Marianne Hirschberg: Die überaus fähige Lehrkraft. Zur Wirkungsweise von Ableism in der Subjektivierung von Lehrkräften

Abstract:„Mit ein bisschen Entgegenkommen ist er eine vollwertige Lehrkraft“ (Mentor über seinen blinden Referendar, ZEIT 2011: 3). Was sagt dieses Zitat aus? Ist der Referendar mit ein bisschen Entgegenkommen eine vollwertige Lehrkraft, weil durch das Entgegenkommen seine Blindheit oder sein Referendarstatus ausgeglichen werden? Dass es sich um den Ausgleich der Blindheit oder zumindest um die Kombination dieser und des Referendarstatus geht, lässt sich durch die Lektüre des gesamten Artikels feststellen. Die Beurteilung der Blindheit des Referendars als Merkmal, das Entgegenkommen durch den Mentor verlangt, lenkt den Blick auf die Frage, wie Behinderung  im (aus-)bildungspolitischen Diskurs von Lehrkräften konstruiert wird.[1] Inwiefern die Aussage auf Ausbildungs- und Einstellungsanforderungen an behinderte Menschen als Lehrer_innen verweist, wird hinsichtlich des Umgangs mit gesellschaftlicher Differenz erörtert. Zur Beantwortung dieser Frage wurden bundesweite Stellenausschreibungen, Studiengänge, Einstellungsmerkblätter und Bildungsprogramme diskursanalytisch untersucht, wie und ob die klassischen Differenzkategorien der Cultural Studies Race, Class und Gender, und darüber hinaus Dis_ability, sexuelle Orientierung, Alter und Religion/Weltanschauung gemäß des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG 2006) als Charakteristika von Lehrkräften thematisiert werden. Verbunden mit der Konstruktion des Lehrkraft-Subjekts wurden unter Rückgriff auf Ansätze der Gouvernementalitätsforschung die Anforderungen an Lehrer_innen analysiert, sich überaus kompetent zu erweisen.

Stichwörter: Lehrer_innen – Ableism – Subjektivierung – Differenz – Behinderung

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Gleiche Chancen für Ausbildung und Einstellung?
  3. Theoretische und methodische Forschungsweise
  4. Analyse: Einstellungspolitiken für Lehrkräfte
  5. Schlussfolgerungen
  6. Literatur

1. Einleitung

 „Mit ein bisschen Entgegenkommen ist er eine vollwertige Lehrkraft“ (Mentor über seinen blinden Referendar, ZEIT 2011: 3). Was sagt dieses Zitat aus? Ist der Referendar mit ein bisschen Entgegenkommen eine vollwertige Lehrkraft, weil durch das Entgegenkommen seine Blindheit oder sein Referendarstatus ausgeglichen werden? Dass es sich um den Ausgleich der Blindheit oder zumindest um die Kombination dieser und des Referendarstatus geht, lässt sich durch die Lektüre des gesamten Artikels feststellen. Die Beurteilung der Blindheit des Referendars als Merkmal, das Entgegenkommen durch den Mentor verlangt, lenkt den Blick auf die Frage, wie Behinderung  im (aus-)bildungspolitischen Diskurs von Lehrkräften konstruiert wird.[2] Inwiefern diese Aussage auf Ausbildungs- und Einstellungsanforderungen an behinderte Menschen als Lehrer_innen verweist, wird hinsichtlich des Umgangs mit gesellschaftlicher Differenz erörtert.
Im Folgenden werden bildungspolitische Diskurse staatlicher bzw. öffentlicher Akteure untersucht, die sich besonders in Regelungen zu Ausbildungs-, Einstellungs- und Beurteilungspolitiken von Lehrkräften manifestieren. Hierbei wird fokussiert, wie die klassischen Differenzkategorien der Cultural Studies (Race, Class und Gender) sowie Dis_ability bzw. Nicht_Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung und Religion/Weltanschauung thematisiert werden (vgl. AGG 2006). Wie wird mit personenbezogenen Differenzen in den Regelungen umgegangen: Werden Kategorien besonders betont oder gerade nicht erwähnt? Es soll diskursanalytisch untersucht werden, welche Auslassungen und Hervorhebungen in den Diskursen, Regelungen und Praktiken der staatlichen Akteure bestehen (zur wissenssoziologischen Diskursanalyse vgl. Keller 2004). Wie werden die Vorstellungen von fähigen Lehrer_innen bildungspolitisch konstruiert? Welche Schlussfolgerungen sich hieraus ziehen lassen, wird theoretisch unter Rückgriff auf das Konzept des Ableism sowie auf die Disability Studies erörtert. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden von Lehrer_innen gefordert? Um die Subjektivierung von Lehrkräften in den Einstellungs- und Ausbildungsanforderungen zu untersuchen, wird auf das Konzept der Selbsttechnologien von Michel Foucault und die an ihn anschließende Gouvernementalitätsforschung zurückgegriffen. Die hier dargestellte Analyse zeigt, dass Differenz von Lehrer_innen und Lehramtsanwärter_innen unterschiedlich erwünscht ist. Alle begegnen jedoch ableistischen gesellschaftlichen (hier besonders staatlichen und öffentlichen) Mechanismen und sind aufgefordert, sich selbst gemäß den berufsbezogenen Anforderungen zu verhalten und produktiv zu führen.

2. Gleiche Chancen für Ausbildung und Einstellung?

„Lehrerinnen und Lehrer leisten einen zentralen Beitrag zur Verwirklichung von Chancengleichheit“ in der Vermittlung, Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen (wie in den Anforderungen der Hamburger Schulbehörde (2009) für Lehrkräfte formuliert). Chancengleichheit ist nicht nur bildungspolitischer Impetus und charakteristisch für das Selbstverständnis demokratischer Gesellschaften wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Hamburger Schulbehörde macht deutlich, dass Lehrkräfte über ihren Unterricht Chancengleichheit realisieren sollen bzw. eine tragende Funktion bei der Vermittlung der Idee der Chancengleichheit haben: Kinder und Jugendliche sollen lernen, dass allen die gleichen Chancen im Bildungswesen und darüber hinaus in der Gesellschaft gewährt werden sollen. Mit diesem Anliegen der Hamburger Schulbehörde soll auch die Heterogenität der Lerngruppe thematisiert werden.
Wird dieser Anspruch jedoch auf Lehrkräfte transferiert, so ist zu fragen, ob allen interessierten Anwärter_innen am Lehramt gleiche Chancen auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz im deutschen Bildungssystem ermöglicht werden. Ist dies der Fall oder bleibt der Anspruch eine Illusion der Chancengleichheit, wie Pierre Bourdieu und Jean Claude Passeron bildungssoziologisch für die französische Gesellschaft analysiert haben (vgl. deren wegweisenden Aufsatz von 1971)? Meritokratisch ist das Chancengleichheitskonzept immer mit Leistungserwartungen an den bzw. die Einzelne verbunden (vgl. zur Kritik an dem Konzept Heike Solga 2009: 63ff.). Auch das Bildungssystem institutionalisiert Ungleichheiten und blockiert Chancen, „die weit verbreitete Auswahl nach Leistung trägt damit zugleich zum Erhalt und zur Stärkung des meritokratischen Glaubens bei“, so Solga in ihrer Analyse (ebd. 72). Transferiert auf Ausbildungs- und Einstellungsbedingungen von Lehrkräften im deutschen Schulwesen ist jedoch zu fragen, ob die staatlichen, institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen darauf ausgerichtet sind Chancengleichheit im Lehrerberuf anzustreben oder zu ermöglichen.

3. Theoretische und methodische Forschungsweise

3.1. Diskursanalytische Herangehensweise

In der Diskursforschung werden Texte als materiale Manifestationen gesellschaftlicher Wissensordnungen und damit als wichtige Grundlage einer wissenssoziologischen Rekonstruktion der Produktion, Stabilisierung und Veränderung kollektiver Wissensbestände aufgefasst (vgl. Reiner Keller 2004: 74). Die Diskursforschung interessiert sich für Aussagen, Praktiken und Dispositive als Manifestationen der strukturierten Prozessierung umstrittener gesellschaftlicher Wissensvorräte. Diskurse stehen in einem interdiskursiven Kontext mit historisch diachronen und synchronen Diskursformationen, die sukzessive aus einzelnen Aussagezusammenhängen rekonstruiert werden. Diskursanalysen greifen zu Informations- und Interpretationszwecken auf unterschiedliche Formen des Kontextwissens und zugänglicher Materialien über das Forschungsfeld zurück, um ihre Fragestellung zu bearbeiten.
Der Gegenstand der Analyse setzt sich zusammen aus den Regelungen, Bedingungen und Aussagen der Bildungsministerien bzw. -behörden etc., die im Frühjahr 2014 gültig waren. Hierbei habe ich mich auf im Internet vorhandene Webseiten gestützt. Ausgewählt wurden Webseiten der Bildungsministerien und -behörden, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BaMF) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), exemplarisch aber auch solche von Universitäten als Ausbildungsinstitutionen öffentlichen Rechts sowie relevante Bildungsprogramme der ZEIT-Stiftung. Die Materialien wurden nach dem Prinzip der maximalen und minimalen Kontrastierung ausgewählt (vgl. Keller 2004: 88f.). Im Mittelpunkt stehen die Regelungen der staatlichen Institutionen, die durch die ZEIT-Stiftung als wichtigem bildungspolitischem Akteur flankiert werden. Der Aussagezusammenhang wird durch verschiedene Leitfragen rekonstruiert, u.a. wird danach gefragt in welchen Kategorien und/oder Argumenten das Thema in Texten behandelt wird, was Kernbestandteile der Aussage sind, welche Aussage- oder Begriffswiederholungen es gibt (vgl. Keller 2004: 98). So wird die Untersuchung, wie Lehrkräfte bildungspolitisch in den Diskursen, Regelungen und Praktiken der Akteure konstruiert werden, durch die Frage geleitet, welche Differenzkategorien wie thematisiert werden. Besonders beachtet wird, welche Hervorhebungen und Auslassungen hierbei vorgenommen werden. Diese verweisen auf implizite, mit ihnen einhergehende Bewertungen und sind charakteristisch dafür, wie Vorstellungen über Lehrer_innen in den ausgewählten Materialien (re-)produziert werden.
Der genannte Zeitpunkt wurde ausgewählt, um die Einstellungs-, Ausbildungs- sowie Beurteilungsbedingungen fünf Jahre nach dem rechtlichen Inkraftreten der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN BRK) in Deutschland (26.03.2009) zu untersuchen. Der Fokus liegt – wie einleitend ausgeführt – jedoch auf der Frage nach Bedingungen für ein inklusives Kollegium und nicht nach Möglichkeiten gemeinsamen Lernens innerhalb eines inklusiven Bildungssystems für behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche (vgl. Art 24 UN BRK). Gemäß Artikel 24 UN BRK hat jeder Mensch das Recht auf qualitativ hochwertige Bildung in einem inklusiven Bildungssystem. In Verbindung mit diesem Recht auf Bildung gelten sogenannte Menschenrechtsgrundsätze, wie beispielsweise der Grundsatz, jegliche Differenz anzuerkennen und zu würdigen (vgl. Art. 3 d UNBRK).[3] Dieser Grundsatz ist sowohl auf die Lerngruppe als auch auf die Lehrenden bzw. das pädagogische Personal in einem inklusiven Bildungssystem zu beziehen. Ein inklusives Bildungssystem sollte somit auf allen Ebenen jegliche Differenz abbilden, sowohl einer heterogenen Schüler_innenschaft, als auch eines vielfältigen Kollegiums (vgl. zur Perspektive der Disability Studies auf inklusive Bildung Dan Goodley 2011: 138ff).  Inwieweit dies realisiert ist, ist bereits exemplarisch hinsichtlich der Schüler_innenschaft untersucht worden (vgl. zu (Un-)Doing Ethnicity Yaliz Akbaba 2014, zur Konstruktion von Nicht_Behinderung in Schulklassen die qualitative Untersuchung von Ira Schumann 2014).

3.2. Disability Studies

Die Disability Studies sind aus den emanzipatorischen Behindertenbewegungen entstanden, die sich in vielen Ländern seit Ende der 1960er Jahre gegen Benachteiligung und Bevormundung behinderter Menschen eingesetzt haben. Zu diesen gehört auch die britische Union of the Physically Impaired Against Segregation (UPIAS), die als eine der ersten Organisationen zwischen individueller und gesellschaftlicher Ebene von Behinderung: impairment (Beeinträchtigung) und disability (Behinderung) unterschieden hat: „Impairment: lacking part or all of a limb, or having a defective limb, organ or mechanism of the body; and Disability: disadvantage or restriction of activity caused by a contemporary social organization which takes no or little account of people who have […] impairments and thus excludes them from the mainstream of social activities.” (UPIAS 1976). Diese Definition hat große Bedeutung in den Disability Studies, sie wurde diskutiert und weiterentwickelt, sodass nicht nur körperliche Beeinträchtigungen, sondern jegliche und auch kognitive Beeinträchtigungen unter dem Oberbegriff impairment gefasst werden (vgl. Disabled Peoples´ International 1986, in: Oliver 1998: 1447). Diese Unterscheidung bildet die Grundlage des Sozialen Modells von Behinderung. Entscheidend ist die aus der Trennung von Beeinträchtigung und Behinderung resultierende Schlussfolgerung, dass Behinderung als gesellschaftlich verursachte Benachteiligung verhindert werden kann: „In our view, it is society which disables […] disability is something imposed on top of our impairments, by the way we are unnessicarily isolated and excluded from full participation in society” (UPIAS 1976, zit. nach Priestley 2003: 26). Behinderungen sind folglich untrennbar mit den sozialen Lebensbedingungen beeinträchtigter Menschen verbunden. Dadurch, dass sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden und so Isolation und Exklusion erfahren, wird ihre gesellschaftliche Partizipation verhindert (zur Diskussion der gesellschaftlichen Ursachen, aber auch der Auswirkungen von Beeinträchtigungen innerhalb den Disability Studies vgl. exemplarisch Morris 1991, Hughes/Paterson 1997, Thomas 2004).
Inzwischen sind die Disability Studies innerhalb des Diskurses um Behinderung anerkannt und haben eine wichtige Position erlangt; sie haben entscheidend zum Paradigmenwechsel von der Fürsorge zur Teilhabe in der Behindertenpolitik beigetragen. Diesen Perspektivwechsel fordern die Disability Studies auch in der Forschung. Behinderung soll nicht mehr gemäß des defizitorientierten traditionellen Diskurses der Humanwissenschaften (Medizin, Pädagogik etc.) betrachtet werden, sondern Behinderung soll als soziale Konstruktion gefasst werden (vgl. auch Hirschberg 2009, Pfahl/Köbsell 2014). In den Disability Studies wird erforscht, wie Nicht_Behinderung gesellschaftlich z.B. durch Institutionen, in welcher zeitlichen Epoche und Gesellschaftsform und mit welchen Intentionen konstruiert werden. Gefragt wird  beispielsweise durch welche soziokulturellen Praktiken und Diskurse Nicht_Behinderung geformt und geprägt bzw. in welchen gesellschaftlichen Feldern Nicht_Behinderung produziert und repräsentiert wird.
Diese Forschungsperspektive lässt sich auch auf den gewählten Forschungsgegenstand beziehen. So ist bezüglich der berufspolitischen Konstruktion des fähigen Lehrkraft-Subjekts gemäß der Disability Studies zu untersuchen, wie Bildungsministerien bzw. Schulbehörden in ihren Einstellungsvoraussetzungen und -praktiken von Lehrer_innen Nicht_Behinderung (mit) konstruieren.
Sofern Schulen ihr Personal selbständig auswählen können, wäre auch deren Anteil am Konstruktionsprozess von Nicht-Behinderung zu hinterfragen. Des Weiteren wäre es möglich, neben den Voraussetzungskriterien für eine Einstellung im Schuldienst zu erforschen, wie Nicht_Behinderung in den Interaktionen der im Einstellungsprozedere beteiligten Institutionen und der Schulleitung produziert wird („Doing dis/ability“). Diese Forschungsfragen ließen sich im Anschluss untersuchen, überschreiten jedoch den Rahmen der hier vorliegenden Analyse.

3.3. Kritik an Ableism

In den Disability Studies werden die Konsequenzen der Nicht-Erfüllung gesellschaftlicher Fähigkeitserwartungen unter dem Begriff „Ableism“ diskutiert. Ableism manifestiert sich diskursiv-symbolisch in der idealisierten Vorstellung von der Produktivität eines Menschen und von Körperbildern, denen Menschen nur selten und wenn, nur kurzfristig in ihrer Lebensspanne entsprechen (können). Darüber hinaus ist Ableism in Rechtsverordnungen, aber auch in Kommunikationsformen, Architektur und Design sowie in Segregationspraktiken und -institutionen wirkmächtig. Vergleichbar mit Rassismus, Sexismus oder auch Ageism wirkt Ableism auch dadurch, dass er mit der Logik des Wirtschaftssystems verwoben ist (vgl. hierzu ausführlich Maskos in dieser Ausgabe). Er bezeichnet die soziokulturelle Produktion von Normen und Normalitäten, die den leistungsfähigen (nicht beeinträchtigten) Körper als unhinterfragte, selbstverständliche, privilegierte Existenzweise voraussetzen (vgl. Campbell 2009 und Maskos 2010).
Die Wirkungsweise von Ableism lässt sich dadurch erklären, dass ableistische Sichtweisen gesellschaftlich, sozial und kulturell (häufig unbewusst) tief verankert sind. Ableistische Perspektiven werden meist als selbstverständlich angesehen, in sie sind als „normal“ erachtete Hierarchisierungen eingelassen. Diese konstruierten Normalitäten werden entweder nicht hinterfragt oder über Mehrheitsverhältnisse gerechtfertigt (vgl. zur Konstruktion von Normalitäten auch Link 1997, sowie zur Konstruktion von Normalität und Behinderung auch Schildmann 2001, Hirschberg 2009: 139ff., Sierck 2013 u.a.).
Es könnte argumentiert werden, dass Ableism die Perspektive entgegensteht, dass die meisten Menschen in ihrem Leben „temporarily able-bodied (TAB)“ sind, also in ihrem Leben für einen kürzeren oder längeren Zeitraum eine Beeinträchtigung erwerben bzw. behindert werden (vgl. zu dieser in den angloamerikanischen Disability Studies entwickelten Perspektive Zola 1993, Davis 2002 u.a.). Dementsprechend ist Behinderung eine mehrheitlich geteilte Erfahrung. Dennoch setzt dies die ableistischen Wirkungsweisen nicht außer Kraft, Vorstellungen über Produktivität oder Fähigkeiten von Menschen in Diskursen, Praktiken oder auch architektonischen Anordnungen etc. zu vermitteln.
Ableism prägt nicht nur die Konstruktion von Behinderung, sondern von jeglichen Körperkonstruktionen, also auch die von Nichtbehinderung. Damit ist auch die Gestaltung eines inklusiven Bildungssystems durch ableistische Züge geprägt, was Implikationen für die Umsetzung der Anforderungen hat, die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention für ein inklusives Bildungssystem ergeben (vgl. Art. 24 UN BRK). Auch die Regelungen der Einstellungs-, Ausbildungs- und Beurteilungspolitiken sind ableistisch geprägt, wie in diesem Beitrag dargestellt wird.

3.4. Gouvernementalitätsforschung: Sich selbst produktiv führen

Mit Gouvernementalitätsforschung lässt sich theoretisch an die Untersuchung von Ableism anschließen – wie sich durch die folgenden Ausführungen verdeutlicht. Methodisch bestehen „fließende Grenzen und wechselseitige Anleihen“ zwischen Gouvernementalitätsforschung und Diskursanalyse (Dyk/Angermüller 2010: 11). Gouvernementalitätsstudien greifen Foucaults Begriff der Regierung auf und analysieren Methoden der Lenkung oder Führung von Menschen. Hierbei geht es nicht um die Regierung als Staatsmacht, sondern darum, Regierung als „Führung von Führungen“ zu verstehen (Foucault 1987: 255). Nach Foucault lässt sich über den Begriff der Führung das Spezifische von Machtverhältnissen fassen. So sei Führung sowohl „die Tätigkeit des `Anführens´ anderer (vermöge mehr oder weniger strikter Zwangsmaßnahmen)“ als auch „die Weise des Sich-Verhaltens in einem mehr oder weniger offenen Feld von Möglichkeiten“ (ebd.). Regierungstechniken funktionieren somit als Verbindung von Selbst- und Fremdführungen (vgl. Lemke et al. 2000: 29ff., Hirschberg 2009: 134ff.). Mechanismen der Menschenführung lassen sich in unterschiedlichsten Bereichen untersuchen, von alltäglichen Kontrollpraktiken in öffentlichen Räumen, über die Führung von Mitarbeiter_innen in Unternehmen und der Erziehung von Kindern hin zu Impf- und Präventionskampagnen etc. (vgl. Bröckling/Krasmann 2010: 23). Der Fokus liegt sowohl auf den „Praktiken der Fremd- und Selbststeuerung“ als auch auf „mit diesen verbundenen Wissensformen, Problematisierungen und Rationalisierungsweisen“ (Bröckling/Krasmann 2010: 24). In Gouvernementalitätsanalysen gilt es herauszuarbeiten, „wie sich bestimmte Annahmen darüber, was als wahr bzw. vernünftig anzuerkennen ist, mit spezifischen Problemdiagnosen verbinden, denen wiederum spezifische Strategien zu ihrer Bewältigung korrespondieren, an die dann bestimmte Techniken und Verfahren anschließen, die ihrerseits neue Objekte und Subjekte des Regierens hervorbringen“ (ebd.). Mechanismen der Fremd- und Selbsttechniken bilden „Ensembles aus Verstehensformen, Zurichtungsstrategien und Selbsttechnologien, die aus Menschen Subjekte und mit denen sie sich selbst zu Subjekten machen“ (Bröckling 2007: 31). Regierungstechniken bilden sich aus dem Regiertwerden und den Methoden, sich selbst zu regieren, wozu auch die Internalisierung der Regierungstechniken gehört, die zur Subjektformung beiträgt. Die Subjektivierung geschieht in einem strategischen Feld, „in dem der Einzelne sich gezielten und planvollen Zurichtungsanstrengungen ausgesetzt sieht und sich zugleich gezielt und planvoll selbst zurichtet“ (ebd.: 32). Als Bezugsfeld der Subjekformung fungieren jedoch „weder die Vorstellungen, die Menschen von sich selbst haben, noch die Bedingungen, von denen sie ohne ihr Wissen bestimmt sind, sondern eher, was sie tun und wie sie es tun“ (Foucault 1990: 51). Es geht also um „die Rationalitätsformen, die ihre Weise zu handeln organisieren […] und die Freiheit, mit der sie innerhalb dieser praktischen Systeme handeln, darauf reagieren, was andere tun und bis zu einem gewissen Punkt die Spielregeln modifizieren […]“ (ebd.). Alle Handlungsweisen des Subjekts finden innerhalb des Feldes statt, in dem die Regierungstechniken (in Form von Selbst- und Fremdführung) greifen. Ein Außerhalb gibt es somit nicht, auch Widerstandsformen gegen Maßnahmen, Praktiken oder Anordnungen gehören zu den Freiheitsmöglichkeiten des Subjekts. Das Subjekt ist somit aufgefordert, sich selbst im Verhältnis zu Spielregeln oder Anordnungen zu regieren, seine Handlungs- und Lebensmöglichkeiten zu nutzen oder auch zu erweitern bzw. zu optimieren und hierbei grundsätzlich ökonomisch mit seinen Kräften zu haushalten. Bröckling formuliert zugespitzt, dass das ökonomische Handeln des Subjekts als unternehmerisch zu bezeichnen ist: „Herrschaft verschwindet im Postulat der Selbstbeherrschung“ im Rahmen der vielfältigen Weisen, sich selbst optimal zu führen (ebd. 2007: 247, vgl. ausführlich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/Main 2007).
Selbst- und Fremdtechniken des Regierens gibt es in allen Arbeits- und Lebensbereichen. Welche Regierungsmechanismen sich in den Regelungen der Einstellungs-, Ausbildungs- und Beurteilungsanforderungen von Lehrer_innen finden lassen, wird nachfolgend analysiert.

4. Analyse: Einstellungspolitiken für Lehrkräfte

Wie wird die Einstellung von Lehrkräften politisch geplant und gestaltet? Welche Lehrkräfte sind erwünscht oder werden umworben, und welche werden aus anderen Gründen besonders erwähnt? Im Folgenden werden die relevanten Aussagen oder auch Leerstellen kontrastierend dargestellt, um herauszukristallisieren, wie Vorstellungen von Lehrkräften bildungspolitisch konstruiert werden.
Der Beruf der Lehrer_in ist traditionell mit einer Anstellung im Staatsdienst verbunden, ursprünglich als Staatsbeamt_innen, in den „neuen“ Bundesländern und inzwischen auch anteilig in den „alten“ Bundesländern als Angestellte im Staatsdienst. Da die Besoldung seit der Föderalismusreform Ländersache ist, variieren die Gehälter relativ stark. Ob der Schuldienst den Anforderungen eines inklusiven Bildungssystems hinsichtlich der Diversität von Lehrer_innen entspricht, lässt sich nicht sagen, da hierzu keine expliziten Daten vorliegen. Die untersuchten Materialien der Einstellungs-, Ausbildungs- und Beurteilungsregelungen enthalten jedoch Anhaltspunkte dazu, weil die Differenzkategorien in ihnen in unterschiedlicher Weise thematisiert - betont oder ausgelassen - werden. Lehrer_innen werden zudem mit bestimmten Fähigkeiten attributiert, die zu einer Konstruktion einer bestimmten Vorstellung von Lehrer_innen beitragen.
Historisch gilt das Lehramt als Aufstiegsmöglichkeit für Personen schwachen sozio-ökonomischen Status´ und besonders das Grundschullehramt bot eine Möglichkeit für Frauen, eine gesicherte berufliche Position zu erlangen. Hinsichtlich Gender gibt es traditionell eine strukturell ungleiche Verteilung nach Schultypen: Während heutzutage annähernd gleich viele Frauen und Männer  an Gymnasien lehren, unterrichten Frauen wesentlich häufiger als Männer an Grundschulen (vgl. Aktionsrat Bildung 2009: 18; Gender Datenreport, Cornelißen 2005). Aufgrund dieser Situation wurde an der Universität Bremen die Kampagne „Rent a teacherman“ entwickelt, um Männer an Grundschulen zu vermitteln (vgl. Fantini 2012, 2013). Auffällig und im Gegensatz zu der genannten Kampagne ist, dass „die Bewerbung von Frauen“ an allen Schulformen teilweise als „ausdrücklich erwünscht“ bezeichnet wird (BSen 2014: 2). Möglicherweise greift diese Hervorhebung eine generelle rechtliche Verordnung für Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst auf, Frauen als im Erwerbsleben traditionell benachteiligte Geschlecht explizit in der Stellenausschreibung um Bewerbung aufzufordern (vgl. auch GG Art. 3 Abs. 2).[4] Näheres lässt sich aus den Materialien nicht schließen. Der Mangel an männlichen Lehrkräften an Grundschulen scheint zum untersuchten Zeitpunkt keine Auswirkung auf Stellenausschreibungen zu haben. Hinsichtlich der übrigen Differenzkategorien fällt auf, dass auf Alter, sexuelle Orientierung oder Religion bzw. Weltanschauung nicht näher eingegangen wird.[5]
Unterschiedliche Aussagen finden sich hingegen zur Kategorie Migrationshintergrund: Diese wird entweder nicht thematisiert oder von unterschiedlichen Akteuren in ähnlicher Weise hervorgehoben wie Gender. So enthält die Stellenausschreibung für Lehrkräfte im Berliner Schuldienst die konkrete Aufforderung: „Die Bewerbung von Menschen mit Migrationshintergrund, die die Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllen, ist ausdrücklich erwünscht“ (BSen 2014: 2). Diese Aussage wird flankiert durch einen Aufruf (vom 18.01.2011) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „Migranten für den Lehrerberuf gewinnen“ (BaMF o.J.).  Das Amt begründet seinen Appell damit, dass „in vielen deutschen Klassenzimmern […] heute mehr Schüler mit ausländischen Wurzeln als "Einheimische" [vorzufinden sind und] vielfältige Einflüsse anderer Kulturen zunehmend das Schulleben hierzulande [prägen]“ (ebd.).  Da es eine steigende Anzahl von „Schülern mit Migrationshintergrund“ gäbe, seien auch mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund dringend gesucht (ebd.). Des Weiteren gelten „Lehrkräfte mit einer Migrationsbiographie […] als Beispiele gelungener Integration und wichtige Wegbereiter für die interkulturelle Öffnung von Schule und Unterricht“, so positioniert sich das BaMF und verweist auf seine gemeinsam mit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung veröffentlichten Handlungsempfehlungen „Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Empfehlungen zum Netzwerkaufbau“ (BaMF/Hertie-Stiftung 2011).[6] Auch die ZEIT-Stiftung erklärt, dass Deutschland mehr „Lehrkräfte mit Einwanderungsgeschichte“ brauche (ZEIT-Stiftung o.J.). Hierzu hat die Stiftung in Kooperation mit dem Hamburger Zentrum für Lehrerbildung und dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung eine seit 2008 bundesweit durchgeführte Kampagne „Schülercampus: Mehr Migranten werden Lehrer“ entwickelt (ebd.). Im Rahmen dieser Kampagne werden in verschiedenen Städten gemeinsam mit regionalen staatlichen Bildungsinstitutionen Veranstaltungen für Schüler_innen mit Migrationshintergrund angeboten, um Ihnen den Beruf der Lehrer_in näher zu bringen.
Bei genauer Lektüre der Einstellungsrichtlinien fällt auf, dass die Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht sind, sofern sie die Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllen (BSen 2014: 2). Ist es nicht der Zweck von Stellenvoraussetzungen, dass Bewerbende diese erfüllen, um die Stellen zu erhalten? Dieser Zusatz der Voraussetzungserfüllung fehlt bei der ebenfalls ausdrücklich als gewünscht dargelegten Bewerbung von Frauen (s.o.). Die unterschiedlichen Hervorhebungen werden nicht erklärt. Es entsteht der Eindruck, dass Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund unterschiedliche Bedingungen für die Stelle erfüllen müssen. Des Weiteren ist die Frage zu stellen, welche Voraussetzungen für die Bewerbung von Frauen mit Migrationshintergrund gelten –die Berücksichtigung von Intersektionalität spiegelt sich in der Ausschreibung nicht wider.
Menschen mit Migrationshintergrund werden durch diese Aussagen der Einstellungsrichtlinien, des Bundesamts und der Zeitstiftung angesprochen, sich für den Beruf der Lehrer_in zu entscheiden und sich auf Stellen an Schulen zu bewerben. Aufgrund dieser Aussagen der bildungspolitischen Akteure kann vermutet werden, dass an Schulen bisher wenige Lehrkräfte mit Migrationshintergrund unterrichten und Menschen mit Migrationshintergrund deswegen umworben werden. Menschen ohne Migrationshintergrund werden hingegen in den bildungspolitischen Materialien nicht thematisiert, sie bleiben somit unmarkiert.

4.1. Konstruktion von Vorstellungen behinderter Lehrer_innen

Wie wird diskursiv in den Einstellungsregelungen von Lehrer_innen Nicht_Behinderung konstruiert? Die Kategorie wird in den Materialien in vergleichbarer Weise verwendet wie „kein Migrationshintergrund“: Nichtbehinderung wird nicht thematisiert, und somit vorausgesetzt bzw. als selbstverständlich konstruiert, es handelt sich daher um eine unmarkierte Kategorie. Hingegen enthalten die staatlichen Regelungen und Texte zu Behinderung unterschiedliche Aussagen.
Nahezu durchgängig wird Schwerbehinderung als rechtlich anerkannte Kategorie mit Verweis auf die Definition im Sozialgesetzbuch IX genannt. Diese Aussage ist ebenfalls in den Merkblättern oder Informationsbroschüren der anderen Bundesländer enthalten, beispielsweise in den „Informationen zur Arbeit mit schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Beschäftigten“ der Hauptschwerbehindertenvertretung der Lehrerinnen und Lehrer des Sächsischen Ministerium für Kultus (2008: 1 und auch SMK 2003: 299).  Auch das niedersächsische Kultusministerium erklärt in seinem Merkblatt zur Einstellung von Lehrkräften: „Schwerbehinderte Lehrkräfte werden bei sonst gleicher Eignung bevorzugt eingestellt“ (2014: 7). Diese Ausführung unterscheidet sich durch die Einschränkung des „sonst“ minimal von der Stellenausschreibung der Berliner Senatsverwaltung zur Einstellung von Lehrkräften in den Berliner Schuldienst vom 31. März 2014, die darlegt, dass „Schwerbehinderte im Sinne des § 2 SGB IX bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt“ werden (BSen 2014: 2, vgl. auch SMK 2003: 299). Die Einschränkung der gleichen Eignung durch das Adverb „sonst“ macht deutlich, dass die Schwerbehinderung ebenfalls als Einschränkung im Vergleich zu nicht-schwerbehinderten Lehrkräften betrachtet wird. Schwerbehinderte und nicht-schwerbehinderte Lehrkräfte sind gleich geeignet, bis auf den Unterschied der Schwerbehinderung. Folglich wird eine Schwerbehinderung als Kriterium eines Eignungsnachteils beurteilt, das nur aufgrund der rechtlichen Bevorzugungsregelung schwerbehinderter Lehrkräfte bei der Bewerbung um eine Stelle nicht als Nachteil bewertet wird. Die Ergänzung der Regelung für schwerbehinderte Lehrkräfte in den niedersächsischen Ausführungen verdeutlicht eine negative Bewertung von Behinderung, die in der anderen (beispielsweise Berliner oder auch Sächsischen) Formulierung nicht so klar ausgedrückt ist. In beiden Formulierungsvarianten wird Behinderung individualisiert betrachtet und mit einer Beeinträchtigung gleichgesetzt, gesellschaftliche Ursachen wie Barrieren und andere Benachteiligungen werden nicht als entscheidende Ursache einer Behinderung erwähnt (s.o., vgl. die Definition von UPIAS 1976 und die Ausführungen zu Disability Studies). Es handelt sich eindeutig um eine indivuumsbezogene defizitorientierte Perspektive auf Behinderung.
Abgesehen von dem rechtlichen Verweis auf die Bevorzugung schwerbehinderter Bewerber_innen bei gleicher Eignung werden Arbeitssituationen behinderter Lehrkräfte konkret geschildert. Allerdings wird auch dargelegt, dass inklusive Bildung auch die Einstellung behinderter Lehrkräfte erfordert. So bezeichnet das bayrische Kultusministerium auf seiner Webseite „Unter besonderem Schutz“ Inklusion im Bildungsbereich als ein Hauptanliegen und erklärt: „Inklusion ist eines der wichtigsten Themen der bayerischen Bildungspolitik – Inklusion in der Schule bedeutet aber nicht nur, dass behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam lernen. Auch behinderte Lehrerinnen und Lehrer gehören in die Mitte des Arbeitslebens“ (BSMBK o.J.). Im Anschluss an dieses Statement wird auf das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen im Arbeitsleben Bezug genommen und damit die existierende gesellschaftliche Benachteiligung behinderter Menschen klar benannt. Hierbei verweist das Kultusministerium nicht nur auf die bundesdeutsche (GG Art. 3 Abs. 3) und die bayrische Verfassung (Art. 118a Satz 1), sondern auch auf die ausführliche Rechtsnorm der Behindertenrechtskonvention zum Recht auf Arbeit behinderter Menschen (Art. 27 UN BRK). Das Kultusministerium begründet so die „besondere[.] Verantwortung“ des „Freistaat Bayern als Dienstherr und Arbeitgeber“, „ den Inklusionsgedanken für seine Beschäftigten mit Behinderung zu verwirklichen“ (BSMBK o.J.).
Wie Benachteiligungen und Barrieren beeinträchtigte Lehrkräfte behindern, wird in einem Interview mit einer behinderten Lehrerin anschaulich, das auf der Webseite des bayrischen Kultusministeriums verlinkt ist. Dieses Interview „Weg frei für Lehrkräfte mit Behinderung“ wird wie folgt eingeleitet: Ein Gespräch mit Alexandra Pfahler, „die mit einer progressiven Muskelschwäche erfolgreich eine Lehrtätigkeit ausübt“ (BSMBK o.J.). Es fällt auf, dass diese Hinführung zum Interview die hohe Leistung der Lehrerin in den Mittelpunkt stellt, mit ihrer Beeinträchtigung erfolgreich zu unterrichten. Behinderung wird hier auf die Beeinträchtigung reduziert, der nach dem Hinweis auf die UN BRK erwarteten Darstellung gesellschaftlicher Benachteiligung wird in diesem Antext nicht entsprochen. Hingegen enthält das Interview Schilderungen der Beeinträchtigungen wie auch der Barrieren, welche die biographischen Erfahrungen der behinderten Lehrerin in Studium und Berufstätigkeit prägen. Im Interview erklärt sie, sie hätte an der Universität einen Behindertenbeauftragten mit mehr Befugnissen erwartet sowie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und weniger physische Barrieren. Während ihr Klassenzimmer mit auf ihre Bedarfe ausgerichteten Materialien und Hilfsmitteln ausgestattet wurde, begegnete sie Einstellungs-Barrieren in Form der Vorurteile mancher Eltern gegenüber ihrer Beeinträchtigung (vgl. ebd.). Im Anschluss an das Interview enthält die Webseite eine Zusammenstellung mit Informationen für angehende Lehrer_innen mit Behinderungen, die auch mit einem Vorlesebutton versehen sind.
Die bisher ausgeführten Beispiele zeigen eine Produktion von Behinderung als Beeinträchtigung und weniger als Resultat des Verhältnisses von Beeinträchtigungen und Barrieren. Der Fokus liegt auf der Beeinträchtigung, aufgrund derer behinderte Menschen „unter besonderem Schutz“ stehen, wie der Titel der Webseite ausdrückt (s.o.). Das Interview mit Frau Pfahler expliziert sowohl die Vorurteile, denen sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung begegnet und die sie behindern, als auch die Barrieren, die sie an der Universität behindert haben. Die Gestaltung ihres schulischen Arbeitsplatzes zeigt wiederum, wie sich Barrieren reduzieren und angemessene Vorkehrungen spezifisch für sie geschaffen werden können (vgl. zu angemessenen Vorkehrungen Art. 2 Uabs. 4 UN BRK). Während die gelungene Praxis zur Gestaltung eines barrierefreien schulischen Arbeitsplatzes den Fokus auf die Entfernung der Barrieren legt, wird die individuelle, defizitorientierte Perspektive durch die Betonung der Beeinträchtigung, des Hilfebedürfnisses und auch der rechtlichen Bevorzugung schwerbehinderter Lehrkräfte im Einstellungsverfahren hervorgehoben.
Nachdem die diskursive Konstruktion von Differenz exemplarisch mit besonderer Schwerpunktsetzung auf den Kategorien (kein) Migrationshintergrund und Nicht_Behinderung dargelegt wurde, werden im Folgenden die bisherigen Ergebnisse unter der Perspektive des Ableism beleuchtet und neu gelesen.

4.2. Ableistische Einstellungspolitiken

Die Einstellungspolitiken, die sich in den untersuchten Einstellungsregelungen zeigen, produzieren Lehrkraft-Subjekte in ableistischer Weise: Die vorherrschende Konstruktion von Behinderung ist der „Vorrang Schwerbehinderter bei gleicher Qualifikation“, die in den Einstellungsmerkblättern und Informationsmaterialien der Bundesländer zu finden ist. Gemäß der Unterscheidung des Sozialen Modells zwischen Beeinträchtigung und Behinderung wird in den Einstellungsregelungen der Fokus auf die individuelle Beeinträchtigung und nicht auf die gesellschaftlich produzierte Behinderung gelegt. Die Formulierung des niedersächsischen Kultusministeriums, dass schwerbehinderte Menschen bei sonst gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt“ werden (s.o., NdsKM 2014: 7) verdeutlicht die dieser Rechtsverordnung zugrunde liegende ableistische Perspektive (auch die andere, üblichere Formulierung hinsichtlich der rechtlichen Bevorzugung bei gleicher Qualifikation beruht auf der gleichen Sichtweise, Behinderung als Nachteil zu konstruieren). Das Adverb „sonst“ verstärkt noch einmal, dass eine Schwerbehinderung nicht als Qualifikation, sondern als Nachteil beurteilt wird.
Ableism ist auch in der diskursiven Konstruktion der besonders großen Fähigkeit, erfolgreich mit der Beeinträchtigung der Muskelschwäche zu lehren, wirkmächtig. Das auf der Webseite des bayrischen Kultusministeriums vorgestellte Interview mit der behinderten Lehrerin Alexandra Pfahler fokussiert weniger, wie welche Barrieren ihr Studium und ihre Berufstätigkeit als Lehrerin behindern und abgebaut werden sollten, sondern hebt durch die einleitende Erläuterung des Interviews ihre Kompetenz, ihre überaus große Fähigkeit der Lehrtätigkeit mit progressiver Muskelschwäche hervor. Dies zeigt noch einmal eine andere Variante der ableistischen Spielart, die Stilisierung als „Heldin“, mit einer Behinderung erfolgreich als Lehrerin zu arbeiten.  
Es gibt keinen vergleichbaren Aufruf „Behinderte, werdet Lehrkräfte!“ oder eine Initiative, wie das Programm zur Vermittlung männlicher Lehramts-Studierenden an Grundschulen „rent a teacherman“, die seit 2008 bestehende Kampagne der ZEIT-Stiftung „Mehr Migranten werden Lehrer“ oder der Aufruf des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge 2011 „Migranten für den Lehrerberuf gewinnen“. Eine derartige Initiative könnte beispielsweise vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), an dem die staatliche Anlaufstelle zur UNBRK (nach Art. 33 Abs. 1 UN BRK) angesiedelt ist, initiiert werden.
Eine solche Initiative oder Kampagne, selbst ein Appell, behinderte Menschen für den Lehrer_innenberuf zu werben, würde das Engagement des Staates an der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention verdeutlichen: Dies beträfe sowohl den Aufbau eines inklusiven Bildungsystems hinsichtlich der Lehrkräfte als auch die Schaffung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt (vgl. Art. 24 und Art. 27 UN BRK). Auch wenn Schulbildung in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fällt, wäre eine mit den Differenzkategorien Gender und Migrationshintergrund vergleichbare Initiative des BMAS ein fundiertes Zeichen gegen die Benachteiligung behinderter Menschen, das auch als Maßnahme zur Bewusstseinsbildung fungieren würde (vgl. Art. 8 UN BRK). Jenseits des rechtlichen Hinweises auf die bevorzugte Einstellung behinderter Personen bei gleicher Qualifikation werden keine spezifischen geeigneten Maßnahmen zur Einstellung behinderter Lehrkräfte durch den Staat getroffen: Diese Verpflichtung im Rahmen des Rechts auf Zugang zu Bildung in einem inklusiven Bildungssystem ist somit nicht verwirklicht (vgl. Art. 24 Abs. 4 UN BRK). Eine vergleichbare Initiative würde Behinderung als gesellschaftliche Differenzkategorie anerkennen. Würde ein derartiger Aufruf bzw. Kampagne „Behinderte, werdet Lehrkräfte“ jedoch realisiert, wären diese vermutlich ebenfalls im ableistischen Regime einzuordnen, sich mit der jeweiligen Behinderung als leistungsfähig, ggf. sogar als besonders produktiv zu erweisen. Da ein solcher Aufruf jedoch fehlt bzw. das Arbeits- und Sozialministerium oder auch andere Akteure, wie z.B. sich mit Bildung befassende Stiftungen, keine vergleichbaren Projekte oder Kampagnen durchführen, verweist dieses Fehlen auf die Dominanz der ableistischen Perspektive, den leistungsfähigen, nichtbehinderten Körper als unhinterfragte, selbstverständliche, privilegierte Existenzweise angehender Lehrer_innen zu bevorzugen und den behinderten Körper im Gegenzug als ungeeignet zu konstruieren.
Kurz gefasst lassen die untersuchten Dokumente darauf schließen, dass zwar männliche Lehrkräfte und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund selten in Schulen vertreten sind, jedoch beide Kategorien, die Genderperformanz „Mann“ und Migrationshintergrund, nicht negativ konnotiert werden. Behinderung hingegen wird auf eine Beeinträchtigung reduziert und nicht als gesellschaftliches Konstrukt geschweige denn als gesellschaftliches und persönliches Kompetenzmerkmal konstruiert.

4.3. Gouvernementalität kompetenter Lehrer_innen

Zur Ergänzung der bisherigen Analyse werden nun neben den auf Bewerbung und Zulassung ausgerichteten Einstellungsregelungen auch die Anforderungs- und Beurteilungsregelungen herangezogen. Diese flankieren die Einstellungsregelungen dadurch, dass sie stärker auf das individuelle Verhalten und die Befähigungen der Lehrkräfte fokussieren. Wie Lehrkräfte aufgefordert sind, sich selbst zu führen und mit dieser Perspektive ihre Befähigungen, Behinderungen und Angewiesenheiten selbst zu managen und sich als kompetent zu vermitteln, zeigt sich besonders in Anforderungen und Aufgabenprofilen für Lehrkräfte (vg. NdsKM 2014: 7, 11 und HHSB 2009: 2) Es fällt auf, dass einige Befähigungen Lehrkräften zugeschrieben werden, andere hingegen nicht thematisiert sind und als Leerstelle markiert werden können.
Neben der generellen Erfordernis, die geeigneten „persönlichen Voraussetzungen“ zu bieten, um „gemäß den Richtlinien über die Vergütung der Lehrkräfte“ eingruppiert zu werden (Berliner Senatsverwaltung 2014: 2), gibt es in allen Bundesländern allgemeine Anforderungen an Lehrkräfte. Erwartet werden „Aufgeschlossenheit gegenüber fachlichen und didaktisch-methodischen Entwicklungen, Bereitschaft zur fachlichen und pädagogischen Fort- und Weiterbildung, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, erzieherische, soziale und pädagogische Kompetenz“ (Berliner Senatsverwaltung 2014: 2). Anders formuliert und noch durch einen entscheidenden Faktor ergänzt, fordert die Hamburger Schulbehörde in ihrer „Musterbeschreibung Aufgabenbeschreibung und Anforderungsprofil für Lehrkräfte“ u.a. neben Empathie, Motivation, der Bereitschaft/Fähigkeit zu Innovation und Flexibilität, Team-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit, auch noch „Selbstmanagement und Organisationsfähigkeit“ (Hamburger Schulbehörde 2009: 2). Hierzu gehört es, „sich bezüglich der Fach- und Methodenkompetenzen Entwicklungsziele für eine Professionalisierung der eigenen Arbeit setzen und die Zielerreichung überprüfen“ zu können. Zu den äußeren zu erfüllenden Einstellungsregelungen und Beurteilungen kommt hier also die Anforderung hinzu, sich selbst zu führen: Ein Zusammenspiel aus Fremdführung und Selbstführungstechniken. Sich eigene Ziele zu setzen und diese selbst zu überprüfen, bedeutet die eigene Entwicklungsfähigkeit in Teilschritte zu unterteilen und die Einhaltung der eigenen Planung selbst zu beurteilen. Eine Lehrer_in wird so zum Prüfling und zur/zum Prüfer_in in einer Person.
Auch die Kompetenz, „verantwortungsvoll mit den eigenen gesundheitlichen Ressourcen umgehen, Grenzen ziehen und sich – wenn nötig – rechtzeitig Hilfe suchen“, weist auf die gouvernementalistische Anforderung der Selbstoptimierung hin (vgl. Lemke et al. 2000). Wie in der Musterbeschreibung der Hamburger Schulbehörde dargelegt, gehört es zum Anforderungsprofil von Lehrer_innen, sich selbst als zu optimierendes Produkt der eigenen (und der fremden) Führung zu begreifen, sich gegenüber sich selbst, der eigenen jeweils immer wieder zu verbessernden Leistungsfähigkeit unternehmerisch zu verhalten, Kompetenzen zu erhalten, sich neue anzueignen und ggf. selbst fürsorglich für sich zu sorgen und sich in helfende Hände zu begeben. Eigenverantwortung wird so zu einer neoliberalen Spielart, nicht nur für sich selbst sorgen zu dürfen, sondern auch zu müssen – alles vor dem Hintergrund, sein eigenes Profil gemäß der (möglicherweise verinnerlichten) Anforderungen zu entwickeln: Selbstregierung in Verbindung mit Fremdregierungstechniken, wobei es sich bei Lehrer_innen um eine Profession handelt, die staatlich geleitet und geprüft wird. Als Berufsgruppe unterliegen Lehrkräfte (sozial-)staatlichen Erwartungen, die zur Erfüllung der eigenen und professionstypischen Anforderungen beitragen. Die Fähigkeiten und Kompetenzen sind Attribute, die Lehrer_innen bieten und ggf. noch optimieren sollen, um eine überaus gute Lehrkraft zu verkörpern bzw. als diese beurteilt und eingestellt oder erneut während der Tätigkeit bewertet zu werden (vgl. Bröcklings (2007) Analyse, sich selbst unternehmerisch zu führen).
Die Musterbeschreibung „Aufgabenprofil und Anforderungsprofil für Lehrkräfte“ ist Bestandteil des Beurteilungswesens von Lehrkräften, bei Einstellung und im regelmäßigen Turnus als Überprüfung zur Beurteilung der Personalentwicklung in selbstverantworteten Schulen.[7] Es geht hierbei folglich nicht um einen Vorschlag, wie Lehrkräfte handeln können, sondern die Anforderungen sind im Wettbewerb um die Stellen zu verstehen (vgl. Maskos 2010: 3). Auch der Hinweis des niedersächsischen Kultusministeriums im Merkblatt für die Einstellung an allgemeinbildenden Schulen, weitere individuelle Zusatzqualifikationen bei der Bewerbung in einer Liste zu vermerken, ist vor dem Hintergrund der Auswahl und Einstellung als gut vergüteter (und meist staatlich angestellter oder verbeamteter) Lehrkräfte zu lesen (NdsKM 2014: 11). Im Kontext der herrschenden Gesellschaftsordnung wird „von bürgerlichen Individuen […] Autonomie, Selbstkontrolle und Souveränität erwartet. Nur mit dieser Souveränität“ sei es Individuen und so auch Lehrer_innen möglich, „in der Konkurrenz um Jobs, Lohn und Anerkennung“ mitzuspielen (Maskos 2010: 3). Diese Souveränität zu erhalten und zu verinnerlichen, ist Teil der Gouvernementalität, der Fremd- und Selbststeuerung, die sich den von der Profession erwarteten Wissensformen und Rationalisierungsweisen als vernünftig erweisen (vgl. Bröckling/Krasmann 2010). Die Subjektformung der Lehrer_innen geschieht in dem strategischen Feld einer Profession, die derzeit noch dem öffentlichen Dienst angehört und – wenn auch in sich verändernder Form – die Sicherheit eines verbeamteten oder traditionell auf Lebenszeit angestellten Arbeitsplatzes bietet.[8] Auch dieser Faktor bildet eine der Bedingungen, innerhalb derer Lehrkräfte als Subjekte ihre Handlungs- und Selbstführungsstrategien entwickeln und ausführen, überaus fähige Lehrer_innen zu sein, zu werden und als solche anerkannt zu werden.

5. Schlussfolgerungen

Der Zugang zum Lehramtsberuf scheint traditionell Weißen, bildungsbürgerlichen, nichtbehinderten Menschen ohne Migrationshintergrund vorbehalten gewesen zu sein, jedoch hat ein Veränderungsprozess begonnen. Chancengleichheit wird insoweit in Ausschreibungen, Kampagnen, Informationsmaterialien etc. stärker beachtet als dies vor dem 21. Jahrhundert der Fall war. So startete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Kampagne, „Migranten für den Lehrerberuf gewinnen“. Besonders für Grundschulen werden Männer umworben. Hinsichtlich beider Kategorien, Gender und Migrationshintergrund, werden jedoch die in Schulen überwiegend vertretenen Kategorien, die Genderperformanz Frausein und Weißsein, nicht thematisiert. Sie sind vielmehr als Leerstellen markiert. Dies trifft ebenfalls auf die Kategorie Nichtbehinderung zu, der aufgrund ihrer fehlenden Diskussion und der Beurteilung von Behinderung als Nachteil (s.o.) eine vorherrschende, als selbstverständlich angesehene Bedeutung zugeschrieben wird. Intersektionalität bleibt vollständig unerwähnt, Auswirkungen der Überkreuzung von Gender, vorhandenem oder fehlenden Migrationshintergrund und/oder Nicht_Behinderung werden nicht expliziert.
Auch wenn die Debatte um inklusive Bildung vermittelt, dass hauptsächlich behinderte und nichtbehinderte Schüler_innen gemeinsam lernen sollen, und behinderte und chronisch erkrankte Lehrkräfte nicht zu existieren scheinen, ist dies nach Analyse der Regelungen zu Einstellung und Bewerbung von Lehrkräften zu widerlegen. Allerdings wird Behinderung durchgängig als Schwerbehinderung bzw. als individuelle Beeinträchtigung konstruiert und nicht als gesellschaftliche Benachteiligung aufgrund von Stereotypen oder Barrieren beurteilt. Damit ist im Diskurs um inklusive Bildung, auch im Kontext von Professionalisierung, immer noch eine defizitäre ableistische Konstruktion von Behinderung vorherrschend.
Die ableistische Perspektive in der Konstruktion von Lehrer_innen wird allgemein deutlich, jedoch spezifisch in der Konstruktion behinderter Lehrkräfte, als derjenigen, die (dennoch oder sogar mit der jeweiligen Beeinträchtigung) ihre Tätigkeit erfolgreich ausüben (vgl. das Interview mit der behinderten Lehrerin auf der Webseite des bayrischen Kultusministeriums, BSMBK o.J.). Chancengleichheit ist – unter Beachtung aller Differenzkategorien – nicht für alle Lehrer_innen realisiert, da nicht alle bisher im Lehramt gering vertretenen Personengruppen umworben werden, jedoch können sich natürlich alle eigenständig bewerben. Zudem sind alle Lehrer_innen der ableistischen Beurteilung und der gouvernementalistischen Aufforderung, sich selbst als Lehrkraft produktiv zu führen, ausgesetzt. Dementsprechend kann als Fazit festgestellt werden, dass Lehrkräfte nicht nur kompetent, sondern überaus fähig sein müssen. Zudem müssen sie – im Sinne von Ableism und Gouvernementalität –auch ihre potentiellen Schwächen souverän managen.

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[1] In diesem Aufsatz werden die Begriffe Lehrer_innen und Lehrkräfte synonym verwendet, sie umfassen sowohl Lehramtsanwärter_innen als auch Lehrer_innen mit abgeschlossener Ausbildung.
Vergleichbar mit dem Unterstrich wird zur Verdeutlichung einer Bandbreite von Geschlechtern hier der Unterstrich benutzt, um die Bandbreite zwischen Disability und Ability, Behinderung und Nichtbehinderung anzuzeigen: Dis_ability oder Nicht_behinderung (ableism-divide).

[2] In diesem Aufsatz werden die Begriffe Lehrer_innen und Lehrkräfte synonym verwendet, sie umfassen sowohl Lehramtsanwärter_innen als auch Lehrer_innen mit abgeschlossener Ausbildung.
Vergleichbar mit dem Unterstrich wird zur Verdeutlichung einer Bandbreite von Geschlechtern hier der Unterstrich benutzt, um die Bandbreite zwischen Disability und Ability, Behinderung und Nichtbehinderung anzuzeigen: Dis_ability oder Nicht_behinderung (ableism-divide).

[3] „Die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit“ ist der genaue Wortlaut des Grundsatzes (Art. 3 d UN BRK). Hier wird die Unterschiedlichkeit behinderter Menschen innerhalb der gesamten Vielfalt der Menschheit verortet.

[4] Konkret ist Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes formuliert als staatliches Handeln gemäß verfassungsgemäßem Anspruch: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

[5] Die Differenzkategorie Religion bzw. Weltanschauung wird in den untersuchten Materialien nicht erwähnt, ließe sich jedoch an anderer Stelle beispielsweise anhand der Kopftuchdebatte, auch hinsichtlich von Lehrerinnen mit Kopftüchern untersuchen (vgl. hierzu Berghahn/Rostock 2009, auch http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/konfliktstoff-kopftuch/, 29.12.2014). Ebenso ließe sich die Diskriminierung aufgrund höheren Alters im Lehrberuf vertieft erörtern, da die Pensionierung bzw. Rente eine gesetzliche Altersgrenze vorsieht, die nach dem individuellen Alter berechnet wird (vgl. für Beamte http://www.beamtenbesoldung.org/beamtenpension.html#4, 29.12.2014). Einer Klage eines hessischen Lehrers gegen Altersdiskriminierung wurde jedoch stattgegeben, sodass er ein Jahr länger arbeiten konnte, http://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-07/urteil-weiterbeschaeftigung-rente, 29.12.2014). Auch für die Verbeamtung gibt es Altersgrenzen, http://www.gew.de/Binaries/Binary27986/Synopse-Hoechstaltersgrenze_Beamte_2014.pdf, 31.03.2015. Näher wird in diesem Beitrag auf Altersdiskriminierung nicht eingegangen. Zur Differenzkategorie der sexuellen Orientierung finden sich in den bildungspolitischen Materialien keine Aussagen. Hinsichtlich der Tätigkeit im Schuldienst gibt es jedoch in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Interessenvertretung „Lesben und Schwule in der GEW“, die sich mit diesbezüglichen Fragen befasst, vgl. http://www.gew.de/Binaries/Binary26787/GEW-LeSchwu.pdf, 26.03.2015. Im Mai 2001 hat der 24. Gewerkschaftstag der GEW gleiche Rechte für Lesben und Schwule in der Gewerkschaft und Gesellschaft eingefordert und für die Gremien und Untergliederungen der GEW beschlossen (vgl. https://www.gew-bw.de/Lesben_und_Schwulenpolitik.html, 26.03.2015).

[6] Es wäre interessant, eine eigenständige Akteurs-Netzwerk-Analyse hinsichtlich der unterschiedlichen öffentlichen und privaten Akteure im Bildungswesen durchzuführen, auch bezogen auf Public Private Partnerships, um Inhalte und Ziele der Akteure zu untersuchen.

[7] Vgl. das neue Beurteilungswesen, das 2006 an Hamburger Schulen eingeführt wurde. Es steht in Verbindung mit dem Programm, Schulen ihr Budget selbstverantwortlich führen zu lassen und mit diesem eigenständig haushalten zu dürfen und gleichzeitig zu müssen, http://www.svs.hamburg.de/index.php/article/detail/1137, 30.03.2015

[8] Professionspolitische Veränderungen des Lehrer_innen-Berufs, auch hinsichtlich der Einstellungspolitiken hinsichtlich verbeamteten oder angestellten Status können hier nicht näher ausgeführt werden. Der Beruf weist eine hohe Quote an Erkrankungen und auch Behinderungen auf, die während der Berufstätigkeit erworben werden, wobei „psychische Fehlbelastungen und daraus resultierende Gesundheitsstörungen mit Frühpensionierung den Schwerpunkt der Gesundheitsprobleme“ bei Lehrer_innen bilden (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2005: 5). Auch auf diese Besonderheit dieses Berufs kann hier nur verwiesen werden.