klasse war durch die Stellung zu den Produktionsmitteln bestimmt, nicht durchs Bewusstsein ihrer Angehörigen” (Adorno 2003c: 358). Gemeint sind also Herrschaftsprozesse, Macht und Gewalt bzw. Ohnmacht und Verletzlichkeit. Nicht ohne Grund ist gerade Gewalt nach Jantzen ein wesentlicher Bestandteil der Institution “Geistigbehindertsein” (Niedecken), die sich durch Diagnosen, Therapien und damit fester gesellschaftlicher Bilder von Behinderung durch Dauerhaftigkeit auszeichnet (vgl. Jantzen 2004, 1998; Niedecken 2009, 2003). Die Kategorie der “Isolation”, bei Jantzen die Widerspiegelung der gesellschaftlichen Verhältnisse von Inklusion und Exklusion, zeigt in ihrer zweifachen Dimension, individuell und sozial, die fehlende Vermittlung (vgl. insbesondere Jantzen 1990, Feuser 1995). Die Frage ist also, wohin inkludiert werden soll und welche Begriffe und Konzepte dafür benutzt werden.

 

III

Die Auseinandersetzung um Inklusion bezieht sich auf drei Dimensionen: die ökonomische Teilhabe[4], die institutionellen Teilhabe (formal die Gewährung und Garantie der Bürgerrechte, die in exkludierenden sozialen Einrichtungen permanent verletzt werden) und die Dimensionen der sozialen Beziehungen (ökonomisch, politisch und anderweitige Sozialbeziehungen). So entsteht ein dialektisches Verhältnis, welches als Spannungsverhältnis zu kennzeichnen ist, nicht als dichotomer Gegensatz von Exklusion und Inklusion. Dammer verweist zurecht bspw. auf den doppelten Bezug des älteren Integrationsbegriffs. Er meint nicht nur den Prozess der sozialen Integration einzelner Individuen bzw. Gruppen in die Gesellschaft, sondern auch den gesamtgesellschaftlichen Zustand ihrer Strukturen zur Möglichkeit der Integration, kurz dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert ist. Dies ist ein Zusammenspiel von funktionaler Koordination, moralischer Integrität und expressiver Gemeinschaft. „Die Befriedigung expressiver Bedürfnisse hängt nicht primär von zugestandenen Freiräumen, sondern von den materiellen Möglichkeiten der Individuen ab, also ihrer funktionalen Integration in den ökonomischen Betrieb. Misslingt sie, so ist auch die Selbstverwirklichung gefährdet“ (Dammer 2012: 363). Die gelingende oder problematische Integration ist dabei kein objektives Faktum, sondern eine Frage der theoretischen Perspektive, denn ein gut ausgebautes Netz an Sonderinsitutionen ist eben eine andere Soziale Integration als ein Netz an Institutionen, die am gleichen Ort für Alle zuständig ist.[5] Und hier wird ersichtlich woran der Inklusionsbegriff krankt. In seiner Unschärfe wird nicht deutlich, wohin inkludiert werden soll, da es umstritten, also Aushandlungsgegenstand, ist, und ob es ausreicht, gleiche Lehrpläne in verschiedenen Schulformen zu haben oder doch alle in die gleiche Schulform gehen sollen. Mit Kronauer verweist Dammer auf den Ansatz der Armutsforschung, „die Exklusion nicht abstrakt als ein Funktionsproblem, sondern als spezifisches soziales und empirisch konstatierbares Problem in einer bestimmten geschichtlichen Konstellation“ (Dammer 2012: 359) zu verstehen.[6] Armutsforschung hat drei Kriterien: der Beteiligung am Erwerbsleben und den daraus resultierenden sozialen Bezügen, den Rechtsansprüchen, die sich aus dem Bürgerstatus ergeben und die Teilhabe an freundschaftlichen und familiären Nahbeziehungen. Festzustellen ist die Tendenz der Verstärkung von Exklusion durch das Überspringen von einer Dimension auf die andere. Wer seinen Lebensunterhalt nicht durch Lohnarbeit sichern kann, hat weniger Nahbeziehungen oder auch, wer den Bürgerstatus eingeschränkt wahrnehmen kann, hat Probleme seinen Lebensunterhalt mit Lohnarbeit zu sichern und ist deshalb auf die Hilfe aus dem sekundären Sozialsystem angewiesen. Dies ist, so Kronauer, eine Exklusion in der Gesellschaft nicht aus ihr. Behinderung wird in dieser Hinsicht von Maschke (2007; 2002) als marginalisierte Lebenslage begriffen, die sich auf alle drei Dimensionen bezieht. Behinderte werden diskriminiert, ihr Bürgerstatus ist nicht gesichert oder wird verletzt, sie sind oder werden arm und haben durch die institutionalisierte oder eingeschränkte Lebenslage an reichhaltigen Nahbeziehungen gehindert.

 

IV

Gerade die bürgerliche Gesellschaft lebt von der Vergemeinschaftung von Individuen auf Grund von Normen, die eine spezifische gesellschaftliche Normalität hervorbringt und beides, Vergemeinschaftung und Norm; hängen eng miteinander zusammen. Die Normen der funktionalen Koordination (Bildungssystem, Eingliederungshilfe) sind dabei andere als die der expressiven Gemeinschaft (Schule, Wohnort). Die Normen können dabei auch in Widerspruch zueinander geraten, „so dass gesellschaftliche Integration stets ein prekäres Unterfangen bleibt, da sich die Gesellschaft ohne den Geltungsanspruch moralischer Normen den sie konstitutierenden Individuen gegenüber nicht legitimieren könnte, die Verwirklichung der Normen aber immer im Kontext funktionaler Koordination stattfindet, die, folgt man Adorno, stets das letzte Wort hat. “Sie sind, Triumph der Integration, bis in ihre innersten Verhaltensweisen hinein, mit dem identifiziert, was mit ihnen geschieht” (Adorno 2003a:18).[7]. Dieses Dilemma führt zur Tatsache, dass die meisten ihr gesellschaftliches Schicksal nicht mehr in der Hand haben, obwohl sie als Subjekte an der gesellschaftlichen Entwicklung beteiligt sind. Jedes einzelne Individuum muss seine indivudelle Existenz nach den Lücken, die die Gesellschaft lässt, ausrichten, weniger nach dem, was ihm für seine eigene Bestimmung vor Augen steht. Dammer hat wiederholt die Frage gestellt, wie integrativ die momentane Gesellschaft noch wirkt (Dammer 2012, 2008; vgl. auch Negt 2013). Durch verschiedene Einrichtungen wie Lohnarbeit, Warenangebot, Kulturindustrie, Bildungssystem werden die Subjekte planvoll von ihrer eigenen Subjektivierung ferngehalten. Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse und Prozesse verhindert die Emanzipation aus diesem Zwangzusammenhang.[8]
Die Einrichtung der Gesellschaft nach den Bedürfnissen der Menschen wird also zu nichte gemacht, wenn sie von Profit und Machtinteresse durchdrungen sind. Die Individuen sind Objekte von dem, was Politik, Sozialpolitik, Wirtschaft, Recht, Bildung gennant wird. Adorno bezeichnet die Gesellschaftsstruktur als irrationalistisch, weil sie nicht mehr zentral, z.b. durch die Übergabe der Lenkung von ökonomischen Prozessen an die politische Macht, gesteuert werden kann. Adorno spricht sich aber ebenso gegen einen Dirigismus aus, weil dies Zentralismus und Konzentration erfordert, die jedoch wieder nur ein “notwendig falsches Bewusstsein” von Gesellschaft, ihren Strukturen und Gebilden liefert, dies im Grunde nur die Irrationalität noch erhöhen würde. Es gibt kein “gesellschaftliches Gesamtsubjekt” (Adorno) und auch kein äußerlicher Standpunkt, von dem aus die Veränderungen herangetragen werden können. Weder lässt sich aus den Produktivkräften allein Gesellschaft entwickeln noch aus dem Tauschprinzip, welches das gesamte Leben überzieht. Vielmehr sind die notwendigen Unstimmigkeiten, Antagonismen und Widersprüche aufzunehmen, die den Zwangszusammenhang darstellen. Zunächst gilt es theoretisch den ideologischen Schein zu durchbrechen, etwa die Frage der Marktgläubigkeit oder die einer bürgerlichen Gesellschaft, um damit Aufklärung im besten Sinne zu sein (vgl Adorno 2003b).
Besonders problematisch erweist sich hier der Bezug auf den Begriff der Gemeinschaft, der besonders mit seinen historischen Konnotationen gefährliche Nähe zur Zwangsvergemeinschaftung aufweist, wie er nicht nur in den großen Sondereinrichtungen der Behindertenhilfe immer wieder anzutreffen ist, sondern eben auch gesamtgesellschaftlich gedacht wird. Die Unterschiedlichkeit der Prinzipien von Gemeinschaft und Gesellschaft muss stets bewusst bleiben und damit auch „die Tatsache, dass gelingende Integration – oder wenn man es so nennen möchte: Inklusion – in eine Gemeinschaft nicht gleichzusetzen ist mit einer funktionalen Integration in die Gesellschaft, deren Praxis auf der ‘Normalität’ instrumenteller Vernunft basiert und dementsprechend Anpassungsleistungen fordert, unabhängig davon, inwieweit ein Individuum dazu überhaupt in der Lage ist bzw. die geforderte Anpassung mit seinem Identitätskonzept vereinbaren kann oder will“ (Dammer 2012: 371). Dieses theoretisch nicht genügend geklärte Verhältnis von Normalität führt zur unklaren Haltung des Inklusionsdiskurses der Schule gegenüber, deren wesentlicher gesellschaftlicher Zweck die Normalisierung ist.
Auf der anderen Seite der Sozialen Integration/Inklusion des Individuums, bedeutet dies z.B.: Die sozialpsychiatrische Variante des klassischen medizinischen Heilungsanspruches, und dies gilt es vor allem zu bedenken, ist nach Klaus Dörner der Integrationsanspruch, der an jeden Einzelnen herangetragen wird. Er ist aber in der Regel gleich dem Heilungsanspruch verfehlt und daher abzulehnen, da er die Eigenart und Besonderheit des Menschen durch den Fokus auf Normen leugnet, dessen Leben bspw. von einer Krankheit oder Behinderung chronisch geprägt ist. Zu integrieren und passend zu machen sind nicht die Menschen, sondern die gesellschaftliche Lebenswelt, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Institution (vgl. Dörner 2001).[9] Für Anne Waldschmidt steht bezüglich von Behinderung fest, dass bspw. Sozialleistungen und Bürgerrechte allein nicht genügen, um Teilhabe oder Anerkennung oder eine kulturelle Repräsentation zu erreichen. „Individuelle gesellschaftliche Akzeptanz wird erst dann möglich sein, wenn behinderte Menschen nicht als zu integrierende Minderheit, sondern als integraler Bestandteil der Gesellschaft verstanden werden“ (Waldschmidt 2007a: 166). Wichtig scheint mir, zu betonen, dass dieser Anspruch darauf verweist, die Verhältnisse in den Blick zu nehmen und sie in Bewegung zu halten, nicht auf Dauer zu stellen. Ungleichheiten zwischen „Behinderten“ und „Nichtbehinderten“, so Rösner, sind heute weniger rechtlich verbürgt als symbolisch (Institution Geistigbehindertsein) verankert. Sie sind kaum wahrnehmbar unterhalb einer normativ kodifizierbaren Gerechtigkeitssphäre, in Bereichen, in denen Menschen nicht so sehr als Personen formaler Rechte in Erscheinung treten, sondern als ethische Personen mit Anspruch auf ein nicht verfehltes Leben und gelungener Identitätsbildung (Rösner 2002, 2006). Es lässt zeigen, dass es außerhalb sonderpädagogischer Institutionalisierung keine Nische gibt (vgl. Niedecken 2003) und sie innerhalb der Sonderinstitutionen unweigerlich die Frage der Gewalt mit ins Spiel bringt, deren Kern (besonders geistige) Behinderung darstellt (vgl. Jantzen 2003). Hier wird das “Behindert werden” als „ein Wundmal.“ (Horkheimer/Adorno), die Verweigerung von Bildung als Erziehung zur Mündigkeit sinnbildlich. Weiter heißt es dort: “Sie kann sich auf eine Leistung unter vielen oder auf alle, praktische und geistige, beziehen. Jede partielle Dummheit eines Menschen bezeichnet eine Stelle,  wo das Spiel der Muskeln beim Erwachen gehemmt anstatt gefördert wurde” (Horkheimer/Adorno 1989: 282).

 

V

Grundlegend für die Analyse von Gesellschaft ist ein Begriff von Geschichte, der die Menschen als geschichtsbildend betrachtet. Dabei gibt es keine logische Entwicklung zu immer mehr gesellschaftlicher Vernunft, sondern diese von der Kritischen Theorie als dialektischer Prozess gefasste kulturelle Entwicklung bringt Widersprüche und Konflikte hervor, in denen die Menschen die Vernunft immer wieder neu aushandeln, sie immer wieder zur Reflexion auf die bestehenden Möglichkeiten nötigt, um ihren (utopischen) Gehalt einzulösen. Vernunft ist somit keine festgelegte Kategorie, von der sich die Gestaltung der Praxis einfach ableiten ließe. Wird Vernunft nämlich als auf ein spezifisches Ziel hin zweckgerichtet verstanden, wird sie zur „instrumentellen Vernunft“ (Horkheimer), die Normen oder gar Ideale verabsolutiert und in ihrem Namen Ausgrenzungen, gar Unmenschlichkeit hervorruft (vgl. Demirovic 2005).
Die Frage nach Bildung und Entwicklung der Individuen innerhalb von Gesellschaft ist also auch die Frage nach dem Grad der Institutionalisierung des Bildungssystems, der das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum in der modernen Gesellschaft bestimmt. Dieser durch Institutionen geregelte Rahmen kann demnach enger oder weiter bestimmt sein. Er ist am weitesten definiert, (1) wo allen Beteiligten entsprechende Vernunftfähigkeit zugestanden wird, (2) wo die Anwendung von Macht institutionell und rechtlich so geregelt ist, dass ein freier Diskurs stattfinden kann, sowie (3) eine Anwendung von Gewaltmitteln gegen Beteiligte weitgehend unterbleibt. Dies alles ist nicht der Fall, wo Vernunft abgesprochen wird, Macht und Ohnmacht sich auf unterschiedliche Gruppen verteilen sowie legitimierte Gewaltformen der einen Gruppe gegen die andere den Austausch so strukturieren, dass Herrschaft aufrechterhalten bleibt (vgl. Jantzen 2004, 1998). Wie sich in der historischen Beschreibung gesellschaftlicher Institutionalisierung darstellen lässt, ist ein grundlegender Effekt der Ausdifferenzierung von und des gesellschaftlichen Umgangs mit „Behinderung“ das Absprechen von Vernunft[10]. Wenn aber „Vernunftfähigkeit selbst zu den Grundgütern menschlicher Natur gehört [...] liegt das Problem nunmehr darin, dass unter bestimmten Umständen ein sozialer Zusammenhang verloren geht, in dem die Vergesellschaftung von Vernunftfähigkeit auch sozial als Vernunft erscheint“ (Jantzen 1998: 42). Die Gestaltung der Gesellschaft durch abgetrennte Sphären der Vernunft und Unvernunft hat/te einen Ausschluss zur Folge, der bestimmte Verhaltensweisen als unvernünftig, ja bedrohlich (für die Gesellschaft) charakterisierte (vgl. Basaglia-Ongaro 1985; Castel 1983; Foucault 1994, 1980; Jantzen 2004, 1990; Kastl 2010; Rohrmann 2011) und dies in den Menschen lokalisiert(e) und bekämpft(e).
Rationalität darf nicht zum Ausschlusskriterium werden, derart, sich nicht mit jenen Menschen zu befassen, die den (instrumentellen) Rationalitätsstandards nicht gerecht werden können. Dieses nach Linke (2005) von Kant bis Habermas reichende Problem der Exklusion von Menschen mittels des Konzeptes der Vernunft bzw. Rationalität ist höchst gravierend und es ist bedenklich, dass die verschiedenen Versuche – Linke nennt Levinas und Derrida als Beispiel - das Angesprochensein durch das Antlitz des Anderen, eben die Gerechtigkeit als unendliche Aufgabe zum Teil eher als Irritation der Rationalität, also als Irrationalität wahrgenommen wurden, statt als Möglichkeit, dem Menschen unmittelbarer zu begegnen.[11]
Vernunft ist für die menschliche Kommunikation, aber nicht nur sie, außerordentlich wichtig, wie auch die traditionelle Konzeption der Vernunft, da sie für die Einheit des Verstandes des Einzelnen zu sorgen vermag. Wird die einheitsstiftende Leistung der Vernunft jedoch als einzige Aufgabe der Vernunft verstanden, so ist damit eine gelingende Kommunikation noch nicht unbedingt ausreichend gebahnt. Wichtiger wäre zunehmend zu lernen, mit Überraschungen in der Kommunikation umzugehen und sich dabei nicht einfach auf einen feststehenden Kanon der Vernunft berufen zu wollen. Wir bedürfen der Freiheit, damit wir in der Kommunikation immer wieder neu entscheiden können, wie „die Dinge“ gerecht auszubalancieren wären. „Dann aber ist Freiheit nicht mehr einfach als Konzept der Entgegensetzung zur Natur zu konzipieren, bei der die Freiheit einen feststehenden Kanon von Gründen gegen die Natur durchzusetzen hätte, sondern vielmehr als das Vermögen anzusehen, nötigenfalls zum Behuf gelingender Kommunikation auch einmal auf einheitsstiftende Funktionen für das eigene Selbst und den eigenen Verstand zu verzichten” (Linke 2005: 135). Anhand der langen Rezeptionsgeschichte gewinnt Linke den Eindruck, “dass Vernunft zu einem Mittel der Abwehr bzw. zumindest Exklusion von Menschen benutzt wird, wenn auch deren Wohlgeformtheit für eine abgestimmt funktionierende Gesellschaft von höchster Bedeutung und keinesfalls abzuwählen ist“ (Linke 2005: 115).
Vernunft und Freiheit wären dann die Vermögen, auf kreative und stets neue Weise bereit zu sein, mit den unterschiedlichen Auswahlstrategien der Menschen umzugehen. Mit der Vernunft sind wir, so Linke, noch nicht in der Position der Unendlichkeit, wie das zu manchen Zeiten vermutet wurde, und müssen uns daher daran gewöhnen, dass wir uns in der Kommunikation bisweilen umso mehr der Herausforderung der Endlichkeit stellen müssen. Freiheit wäre dann das Vermögen, diese Nichtunendlichkeit, die zugleich Aufforderung zum unendlichen Handeln ist (das natürlich nicht ganz realisiert werden kann), zu akzeptieren und immer neue Auswahlversuche für eine handelnde Vernunft zu gestalten (Linke 2005: 136).
Vernunft und Freiheit wären ebenso das Vermögen, sich auf die Zerklüftungen des Anderen einzulassen. Vernunft als Fähigkeit zum Erspüren der Besonderheiten des Anderen wäre dann nicht einfach nur ein passives Vernehmen, aber auch nicht Vernehmen im Sinne eines polizeilichen Verhörs, mit der Fragestellung, ob ein imaginärer Kanon der Vernunft eingehalten wird. Freiheit ist bspw. bei Zirfas der Ausgangspunkt, von dem aus auch eine Beschreibung von „Behinderung“ und ihrer Anerkennung starten kann (vgl. Zirfas 1998). Aus der Perspektive der Emanzipation, der Autonomie des Einzelnen innerhalb von Gesellschaft kann es nach Demirovic weder um die Selbstunterordnung der Vernunft unter einen Bereich des Irrationalen noch darum gehen, das endgültige System zu schaffen. Die gesellschaftlichen Widersprüche lassen sich nicht einfach beseite stellen und ignorieren. Sie lassen sich aber auch nicht logisch durch noch so kluge Deduktionen beseitigen. Sie sind kein Denkfehler, sondern konkreter praktischer Widerspruch. Die Erfahrung konkreter Widersprüche sind der Ausgangspunkt und der Anlass dafür, die Verhältnisse in Frage zu stellen, die sie erzeugen. Vernunft wäre der Maßstab die Vielfalt des Lebens in gesellschaftliche Gestaltung einzubeziehen, die Vermittlung von Individuum und Gesellschaft nicht zu einer Seite hin aufzulösen (vgl. Demirovic 2005), sie ist der gesellschaftliche Gradmesser für die Schaffung demokratischer Verhältnisse (vgl. Dahmer 1973; Jantzen 2004).

 

VI

Kritische Pädagogik beschäftigt sich mit spezifischen Fragestellungen, nach Miedema und Wardekker bspw. mit der „sozialen Involviertheit von Erziehung und ihrem unvermeidlichen politischen Charakter in der zeitgenössischen westlichen Gesellschaft“ (Miedema/Wardekker 1999: 93). Ein wesentliches Kennzeichen ist die Vermittlung von Wissen und die Produktion von Personen, die sich in die gesellschaftlichen Strukturen ohne Probleme anpassen können. Die scheinbare logische Konsequenz der Persönlichkeits-Bildung kann nicht als mögliches Ergebnis angenommen werden. Die Bildung ist eine der „Halbbildung“ als Einübung in die bereits existierende Gesellschaft. Die Rolle der gesellschaftlichen Strukturen wird durch die Kritische Pädagogik nicht geleugnet, sind sie doch wesentlich für eine Gesellschaft, die nur durch Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten innerhalb spezifischer Institutionen Wissen transparent macht. „Denn es ist die Kultur, die den Menschen über den Stand des Tieres hebt und ihn von dem Zwang der gegebenen Situation befreit und somit ein geplantes, verständnisvolles, vernünftiges Verhalten möglich macht. Die kulturelle Konstruktion von Sinn macht, indem sie internalisiert wird, Entwicklung und die Identität einer Person möglich.“ (Miedema; Wardekker 1999: 95) Lernen und Entwicklung stehen in einem besonderen Verhältnis zwischen dem Individuum und den „objektiven kulturellen Werten“. Identität ist als aktive Konstruktion des Individuums anzusehen. Die Individuen benutzen und verändern die Kultur, in der sie sich befinden. Der kulturelle Kontext bestimmt die Un/Möglichkeiten der Bildung personaler Identität. Persönlichkeitsbildung ist in der Kritischen Pädagogik kein transzendentes Prinzip sondern ein widersprüchliches Ideal. Das Bildungsziel einer selbstidentischen und konsistenten Person wird als Ziel jedoch nicht verleugnet, wesentlich im Gegensatz zur gesellschaftlichen Zweckrationalität. Die Antworten auf die damit gestellte Frage der Verwirklichung dieses Ideals einer konsistenten Person sind daher von Bedeutung und auch die Frage nach den Gründen der Verhinderung. Mündigkeit wäre bspw. der beständige Stachel im Bildungssystem und das Kriterium bzw. die Reflexionsinstanz dafür, dass Schule innerhalb von Gesellschaft vernünftig eingerichtet ist.
Ausgangspunkt ist in der Kritischen Erziehungswissenschaft das unterstellte Interesse aller an einer vernünftigen Organisation der Lernprozesse als Aneignung des kulturellen Erbes - kurz der Integrationsanspruch des Bildungsystems als Ermöglichung von Mündigkeit. “Eine im Sinne der Kritischen Theorie konsequente Erziehungswissenschaft geht davon aus, dass Schule in der bürgerlichen Gesellschaft sich weder durch ihre Systemfunktionalität noch durch die Berufung auf pädagogische Normen allein legitimiert, sondern durch ihren Anspruch, zwischen beidem erfolgreich vermitteln zu können, also zugleich die pädagogischen Normen Subjektivität, Mündigkeit und Autonomie durchsetzen und systemfunktionale Individuen formen zu können” (Dammer 2008:20). Zu sehen ist, dass Schule als Institution mit ihrem Verzweigungen bzw. Schultypen und mit ihr jede eingerichtete Sonderschule die Frage von Mündgkeit und Autonomie sehr spezifisch beantwortet. Nimmt man die Frage der Funktion, also der Inklusion/sozialen Integration, wird deutlich, wie sehr Schule die Autonomie der einzelnen Schülerinnen behindert.[12] So wird auch deutlich, was dies mit Teilhabe, auch und besonders die Frage der Aneignung und Gerechtigkeit zu tun hat (vgl. Ritsert 2004, Schnurr 2011, Weisser 2012)[13].
Nachdem die Arbeitsverhältnisse ihre Dauerhaftigkeit verloren haben und immer mehr Flexibilität der Einzelnen erfordern, ist die Institution Schule diejenige, deren Wirkungen am nachhaltigsten sind.[14] Je länger die Verweildauer, und dies sind zwischen 8 und 13 Jahren, umso mehr Anpassung wird erzwungen, mit mehr oder weniger drastischen Maßnahmen. Dass die zur Teilhabe an Gesellschaft notwendige Bildung innerhalb der Institution Schule erworben wird, verleitet zum Fehlschluss, dass es nur in diesem vorgefundenen Rahmen funktioniert. Die Ausnahmen, nämlich diejenigen, die sich nicht anpassen müssen, die einen, weil sie sich jegliche Bildung kaufen können oder die anderen, bei denen dies schlicht egal ist, verweisen auf das oben beschriebene Profitmotiv. Die einen können mit anderen Mitteln die Teilhabe an der Gesellschaft erreichen, während die anderen nahezu gänzlich ausgeschlossen werden, durch Einschluss Institutionen des Sozialsystems wie Komplexeinrichtungen, Dorfgemeinschaften, Psychiatrien, Pflegeeinrichtungen, Werkstätten. Es erscheint mir eine Überlegung wert, dass bei gelungener Sozialisation, was auch immer das ist, von der Leistungsfähigkeit der systematischen Erziehung ausgegangen wird, während im umgedrehten Falle, das Versagen den einzelnen Schüler_innen in die Schuhe geschoben wird, was ähnlich auch für die Arbeitsverhältnisse zutrifft.
“Auch wenn „Subjektivität“ und „Mündigkeit“ bezeichnenderweise im gegenwärtigen pädagogischen mainstream kaum noch auftauchen, erscheint es gleichwohl zunächst wenig plausibel, „Subjektivität“ zu einer im eben genannten Sinne gefährdeten Kategorie zu erklären, leben wir doch – so der Tenor vieler soziologischer Studien – in einer Epoche der Individualisierung. Dies ist zwar richtig, jedoch nicht nur als ein gesellschaftliches Zugeständnis an die Subjekte, sondern auch als ein Zwang mit weit reichenden Folgen zu verstehen, wie R. Sennett exemplarisch in seinen Fallstudien zum flexiblen Menschen zeigt. Dieser neue Bürgertypus, den Sennett in unterschiedlichen sozialen Milieus findet, erlebt Individualisierung als die Nötigung, seinen Lebensentwurf dauerhaft an die rapide sich verändernden Reproduktionsbedingungen des globalisierten Kapitalismus’ anzupassen. Er ist um seines Selbsterhalts willen gezwungen, gegebenenfalls private, soziale oder kulturelle Bindungen aufzugeben und mit der permanenten Entwertung seiner Erfahrungen und Fähigkeiten zu leben, aus deren Kontinuität erst das konkrete Bild einer individuellen Persönlichkeit entstehen kann. Das einzig stabile Merkmal dieses Typus’ ist eben seine Flexibilität, mit der das Risiko des Scheiterns auf ihn allein abgewälzt wird” (Dammer 2008:10).

 

VII

Mit der Frage der Bildung ist der zentralste Begriff der Pädagogik angesprochen und damit welchen Gehalt sie in der Gesellschaft hat oder haben soll. Bildung als dynamisches emanzipatorisches Projekt von Pädagogik muss immer wieder neu entscheiden, was deren Inhalte sind. Er umfasst die gesamte menschliche Gattung und damit gesellschaftliche Entwicklung ebenso wie die spezifische individuelle innerhalb einer Gesellschaft. Sie ist daraus folgend ein vor allem auch praktisches Problem der Verwirklichung von Emanzipation. Hier ist die Anlehnung an die Kritische Theorie offensichtlich, denn mit der Analyse der gesellschaftlichen Widersprüche als Selbstreflexion wird es möglich andere Entwicklungsperspektiven zu gewinnen (vgl. Miedemma/Wardekker 1999).
Hier sind aber auch die Schnittpukte von Allgemeiner Pädagogik und Inklusionspädagogik zu suchen und besonders von letzterer auch einzufordern (vgl Moser 2003), selbst wenn sie nur zwei unter mehreren Disziplinen sind. Denn: von ihrer Sicht auf Bildung und die Institution Schule können alle Kinder und Jugendlichen profitieren. Gegenüber der „Erziehung“ besitzt der Bildungsbegriff den Vorteil das Paradoxieproblem der Erziehung zu thematisieren. Damit die Menschen ihren Grund in sich selbst finden, wie Schäfer formuliert, das heißt, ihre Autonomie, muss ihnen im gesellschaftlichen Rahmen mit Hilfe von Bildung die Möglichkeit gegeben werden, ihre individuelle Persönlichkeit auszuformen. Die Bildungstheorie als wissenschaftliche Beobachtung betrachtet die Personwerdung unter dem Gesichtspunkt der Eigenaktivität des sich Bildenden innerhalb der jeweiligen Kultur. Deshalb ist sie immer kritisch gegenüber den pädagogischen Verantwortungs- und Steuerungsansprüchen, die durch die gesellschaftliche Instanz der Pädagogik an das Individuum herangetragen werden. „Es geht um die Angabe von Bedingungen, die einen Prozess der Selbstbildung möglich machen sollen“ (Schäfer 2005: 154). Gefragt wird damit nach den optimalen (gesellschaftlichen) Voraussetzungen, und das für Alle, die Personwerdung selbst bleibt aber an das „sich bildende Selbst“ gebunden, was ebenso für Alle, auch die Person im Wachkoma gilt.
Bildung ist demnach keine ausschließliche Aufgabe der Pädagogik in dem Sinne, dass sie möglichst perfekt und zwingend zu gestalten ist, sondern reflexiv als Erfahrung. Erfahrung wiederum kann nicht als kumulatives Modell verstanden werden, im Sinne einer stufenweise erweiterbaren Persönlichkeit. Das Ergebnis der Erfahrung ist nach Schäfer im Anschluss an Adorno immer eine doppelte Fremdheit, eine zur Welt und zu sich selbst. Erst wenn diese doppelte Differenz wahrnehmbar ist, spricht Adorno laut Schäfer von Bildung. Adorno wendet sich damit gegen das „identifizierende Denken“, als eindeutige und endgültige Bestimmung der Vorgänge in der Welt. „Das – und damit ein anderes Verhältnis zur Welt wie zu uns selbst in ihr, ein Verhältnis, das nicht auf einer Selbst und Welt verdinglichenden Selbstbehauptung beruhen würde – wäre für Adorno das Kennzeichen einer gelingenden, einer bildenden Erfahrung“ (Schäfer 2005: 166). Man muss sich, so Schäfer der bleibenden Fremdheit von Selbst und Erfahrung stellen. „Man kann nicht anders als zu versuchen, die Welt in Begriffe zu fassen. Die Grenzen des begrifflichen Denkens zeigen sich in seinem Vollzug: Erst mit ihm wird deutlich, dass die Welt im Begriff nicht aufgeht. Dieser Nichtidentität gerecht werden zu wollen, setzt eine Distanz des erkennenden Subjekts sich selbst gegenüber ebenso voraus wie gegenüber der vermeintlich erfassten Welt“ (Schäfer 2005: 167 FN). Schäfer verweist auf die Nachträglichkeit und die Reflexion, durch die sich diese Differenz ein Stück weit wieder einholen lässt und sich das Selbst vergegenwärtigen kann, Hörster wiederum ergänzend darauf, dass der Bezug zu einer „höheren Bildung“ nicht tragfähig ist, auch nicht in einer Idealisierung von bestimmten Inhalten (Hörster 2002). Ergänzend hinzuzufügen wäre vielleicht die Reflexion der gesellschaftlichen Erfahrung, die besonders für Sonderschüler_innen durch Ausschluss, Stigmatisierung, Diskriminierung gekennzeichnet ist. Will man Behinderung kennzeichnen, ergibt sich angelehnt an die Erkenntnisse der Disability Studies das Wechselspiel von “Behindert-Werden” und “Behindert-Sein”, nicht als essentialistisches individuelles Merkmal, sondern als Wahrnehmung persönlicher und sozialer Grenzziehungen. Dies ist auch in und durch Schule möglich. Wird Bildung ernst genommen, sind die Dinge erfahrend zu durchdringen vom Lernenden selbst und in der je individuellen Weise. Bildung glückt dort, wo die Individuelle zur Allgemeinen Kultur beiträgt. Dies gilt auch für Kinder und Jugendlichen mit Erfahrungen im Sinne der Disabilitiy-Studies, die genau die “Erfahrung von Behinderung” in den Erfahrungszusammenhang Schule einbringen könn(t)en. Die individuellen Interessen und Anlagen zu bilden, kann so helfen die Gesellschaft kultivierter zu machen, auch wenn dies als Ideal gefährlich ist. Denn mit ihr drohen all jene zur Unvernunft abgestempelt zu werden, die dem Ideal nicht entsprechen. Aber es verweist erneut auf den sozialen Bezug, der mit aller Individualität verbunden ist (vgl. Gruschka 1988; Schäfer 2005). Aber gerade der individuelle Umgang und der anschließend geteilte Erfahrungshorizont sind die wesentlichen Mechanismen einer Bildungstheorie, die den Kindern und Jugendlichen ein „bei der Sache sein“, Sprache, Urteil, Kritik in ernsthafter Auseinandersetzung mit den Dingen, die sie selbst angehen wollen, ermöglicht (vgl. Gruschka 1994). Lernen ist die Vorstufe für Erfahrungen, kann sie jedoch nicht ersetzen. Dies wird besonders an den Inhalten der Sonderschulen deutlich, wo letztlich doch auch nur für die lebenspraktischen Dinge gelernt wird oder überhaupt keine Abschlüsse mehr im Vordergrund stehen.

 

VIII

Im Rückgriff auf Rousseus Erziehungsroman Emile zeigt Dammer, dass Pädagogik in einem Spannungsverhältnis gefangen ist, was sich als Anpassung an gesellschaftliche Fungibilität auf der einen Seite und dem legitimen Anspruch auf individueller Entfaltung auf der anderen Seite charakterisieren ließe.[15] Die gesellschaftliche Legitimation von Schule besteht also nochmals weder in der Erfüllung moralisch-expressiver Normen noch in der Durchsetzung funktionaler Norm allein, sondern im Anspruch der Vermittlung zwischen ihnen. Daran muss sich auch „inklusive Pädagogik“ messen lassen. Betrachtet man das Bildungssystem, so wird offensichtlich, dass Integrationspädagogik ihren Fokus auf die Grundschule legte und dort Erfolge vorzuweisen hat, während ab der Sekundarstufe die Zahl der integrativ beschulten Kinder ebenso abnimmt, wie die Anzahl der integrativen Schulversuche. Damit bleibt die strukturelle Logik der gesellschaftlichen Normalität von Integration durch Selektion erhalten, wobei die Kritik an diesem selektierenden Schulsystem vornehmlich durch die Integrationspädagogik getragen und durch die UN-Behindertenrechtskonvention nochmals verstärkt wurde.[16] „Der Unterschied zwischen dem Inklusions- und Integrationskonzept besteht darin, dass diese Diskriminierung nun nicht mehr gruppenspezifisch kritisiert und überwunden werden soll, sondern gesamtgesellschaftlich, wobei, wie es scheint, der Pädagogik eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird“(Dammer 2012:368). Welche Funktion Schule hier übernimmt, bereit ist zu übernehmen bzw. ihr zugeschoben wird, ist auch Diskussionsgegenstand ihres disziplinären Verständnisses. Nur: “Jenseits aller richtigen Einsichten eines Parsons, Dreeben und Fend in die objektiven gesellschaftlichen Funktionen von Schule scheint ihre Hauptaufgabe darin zu bestehen, dass sie den Anspruch aufklärerischer Pädagogik, Individualität für den wahren Fortschritt der Gesellschaft zu entfalten, möglichst glaubhaft verkörpert bzw. von sich behauptet, die dabei gesellschaftlich entstehenden Widersprüche kitten zu können” (Dammer 2012: 374).
Ist Heterogenität und der kreative Umgang mit ihr als einer der zentralsten Eigenschaften, die Inklusion zugeschrieben werden, ernst gemeint, sind homogene Altersgruppen ebenso in Frage zu stellen wie homogene Leistungsgruppen oder spezifische Sondereinrichtungen. Jenseits aller ideologischen Sichtweisen auf die Funktion von Schule sind die Vorteile von “Diversity” klar zu benennen. Hier kann in einem klar strukturierten Rahmen all das gelernt werden, was Manager bspw. aktuell in Weiterbildungen und Coaching-Seminaren nachholen und unter dem Titel der “soft-skills” verhandelt wird. Selbst unter dem Stichwort Prävention lassen sich die Vorteile erahnen: Umgang mit Vielfalt erhöht die Kreativität, die Resilienz gegenüber Unwägbarkeiten und Krisen und das Wissen über Lernwege und -strategien, die mitunter einmalig sind. Die Frage der Gewichtung von Bildung innerhalb der Lebenswege und der ihr zugeschriebenen Wirkungen lässt sich hier anschließen. Und: Es lässt sich auch verstehen, weshalb sich sowohl Lehrende als auch Schüler_-innen der zahlreichen Sonderschulen gegen ihre Schließung wehren. Sie haben dort ihre “Nische”, in der es nicht mehr um Leistung oder Noten geht. Dies für alle Kinder und Jugendlichen anzustreben, mindestens für eine gewisse Zeitspanne, wäre ein nicht unwesentliches Ziel.
Zusammenfassend sieht Dammer die Inklusionspädagogik vor das Problem gestellt, das Erbe der Integrationspädagogik anzutreten, ohne deren Problematiken lösen zu können. Zeitdiagnostisch aber könnte mit Inklusionspädagogik eine Schulstrukturdebatte wiederbelebt werden, „also ein integriertes Schulsystem zu fordern, das offensichtlich nicht verwirklicht werden konnte oder sollte, obwohl seit rund einem halben Jahrhundert in vielen Studien dessen Chancenungerechtigkeit nachgewiesen wurde. Eine solche Strukturdebatte hätte inzwischen eine andere Qualität als vorher, die auch die normative Emphase des Inklusionsdiskurses rechtfertigen könnte, denn das gegliederte Schulsystem steht heute vor einem strukturellen Problem, das längerfristig seine Legitimität gefährden könnte“ (Dammer 2012:376). Kurz: Hier geht es um das Bildungssystem als Ganzes. Es ist also die Frage zu stellen, wie ein inklusives Schulsystem aussehen soll, wenn die Vermittlung von Norm und ethischem Anspruch gelingen soll. Dabei wären Vorstellungen zu formulieren, die wenn auch nur vorübergehend, festlegen, ob und wie lange Alle Kinder in einer “Schule für Alle” lernen sollen und wie dies methodisch ausgestaltet werden soll. Damit geht es dann ganz unweigerlich um Konzepte der Inklusionspädagogik, die allen Kindern zu gute kommen.
Zu bedenken ist aber, dass schulische Inklusion keine gesellschaftliche Integration garantieren kann, zumal darüber auch nicht in der Schule allein entschieden wird. Andererseits bleibt ohne den gesellschaftlichen Bezug unklar, in welche gesellschaftliche Totalität inkludiert werden soll, woran die künftigen Bürger teilhaben sollen, worauf das stationäre Sondersystem der Behindertenhilfe immer wieder verweist. Beispiel ist auch der Selbstbestimmungsdiskurs, der von allen Individuen fordert die individuelle Anpassung an Gesellschaft selbst zu vollziehen, ohne die „homogenisierende Kraft der ökonomisch bestimmten Kultur- und Identitätsindustrie, vor allem aber der (Lohn-)Arbeit unterschätzt” (Dammer 2012:377; vgl. auch Waldschmidt 1999). Dies ist Inklusionspädagogik erst, wenn sie die Gewalt der Norm, die im Gewande der Individualisierung daherkommt, analysiert und bedenkt, welche Anpassungsleistung oder welches Nicht-Mitmachen-Können die Forderung nach pädagogischer Teilhabe aller an einer pädagogisch konstruierten Gemeinschaft impliziert. „Eine sich so verstehende Inklusionspädagogik könnte ihre Energie dann auf den Entwurf (und nicht nur das Postulat) eines Gesellschaftsmodells verwenden, in dem man, wie Adorno es einmal formulierte ‘ohne Angst verschieden sein’ kann und zwar nicht nur in der Schule“ (Dammer 2012:378). Einzufordern ist eine Bildung für Alle, ganz gleich, welchen Arbeitsplatz die Person später einnehmen sollte. Diese Intention ist gegen die Ausrichtung der Bildungsidee an einer Schicht von Gymnasiasten, die doch nur Spezialistentum und Halbbildung hervorbringt, weil sich nur an Inhalten orientiert wird, nicht am bewussten Umgang mit ihnen in förderlichen sozialen Umwelten. Aufgabe einer Inklusionspädagogik ist, dies konkret zu benennen und welche Voraussetzungen im Bildungssystem dabei erfüllt werden müssen.

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[1] Ein Hinweis darauf scheint mir zu sein, dass es immerhin die 25. Tagung war, bei der noch immer die Sonderpädagogen praktisch unter sich bleiben. Vielleicht auch deshalb das Stillschweigen gegenüber manchen Tatsachen, die relativ neue Zuhörer_innen vielleicht vermissen oder kennenlernen sollten.

[2]Der englische Dramatiker Bond hat dies als fünfte Dimension bezeichnet und darauf verwiesen, dass diese Dimension immer wieder neu herzustellen ist: durch die Gestaltung der menschlichen Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturen (Bond 2001). Und sie ist eben nicht das bloße Nachdenken darüber, sondern deren Verwirklichung im Leben. „Entsprechend zeigt die Genesis der gesellschaftlichen Verhältnisse als Prozeß der Herausbildung der Noosphäre, von Arbeit und Kultur, Sprache und Produktion usw. nicht nur eine auf die Bedeutungssphäre bezogene Genesis der Vernunft sondern ebenso auf die Herausbildung von sinnbildenden Instanzen und Zentren im sozialen Verkehr“ (Jantzen 2004: 264).

[3] Bestimmen heißt mit Ritsert (1988) im Anschluss an Adorno keine festgelegten Entwicklungspfade, bedeutet aber die Einschränkung der “Bedingungen der Möglichkeit”.

[4] Hier ist die sozialphilosophische und gesellschaftstheoretische Frage der Teilhabe zu verorten. Wie Weisser (2012) und Schnurr (2011) darlegen, ist die demokratische Gestaltung der Institutionen entscheidend. Teilhabe kann als radikal demokratisch und damit immer wieder neu ausgehandelt werden oder ist durch eine pragmatisch-instrumentelle Haltung in formalen Strukturen fest gebunden.

[5] Hier deutet sich an, was die systemtheoretische Inklusion vermissen lässt: Geht man von Inklusion und Exklusion als „normale“ Erscheinungen aus, fällt die Normgröße weg, die jedoch unerlässlich ist und sich in allen Gesellschaften findet. Deshalb kommt Dammer hier auch auf die Frage der „Normalität“ zu sprechen. Der Bezug zu Foucault und Link ist hier unabdingbar. Hirschberg hat dies für die WHO-Definition von Behinderung anschaulich gemacht.

[6] Hier gibt es eine Nähe zu Demirovic` Verständnis von Gesellschaft als zeitliche Übereinkunft der Mitglieder einer Gesellschaft, auch wenn dieser „Kompromiss“ auf herrschaftlichen Prozessen beruht und Emanzipation noch immer zu verwirklichen ist.

[7] Dies ist sowohl denkbar in Hinsicht auf die Frage von ambulanten Wohnformen, die durch die Eingliederungshilfe angeboten werden können oder nicht, als auch hinsichtlich der Frage des Bldungssystems als Selektionsinstanz gesellschaftlicher Rollenzuweisungen. Dies bedeutet: Die Norm der Inklusion wird durch die stationären Hilfeleistungen ebenso verfehlt wie die Zerklüftungen des Schulsystems. Normalisierung heißt dann eben Segregation, weil der Umgang mit Differenz anders nicht gedacht werden kann. Das ist vor allem mit Bezug auf Foucault und Link als Normalismus gekennzeichnet worden und bspw. von Hirschberg (2002) in der Behinderungsdefinition der WHO gut herausgearbeitet.

[8] Für Bildung bedeutet dies bspw. dass ihre Charakterisierung als “Halbbildung” (Adorno) für alle dem Bildungssystem unterworfenen gleichermaßen gilt, auch wenn einzelne diesem Bild nicht entsprechen. Der Zusammenhang von Schule und Gesellschaft kann mit Dahmer entsprechend als Emanzipation von der Arbeitsgesellschaft gekennzeichnet werden.

[9] Dies ist genau betrachtet keine Kritik an Inklusion oder auch Teilhabe als Konzept oder Modell, sondern der Hinweis auf die Analyse der gesellschaftlichen Praktiken bzw. Vermittlungsprozesse, die z.B. das Normalisierungsprinzip dahin missverstehen, dass Normalisierung Anpassung an die Normalität bedeutet . Weiterhin ist daraus zu entnehmen, dass es keine (!) Grenze der Inklusion geben darf, sondern nach den Grenzen der Institution(en) gefragt werden muss.

[10] Wesentlich hervorgebracht durch das Medizinsystem und ihren sezierenden Blick, gewonnen aus der Pathologie und der Übertragung auf Lebendiges. Die Verquickung von Diagnose der Behinderung und medizinischem Blick ist noch immer gegenwärtig, wenn auch differenzierter und gebrochener.

[11] Hier ist die Frage der Ausschließuung relevant, die besonders durch die Instutionalisierung reflektiert werden muss und ob Institutionen bzw. Organisationen die Aneigung gesellschaftlicher Errungenschaften ermöglichen oder verhindern.

[12]    Auch hier nochmals: Es geht nicht darum, Sonderschulen pauschal abzuwerten und ihnen Qualität abzusprechen. Die Frage bleibt aber bestehen: Welchen Anteil an gesellschaftlichen Errrungenschaften können sich Schüler_innen der Sonder- oder Förderschulen aneignen, welcher wird ihnen zu Teil. Gleiches gilt für die außerschulische Behindertenhilfe und ihre Ausrichtung auf stationäre Angebote für Wohnen und den Werkstätten für das Arbeiten.

[13] Für Schnurr (2011) ist bezüglich der Sozialen Arbeit eine wesentliche Dimension von Teilhabe deren Erlernen innerhalb des Bildungssystems unter dem Aspekt der demokratischen Mitbestimmung. Dahingehend weisen die Insitutionen des Bildungssystem erhebliche Defizite auf bzw. orientieren sich an einem pragmatischen Partizipationsbegriff, der den Individuen Nichtteilnahme unterstellt, ohne zu berücksichtigen, dass diese in den ungenügenden Strukturen zu suchen ist.

[14] Mit Dahmer (1973) ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass Demokratisierung und Emanzipation erst dann voll durchgesetzt werden können, wenn die Frage der Lohnarbeit zur Diskussion steht. Auch hier sind die Behinderten ein guter Gradmesser, denn ihre scheinbare “Minderwertigkeit” als Arbeitskraft wirft immer wieder die Frage auf, was man mit ihnen macht. Hier wird dann auch offensichtlich, dass ganz viele Projekte in Werkstätten und Wohnheimen sehr kreative künstlerische Ideen entwickeln und umsetzen. Hier sind Nischen der Beschäftigung mit anderen Dingen als Stückzahlen, Unterordnung unter Arbeitsdisziplin und können eben auch auf die Schule übertragen werden, wo es nicht mehr darauf ankommt, Leistungen und Noten zu vergeben, sondern sich am gemeinsamen Gegenstand Zugang zur Kultur zu erabeiten und Lernwege zu erproben.

[15] Gruschka (2011; 1988) weist darauf hin, dass damit ein spezifischer Erziehungsbegriff verbunden ist, der nicht auf Zucht und Disziplin ausgerichtet ist, sondern auf den Widerspruch von “Bildung und Herrschaft”, der in den Strukturen angelegt ist. Am deutlichsten wird dies im sogenannten “heimlichen Lehrplan”, der wesentlichen Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen ausübt.

[16] Dies sehen Rohrmann/Schädler (2011) für die außerschulische Debatte ähnlich. Die Behindertenrechtskonvention nimmt das auf, was seit Jahrzehnten benannt wird.