Abstract: Eine Umstrukturierung des Bildungssystems unter dem Anspruch Inklusion erfordert insbesondere auch eine Reflexion und Veränderung der Lehrer_innenbildung im Bereich der Hochschule sowie auf der Ebene von Fort- und Weiterbildung. Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Hindernisse im Bereich der Lehrer_innenbildung im Hinblick auf schulische Integration/Inklusion aufzuzeigen. Es werden sowohl Professionalisierungsanforderungen, als auch Bespiele differenter Hochschulstrukturen und -inhalte im Bereich der Lehrer_innenbildung in den Bundesländern skizziert.
Stichworte: Inklusive Schule, Lehrer_innenbildung, Professionalisierung, Hochschulentwicklung, Lehrer_innenkompetenzen
Inhaltsverzeichnis:
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zeigt die Verpflichtung auf, im Bereich der Bewusstseinsbildung eine respektvolle Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungserfahrungen (Schuppener 2007) zu entwickeln und zu einer Anerkennung allgemeiner Verschiedenheit zu gelangen. In Bezug auf die Bildungsrechte von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungserfahrungen existiert die dringende Notwendigkeit der Analyse, Reflexion und Veränderung der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, um dem Anspruch der UN-BRK gerecht zu werden und Lehrer_innen adäquat auf die Anforderungen des Unterrichts in heterogenen Lerngruppen vorzubereiten. Leider hat die UN-BRK besonders im Bereich Bildung bislang noch zu wenig „Wirk- und Überzeugungskraft“ entfaltet. Diese könnte größer sein, „wenn alle wüssten, dass Inklusion – anders als vermutet – sehr gut erprobt ist. Zu wenig Beachtung finden wissenschaftliche Untersuchungen, die nicht nur zeigen, dass Inklusion gelingt, sondern auch, dass der Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Begabungen elementare Anreize für individuelles Lernen schafft“ (Deutsches Institut für Menschenrechte 2011, 5).
Die UN-BRK fordert eine Systemveränderung: „Berufsbilder und Handlungsfelder aller Lehrerprofessionen“ müssen sich „absehbar verändern, denn die bislang üblichen Ablehnungen von Kindern in allgemeinbildenden Schulen mit der Begründung einer Behinderung stellen einen Verstoß gegen die Konvention dar (Seitz 2011, 51). Dieser systemische Anspruch verkörpert jedoch eine große Herausforderung, da viele Bildungseinrichtungen staatliche Institutionen sind, in denen Änderungsprozesse oftmals langwierig sind und die Kultur als lernende, reflexive Institution/Organisation (vgl. Opp 1998) nicht vorausgesetzt werden kann.
Neben einer etwaig fehlenden „reflexiven Institutionskultur“ existiert in Deutschland auf allen Bildungsebenen ein „Dilemma der Orientierung am Bestehenden“ (Merz-Atalik 2014, 266). Das kennzeichnet sich im Bereich der Professionalisierung von Lehrer_innen und der Lehrer_innenbildung u.a. durch folgende Aspekte (vgl. Merz-Atalik 2014, 266ff):
Weder im Bereich der Entwicklung von Schule, noch in der Frage nach der Lehrer_innenbildung lassen sich im Vergleich der Bundesländer einheitliche und stringente Umsetzungspläne und/oder
-aktivitäten bezüglich der Absicherung einer nachhaltigen Bildungsgerechtigkeit für ALLE Kinder und Jugendliche – und damit einer Umsetzung der UN-BRK – finden. Die Zugänge zu Schulen sind nach wie vor häufig durch Ressourcenvorbehalte innerhalb der Schulgesetzgebungen oder z.T. noch fehlendes Elternwahlrecht (besonders bei festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf) geprägt. Vereinzelt wird eine Chancengleichheit im Bereich Bildung sogar dadurch verhindert, dass Schulgesetze lernzieldifferenten Unterricht untersagen (so z.B. in Sachsen im Bereich der Sekundarstufe) (Seifert & Schuppener 2013).
Häufig fehlt es noch an grundlegenden kommunikativen Strukturen zwischen bildungsbeteiligten Personen (Schüler_innen, Eltern, Lehrer_innen, Schulleitung, Hochschullehrkäften, ministerialen Vertreter_innen, Vertreter_innen der differenten Phasen der Lehrer_innenbildung und anderen Entscheidungsträger_innen) sowie z.T. offenen Grundhaltungen der Beteiligten gegenüber der schon bestehenden Heterogenität und den damit verbundenen Chancen im Rahmen der Gestaltung von Bildungsrealität. Hier können veränderte Strukturen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung professioneller Fachkräfte ansetzen und nicht nur ein Mehr an Hintergrundinformationen/-wissen vermitteln, sondern auch bewusstseinsbilden wirken (siehe Artikel 8, UN-BRK) und gezielt eine Arbeit an der eigenen Einstellung (z.B. auf der Basis von Supervision, Team-/Fallkonferenzen, Erfahrungsaustausch, Netzwerkarbeit) anstoßen (Seifert & Schuppener 2013).
Im Rahmen der Professionalisierung der Lehrer_innenbildung mit Blickrichtung Inklusion hat die Kultusministerkonferenz sich eindeutig positioniert: „Die Länder gewährleisten, dass sich Lehrkräfte aller Schulformen in Aus-, Fort- und Weiterbildungen auf den inklusiven Unterricht vorbereiten“ (KMK 2011, 20). Die Ebene der Lehrer_innenbildung sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen und Lehramtsstudierende im Hinblick auf eine offene, anerkennende Grundhaltung hin prägen:
Die inklusive Schule ist „so ausgestattet und die Lehrerinnen sind so ausgebildet, dass sie jedes Kind willkommen heißen können. Wenn das vorhandene Können und Wissen nicht ausreicht, wird es beschafft: Durch Beratung, durch Qualifizierung und Fortbildung, durch zusätzliches Personal. Mit solchen inklusiven Schulen wird sich auch das Denken der Beteiligten ändern: Sie werden nicht mehr als erstes fragen, wohin ein Kind weitergereicht werden soll, sondern was zu tun ist, damit es bleiben kann“ (Klauß 2010, 284).
Der Föderalismus und die damit verbundene strukturelle, organisatorische sowie inhaltliche Vielfalt des Bildungssystems erschweren das Formulieren stringenter Gelingensbedingungen für eine inklusive Bildung. Dennoch stellt sich die zentrale Frage, wie die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften gestaltet werden könnte, um diese auf die inklusive Schule besser vorzubereiten. Da die konkrete Unterrichtspraxis in inklusiven Settings sehr different ausfällt, erscheint es sinnvoll, wesentliche Kompetenzen zu betrachten, die eine Lehrkraft für die Arbeit an inklusiven Schulen benötigt, unabhängig davon, welche Fächer oder Altersgruppen unterrichtet werden (Seifert & Schuppener 2013 177ff). Aktuell existieren zahlreiche Konzeptualisierungen von Lehrerkompetenzen mit unterschiedlichsten Akzentuierungen (vgl. hierzu Klieme, Maag-Merki & Hartig 2007). Für die weiteren Ausführungen wird ein Kompetenzbegriff zugrunde gelegt, welcher Kompetenz definiert als „persönliches Merkmal, das Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen umfasst, die in Beziehung zueinander stehen und im beruflichen Kontext zu sehen sind“ (Mulder 2006, 57).
Im Hinblick auf Kompetenzen, welche für die Lehrkräfte an inklusiven Schulen notwendig sind, hat die European Agency for Development in Special Needs Education mit dem Projekt „Inklusionsorientierte Lehrerbildung“ (Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung (EADSNE) 2011) einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines Orientierungsrahmens für eine inklusive Lehrer_innenbildung geleistet. In einem dreijährigen Projekt wurde von Expert_innen aus 25 europäischen Ländern ein Profil für Lehrer_innen in inklusiven Bildungssettings erarbeitet:
Reflexionskompetenz
Diese Kompetenz meint sowohl die Reflexion in der Praxis als auch die Reflexion der Praxis selbst. Zur Entwicklung von Reflexionskompetenz sind vor allem Lernsettings geeignet, die eine Verknüpfung praktischer Erfahrungen mit theoretischen Inhalten anstreben und dadurch die Reflexionsfähigkeit der Lehrenden anregen und fördern. Durch die Ausbildungseinrichtung professionell begleitete Praxisphasen, welche den Lehrenden die Möglichkeit der Selbsterfahrung bieten, können zur Entwicklung von Reflexionskompetenz beitragen und überdies die Entwicklung inklusionsförderlicher Einstellungen begünstigen. Eine Möglichkeit zum professionellen Erfahrungsaustausch bietet beispielsweise auch die problemorientierte Methode der Fallarbeit. Bei der Interpretation konkreter Fälle (z.B. Unterrichtssituationen, Schülerbeispiele etc.) ergibt sich die Gelegenheit, die eigenen Unterrichtserfahrungen selbstreflexiv zu analysieren und eigene Sichtweisen zu erweitern.
Soziale Kompetenz
Die Entwicklung sozialer Kompetenz ist für Arbeit im Gemeinsamen Unterricht zentral bedeutsam. Diese ist einerseits für eine gelingende Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen Akteur_innen (z.B. Eltern, andere Fachkräfte) im inklusiven Kontext notwendig. Andererseits ist diese Kompetenz wesentlich, um in heterogenen Klassen das Wohlergehen aller Schüler_innen zu gewährleisten und ein positives Klassen- und Schulklima herzustellen.
Didaktisch-methodische & diagnostische Kompetenz
Auch die didaktisch-methodischen Kompetenzen, welche in allen gängigen Kompetenzmodellen für Lehrkräfte (vgl. Kunter u.a. 2011; KMK 2004 „Standards für die Lehrerbildung“) einen zentralen Stellenwert einnehmen, dürfen bei der Modellierung von Kompetenzen für inklusiv unterrichtende Lehrkräfte nicht vergessen werden. Die Arbeit mit Schüler_innen auf unterschiedlichsten Leistungsniveaus und mit vielfältigen Bedürfnissen stellt hohe Anforderungen an die didaktisch-methodischen Fähigkeiten der Lehrkraft. Dementsprechend sollten alle Lehrer_innen Basiskompetenzen in der individuellen Lernbegleitung haben (Merz-Atalik 2014) und in der Lage sein, aus einem reichhaltigen Repertoire an Unterrichtsmethoden, Organisationsformen und Materialien flexibel auswählen zu können und diese hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu evaluieren und adaptieren. In enger Verzahnung mit methodisch-didaktischen Kompetenzen sind auch die diagnostischen Kenntnisse und Kompetenzen verbunden. Der Diagnostik kommt im Kontext schulischer Integration/Inklusion sowohl auf der Ebene prozessorientierter Diagnostik, als auch im Bereich der Feststellungs-/Gutachtendiagnostik (Überprüfung sonderpädagogischen Förderbedarfs) eine Schlüsselqualifikation zu. Hier gilt es, Lehrkräfte intensiv zu sensibilisieren und fortzubilden.
Interkulturelle Kompetenz
Darüber hinaus ist es laut EADSNE notwendig, dass Lehrer_innen kulturelle Vielfalt als Ressource ansehen und mit den Anforderungen mehrsprachiger Umfelder professionell umgehen können. Diese Fähigkeit und Haltung definiert Hofsäss (2007, 120) als eine notwendige Professionalisierungsanforderung an die Lehrer_innenbildung aus Sicht der Pädagogik im Förderschwerpunkt „Lernen“.
Eine Möglichkeit, diese Kompetenzen integriert erwerben und vertiefen zu können, bieten die schulpraktischen Studien, die in der ersten Phase der Lehrer_innenbildung eine Selbstverständlichkeit sind, während sie in Aus- und Weiterbildung teilweise noch unzureichend integriert werden. Wie Denner (2010) zeigen konnte, regen Praktika studentische Lernprozesse auf hohem Niveau an, wobei diese Lernprozesse durch begleitende Reflexionsangebote noch verstärkt werden könnten (vgl. Armrhein 2011). Praktika stellen jedoch nicht nur eine Lerngelegenheit dar, in der Unterrichtshandeln erprobt und reflektiert werden kann, sondern bieten auch die Möglichkeit, Schule und Unterricht als Forschungsgegenstand in den Blick zu nehmen und beobachtbare soziale Praktiken theoriegeleitet zu reflektieren (vgl. Armrhein 2011). Allerdings ist bei der Realisierung von Ansätzen des forschenden Lernens zu beachten, dass diese „besonderer didaktisch-kreativer Settings“ bedürfen, um tatsächlich wissenschaftlich anspruchsvolle Lernprozesse hervorzubringen (Schneider 2009, 33). Eine weitere Chance bieten praxisbezogene Ausbildungselemente bzw. Ansätze des forschenden Lernens dahingehend, dass sie die institutionelle Vernetzung von Ausbildungsstätte und Schule verstärken und Innovationsprozesse an Schulen anregen können. Diese Aspekte der Netzwerkbildung und innovativen Schulentwicklung zählen ebenfalls zu den zentralen Anliegen einer inklusiven Pädagogik (Seifert & Schuppener 2013).
Konkrete Strukturierungsvorschläge einer „Lehrer_innenbildung für Inklusion“ lassen sich unter folgenden Neustrukturierungsanforderungen zusammenfassen:
Abb. 1: Überlegungen zur Neustrukturierung der Lehrer_innenausbildung für Inklusion (Merz-Atalik 2014, 276)
Strukturen einer grundlegend gemeinsamen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften aller Schularten – in Anbetracht unseres differenzierten und segregierenden Schulsystems – bleiben in Deutschland bislang die Ausnahme. Es gibt jedoch äußerst mutmachende Ansätze in den Bundesländern, wovon einige im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – exemplarisch skizziert werden sollen.
Bezüglich der Erstausbildung von Lehramtsstudierenden lässt sich konstatieren, dass aktuell vorwiegend innerhalb des Studiums der Sonderpädagogik das Thema Inklusion einen inhaltlichen Schwerpunkt der Ausbildung bildet. So belegen beispielsweise Sonderpädagogik-Studierende der Universität Leipzig gleich zu Beginn ihres Studiums ein Modul „Integration/Inklusion und Allgemeine Sonderpädagogik“, welches im Studienverlauf vertieft wird (Schuppener & Seifert 2013).
Die Analyse der EADSNE (Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung 2011, 27) zeigt, dass momentan weniger als 10% der Länder in der allgemeinen Lehrer_innenerstausbildung sonderpädagogische Inhalte anbieten.
Beispielhaft für eine vielversprechende Variante der integrierten Ausbildungsgestaltung ist ein inklusionsspezifisches Modul der Universität Köln, in welchem angehende Lehrkräfte für Regel- und Förderschulen „im Tandem“ Unterrichtsbesuche reflektieren (vgl. Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung 2011, 31). Auch an der Universität Siegen besuchen angehende Lehrkräfte des Primar- und Sekundarbereichs im Kurs „Grundschule-Förderschule – Gemeinsamer Unterricht“ Förder- und Regelschulen und setzen sich mit verschiedenen Formen sonderpädagogischer Förderung in speziellen und allgemeinen Schulen auseinander (vgl. Franzkowiak 2011). Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bietet seit dem Wintersemester 2013/2014 ebenfalls ein Pflichtmodul zur Inklusiven Pädagogik an, was von allen Lehramtsstudierenden besucht wird.
Einige Universitäten sind auf dem Weg zur inklusiven Lehrerbildung bereits einen Schritt weiter und haben studiengangübergreifende Ansätze entwickelt, die darauf abzielen, sicherzustellen, dass relevante inklusive Inhalte in allen Lehramtsstudiengängen durchgängig enthalten sind (Seifert & Schuppener 2013). Seit dem Wintersemester 2011/12 an der Universität Bremen das Studienfach Inklusive Pädagogik im Bachelorstudiengang „Bildungswissenschaften des Primar- und Elementarbereichs“ angeboten. Neben der Inklusiven Pädagogik belegen die Studierenden noch ein großes und ein kleines Fach sowie Erziehungswissenschaften. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählen inklusionspädagogische Grundlagen, inklusive Didaktik, Kooperation und Beratung sowie das Studium von zwei Förderschwerpunkten. Durch das Studium sollen die Studierenden zur Tätigkeit in inklusiven pädagogischen Arbeitsfeldern, insbesondere als Lehrkraft, befähigt werden. Eine Fortsetzung des Studiums der Inklusiven Pädagogik im Master ermöglicht es den Studierenden, eine Doppelqualifizierung zu erwerben, welche sie sowohl für das Lehramt Grundschule als auch für das Lehramt Inklusive Pädagogik/Sonderpädagogik befähigt. Damit wird den Studierenden eine hohe Flexibilität im Arbeitsfeld der schulischen Inklusion ermöglicht (vgl. Universität Bremen 2012).
Die Universität Bielefeld bietet schon seit vielen Jahren den Studiengang „Integrierte Sonderpädagogik“ in dem folgende Lehrämter kombiniert studiert werden: Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen (Lehramt GHR) und Lehramt Sonderpädagogik (Lehramt SP). Hier gibt es Fallstudienmodule, wahlweise Vertiefungsmöglichkeiten, ein studienbegleitendes Portfolio und die Studierenden können sich nach ihrem Studium für eine der studierten Schulformen in der zweiten Ausbildungsphase entscheiden.
An der Universität Potsdam wurde jüngst ein „Studiengang Primarstufe mit dem Schwerpunkt Inklusionspädagogik“ eingerichtet. Hier erwerben Studierende grundlegende Kompetenzen in den Förderschwerpunkten „Sprache“, „Lernen“ und „emotional-soziale Entwicklung“.
An der Universität Hildesheim wurde 2011 in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Zürich der Weiterbildungsstudiengang „Inklusive Pädagogik und Kommunikation“ eingerichtet. Der Master-Studiengang ist modular angelegt und kann berufsbegleitend über zwei Jahre studiert werden. Das Angebot richtet sich nicht nur an Lehrkräfte, sondern auch Schulleitungen, behördliche Vertreter_innen und andere im Bildungsbereich agierende Personen. In den Modulen „Didaktik der Vielfalt“, „Kommunikation, Kooperation, Coaching“ und „Vielfalt in der Schule – Qualität und Steuerung“ sollen Lehrpersonen und Bildungsverantwortliche dazu befähigt werden, den Ansatz der inklusiven Pädagogik anwenden und implementieren zu können (vgl. Universität Hildesheim, 2013).
Die evangelische Hochschule Darmstadt startet im Oktober 2014 mit einem Master-Weiterbildungsstudiengang „Systementwicklung Inklusion“, der sich jedoch übergreifend an Mitarbeiter_innen aus Einrichtungen des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesens richtet und nicht primär/ausschließlich die Lehrer_innenbildung fokussiert (Evangelische Hochschule Darmstadt 2014).
Die Universität Bremen hat beginnend zum Wintersemester 2014/2015 einen berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang „Master of education Inklusive Pädagogik (Sekundarstufe)“ eingerichtet, der sich an Sonderpädagog_innen richtet, die als Lehrkräfte an Bremer Oberschulen tätig sind und sich im Hinblick auf die Lehrbefähigung für das Lehramt Inklusive Pädagogik/Sonderpädagogik weiterbilden möchten (Uni Bremen 2014).
Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Bereich Inklusion werden aktuell vorwiegend oftmals noch mit einer Schwerpunktsetzung auf bestimmte Förderschwerpunkte angeboten (z.B. „Inklusion – Die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit autistischen Störungen im inklusiven Unterricht“ an der Justus-Liebig-Universität Giessen 2013). Hier fehlt es noch an flächendeckenden Angeboten, welche nicht (nur) auf sonderpädagogische Förderschwerpunkte bezogen sind, sondern Vielfalt in ihrer gesamten Breite in den Blick nehmen und stärker auf den konstruktiven Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft ausgerichtet sind.
Der Zertifikatskurs „Integrativer Unterricht“ wird in Sachsen seit Februar 2011 von der Hochschule Zittau/Görlitz angeboten (Hochschule Zittau/Görlitz, 2011). Die Fortbildung erstreckt sich über einen Zeitraum von zwei Jahren (insgesamt 360 Stunden) und wird in jeweils acht Blockwochen absolviert (vgl. Staatsministerium für Kultus und Sport. Freistaat Sachsen 2009, 10). Das Angebot richtet sich an Grundschul-, Mittelschul-, Gymnasiallehrer_innen und Lehrer_innen an Berufsbildenden Schulen. Ausbildungsschwerpunkte bilden praxisrelevante Handlungsfelder der Integration, wie Beratung, Kooperation, Diagnostik und Didaktik des gemeinsamen Unterrichts (Hochschule Zittau/Görlitz, 2011).
Im Zuge der Einführung der inklusiven Grundschule in Berlin-Brandenburg im Schuljahr 2012/13 werden für die Lehrkräfte der Pilotschulen gezielte Fortbildungen angeboten (MBJS 2013). Die unterschiedlichen Erfahrungen und Voraussetzungen der Lehrkräfte werden von den für die Fortbildung zuständigen Beraterinnen berücksichtigt, indem aus den modularen Ausbildungsmodulen für die nachfragende Schule „maßgeschneiderte Fortbildungsprogramme“ zusammengestellt werden (LISUM 2012, 8). Das Qualifizierungsangebot basiert auf einem Curriculum des Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM), umfasst 60 Stunden und ist auf insgesamt 18 Monate angelegt. Um den individuellen Bedürfnissen einzelner Lehrkräfte Rechnung zu tragen, werden im regionalen Bereich verschiedene Fortbildungsangebote entsprechend der Dimensionen des Index für Inklusion (Boban & Hinz 2003) (Inklusive Kulturen schaffen, Inklusive Strukturen etablieren, Inklusive Praktiken entwickeln) angeboten (Regionale Modulkarte).
Grundsätzlich gilt es, alle Akteur_innen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung stärker in einen Theorie-Praxis-Diskurs einzubeziehen. Hierfür könnten beispielsweise Lehrkräfte aus der Schulpraxis häufiger in Forschungsprojekte einbezogen werden. Ergebnis kann hier u.a. der Neuentwurf von theoretischen Modellen zum Kompetenzerwerb in inklusiven Settings sein. Ein Ziel wäre in Folge dessen eine Umsetzung von „Inklusiven Kompetenzmodellen“ in empirisch prüfbare Modelle und Messverfahren im Bereich der Theorieentwicklung. Der Bereich der Praxis profitiert hiervon, in dem z.B. Gütesiegel für empirisch geprüfte und positiv evaluierte Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote vergeben werden können, die eine bundesweite Vergleichbarkeit zulassen und als Qualitätsgaranten mit Nachhaltigkeitsnachweis gelten (Seifert & Schuppener 2013, 185). Insgesamt bleibt zu hoffen, das Beispiele gemeinsamer Lehrer_innenaus-, fort- und -weiterbildungsstrukturen unter dem Anspruch der Inklusion in Orientierung an dem entwickelten Modell der EADSNE perspektivisch in Deutschland zunehmen und weiter ausgebaut werden.
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